Rechtliche Qualifikation der Versorgertaxen

Kapitelnr.
12.2.01.
Publikationsdatum
19. September 2016
Kapitel
12 Stationäre Massnahmen
Unterkapitel
12.2. Massnahmen für Kinder/Jugendliche

Rechtsgrundlagen

Gesetz über die Jugendheime und die Pflegekinderfürsorge vom 1. April 1962, LS 852.2 Verordnung über die Jugendheime vom 4. Oktober 1962, LS 852.21 Volksschulgesetz vom 7. Februar 2005, LS 412.100 Verordnung über die Finanzierung der Sonderschulung vom 5. Dezember 2007, LS 412.106

Erläuterungen

1.Platzierungen in Schulheime

Mit dem Inkrafttreten der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwi-schen Bund und Kantonen (NFA) hat sich die Invalidenversicherung aus dem Bereich der Sonderpädagogik zurückgezogen. Die fachliche, organisatorische und finanzielle Verantwor-tung für die sonderpädagogischen Massnahmen wurde damit auf diesen Zeitpunkt vollstän-dig den Kantonen übertragen. Im Zuge der Umsetzung der NFA hat der Regierungsrat am 5. Dezember 2007 die Verord-nung über die Finanzierung der Sonderschulung (LS 412.106) beschlossen. Diese regelt nicht nur die Finanzierung der Sonderschulen (Tagessonderschulen), sondern auch diejeni-ge der Schulheime (Heime mit interner Sonderschule). Letztere wurden im Bereich der stati-onären Unterbringung der Kinder bisher weitgehend nach dem gleichen System finanziert wie die Kinder- und Jugendheime. Damit diese einheitliche Finanzierungsregelung im Be-reich der stationären Massnahmen beibehalten werden kann, wurde gleichzeitig mit dem Er-lass der Verordnung über die Finanzierung der Sonderschulung auch eine Teiländerung der Verordnung über die Jugendheime vom 4. Oktober 1962 (LS 852.21) vorgenommen (vgl. alt§§ 18 ff. Verordnung über die Jugendheime). Gemäss § 64 Abs. 1 VSG trägt die Wohngemeinde der Eltern die Kosten der Sonderschu-lung. Darunter fallen die Kosten für Unterricht, Therapien, Erziehung und Betreuung, Schul-weg und Unterkunft in Sonderschulen und Schulheimen sowie die Kosten des Einzelunter-richts und für den Unterricht in Spitalschulen. Von den Eltern werden in der Regel Beiträge an die Verpflegungskosten erhoben (§ 64 Abs. 2 VSG). In Ausführung dieser Bestimmung regelt § 4 der Verordnung über die Finanzierung der Sonderschulung die Aufteilung der Kos-ten von stationären Massnahmen zwischen der Schulgemeinde und der politischen Gemein-de. Erfolgt eine Platzierung aus schulischen und aus sozialen Gründen oder sind die Gründe für die Einweisung nicht eindeutig feststellbar, trägt die Schulgemeinde die Hälfte der ge-samthaft anfallenden Kosten. Die andere Hälfte geht zulasten der politischen Gemeinde. Dass nicht das platzierte Kind bzw. dessen Eltern, sondern die Wohngemeinde der Eltern Schuldnerin der betreffenden Leistung ist, hat das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit seinem Entscheid vom 8. Januar 2014, VB.2013.00498, bestätigt. Darin hat es festgehal-ten, dass die Kostenpflicht für die Versorgertaxe nach der gesetzlichen Regelung immer das

Gemeinwesen trifft. Die Kosten für die Unterbringung in einem Schulheim haben somit nur im Rahmen des Verpflegungsbeitrags Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähig-keit der betroffenen Schüler und Schülerinnen bzw. ihrer Eltern. Die darüber hinaus anfallen-den Kosten stellen deshalb keine wirtschaftliche Hilfe im Sinn des Sozialhilfegesetzes dar (E. 3.3).

2.Innerkantonale Platzierungen in beitragsberechtigte Zürcher Kinder und Ju-gendheime

In seinem Urteil vom 9. Juli 2014 (VB.2014.00054) hatte das Verwaltungsgericht des Kan-tons Zürich unter anderem erwogen, dass die Eltern und damit subsidiär der Unterstüt-zungswohnsitz des Kindes für die Mindestversorgertaxen aufzukommen hätten. Diese Erwä-gung hat das Bundesgericht in seinem Urteil 8C_709/2015 vom 17. Juni 2016 als bundes-rechtswidrig qualifiziert: Die gestützt auf das Gesetz über die Jugendheime und die Pflege-kinderfürsorge und die Verordnung über die Jugendheime erhobenen Mindestversorgertaxen seien als Subventionen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. a ZUG zu qualifizieren und nicht von den Eltern zu tragen. Damit können die Mindestversorgertaxen auch nicht subsidiär aus So-zialhilfemitteln oder über die Zusatzleistungen zur AHV/IV finanziert werden.

3.Ausserkantonale Platzierungen in IVSE-Einrichtungen

Im Geltungsbereich der IVSE setzt sich die Abgeltung der Leistungen der Einrichtung aus ei-nem Subventionsteil (Versorgertaxen und Defizitüberschuss) und aus einem Beitrag der Un-terhaltspflichtigen (BU) zusammen. Geregelt ist die Leistungsabgeltung in Art. 19 ff. IVSE. Der Betrag der Leistungsabgeltung wird durch die Kostenübernahmegarantie (KÜG) garan-tiert (Art. 26 f. IVSE). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich (vgl. VK.2013.00002, VB.2013.00571, VB.2015.00607) ist der Subventionsteil (Versorgertaxen und Defizitüberschuss) gestützt auf § 9b Gesetz über die Jugendheime und die Pflegekinder-fürsorge vom Kanton zu bezahlen. Zuständig für die Kostenübernahme ist das Amt für Ju-gend und Berufsberatung.

Rechtsprechung

8C_709/2015: In E. 5.3 des Entscheids VB.2014.00054 vom 9. Juli 2014 hält die Vorinstanz fest, das Jugendheimgesetz regle im Wesentlichen die kantonalen Staatsbeiträge an Ju-gendheime; wer für die vom Kanton nicht übernommenen Kosten zuständig sei, gehe aus diesem Gesetz nicht hervor. Die Mindestversorgertaxe könne nicht den einweisenden Ge-meinden auferlegt werden, da die entsprechende Norm in der Jugendheimverordnung keine genügende gesetzliche Grundlage darstelle (E. 5.4.4 dieses Entscheids); diese seien auch nicht vom Kanton, sondern von den Eltern im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht nach Art. 276 ZGB zu übernehmen (E. 6.4 und 6.5 dieses Entscheids). Diese Schlussfolgerung ist bundes-rechtswidrig. Denn staatliche Beiträge wie die Mindestversorgertaxe werden, selbst für den

Fall, dass sich eine öffentlich-rechtliche Norm als ungenügende gesetzliche Grundlage zur Überwälzung dieser Kosten auf die Gemeinden erweisen sollte, nicht einfach zu Kosten, die dem Bürger (hier den Eltern nach Art. 276 ZGB) auferlegt werden können. Besteht nach kan-tonalem Recht keine genügende gesetzliche Grundlage für die Zuteilung staatlicher Kosten an ein anderes Gemeinwesen, verbleiben diese vielmehr beim für die Erfüllung dieser Auf-gabe zuständigen Kanton (vgl. hier Art. 112 der Zürcher Verfassung vom 27. Februar 2005 [LS 101]). Die Mindestversorgertaxen als staatliche Beiträge haben ihre gesetzliche Grund-lage im Kapitel C. "Staatsbeiträge", welches §§ 7 bis 9b Jugendheimgesetz umfasst. Träger von Heimen, die dem Jugendheimgesetz unterstehen, können Gemeinden sowie private Trägerschaften sein (§ 7 Abs. 1 und 2 Jugendheimgesetz). Mithin geht es bei diesen Beiträ-gen um geldwerte Vorteile (Zahlungen), mit welchen die Empfänger zu einem Verhalten im öffentlichen Interesse (Führung von Jugendheimen) verhalten werden sollen, sprich um Sub-ventionen im Sinne des Bundesrechts (vgl. zum Begriff E. 7.3). Weiter verpflichtet § 14 Abs. 1 Jugendheimverordnung das Amt für Jugend und Berufsberatung zur Leistung von Kostenanteilen für den Heimaufenthalt von Kindern und Jugendlichen mit Wohnsitz im Kan-ton Zürich und auch § 19 Jugendheimverordnung steht unter dem Titel "Kostenanteile". Die nach kantonal-zürcherischem Recht als Kostenanteile qualifizierten staatlichen Beiträge sind bundesrechtlich als Subventionen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. a ZUG zu qualifizieren (E. 8). Eine Weiterverrechnung nach ZUG ist damit ausgeschlossen. VB.2015.00607: Nach der Interkantonalen Vereinbarung für soziale Einrichtungen (IVSE) sind die Kosten für die Unterbringung in einem ausserkantonalen Heim - mit Ausnahme des Kostgelds - durch Beiträge aus dem Wohnsitzkanton zu decken; welches Gemeinwesen in-nerkantonal kostenpflichtig ist, regelt die IVSE nicht (E. 2.2). Gemäss § 9b JugendheimeG sind diese Beiträge vom Staat zu tragen und gelten nicht als öffentliche Unterstützung. Aufgrund dieser innerkantonalen gesetzlichen Regelung muss der Kanton Zürich die gemäss IVSE vom Wohnsitzkanton zu tragenden Beiträge vollständig übernehmen. Die in der Praxis vorgenommene Unterscheidung zwischen einer von den un-terstützungspflichtigen Personen bzw. der Gemeinde am Unterstützungswohnsitz zu tragen-den Versorgertaxe und dem vom Kanton zu tragenden Restkostendefizit widerspricht der gesetzlichen Bestimmung. Mit Ausnahme des Kostgelds besteht deshalb kein Raum für eine Beteiligung der unterstützungspflichtigen Personen bzw. der Gemeinde am Unterstützungs-wohnsitz (E. 2.3). Das Bundesgericht ist auf eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen diesen Entscheid am 08.04.2016 (2C_20/2016) nicht eingetreten. VB.2013.00571: Nach der bis Ende 2007 in Kraft befindlichen Interkantonalen Heimvereinba-rung trägt der Wohnsitzkanton die Nettotageskosten für in einem Heim ausserhalb des Kan-tons Untergebrachte, abzüglich eines den Eltern zu belastenden Kostgelds. Nach § 9b Ju-gendheimeG sind diese Beiträge vom "Staat" zu tragen und gelten nicht als öffentliche Un-terstützung. Die in der Praxis vorgenommene Unterscheidung in eine von den Gemeinden zu zahlende Versorgertaxe und die vom Kanton zu übernehmenden Resttageskosten ist ge-setzlich nicht vorgesehen (E. 2.2 f.). Der Begriff "Staat" in § 9b JugenheimeG ist so auszulegen, dass damit der Kanton Zürich gemeint ist; eine Verpflichtung der Gemeinden, einen Teil der kantonalen Beiträge an eine Heimeinweisung zu übernehmen, lässt sich dem JugendheimeG nicht entnehmen (E. 2.4).

VB.2013.00489: Nach § 64 Abs. 1 VSG trägt die Wohngemeinde der Eltern die Kosten der Sonderschulung; von den Eltern sind in der Regel Beiträge an die Verpflegungskosten zu er-heben (E. 3.1). Der Begriff der "Wohngemeinde" umfasst die Schul- und die politische Ge-meinde (E. 3.2). Die Kostenpflicht für die Versorgertaxe trifft nach der gesetzlichen Regelung immer das Gemeinwesen. Die Kosten für die Unterbringung in einem Schulheim haben somit nur im Rahmen des Verpflegungsbeitrags Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfä-higkeit der betroffenen Schüler und Schülerinnen bzw. ihrer Eltern. Die darüber hinaus anfal-lenden Kosten stellen deshalb keine wirtschaftliche Hilfe im Sinn des Sozialhilfegesetzes dar (E. 3.3). § 64 VSG verstösst nicht gegen Bundesrecht (E. 3.4). Zulässigkeit der Praxisände-rung (E. 4). Abweisung. VK.2013.00002: Gemäss § 9a des Gesetzes über die Jugendheime und die Pflegekinderfür-sorge vom 1. April 1962 (JugendheimeG) kann der Regierungsrat mit anderen Kantonen Vereinbarungen treffen über die Beteiligung an den Kosten von Kinder- und Jugendheimen. Im Sinne dieser Bestimmung ist der Kanton Zürich mit Regierungsratsbeschluss vom 14. November 2007 (OS 62, 502 ff.) der Interkantonalen Vereinbarung für soziale Einrichtungen vom 13. März 2002 (IVSE) beigetreten. Gemäss § 9b JugendheimeG werden Beiträge ge-stützt auf interkantonale Vereinbarungen durch den Staat übernommen und gelten nicht als öffentliche Unterstützung. Aus den Materialien zu § 9b JugendheimeG ist zu schliessen, dass mit dieser Bestimmung der Kanton, hingegen nicht die einweisenden Gemeinden zah-lungspflichtig werden sollten. Für eine Aufteilung der gestützt auf die IVSE anfallenden Bei-träge in eine von den Gemeinden zu tragende Versorgertaxe und die vom Kanton zu über-nehmende Restkostenfinanzierung besteht keine genügende rechtliche Grundlage. VK.2008.00001: Die in der Verordnung über die Finanzierung der Sonderschulung vorgese-hene Regelung der Aufteilung der Fremdplatzierungskosten zwischen Schulgemeinde und politischer Gemeinde ist mit dem neuen Volksschulgesetz vereinbar und kann sich darauf abstützen. VK.2009.00003: Frage offen gelassen, ob hinsichtlich des hälftigen Anteils nach § 4 Abs. 1 lit. b Verordnung über die Finanzierung der Sonderschulung Regeln des Sozialhilferechts zur Anwendung gelangen. VK.2009.00005:Die Praxis des Verwaltungsgerichts, wonach es sich empfiehlt, bei der Beur-teilung der Fremdplatzierungsgründe auf die Einschätzung der als erste aktiv gewordenen Behörde abzustellen, gilt weiterhin.

Praxishilfen

Kontakt

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