Rechtliche Qualifikation der Versorgertaxen

Kapitelnr.
12.2.01.
Publikationsdatum
6. Januar 2021
Kapitel
12 Stationäre Massnahmen
Unterkapitel
12.2. Massnahmen für Kinder/Jugendliche
Aufhebungsdatum
31. Dezember 2021

Rechtsgrundlagen

Hinweis

Mit Inkrafttreten des neuen Kinder- und Jugendheimgesetzes (KJG) per 1. Januar 2022 wurden die bisherigen Unterkapitel von 12.2  aufgehoben und ersetzt durch Unterkapitel, die die neue Rechtslage abbilden. Bitte beachten Sie, dass das Kapitel 12.2 eine neue Struktur hat. 

Erläuterungen

1.Platzierungen in Schulheime

Mit dem Inkrafttreten der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) hat sich die Invalidenversicherung aus dem Bereich der Sonderpädagogik zurückgezogen. Die fachliche, organisatorische und finanzielle Verantwortung für die sonderpädagogischen Massnahmen wurde damit auf diesen Zeitpunkt vollständig den Kantonen übertragen.

Im Zuge der Umsetzung der NFA hat der Regierungsrat am 5. Dezember 2007 die Verordnung über die Finanzierung der Sonderschulung (VFiSo; LS 412.106) beschlossen. Diese regelt nicht nur die Finanzierung der Sonderschulen (Tagessonderschulen), sondern auch diejenige der Schulheime (Heime mit interner Sonderschule). Letztere wurden im Bereich der stationären Unterbringung der Kinder bisher weitgehend nach dem gleichen System finanziert wie die Kinder- und Jugendheime. Damit diese einheitliche Finanzierungsregelung im Bereich der stationären Massnahmen beibehalten werden kann, wurde gleichzeitig mit dem Erlass der VFiSo auch eine Teiländerung der Verordnung über die Jugendheime vom 4. Oktober 1962 (LS 852.21) vorgenommen (vgl. alt§§ 18 ff. Verordnung über die Jugendheime).

Gemäss § 64 Abs. 1 VSG trägt die Wohngemeinde der Eltern die Kosten der Sonderschulung. Darunter fallen die Kosten für Unterricht, Therapien, Erziehung und Betreuung, Schulweg und Unterkunft in Sonderschulen und Schulheimen sowie die Kosten des Einzelunterrichts und für den Unterricht in Spitalschulen. Von den Eltern werden in der Regel Beiträge an die Verpflegungskosten erhoben (§ 64 Abs. 2 VSG). In Ausführung dieser Bestimmung regelt § 4 der Verordnung über die Finanzierung der Sonderschulung die Aufteilung der Kosten von stationären Massnahmen zwischen der Schulgemeinde und der politischen Gemeinde. Erfolgt eine Platzierung aus schulischen und aus sozialen Gründen oder sind die Gründe für die Einweisung nicht eindeutig feststellbar, trägt die Schulgemeinde die Hälfte der gesamthaft anfallenden Kosten. Die andere Hälfte geht zulasten der politischen Gemeinde.

Dass nicht das platzierte Kind bzw. dessen Eltern, sondern die Wohngemeinde der Eltern Schuldnerin der betreffenden Leistung ist, hat das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit seinem Entscheid vom 8. Januar 2014, VB.2013.00498, bestätigt. Darin hat es festgehalten, dass die Kostenpflicht für die Versorgertaxe nach der gesetzlichen Regelung immer das Gemeinwesen trifft. Die Kosten für die Unterbringung in einem Schulheim haben somit nur im Rahmen des Verpflegungsbeitrags Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betroffenen Schüler und Schülerinnen bzw. ihrer Eltern. Die darüber hinaus anfallenden Kosten stellen deshalb keine wirtschaftliche Hilfe im Sinn des Sozialhilfegesetzes dar (E. 3.3).

2.Innerkantonale Platzierungen in beitragsberechtigte Zürcher Kinder und Jugendheime

Eine innerkantonale Platzierung liegt vor, wenn das Kind seinen zivilrechtlichen Wohnsitz im Kanton Zürich hat und in einem beitragsberechtigten Zürcher Kinder- und Jugendheim untergebracht wird.

Mit der Änderung des Gesetzes über die Jugendheime und die Pflegekinderfürsorge vom 23. Januar 2017 (Jugendheimgesetz) sind ab dem 1. Januar 2018 die Eltern des in ein beitragsberechtigtes Zürcher Kinder- und Jugendheim platzierten Kindes Schuldner der von der Bildungsdirektion festgelegten Versorgertaxen. Sind sie nicht in der Lage, die anfallenden Kosten vollumfänglich zu tragen, trägt die gemäss Sozialhilfegesetzgebung zuständige Gemeinde die Kosten (§ 3b Jugendheimgesetz).

Bei Kindern, die lediglich vorübergehend nicht mit den Eltern zusammenleben, richtet sich die sozialhilferechtliche Zuständigkeit nach § 37 Abs. 1 und 2 SHG bzw. Art. 7 Abs. 1 und 2 ZUG (vgl. Kapitel 3.2.03, Ziffern 1 und 2). In der Regel befinden sich in diesen Fällen der zivilrechtliche Wohnsitz und der Unterstützungswohnsitz des Kindes am gleichen Ort.

Kinder, die auf Dauer nicht mit den Eltern zusammenleben, haben ihren Unterstützungswohnsitz dort, wo sie unmittelbar vor der dauernden Fremdplatzierung mit den Eltern bzw. dem/einem (sorgeberechtigten) Elternteil zusammengelebt haben (§ 37 Abs. 3 lit. c SHG und Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG; vgl. auch Kapitel 3.2.03, Ziffer 3.3). In diesen Fällen kann es vorkommen, dass die Zuständigkeit für die Ausrichtung von Sozialhilfe am Unterstützungswohnsitz des Kindes und sein zivilrechtlicher Wohnsitz auseinanderfallen. Befindet sich der Unterstützungswohnsitz des Kindes gestützt auf Art. 7 ZUG in einem anderen Kanton, liegt auch die sozialhilferechtliche Zuständigkeit für die Finanzierung der Versorgertaxen ausserhalb des Kantons Zürich. Weder die Zürcher Gemeinden noch das Kantonale Sozialamt sind also für die Behandlung solcher Unterstützungsgesuche oder für die Finanzierung der Versorgertaxen im Rahmen der ordentlichen Sozialhilfe zuständig. Die Eltern bzw. die Beiständinnen und Beistände der Kinder müssen die Übernahme der nicht gedeckten Versorgertaxen beim ausserkantonalen Unterstützungswohnsitz beantragen.

3.Ausserkantonale Platzierungen in IVSE-Einrichtungen

Eine ausserkantonale Platzierung liegt vor, wenn sich der zivilrechtliche Wohnsitz des Kindes und der Standort des Heims, in welchem das Kind platziert ist, nicht im gleichen Kanton befinden. Ist das Heim IVSE-anerkannt, spricht man von einer ausserkantonalen IVSE-Platzierung.

Die IVSE regelt im Bereich A die Leistungsabgeltung zwischen den Kantonen in Bezug auf Platzierungen in Kinder- und Jugendheime. Dem Bereich A sind alle Kantone beigetreten. Die IVSE regelt das Aussenverhältnis zwischen den Kantonen. Wie der Kanton sich im Innern organisiert, ist seine Angelegenheit (vgl. Kommentar zur Interkantonalen Vereinbarung für soziale Einrichtungen (IVSE-Kommentar) zu Art. 1 Abs. 1). Geregelt ist die Leistungsabgeltung in Art. 19 ff. IVSE. Der Betrag der Leistungsabgeltung wird durch die Kostenübernahmegarantie (KÜG) garantiert (Art. 19 und Art. 26 f. IVSE).

Der Zürcher Gesetzgeber hat mit den Anpassungen des Jugendheimgesetzes per 1. Januar 2018 neu geregelt, dass die Eltern auch bei ausserkantonalen Platzierungen die Versorgertaxen zu tragen haben. Können die Eltern für die Versorgertaxen nicht selbst aufkommen, trägt die gemäss Sozialhilfegesetzgebung zuständige Gemeinde die Kosten.

Liegt die sozialhilferechtliche Zuständigkeit für das Kind im Kanton Zürich, hat der zürcherische Unterstützungswohnsitz des Kindes Kostengutsprache für die Versorgertaxen zu leisten. Befindet sich der Unterstützungswohnsitz des Kindes aber in einem anderen Kanton, kommt Art. 22 IVSE zur Anwendung. Gemäss dieser Bestimmung können lediglich die Beiträge der Unterhaltspflichtigen, welche den mittleren Tagesaufwendungen für Kost und Logis für eine Person in einfachen Verhältnissen entsprechen, über die Sozialhilfe finanziert werden. Gemäss IVSE-Kommentar zu Artikel 22 IVSE liegt der Beitrag des Unterhaltspflichtigen zwischen Fr. 25.-- und Fr. 30.-- pro Tag. Der für die Ausrichtung der Sozialhilfe zuständige ausserkantonale Unterstützungswohnsitz muss damit lediglich über diesen Betrag Kostengutsprache leisten. Die darüberhinausgehenden Kosten trägt das Amt für Jugend und Berufsberatung, welches die Kostenübernahmegarantie gemäss Art. 19 IVSE geleistet hat.

Anders präsentiert sich die Situation bei Platzierungen in IVSE-anerkannte Schulheime. Übernimmt der Kanton gestützt auf § 65a VSG anstelle der Gemeinden die Kosten für die Erfüllung der Schulpflicht, verrechnet er diese gemäss § 67a VSG den Gemeinden weiter. Die von der Bildungsdirektion festgelegten Versorgertaxen sind somit gestützt auf § 4 Abs. 1 VFiSo von der Zürcher Schulgemeinde und der zivilrechtlichen Wohngemeinde der Eltern zu tragen. Der Kanton übernimmt gestützt auf § 65a VSG allfällige die Zürcher Versorgertaxen übersteigenden Platzierungskosten als Restdefizit bzw. Defizitüberschuss.

Rechtsprechung

VB.2013.00489: Nach § 64 Abs. 1 VSG trägt die Wohngemeinde der Eltern die Kosten der Sonderschulung; von den Eltern sind in der Regel Beiträge an die Verpflegungskosten zu erheben (E. 3.1). Der Begriff der «Wohngemeinde» umfasst die Schul- und die politische Gemeinde (E. 3.2). Die Kostenpflicht für die Versorgertaxe trifft nach der gesetzlichen Regelung immer das Gemeinwesen. Die Kosten für die Unterbringung in einem Schulheim haben somit nur im Rahmen des Verpflegungsbeitrags Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betroffenen Schüler und Schülerinnen bzw. ihrer Eltern. Die darüber hinaus anfallenden Kosten stellen deshalb keine wirtschaftliche Hilfe im Sinn des Sozialhilfegesetzes dar (E. 3.3). § 64 VSG verstösst nicht gegen Bundesrecht (E. 3.4). Zulässigkeit der Praxisänderung (E. 4). Abweisung.

VK.2008.00001: Die in der Verordnung über die Finanzierung der Sonderschulung vorgesehene Regelung der Aufteilung der Fremdplatzierungskosten zwischen Schulgemeinde und politischer Gemeinde ist mit dem neuen Volksschulgesetz vereinbar und kann sich darauf abstützen.

VK.2009.00003: Frage offen gelassen, ob hinsichtlich des hälftigen Anteils nach § 4 Abs. 1 lit. b Verordnung über die Finanzierung der Sonderschulung Regeln des Sozialhilferechts zur Anwendung gelangen.

VK.2009.00005:Die Praxis des Verwaltungsgerichts, wonach es sich empfiehlt, bei der Beurteilung der Fremdplatzierungsgründe auf die Einschätzung der als erste aktiv gewordenen Behörde abzustellen, gilt weiterhin.


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Kontakt

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