Kosten für ambulante Kindesschutzmassnahmen

Kapitelnr.
8.1.10.
Publikationsdatum
23. Juni 2012
Kapitel
8 Situationsbedingte Leistungen (WSH)
Unterkapitel
8.1. Situationsbedingte Leistungen

Rechtsgrundlagen

§ 15 SHG § 17 SHV SKOS-Richtlinien, Kapitel C 1.3 SKOS-Richtlinien, Kapitel C.1.8

Erläuterungen

1.Allgemeines

Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Vormundschaftsbehörde die geeigneten Massnah-men zum Schutz des Kindes (Art. 307 Abs. 1 ZGB). Daraus folgt, dass Massnahmen zum Schutz und Wohl des Kindes nur dann von der Vormundschaftsbehörde angeordnet werden, wenn nicht von anderer Seite, in erster Linie von den Eltern, die geeigneten Vorkehrungen getroffen werden. Erfährt die Sozialbehörde somit von einem Gefährdungstatbestand und sind die Eltern bereit, die erforderlichen Schritte mitzutragen, jedoch nicht in der Lage, die hierfür notwendigen fi-nanziellen Mittel aufzubringen (vgl. Art. 276 Abs. 1 ZGB), hat die Sozialbehörde zu ent-scheiden, ob die betreffenden Kosten als situationsbedingte Leistungen zu übernehmen sind. Beispiele für ambulante Kindesschutzmassnahmen:

  • sozialpädagogische Familienbegleitung,
  • Familiencoaching,
  • Elternkurse,
  • therapeutische Behandlungen des Kindes,
  • stunden- oder tageweise ausserhäusliche Betreuung,
  • Besuch von Spielgruppen,
  • etc.

2.Vormundschaftlich angeordnete Massnahmen

Grundsätzlich ist vor der Durchführung der im konkreten Fall angeordneten Kindesschutz-massnahme bei der zuständigen Sozialbehörde ein Gesuch um Kostengutsprache einzu-reichen (vgl. Kapitel 10, Kostengutsprache). Zu beachten ist dabei, dass die Sozialbehörde an den rechtskräftigen Entscheid der Vormundschaftsbehörde, mit welchem die Kindes-

schutzmassnahme angeordnet wurde, gebunden ist. Bei ausgewiesener Bedürftigkeit und soweit die im konkreten Fall angeordnete Massnahme nicht anderweitig, z.B. durch Subven-tionen oder Staatsbeiträge finanziert wird, muss die Sozialbehörde daher Kostengutsprache leisten und die Kosten der Massnahme als situationsbedingte Leistung übernehmen. Auch eine verspätete Einreichung des Kostengutsprachegesuches berechtigt die Sozialbehörde nicht dazu, die Kostenübernahme abzulehnen. Ist sie der Ansicht, dass auch eine kosten-günstigere Massnahme dem Kindeswohl gleich gut Rechnung tragen würde, hat sie ihre Einwendungen und Vorbehalte vor dem Erlass des vormundschaftlichen Entscheides vorzu-bringen. Beschliesst die Vormundschaftsbehörde dennoch die fragliche Massnahme, kann die Sozialbehörde gegen diesen Beschluss ein Rechtsmittel ergreifen. Ihre Rechte kann die Sozialbehörde aber auch wahren, wenn sie nicht bereits während des vormundschafts-rechtlichen Entscheidungsprozesses angehört wurde. In diesen Fällen kann sie, sobald sie vom betreffenden Massnahmenentscheid Kenntnis erhält, von der zuständigen Vormund-schaftsbehörde die formelle Zustellung des Beschlusses verlangen. Ist die Zustellung erfolgt, kann sie den Beschluss unter Einhaltung der Rechtsmittelfrist anfechten (vgl. BGE 135 V 134).

3.Nicht vormundschaftlich angeordnete Kindesschutzmassnahme

Ist eine Kindesschutzmassnahme nicht vormundschaftlich angeordnet worden, erweist es sich aber zum Schutz und Wohl des Kindes als notwendig, eine solche Massnahme in die Wege zu leiten und sind die Eltern bzw. der sorgeberechtigte Elternteil mit der Massnahme einverstanden, hat die Sozialbehörde - Bedürftigkeit und keine anderweitige Finanzierung vorausgesetzt - die anfallenden Kosten als situationsbedingte Leistung zu übernehmen. Hier steht der Sozialbehörde mit Bezug auf die Auswahl der im konkreten Fall angebrachten Massnahme bzw. hinsichtlich der Organisation etc., welche mit der Durchführung betraut werden soll, ein erhebliches Ermessen zu. Sie braucht keine Massnahme zu übernehmen, wenn eine ebenso geeignete, aber kostengünstigere Variante zur Verfügung steht.

Rechtsprechung

Entscheide des Bundesgerichts:

BGE 135 V 134(Die Sozialhilfebehörde ist an den (bundesrechtskonform gefällten) Entscheid der zuständigen Vormundschaftsbehörde zur Unterbringung eines unmündigen Kindes in ei-nem Heim gebunden. Sie kann gestützt auf kantonalrechtliche Sozialhilfebestimmungen die Übernahme der Kosten der angeordneten Massnahme nicht verweigern.)

Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich:

VB.2010.00251: Beteiligung an den Kosten einer sozialpädagogischen Familienbegleitung. Rechtsgrundlagen der persönlichen Hilfe (E. 2.1). Die persönliche Hilfe wird unentgeltlich ge-leistet. Das Gesetz verschafft aber keinen Anspruch auf uneingeschränkten Umfang der Hil-fe. Hilfeleistungen, für die der Hilfesuchende selbst aufkommen kann, müssen nicht unent-

geltlich angeboten werden (E. 2.2). Es trifft nicht zu, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn keine Schwierigkeiten hatte und mit ihm gut umgehen konnte. Selbst wenn aber die sozialpädagogische Familienbegleitung einzig wegen des Verhaltens des Sohnes angeord-net worden wäre, würde dies die Beschwerdeführerin ihrer Pflicht zur Kostenbeteiligung nicht entheben (E. 4.1). Die Beschwerdeführerin ist in der Lage, den von ihr verlangten Beitrag an die Kosten der sozialpädagogischen Familienbegleitung zu leisten (E. 4.2). VB.2009.00578: Abzug eines Elternbeitrags von der Kostengutsprache für ein Familien-coaching. [Die Sozialhilfebehörde erteilte eine Kostengutsprache für ein einjähriges Fami-liencoaching einer Mutter und ihres 2-jährigen Sohnes, wobei sie den gutgesprochenen Be-trag aufgrund der Einkommensverhältnisse um Fr. 4'800.- reduzierte. Der Bezirksrat erachte-te den Abzug eines Elternbeitrags als unzulässig und hiess den Rekurs der Mutter gut.] Die Sozialbehörde ging zu Recht davon aus, dass die Mutter und ihr 2-jähriger Sohn eine Unter-stützungseinheit bilden, die einen Einnahmeüberschuss aufweist, und dass in dieser Situati-on eine Reduktion der Kostengutsprache zulässig ist (E. 4.1 und 4.2). Entgegen der Ansicht des Bezirksrats hätte die Behörde den Elternbeitrag nicht auf dem Zivilrechtsweg einfordern müssen; dies wäre nur dann nötig gewesen, wenn Mutter und Sohn keine Unterstützungs-einheit gebildet hätten - etwa aufgrund eines unterschiedlichen Unterstützungswohnsitzes (E. 4.3). Die Einforderung des Elternbeitrags auf dem Zivilrechtsweg kommt auch deshalb nicht in Frage, weil die für das Familiencoaching anfallenden Kosten nicht als Unterhaltskos-ten des Sohnes bezeichnet werden können, da das Coaching in erster Linie der Unterstüt-zung der gesundheitlich beeinträchtigten Mutter dient (E. 4.4). Eine Mitfinanzierung des Fa-miliencoachings im Umfang von monatlich Fr. 400.- erweist sich als zumutbar, da das Fami-lieneinkommen den Ausgabebedarf um rund Fr. 800.- übersteigt (E. 5).

Entscheide des Regierungsrats des Kantons Zürich:

RRB 3122/86 (nicht publiziert): Wenn die vormundschaftlichen Behörden aufgrund der für sie massgebenden gesetzlichen Bestimmungen Massnahmen treffen, kommt die persönliche Hilfe durch die gemäss § 13 SHG eingesetzte Beratungs- und Betreuungsstelle nicht zum Zug. Andernfalls könnten vormundschaftliche Massnahmen verhindert werden. Die Kosten für die Beratung und Betreuung, die von den Vormundschaftsbehörden angeordnet oder an-erkannt sind (z.B. für eine Familienhelferin bzw. einen Familienhelfer), müssen von den Für-sorgebehörden als wirtschaftliche Hilfe übernommen werden, wenn der oder die Hilfesu-chende den Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe erfüllt. RRB 3937/88 (nicht publiziert): Vormundschaftliche Kindesschutzmassnahmen (wie z.B. der Einsatz einer Familienhelferin bzw. eines Familienhelfers) treffen die Vormundschaftsbehör-den in Anwendung von Bundesrecht. Eine Entscheidungsfreiheit steht der Fürsorgebehörde in diesem Bereich nicht zu. Das Gemeinwesen bzw. die Fürsorgebehörde ist verpflichtet, die Kosten von vormundschaftlichen Massnahmen zu tragen.

Praxishilfen

Kontakt

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E-Mail

sozialhilfe@sa.zh.ch

Für Fragen zur Interinstitutionellen Zusammenarbeit: iiz@sa.zh.ch


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