Die Digitalisierung kommt ins Gefängnis
Das Projekt Smart Prisons Zürich (SMAZH) ermöglicht inhaftierten Personen in Zürcher Gefängnissen und Institutionen einen vereinfachten Zugang zu digitalen Angeboten. Die Lancierung erfolgte im Zentrum für ausländerrechtliche Administrativhaft (ZAA) als erste Institution.
Digitale Teilhabe als wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Wiedereingliederung
Für die meisten Menschen gehört es zum Alltag, am Computer Nachrichten auszutauschen, einen Lebenslauf zu schreiben, Übersetzungsprogramme zu nutzen oder im Internet zu surfen. Im Freiheitsentzug hingegen ist der Zugang zu solchen digitalen Angeboten stark eingeschränkt. Hier setzt Smart Prisons Zürich (SMAZH) an: Personen in Haft erhalten die Möglichkeit, verschiedene Aspekte ihres Alltags digital selbst zu verwalten. Dadurch wird ihre Eigenständigkeit gefördert und sie können sich besser auf die Zeit nach der Haft vorbereiten. Das trägt nicht nur zur erfolgreichen Wiedereingliederung bei, sondern reduziert auch negative Konsequenzen einer Inhaftierung
Im Jahr 2024 ging mit dem Pilotprojekt SMAZH ein zentrales Vorhaben zur digitalen Transformation im Zürcher Justizvollzug live. SMAZH ist eine speziell für den Justizvollzug entwickelte, gesicherte digitale Plattform, die es Menschen in Haft erlaubt, unter strengen Sicherheitsvorgaben verschiedene digitale Dienstleistungen zu nutzen. Justizvollzug und Wiedereingliederung verfolgt damit das Ziel, die Zukunftsfähigkeit der Digitalen Verwaltung sicherzustellen sowie gemäss dem Normalisierungsprinzip das Leben in Haft so weit wie möglich an jenes in Freiheit anzugleichen. In einer zunehmend digitalen Gesellschaft sollen Menschen in Haft die Möglichkeit erhalten, digitale Kompetenzen zu erwerben und zu stärken.
Frauengefängnis in Finnland als Vorreiter
Ein Blick ins Ausland zeigt, dass der Kanton Zürich mit SMAZH einen innovativen Weg eingeschlagen hat, der sich an internationalen Entwicklungen orientiert. Das Projekt basiert auf den Grundlagen von «Smart Prisons», das 2015 in Finnland im Frauengefängnis Hämeenlinna eingeführt wurde. Ausschlaggebend war in Finnland eine Gesetzesänderung, die dafür sorgte, dass inhaftierten Personen erlaubt wurde, das Internet, Mails und Videotelefonie zu nutzen. Durch den Austausch mit der finnischen Projektleitung konnte SMAZH an positive Erfahrungen anknüpfen und diese gezielt auf die spezifischen Anforderungen des Zürcher Justizvollzugs anpassen.
Was wird durch SMAZH anders?
Durch die Einführung von SMAZH können inhaftierte Personen einen Laptop nutzen. Dieser steht ihnen dann in ihrem Haftraum zur Verfügung und ermöglicht den Zugang zu digitalen Angeboten. Dazu gehören das interne Antragswesen, die Nutzung eines Kalenders, der Zugang zu den eigenen Finanzen, Onlinebibliotheken und Bildungsangebote oder – im Rahmen der jeweiligen rechtlichen Vorgaben – auch die Kommunikation mit Angehörigen und das Konsumieren von Musik sowie für gewisse Haftarten auch das eingeschränkte Surfen im Internet.
SMAZH digitalisiert die Prozesse zwischen inhaftierten Personen und Mitarbeitenden, wodurch Abläufe effizienter und transparenter werden. Das entlastet das Personal von administrativen Aufgaben und schafft mehr Zeit für Betreuung und Beziehungsarbeit. Gleichzeitig werden Sprachbarrieren reduziert und die Zusammenarbeit innerhalb der Institutionen gestärkt. Mit der Einführung digitaler Workflows rückt zudem das Ziel einer papierlosen Verwaltung ein Stück näher.
Das Angebot von SMAZH wird auf jede Institution und insbesondere auch auf die Haftform individuell angepasst. So bleiben Grundsätze wie der Opferschutz oder die Vermeidung von Kollusion in der Untersuchungshaft jederzeit gewährleistet.
Pilot im Zentrum für ausländerrechtliche Administrativhaft
Am 1. Juli 2024 nahm SMAZH seinen Betrieb in einer ersten Pilotinstitution auf: dem Zentrum für ausländerrechtliche Administrativhaft (ZAA). Die Wahl fiel bewusst auf das ZAA, da eingewiesene Personen in dieser Haftform über mehr Freiheiten verfügen als im Strafvollzug oder in der Untersuchungshaft und gemäss Bundesgericht Anspruch auf Internetzugang haben. Personen, die ins ZAA eingewiesen wurden, verbleiben dort bis zu ihrer Rückführung ins Herkunftsland. Dank SMAZH stehen ihnen nun verschiedene digitale Angebote zur Verfügung – von Musikstreaming über YouTube und aktuelle Nachrichten bis hin zu Weiterbildungsplattformen, die ihnen neue Lernmöglichkeiten eröffnen.
Ein Highlight im ZAA war die Teilnahme eines Mannes an der Hochzeit seiner Schwester per Videoanruf – ein emotionaler Moment, der verdeutlicht, welchen Unterschied digitale Teilhabe machen kann.
Die ersten Rückmeldungen der im ZAA eingewiesenen Personen und der Mitarbeitenden sind grösstenteils positiv: Die neuen digitalen Möglichkeiten fördern Selbstverantwortung, Eigenständigkeit und tragen zu einer verbesserten Atmosphäre im Haftalltag bei. Zudem können Menschen in Haft durch die digitalen Angebote einfacher mit ihren Angehörigen in Kontakt bleiben. Die Veränderung bringt allerdings auch neue Herausforderungen mit sich: Wenn etwas nicht wie erwartet funktioniert oder das Gerät falsch bedient wird, ist die Geduld bei den eingewiesenen Personen häufig schnell am Ende. Der Ruf nach sofortigem Support erfolgt dann umgehend und hält die Mitarbeitenden auf Trab.
Nachgefragt beim ZAA
Durch die Einführung von SMAZH konnten im ZAA erste Eindrücke und Erfahrungen gesammelt werden.
Welche ersten Erkenntnisse lassen sich aus dem Pilotprojekt im ZAA ziehen?
Die Einführung von SMAZH hat sich als grosser Mehrwert für die eingewiesenen Personen erwiesen. Positiv fällt auf, dass die Möglichkeit besteht, den Anschluss an die digitale Welt zu erhalten, soziale Kontakte zu pflegen und einen Schritt in Richtung eines normalisierten Alltags zu machen. Es ist zudem ein veränderter Tagesrhythmus festzustellen, einige der eingewiesenen Personen bleiben länger wach. Tagsüber treffen sich die eingewiesenen Personen vermehrt in einzelnen Hafträumen, um sich gemeinsam Videoclips anzuschauen oder gemeinsam mit Freunden zu telefonieren.
Welche Rückmeldungen gaben die eingewiesenen Personen?
Die Rückmeldungen der Nutzenden fallen insgesamt positiv aus. Sie schätzen besonders die Möglichkeit, sowohl über Ton als auch über Bild mit der Familie kommunizieren zu können, und schätzen den Zugang zu sozialen Medien und die Teilnahme am digitalen Leben. Besonders erfreulich ist für sie die Freiheit, ihre Lieblingsmusik hören oder Filme in ihrer Sprache anschauen zu können. Natürlich gibt es bereits einige zusätzliche Wünsche, wie einen Zugang zu Videospielen oder mehr Speicherplatz für persönliche Medien.
Welchen Rat würdet ihr JuWe-Institutionen geben, die die Einführung von SMAZH noch vor sich haben?
Ein zentraler Ratschlag ist, ausreichend Zeit und Ressourcen in die Schulung des Personals zu investieren und eventuell einen «Super-User» im Team zu bestimmen. Die Einführung von SMAZH sollte gut geplant sein, und es ist wichtig, während dieser Zeit keine anderen grossen Projekte zu starten, damit das Team sich vollständig auf die Etablierung konzentrieren kann. Zudem muss berücksichtigt werden, dass einige eingewiesene Personen keine Tastaturkenntnisse haben und eine engere Betreuung benötigen, selbst bei einfachen Aufgaben.
So geht es weiter
Die erfolgreiche Piloteinführung im ZAA verdeutlicht das grosse Potenzial von SMAZH – zeigt aber auch, wie wichtig eine präzise Anpassung an die spezifischen Bedingungen jeder Institution ist. Die Erkenntnisse aus dem Pilotbetrieb fliessen direkt in die Einführung von SMAZH im Vollzugszentrum Bachtel (VZB) ein, die 2025 erfolgt. Mit dem Zugang zu digitalen Ressourcen folgt JuWe nicht nur dem Normalisierungsprinzip, sondern stärkt auch die Chancen straffällig gewordener Menschen auf eine erfolgreiche Wiedereingliederung in die Gesellschaft.