Rechtliche Qualifikation der Versorgertaxen

Kapitelnr.
12.2.01.
Publikationsdatum
3. Januar 2018
Kapitel
12 Stationäre Massnahmen
Unterkapitel
12.2. Massnahmen für Kinder/Jugendliche

Rechtsgrundlagen

Gesetz über die Jugendheime und die Pflegekinderfürsorge vom 1. April 1962, LS 852.2 Verordnung über die Jugendheime vom 4. Oktober 1962, LS 852.21 Volksschulgesetz vom 7. Februar 2005, LS 412.100 Verordnung über die Finanzierung der Sonderschulung vom 5. Dezember 2007 (VFiSo), LS 412.106 Interkantonale Vereinbarung für soziale Einrichtungen vom 13. Dezember 2002 (IVSE)

Erläuterungen

1.Platzierungen in Schulheime

Mit dem Inkrafttreten der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwi-schen Bund und Kantonen (NFA) hat sich die Invalidenversicherung aus dem Bereich der Sonderpädagogik zurückgezogen. Die fachliche, organisatorische und finanzielle Verantwor-tung für die sonderpädagogischen Massnahmen wurde damit auf diesen Zeitpunkt vollstän-dig den Kantonen übertragen. Im Zuge der Umsetzung der NFA hat der Regierungsrat am 5. Dezember 2007 die Verord-nung über die Finanzierung der Sonderschulung (VFiSo; LS 412.106) beschlossen. Diese regelt nicht nur die Finanzierung der Sonderschulen (Tagessonderschulen), sondern auch diejenige der Schulheime (Heime mit interner Sonderschule). Letztere wurden im Bereich der stationären Unterbringung der Kinder bisher weitgehend nach dem gleichen System finan-ziert wie die Kinder- und Jugendheime. Damit diese einheitliche Finanzierungsregelung im Bereich der stationären Massnahmen beibehalten werden kann, wurde gleichzeitig mit dem Erlass der VFiSo auch eine Teiländerung der Verordnung über die Jugendheime vom 4. Ok-tober 1962 (LS 852.21) vorgenommen (vgl. alt§§ 18 ff. Verordnung über die Jugendheime). Gemäss § 64 Abs. 1 VSG trägt die Wohngemeinde der Eltern die Kosten der Sonderschu-lung. Darunter fallen die Kosten für Unterricht, Therapien, Erziehung und Betreuung, Schul-weg und Unterkunft in Sonderschulen und Schulheimen sowie die Kosten des Einzelunter-richts und für den Unterricht in Spitalschulen. Von den Eltern werden in der Regel Beiträge an die Verpflegungskosten erhoben (§ 64 Abs. 2 VSG). In Ausführung dieser Bestimmung regelt § 4 der Verordnung über die Finanzierung der Sonderschulung die Aufteilung der Kos-ten von stationären Massnahmen zwischen der Schulgemeinde und der politischen Gemein-de. Erfolgt eine Platzierung aus schulischen und aus sozialen Gründen oder sind die Gründe für die Einweisung nicht eindeutig feststellbar, trägt die Schulgemeinde die Hälfte der ge-samthaft anfallenden Kosten. Die andere Hälfte geht zulasten der politischen Gemeinde. Dass nicht das platzierte Kind bzw. dessen Eltern, sondern die Wohngemeinde der Eltern Schuldnerin der betreffenden Leistung ist, hat das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit seinem Entscheid vom 8. Januar 2014, VB.2013.00498, bestätigt. Darin hat es festgehal-

ten, dass die Kostenpflicht für die Versorgertaxe nach der gesetzlichen Regelung immer das Gemeinwesen trifft. Die Kosten für die Unterbringung in einem Schulheim haben somit nur im Rahmen des Verpflegungsbeitrags Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähig-keit der betroffenen Schüler und Schülerinnen bzw. ihrer Eltern. Die darüber hinaus anfallen-den Kosten stellen deshalb keine wirtschaftliche Hilfe im Sinn des Sozialhilfegesetzes dar (E. 3.3).

2.Innerkantonale Platzierungen in beitragsberechtigte Zürcher Kinder und Ju-gendheime

Eine innerkantonale Platzierung liegt vor, wenn das Kind seinen zivilrechtlichen Wohnsitz im Kanton Zürich hat und in einem beitragsberechtigten Zürcher Kinder- und Jugendheim un-tergebracht wird. Mit der Änderung des Gesetzes über die Jugendheime und die Pflegekinderfürsorge vom 23. Januar 2017 (Jugendheimgesetz) sind ab dem 1. Januar 2018 die Eltern des in ein bei-tragsberechtigtes Zürcher Kinder- und Jugendheim platzierten Kindes Schuldner der von der Bildungsdirektion festgelegten Versorgertaxen. Sind sie nicht in der Lage, die anfallenden Kosten vollumfänglich zu tragen, trägt die gemäss Sozialhilfegesetzgebung zuständige Ge-meinde die Kosten (§ 3b Jugendheimgesetz). Bei Kindern, die lediglich vorübergehend nicht mit den Eltern zusammenleben, richtet sich die sozialhilferechtliche Zuständigkeit nach § 37 Abs. 1 und 2 SHG bzw. Art. 7 Abs. 1 und 2 ZUG (vgl. Kapitel 3.2.03, Ziffern 1 und 2). In der Regel befinden sich in diesen Fällen der zi-vilrechtliche Wohnsitz und der Unterstützungswohnsitz des Kindes am gleichen Ort. Kinder, die auf Dauer nicht mit den Eltern zusammenleben, haben ihren Unterstützungs-wohnsitz dort, wo sie unmittelbar vor der dauernden Fremdplatzierung mit den Eltern bzw. dem/einem (sorgeberechtigten) Elternteil zusammengelebt haben (§ 37 Abs. 3 lit. c SHG und Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG; vgl. auch Kapitel 3.2.03, Ziffer 3.3). In diesen Fällen kann es vor-kommen, dass die Zuständigkeit für die Ausrichtung von Sozialhilfe am Unterstützungs-wohnsitz des Kindes und sein zivilrechtlicher Wohnsitz auseinanderfallen. Befindet sich der Unterstützungswohnsitz des Kindes gestützt auf Art. 7 ZUG in einem anderen Kanton, liegt auch die sozialhilferechtliche Zuständigkeit für die Finanzierung der Versorgertaxen aus-serhalb des Kantons Zürich. Weder die Zürcher Gemeinden noch das Kantonale Sozialamt sind also für die Behandlung solcher Unterstützungsgesuche oder für die Finanzierung der Versorgertaxen im Rahmen der ordentlichen Sozialhilfe zuständig. Die Eltern bzw. die Bei-ständinnen und Beistände der Kinder müssen die Übernahme der nicht gedeckten Versor-gertaxen beim ausserkantonalen Unterstützungswohnsitz beantragen.

3.Ausserkantonale Platzierungen in IVSE-Einrichtungen

Eine ausserkantonale Platzierung liegt vor, wenn sich der zivilrechtliche Wohnsitz des Kin-des und der Standort des Heims, in welchem das Kind platziert ist, nicht im gleichen Kanton befinden. Ist das Heim IVSE-anerkannt, spricht man von einer ausserkantonalen IVSE-Platzierung.

Die IVSE regelt im Bereich A die Leistungsabgeltung zwischen den Kantonen in Bezug auf Platzierungen in Kinder- und Jugendheime. Dem Bereich A sind alle Kantone beigetreten. Die IVSE regelt das Aussenverhältnis zwischen den Kantonen. Wie der Kanton sich im In-nern organisiert, ist seine Angelegenheit (vgl. Kommentar zur Interkantonalen Vereinbarung für soziale Einrichtungen (IVSE-Kommentar) zu Art. 1 Abs. 1). Geregelt ist die Leistungsab-geltung in Art. 19 ff. IVSE. Der Betrag der Leistungsabgeltung wird durch die Kostenüber-nahmegarantie (KÜG) garantiert (Art. 19 und Art. 26 f. IVSE). Der Zürcher Gesetzgeber hat mit den Anpassungen des Jugendheimgesetzes per 1. Januar 2018 neu geregelt, dass die Eltern auch bei ausserkantonalen Platzierungen die Versorger-taxen zu tragen haben. Können die Eltern für die Versorgertaxen nicht selbst aufkommen, trägt die gemäss Sozialhilfegesetzgebung zuständige Gemeinde die Kosten. Liegt die sozialhilferechtliche Zuständigkeit für das Kind im Kanton Zürich, hat der zürcheri-sche Unterstützungswohnsitz des Kindes Kostengutsprache für die Versorgertaxen zu leis-ten. Wie die Finanzierung bei einer IVSE-Platzierung erfolgt, wenn sich der Unterstützungs-wohnsitz des Kindes in einem anderen Kanton befindet und Art. 22 IVSE zur Anwendung kommt, wonach über die Sozialhilfe nur die mittleren Tagesaufwendungen für Kost und Logis einer Person in einfachen Verhältnissen finanziert werden können (gemäss Kommentar zur IVSE Fr. 25 bis Fr. 30 pro Tag), ist derzeit bei der Bildungsdirektion in Klärung. Bei Platzierungen in IVSE-anerkannte Schulheime gilt Folgendes: Übernimmt der Kanton gestützt auf § 65a VSG anstelle der Gemeinden die Kosten für die Erfüllung der Schulpflicht, verrechnet er diese gemäss § 67a VSG den Gemeinden weiter. Die von der Bildungsdirekti-on festgelegten Versorgertaxen sind somit gestützt auf § 4 Abs. 1 VFiSo von der Zürcher Schulgemeinde und der zivilrechtlichen Wohngemeinde der Eltern zu tragen. Der Kanton übernimmt gestützt auf § 65a VSG allfällige die Zürcher Versorgertaxen übersteigenden Platzierungskosten als Restdefizit bzw. Defizitüberschuss.

Rechtsprechung

VB.2013.00489: Nach § 64 Abs. 1 VSG trägt die Wohngemeinde der Eltern die Kosten der Sonderschulung; von den Eltern sind in der Regel Beiträge an die Verpflegungskosten zu er-heben (E. 3.1). Der Begriff der "Wohngemeinde" umfasst die Schul- und die politische Ge-meinde (E. 3.2). Die Kostenpflicht für die Versorgertaxe trifft nach der gesetzlichen Regelung immer das Gemeinwesen. Die Kosten für die Unterbringung in einem Schulheim haben somit nur im Rahmen des Verpflegungsbeitrags Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfä-higkeit der betroffenen Schüler und Schülerinnen bzw. ihrer Eltern. Die darüber hinaus anfal-lenden Kosten stellen deshalb keine wirtschaftliche Hilfe im Sinn des Sozialhilfegesetzes dar (E. 3.3). § 64 VSG verstösst nicht gegen Bundesrecht (E. 3.4). Zulässigkeit der Praxisände-rung (E. 4). Abweisung. VK.2008.00001: Die in der Verordnung über die Finanzierung der Sonderschulung vorgese-hene Regelung der Aufteilung der Fremdplatzierungskosten zwischen Schulgemeinde und politischer Gemeinde ist mit dem neuen Volksschulgesetz vereinbar und kann sich darauf abstützen.

VK.2009.00003: Frage offen gelassen, ob hinsichtlich des hälftigen Anteils nach § 4 Abs. 1 lit. b Verordnung über die Finanzierung der Sonderschulung Regeln des Sozialhilferechts zur Anwendung gelangen. VK.2009.00005:Die Praxis des Verwaltungsgerichts, wonach es sich empfiehlt, bei der Beur-teilung der Fremdplatzierungsgründe auf die Einschätzung der als erste aktiv gewordenen Behörde abzustellen, gilt weiterhin.

Praxishilfen

Kontakt

Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe

E-Mail

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Für Fragen zur Interinstitutionellen Zusammenarbeit: iiz@sa.zh.ch


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