Schuldenberatung und Schuldensanierung

Details

Kapitelnr.
4.2.01.
Publikationsdatum
22. Januar 2024
Kapitel
4 Persönliche Hilfe
Unterkapitel
4.2. Zusammenarbeit mit Institutionen der persönlichen Hilfe
Gültig seit / In Kraft seit
1. Januar 2023

Rechtsgrundlagen

Erläuterungen

1.Zweck

Eine Überschuldung kann bei den Betroffenen zu einem Gefühl der Ausweglosigkeit, Verzweiflung und Resignation führen. Der ständige Druck durch die Schulden kann das Entstehen einer psychischen oder körperlichen Erkrankung begünstigen oder zu einem Suchtverhalten führen. Ausbildung und berufliche Weiterentwicklung sind erschwert. Menschen mit Schulden haben ein höheres Risiko, arbeitslos zu werden. Einträge im Betreibungsregister behindern den Weg zurück in die Arbeitswelt zusätzlich und eine günstige Wohnung zu finden wird schwieriger. Durch eine Überschuldung werden alle Mitglieder des betroffenen Haushalts in Mitleidenschaft gezogen. Es können Konflikte entstehen mit der Familie, dem Freundeskreis oder den Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz. Das Risiko einer Sozialhilfeabhängigkeit und entsprechender Desintegration ist grösser. Neben dem persönlichen Leid der Betroffenen können Folgeprobleme von Schulden zum beträchtlichen Kostenfaktor für die öffentliche Hand werden: Erhöhte Kosten im Gesundheitswesen, höhere Ausgaben der Arbeitslosenkassen und der Gemeindesozialdienste, Übernahme unbezahlter Prämien und Kostenbeteiligungen der Krankenkassen durch die öffentliche Hand, administrative Umtriebe, entgangene Steuereinnahmen usw.

Schuldenberatung und Schuldensanierung haben das Ziel, einer Desintegration der Betroffenen entgegen zu wirken, sie in allen Belangen zu stabilisieren und ihnen Perspektiven aufzuzeigen und sie so weit wie nötig zu begleiten. Das Ziel einer Schuldensanierung ist, die Schulden auf ein tragbares Mass zu reduzieren. Die überschuldete Person soll befähigt werden, ihre finanziellen Verpflichtungen und die laufenden Lebenskosten sowie die persönlichen Bedürfnisse so zu gestalten, dass sie durch das eigene Einkommen und somit ohne Unterstützung kommunaler oder privater Institutionen gedeckt werden können.

Die Gründe einer Überschuldung sind vielfältig. Personen mit durchschnittlichen Einkommensverhältnissen können durch steigende Lebenshaltungskosten (z.B. bei der Miete), Scheidung, Arbeitslosigkeit, Krankheiten und unerwartete Ereignisse, Kauf- oder Spielsucht, Konsumbedürfnisse oder -zwänge oder schlecht gelernten Umgang mit Geld in finanzielle Probleme geraten. Dabei sollte es aber nicht darauf ankommen, inwiefern jemand für seine bzw. ihre Schulden selbst verantwortlich ist. Vielmehr hat es nur darum zu gehen, den Betroffenen jetzt und für die Zukunft möglichst gut zu helfen.

2.Grundsätze einer Schuldensanierung

Die Sanierung bezweckt einen Interessenausgleich zwischen den Hilfesuchenden und ihren Gläubigern. Er erfolgt dadurch, dass der Bugetüberschuss für eine bestimmte Zeit den Gläubigern zur Verfügung gestellt wird und diese dafür Ratenzahlungen bzw. einen Teilerlass gewähren.

Ohne aktive Mitwirkung der überschuldeten Personen ist keine Sanierung möglich. Alle Verfahren, die zur Tilgung der Schulden führen, verlangen ein hohes Mass an Disziplin und Durchhaltewillen. Vor allem haben sich überschuldete Personen daran zu gewöhnen, mit beschränkten Mitteln auszukommen und mit der Notwendigkeit eines entsprechenden Konsumverzichts umzugehen.

3.Organe zur Durchführung von Beratungen und Sanierungen

Bei erheblich bzw. gegenüber mehreren Gläubigern verschuldeten Hilfesuchenden ist eine Schuldensanierung eine sehr anspruchsvolle und zeitaufwendige Beratungs- und Betreuungsaufgabe. Sie verlangt ein grosses Fachwissen und entsprechende Erfahrung. Wenn eine spezialisierte Hilfe nötig ist, sollte die Klientin bzw. der Klient an die dafür zuständigen Institutionen verwiesen werden (vgl. § 12 Abs. 3 SHG).

Die Bewährungs- und Vollzugsdienste von Justizvollzug und Wiedereingliederung (JuWe) des Kantons Zürich sind gemäss § 8 lit. d JVV für die Durchführung der Schuldenberatung und Schuldensanierung für ihre Klientschaft zuständig.

Für die anderen und damit die Mehrzahl der Klientinnen und Klienten steht die Schuldenberatung Kanton Zürich zur Verfügung. Diese betreut nicht nur überschuldete Personen, sondern berät auch Behördenmitglieder und Sozialtätige. Dabei handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein, welcher insbesondere vom Kanton Zürich unterstützt wird. Darüber hinaus bestehen mit den Städten Zürich und Winterthur und dem grössten Teil der Zürcher Gemeinden Leistungsverträge.

4.Formen der Entschuldung

4.1.Abzahlungsvereinbarung mit den Gläubigern

Mit den Gläubigern werden monatliche Raten zur Tilgung der Schuld vereinbart. In der Abzahlungsvereinbarung werden die Ratenhöhe, die Zahlungsdauer und ein allfälliger Verzicht auf Verzugszinsen festgelegt. Die Sanierung mittels Ratenzahlung ist dann sinnvoll, wenn die monatliche Quote, die zur Verfügung steht, so hoch ist, dass die Schuld in absehbarer Zeit (üblicherweise innert drei Jahren) zurückbezahlt werden kann.

4.2.Aussergerichtlicher Teilerlass

Das Gelingen eines aussergerichtlichen Teilerlasses ist von verschiedenen Faktoren abhängig:

  • Das Angebot muss für alle Gläubiger im Verhältnis gleich hoch sein.
  • Alle Gläubiger müssen mit dem Teilerlass einverstanden sein.
  • Die überschuldete Person muss über ein regelmässiges Einkommen verfügen, das über dem Existenzminimum liegt und es ermöglicht, die Rückzahlung innert nützlicher Frist (üblicherweise drei Jahre) zu leisten.

Entweder wird den beteiligten Gläubigern per Saldo aller Ansprüche ein Teil der gesamten Schuld direkt aus dem Entschuldungsfonds einer Schuldenberatungsstelle ausbezahlt (sofern dies die jeweiligen Mittel zulassen und ein entsprechendes Gesuch bewilligt worden ist). Die Rückzahlung der überschuldeten Person erfolgt an den Fonds.

Oder die Rückzahlung erfolgt durch die überschuldete Person ratenweise an die Gläubiger. 

4.3.Einvernehmliche private Schuldenbereinigung

Diese kann von Schuldnerinnen und Schuldnern beim Nachlassgericht beantragt werden (vgl. Art. 333 SchKG). Das Gericht kann für höchstens drei bis sechs Monate eine Stundung gewähren und damit bestehende Pfändungen (mit Ausnahme von familienrechtlichen Unterhalts- und Unterstützungsbeiträgen) unterbrechen. Die überschuldete Person muss einen Sachwalter bzw. eine Sachwalterin benennen, der bzw. die Verhandlungen mit den Gläubigern führt und die Sanierung überwacht. Eine Schuldenbereinigung kommt nur zustande, wenn alle beteiligten Gläubiger der angebotenen Lösung zustimmen.

4.4.Insolvenzerklärung (Privatkonkurs)

Die Insolvenzerklärung der überschuldeten Person, welche dadurch die Konkurseröffnung beim Gericht selber beantragt (vgl. Art. 191 SchKG), wird dann sinnvoll, wenn der bzw. die Betroffene nur über einen geringen oder gar keinen Budgetüberschuss verfügt und hoch verschuldet ist.

Durch einen Konkurs kann die Spirale immer neuer Lohnpfändungen durchbrochen werden, und die überschuldete Person kann sich wirtschaftlich erholen. Dies deshalb, weil mit der Konkurseröffnung alle hängigen Betreibungen aufgehoben sind und nach dem Konkurs ein erweitertes Existenzminimum gilt, mit dem auch die laufenden Steuern wieder bezahlt werden können. Zudem hört auch der Zinsenlauf auf. Nach Durchführung des Privatkonkurses sind die Schulden nicht getilgt. Den Gläubigern werden Konkursverlustscheine ausgestellt. Der oder die Betroffene kann aufgrund der Konkursverlustscheine nur dann wieder gepfändet werden, wenn er bzw. sie zu neuem Vermögen gekommen ist oder über Vermögen bildendes Einkommen verfügt, und dieses nicht zur Schuldentilgung verwendet hat. Erst wenn die Verlustscheine zurückgekauft sind, was in der Regel mit grösserem Einschlag möglich ist, ist die Schuld getilgt.

4.5.Gerichtlicher Nachlassvertrag

Der im SchKG ebenfalls vorgesehene gerichtliche Nachlassvertrag ist für die Sanierung von Unternehmen konzipiert, kann aber auch für Privatpersonen angewendet werden (vgl. Art 293 SchKG). Er wird unter gerichtlicher Mitwirkung und Aufsicht abgeschlossen. In der Regel verzichten dabei die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen und er setzt die Zustimmung einer bestimmten Mehrheit der Gläubiger voraus. Der gerichtliche Nachlassvertrag gibt dem Schuldner die Möglichkeit, seine Schulden auf eine für alle Gläubiger verbindliche Weise zu tilgen. Der Schuldner oder die Schuldnerin sollte sich vor Einleitung des Verfahrens an einen Sachwalter oder eine Schuldenberatung wenden, um sich über das Vorgehen, die Kosten und die Chancen für das Zustandekommen eines Nachlassvertrags beraten zu lassen.

5.Ablauf der Sanierung

Gemeinsam wird zunächst ein Budget erstellt und den Ursachen der Überschuldung nachgegangen. Dann werden zusammen mit den Betroffenen tragbare Lösungen zur Verbesserung der finanziellen Situation erarbeitet.

Vor Beginn einer Sanierung sind alle Verbindlichkeiten der Klientin bzw. des Klienten vollständig zu erfassen. Zu diesem Zweck kann allen Gläubigern ein erstes Mal geschrieben werden. Der entsprechende Brief sollte vor allem folgende Punkte umfassen:

  • Aufforderung, Forderungen anzumelden und zu begründen;
  • Bitte, keine Betreibungsmassnahmen einzuleiten oder fortzusetzen;
  • Hinweis, dass weitere Informationen folgen.

Bereits durch dieses Schreiben erhält der oder die Betroffene normalerweise eine Atempause. In der Folge ist eine Gesamtsanierung unter Berücksichtigung der Gleichbehandlung der Gläubiger anzustreben.

In Abweichung vom normalen Verfahren sind dringliche und vollumfänglich zu bezahlende Schulden (Mietzinse und Krankenkassenprämien sowie Geldbussen) bevorzugt zu behandeln. Solche müssen möglichst rasch separat beglichen werden.

Vor Vereinbarung von Ratenzahlungen oder Abschluss eines Teilerlasses muss aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem oder der Hilfesuchenden damit gerechnet werden können, dass er oder sie die Belastungsdauer durchhält.

6.Finanzierung einer Schuldenberatung bzw. Schuldensanierung

Die Finanzierung erfolgt in der Regel durch die Wohngemeinde. Dies, wenn sich die betreffende Person in einer persönlichen Notlage befindet und eine Schuldenberatung oder Schuldensanierung sich als notwendig und sinnvoll erweist. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann die Sozialbehörde für die Dienste einer entsprechenden Beratungsstelle Kostengutsprache leisten (§ 16a SHG).

Für Personen, die wirtschaftliche Hilfe beziehen, können entsprechende Dienstleistungen gegebenenfalls als situationsbedingte Leistungen von der Sozialbehörde übernommen werden (vgl. dazu Kapitel 8.1.01).

Dieser Beitrag ist unter der Mitwirkung der Schuldenberatung im Kanton Zürich entstanden.

Rechtsprechung

Kontakt

Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe

E-Mail

sozialhilfe@sa.zh.ch

Für Fragen zur Interinstitutionellen Zusammenarbeit: iiz@sa.zh.ch


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