Arbeit mit Gewaltausübenden
Die Arbeit mit gewaltausübenden Personen ist ein zentrales Thema bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention und ein wichtiger Bestandteil des Opferschutzes. Wenn gefährdende Personen eine Gewaltberatung oder ein Lernprogramm besuchen, hilft das, Rückfälle zu verhindern.
«Partnerschaft ohne Gewalt»
Zahl der Eignungsabklärungen relativ stabil
Wer gegenüber seiner Partnerin oder seinem Partner Gewalt ausgeübt oder angedroht hat, kann im Rahmen eines Strafverfahrens von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht verpflichtet werden, am Lernprogramm PoG® («Partnerschaft ohne Gewalt») teilzunehmen. Dieses beruht auf verhaltenstherapeutischen Grundsätzen und wurde mehrfach geprüft: Die Teilnehmenden setzen sich mit ihrem Verhalten auseinander und lernen, wie sie in Zukunft gewaltfrei leben können. Sie trainieren dabei unter anderem Selbstkontrolle und den Umgang mit Ärger und Stress.
Für die Durchführung des Programms sind die Bewährungs- und Vollzugsdienste (BVD) der Justizdirektion zuständig. In einem ersten Schritt klären sie im Auftrag von Staatsanwaltschaft oder Gericht ab, ob eine Person grundsätzlich geeignet ist, am Lernprogramm PoG® teilzunehmen.
PoG® wird vor allem im Rahmen von Ersatzmassnahmen, Sistierungen oder Strafbefehlen angeordnet. In rund 20 Fällen pro Jahr ist der weitere Verfahrensweg beim Start der Eignungsabklärung noch offen. Anordnungen durch Gerichte sind selten.
Eignungsabklärungen für das Lernprogramm PoG® nach Zuweisungsweg
Kanton Zürich, 2020–2024
Was bedeuten die unterschiedlichen Zuweisungswege?
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Seit 2020 wird PoG® vor allem im Rahmen von sogenannten Ersatzmassnahmen angeordnet. Das bedeutet: Statt in Untersuchungshaft zu kommen, kann eine Person unter bestimmten Bedingungen am Lernprogramm teilnehmen. Ob die Teilnahme möglich ist, entscheidet das Zwangsmassnahmengericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft. Es müssen dieselben Voraussetzungen erfüllt sein wie für die Untersuchungshaft: Flucht-, Kollusions- oder Ausführungsgefahr oder das Risiko einer Wiederholung der Straftat.
Will eine geschädigte Person nicht, dass die Strafuntersuchung weitergeführt wird, kann sie eine Desinteresseerklärung abgeben (Art. 55a StGB). Dies passiert etwa dann, wenn sich das Opfer von der beschuldigten Person trennt oder sich mit ihm versöhnt. In solchen Fällen kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren für sechs Monate sistieren, also pausieren, und für diesen Zeitraum eine Teilnahme an einem Lernprogramm anordnen. Wenn sich die Situation des Opfers in dieser Zeit verbessert und es weiterhin sein Desinteresse an einer Strafverfolgung bekundet, kann das Verfahren definitiv eingestellt werden.
Wenn für die Staatsanwaltschaft die Beweislage gegen die beschuldigte Person klar ist, kann sie das Verfahren mit einem Strafbefehl abschliessen. Das ist möglich, wenn sie eine Freiheitsstrafe bis sechs Monate, eine Geldstrafe (maximal 180 Tagessätze) oder eine Busse für ausreichend hält. Im Strafbefehl kann sie zusätzlich anordnen, dass die beschuldigte Person am Lernprogramm PoG® teilnimmt.
Manchmal gibt die Staatsanwaltschaft eine PoG®-Eignungsabklärung in Auftrag, bevor feststeht, ob sie das Lernprogramm im Rahmen einer Sistierung oder eines Strafbefehls anordnen wird. Solche Fälle gelten als «im Strafverfahren noch offen».
Hält die Staatsanwaltschaft eine milde Strafte (bis zu sechs Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe) nicht für ausreichend, lässt das Gesetz diese nicht zu oder ist die Beweislage unklar, muss sie Anklage beim Gericht erheben. Das Gericht entscheidet dann im Urteil über die Straftat und kann auch den Besuch des Lernprogramms PoG® anordnen. Solche PoG®-Abklärungen im Rahmen von Gerichtsurteilen kommen jedoch selten vor.
Die meisten Abklärungsaufträge für das Lernprogramm PoG® betreffen Männer. Zwischen 2020 und 2022 liessen Staatsanwaltschaft und Gerichte jährlich für 170 Personen prüfen, ob sie für das Programm geeignet sind. In den Jahren 2023 und 2024 ging die Zahl dieser Aufträge leicht zurück. Nicht selten zeigt sich bei der Eignungsabklärung, dass statt eines Lernprogramms eine andere Form der Unterstützung, etwa bei Sucht oder psychischer Belastung, sinnvoller ist.
PoG®-Eignungsabklärungen nach Geschlecht der beschuldigten Person
Kanton Zürich, 2020–2024
Beratung von Gefährdenden
Immer mehr GSG-Verfügungen
Im Kanton Zürich kann die Polizei Opfer häuslicher Gewalt auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes (GSG) mit Massnahmen schützen. Sie kann die gefährdende Person für 14 Tage aus der Wohnung oder dem Haus wegweisen. Zusätzlich kann sie ein Kontaktverbot oder ein Betretverbot für bestimmte Orte, etwa den Arbeitsplatz der gefährdeten Person, aussprechen. Wegen des massgebenden Gesetzestexts nennt man solche Massnahmen auch GSG-Verfügungen.
Wenn die Polizei Schutzmassnahmen gemäss GSG anordnet, informiert sie eine spezialisierte Beratungsstelle für gewaltausübende Personen. Diese nimmt umgehend Kontakt mit der Person auf und bietet eine freiwillige und kostenlose Beratung an.
Wenn die gefährdende Person einverstanden ist, werden weitere Schritte besprochen, beispielsweise wie sich der Kontakt zu Partnerin oder Partner und Kindern künftig gestalten könnte. Derzeit ist das mannebüro züri für die Beratung von Gefährdern zuständig. Für Gefährderinnen waren bisher die Bewährungs- und Vollzugsdienste (BVD) zuständig, seit Juni 2025 neu das team72.
Seit 2019 werden immer mehr Personen wegen einer GSG-Verfügung an die spezialisierten Beratungsstellen verwiesen. Rund 90 Prozent aller GSG-Verfügungen betreffen Männer.
GSG-Verfügungen nach Geschlecht
Kanton Zürich, 2019–2024
Frauen lassen sich eher beraten
Wenn die Beratungsstellen eine GSG-Verfügung erhalten, rufen sie die gefährdende Person sofort an. Das mannebüro züri erreicht etwa zwei Drittel aller Gefährder. Etwas mehr als die Hälfte der erreichten Personen lehnt eine Beratung ab. Schliesslich nimmt rund ein Drittel aller Gefährder tatsächlich an einer Gewaltberatung teil. Diese Quote ist seit Jahren gleich.
Bei den Frauen ist der Anteil höher: Über die Jahre gesehen lässt sich etwas mehr als die Hälfte aller Gefährderinnen auf eine Gewaltberatung ein. Wie bei den Männern kommt in rund jedem dritten Fall überhaupt kein Kontakt zustande – unter anderem, weil die Gefährderinnen zum Teil in Haft sitzen.
Kontakt und Beratung für gewaltausübende Personen nach Geschlecht
Kanton Zürich, 2019–2024
Weiterführende Ressourcen
- mannebüro züri: Gefährderberatung gemäss Gewaltschutzgesetz (GSG)
- BVD: Beratungsstelle für gewaltausübende Frauen
- team72: GSG-Beratung für Frauen
- BVD: Lernprogramme
Literatur
Gewalt gegen Frauen: Fachtagung Bedrohungsmanagement, Europa-Institut an der Universität Zürich, Auszug aus dem Tagungsband 2019:
Evaluation des Lernprogramms PoG® (Artikel hinter Paywall, Zusammenfassung verfügbar):
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