Kosten für ambulante Kindesschutzmassnahmen

Kapitelnr.
8.1.10.
Publikationsdatum
14. August 2014
Kapitel
8 Situationsbedingte Leistungen (WSH)
Unterkapitel
8.1. Situationsbedingte Leistungen

Rechtsgrundlagen

§ 15 SHG § 17 SHV SKOS-Richtlinien, Kapitel C 1.3 SKOS-Richtlinien, Kapitel C.1.8

Erläuterungen

1.Allgemeines

Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes (Art. 307 Abs. 1 ZGB). Daraus folgt, dass Massnahmen zum Schutz und Wohl des Kindes nur dann von der KESB angeordnet werden, wenn nicht von anderer Seite, in erster Linie von den Eltern, die geeigneten Vorkehrungen getroffen werden. Erfährt die Sozialbehörde somit von einem Gefährdungstatbestand und sind die Eltern bereit, die erforderlichen Schritte mitzutragen, jedoch nicht in der Lage, die hierfür notwendigen fi-nanziellen Mittel aufzubringen (vgl. Art. 276 Abs. 1 ZGB), hat die Sozialbehörde zu ent-scheiden, ob die betreffenden Kosten als situationsbedingte Leistungen zu übernehmen sind. Beispiele für ambulante Kindesschutzmassnahmen:

  • sozialpädagogische Familienbegleitung,
  • Familiencoaching,
  • Elternkurse,
  • therapeutische Behandlungen des Kindes,
  • stunden- oder tageweise ausserhäusliche Betreuung,
  • Besuch von Spielgruppen,
  • etc.

2.Behördlich angeordnete Massnahmen

2.1. Kostentragung Ordnet die KESB eine Kindesschutzmassnahme an, prüft sie neben deren Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit auch die Angemessenheit der Kostenfolgen.

Soweit die im konkreten Fall angeordnete Massnahme nicht anderweitig, z.B. durch Subven-tionen oder Staatsbeiträge finanziert wird, gehen die Kosten für ambulante Kindesschutz-massnahmen zulasten der Eltern (Art. 276 Abs. 1 ZGB). Sind diese nicht der Lage, für die betreffenden Kosten aufzukommen, muss die Sozialbehörde (am Unterstützungswohnsitz der Eltern) Kostengutsprache leisten und die Kosten der Massnahme als situationsbedingte Leistung übernehmen. Ist die Bedürftigkeit der Eltern nicht ausgewiesen, erteilt die Sozialbe-hörde subsidiäre Kostengutsprache (vgl. dazu Kapitel 10.2.01). Voraussetzung für die tat-sächliche Kostenübernahme ist in diesem Fall der Nachweis, dass die Kosten nicht ander-weitig gedeckt werden konnten, d.h. die Sozialbehörde begleicht die Kosten erst, wenn der Nachweis der Uneinbringlichkeit der Forderung erbracht ist. Zu beachten ist, dass die Sozialbehörde an den rechtskräftigen Entscheid der KESB, mit welchem die Kindesschutzmassnahme angeordnet wurde, gebunden ist (vgl. BGE 135 V 134). In seinem Entscheid vom 29. Januar 2009 hat das Bundesgericht festgehalten, dass die Sozialbehörde ihre Rechte im vormundschaftlichen Verfahren wahren muss. Sie hätte nach Kenntnisnahme des Beschlusses der Vormundschaftsbehörde die formelle Zustellung des Beschlusses verlangen und hernach dagegen Beschwerde erheben können. Da sie dies unterlassen hat und der Beschluss damit in Rechtskraft erwachsen ist, konnte die Sozialbe-hörde die Kostenübernahme nicht mehr ablehnen (BGE 135 V 134, E. 3.2). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass am 1. Januar 2013 das neue Kindes- und Er-wachsenenschutzrecht in Kraft getreten ist. Die Befugnis, gegen einen Entscheid der KESB Beschwerde zu erheben, wird neu in Art. 450 ZGB geregelt (diese Bestimmung gilt gestützt auf Art. 314 Abs. 1 ZGB auch für Anordnungen der KESB im Bereich des Kindesschutzes). Nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB sind zwar auch Personen, die nicht am Verfahren beteiligt waren, aber ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des ange-fochtenen Entscheides haben, befugt, gegen einen Entscheid der KESB Beschwerde zu er-heben. In seinem Entscheid 5A_979/2013 vom 28. März 2014 hat das Bundesgericht aber entschieden, dass ein rein finanzielles Interesse eines allenfalls kostenpflichtigen Gemein-wesens kein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB dar-stellt. Eine Gemeinde kann also nicht mit der Begründung, die angeordnete Massnahme verursache zu hohe Kosten, eine Beschwerde erheben. 2.2. Ablauf Massnahmen zum Schutz von Kindern sind möglichst rasch umzusetzen und dürfen insbe-sondere nicht durch allfällige Konflikte betreffend die Zuständigkeit für die Kostenübernahme verzögert werden. Zur Klärung der Zuständigkeiten und Abläufe wurden daher in Zusam-menarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern der Sozialkonferenz des Kantons Zürich, des Kantonalen Sozialamtes, des kantonalen Amtes für Jugend- und Berufsberatung (AJB) und der KESB-Präsidien-Vereinigung (KPV) Empfehlungen ausgearbeitet, welche vom kantona-len Gemeindeamt unterstützt werden. Demnach haben die Mandatsträgerinnen und Man-datsträger der Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz) die Eltern über ihre Beitragspflicht zu in-formieren und sie erstellen mit ihnen zuhanden der Gemeinden mittels Checklisten (Check-liste Kinder, Checkliste Eltern) eine Übersicht über die Einkommens- und Vermögenssituati-on. Sobald die Massnahmendetails bekannt sind, geht das Entscheiddispositiv der KESB zu-sammen mit den Kosteninformationen an die zivilrechtliche Wohngemeinde mit der Bitte um

Leistung einer subsidiären Kostengutsprache. Handelt es sich bei der zivilrechtlichen Wohngemeinde nicht zugleich um den Unterstüt-zungswohnsitz der kostenpflichtigen Eltern, leitet sie das Gesuch um Kostengutsprache an die sozialhilferechtlich zuständige Gemeinde weiter, welche die Kosten bei ausgewiesener Bedürftigkeit der Eltern als situationsbedingte Leistungen übernimmt oder anderenfalls sub-sidiäre Kostengutsprache leistet. Nur wenn Streitigkeiten betreffend die sozialhilferechtliche Zuständigkeit bestehen, hat die zivilrechtliche Wohngemeinde, welche das Gesuch von der KESB erhalten hat, zunächst subsidiäre Kostengutsprache zu erteilen und sich anschlies-send um eine Kostenübernahme durch die zuständige Stelle zu bemühen.

3.Nicht behördlich angeordnete Kindesschutzmassnahme

Ist eine Kindesschutzmassnahme nicht durch die KESB angeordnet worden, erweist es sich aber zum Schutz und Wohl des Kindes als notwendig, eine solche Massnahme in die Wege zu leiten und sind die Eltern bzw. der sorgeberechtigte Elternteil mit der Massnahme einver-standen, hat die Sozialbehörde - Bedürftigkeit und keine anderweitige Finanzierung voraus-gesetzt - die anfallenden Kosten als situationsbedingte Leistung zu übernehmen. Hier steht der Sozialbehörde mit Bezug auf die Auswahl der im konkreten Fall angebrachten Mass-nahme bzw. hinsichtlich der Organisation etc., welche mit der Durchführung betraut werden soll, ein erhebliches Ermessen zu. Sie braucht keine Massnahme zu übernehmen, wenn ei-ne ebenso geeignete, aber kostengünstigere Variante zur Verfügung steht.

Rechtsprechung

Entscheide des Bundesgerichts:

5A_979/2013: Die Beschwerdelegitimation nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB setzt ein recht-lich geschütztes Interesse eines Dritten voraus, das durch das Kindes- bzw. Erwachsenen-schutzrecht geschützt werden soll. Das fragliche Interesse muss ein eigenes Interesse der Drittperson sein und die Geltendmachung dieses eigenen (wirtschaftlichen oder ideellen) rechtlich geschützten Interesses ist nur zulässig, wenn es mit der fraglichen Massnahme di-rekt zusammenhängt bzw. mit der Massnahme geschützt werden soll und deshalb von der KESB hätte berücksichtigt werden müssen. Das Kindesschutzrecht verlangt von der Behörde nicht, bei der Anordnung eines Obhutsentzuges mit Fremdplatzierung nach Art. 301 Abs. 1 ZGB auch dem finanziellen Interesse des allenfalls kostenpflichtigen Gemeinwesens Rech-nung zu tragen. Daraus folgt, dass dieses Interesse durch die erwähnte anwendbare zivil-rechtliche Norm nicht im Sinne von Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB rechtlich geschützt ist (E. 4). Nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB sind die der betroffenen Person nahestehenden Personen zur Beschwerde berechtigt. Nahestehende Personen sind solche, die den Betroffenen gut kennen und aufgrund ihrer Eigenschaften und ihrer Beziehungen zu ihm als geeignet er-scheinen, seine Interessen wahrzunehmen, auch wenn die Beschwerdebefugnis der nahe-stehenden Person nicht notwendigerweise voraussetzt, dass sie tatsächlich Interessen des Betroffenen wahrnimmt. Eine Rechtsbeziehung ist für das Näheverhältnis nicht erforderlich; entscheidend ist vielmehr die faktische Verbundenheit, wie sie z.B. bei Eltern, Kindern, ande-

ren Verwandten, Freunden, Lebensgefährten, aber auch bei Beistandspersonen, Ärzten, So-zialarbeitern oder Geistlichen gegeben sein kann. Da die beschwerdeführende Gemeinde nicht geltend macht, sie selbst bzw. eine natürliche Person, die als Organ oder auf andere Weise in ihren Diensten steht, das betroffene Kind besonders gut zu kennen und ihm im ge-schilderten Sinne nahezustehen, und solches auch nicht ersichtlich ist, kann eine Beschwer-debefugnis auch nicht auf Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB begründet werden (E. 5). Zur Beschwerde berechtigt sind nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB schliesslich die am Verfah-ren beteiligten Personen. Allein der Umstand, dass eine Person im erstinstanzlichen Verfah-ren zur Stellungnahme eingeladen oder dass ihr der Entscheid eröffnet wurde, verschafft ihr aber nicht ohne Weiteres auch die Befugnis zur Beschwerde gegen den Entscheid der KESB. Denn nahestehende Personen oder Dritte, auch wenn sie sich am Verfahren beteiligt haben, sind nur im Rahmen ihrer nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 oder 3 ZGB bestehenden Legi-timation zur Beschwerde zuzulassen. Kann eine Person wie im vorliegenden Fall eine Ge-meinde als öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht unmittelbar von der angeordneten Mass-nahme betroffen sein und weder als nahestehende Person (E. 5) noch als Drittperson (E. 4) gelten, so muss ihr der Zugang zur Beschwerde gegen den Entscheider KESB versperrt bleiben (E. 6). BGE 135 V 134: Die Sozialhilfebehörde ist an den (bundesrechtskonform gefällten) Ent-scheid der zuständigen Vormundschaftsbehörde zur Unterbringung eines unmündigen Kin-des in einem Heim gebunden. Sie kann gestützt auf kantonalrechtliche Sozialhilfebestim-mungen die Übernahme der Kosten der angeordneten Massnahme nicht verweigern.

Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich:

VB.2010.00251: Beteiligung an den Kosten einer sozialpädagogischen Familienbegleitung. Rechtsgrundlagen der persönlichen Hilfe (E. 2.1). Die persönliche Hilfe wird unentgeltlich ge-leistet. Das Gesetz verschafft aber keinen Anspruch auf uneingeschränkten Umfang der Hil-fe. Hilfeleistungen, für die der Hilfesuchende selbst aufkommen kann, müssen nicht unent-geltlich angeboten werden (E. 2.2). Es trifft nicht zu, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn keine Schwierigkeiten hatte und mit ihm gut umgehen konnte. Selbst wenn aber die sozialpädagogische Familienbegleitung einzig wegen des Verhaltens des Sohnes angeord-net worden wäre, würde dies die Beschwerdeführerin ihrer Pflicht zur Kostenbeteiligung nicht entheben (E. 4.1). Die Beschwerdeführerin ist in der Lage, den von ihr verlangten Beitrag an die Kosten der sozialpädagogischen Familienbegleitung zu leisten (E. 4.2). VB.2009.00578: Abzug eines Elternbeitrags von der Kostengutsprache für ein Familien-coaching. [Die Sozialhilfebehörde erteilte eine Kostengutsprache für ein einjähriges Fami-liencoaching einer Mutter und ihres 2-jährigen Sohnes, wobei sie den gutgesprochenen Be-trag aufgrund der Einkommensverhältnisse um Fr. 4'800.- reduzierte. Der Bezirksrat erachte-te den Abzug eines Elternbeitrags als unzulässig und hiess den Rekurs der Mutter gut.] Die Sozialbehörde ging zu Recht davon aus, dass die Mutter und ihr 2-jähriger Sohn eine Unter-stützungseinheit bilden, die einen Einnahmeüberschuss aufweist, und dass in dieser Situati-on eine Reduktion der Kostengutsprache zulässig ist (E. 4.1 und 4.2). Entgegen der Ansicht des Bezirksrats hätte die Behörde den Elternbeitrag nicht auf dem Zivilrechtsweg einfordern müssen; dies wäre nur dann nötig gewesen, wenn Mutter und Sohn keine Unterstützungs-einheit gebildet hätten - etwa aufgrund eines unterschiedlichen Unterstützungswohnsitzes (E. 4.3). Die Einforderung des Elternbeitrags auf dem Zivilrechtsweg kommt auch deshalb

nicht in Frage, weil die für das Familiencoaching anfallenden Kosten nicht als Unterhaltskos-ten des Sohnes bezeichnet werden können, da das Coaching in erster Linie der Unterstüt-zung der gesundheitlich beeinträchtigten Mutter dient (E. 4.4). Eine Mitfinanzierung des Fa-miliencoachings im Umfang von monatlich Fr. 400.- erweist sich als zumutbar, da das Fami-lieneinkommen den Ausgabebedarf um rund Fr. 800.- übersteigt (E. 5).

Entscheide des Regierungsrats des Kantons Zürich:

RRB 3122/86 (nicht publiziert): Wenn die vormundschaftlichen Behörden aufgrund der für sie massgebenden gesetzlichen Bestimmungen Massnahmen treffen, kommt die persönliche Hilfe durch die gemäss § 13 SHG eingesetzte Beratungs- und Betreuungsstelle nicht zum Zug. Andernfalls könnten vormundschaftliche Massnahmen verhindert werden. Die Kosten für die Beratung und Betreuung, die von den Vormundschaftsbehörden angeordnet oder an-erkannt sind (z.B. für eine Familienhelferin bzw. einen Familienhelfer), müssen von den Für-sorgebehörden als wirtschaftliche Hilfe übernommen werden, wenn der oder die Hilfesu-chende den Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe erfüllt. RRB 3937/88 (nicht publiziert): Vormundschaftliche Kindesschutzmassnahmen (wie z.B. der Einsatz einer Familienhelferin bzw. eines Familienhelfers) treffen die Vormundschaftsbehör-den in Anwendung von Bundesrecht. Eine Entscheidungsfreiheit steht der Fürsorgebehörde in diesem Bereich nicht zu. Das Gemeinwesen bzw. die Fürsorgebehörde ist verpflichtet, die Kosten von vormundschaftlichen Massnahmen zu tragen.

Praxishilfen

Kontakt

Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe

E-Mail

sozialhilfe@sa.zh.ch

Für Fragen zur Interinstitutionellen Zusammenarbeit: iiz@sa.zh.ch


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