Ist das Wachstum Fluch oder Segen? Die Antwort lautet: beides.

Am Gemeindeforum 2025 haben sich unter dem Motto «Wachstum: Fluch oder Segen?» rund 200 Vertretende der Zürcher Gemeinden und des Kantons über Erfahrungen, Chancen und Risiken des Bevölkerungswachstums ausgetauscht.

Die Bevölkerung im Kanton Zürich wird in den kommenden Jahrzehnten weiter wachsen. Das beschäftigt nicht nur den Kanton, sondern auch seine 160 Gemeinden. Regierungsrätin Jacqueline Fehr hat deshalb Gemeindevertretende zu einem breiten Austausch eingeladen. «Wenn der Kanton Zürich wächst, heisst das ganz konkret: Die Gemeinden wachsen. Deshalb ist es mir ein grosses Anliegen, dass wir uns darüber austauschen, was es braucht, damit wir die Zukunft unseres wachsenden Kantons in gute Bahnen leiten können.»

«Das Thema Wachstum betrifft uns alle in irgendeiner Form: Bei uns im Kanton alle Direktionen und bei Ihnen in den Gemeinden alle Ressorts», sagte Regierungspräsident Martin Neukom. Deshalb habe der Regierungsrat das direktionsübergreifende Projekt «Wachstum 2050» ins Leben gerufen. Wichtig sei das Bewusstsein dafür, dass das Thema in der Bevölkerung kontrovers diskutiert wird. Er werte Wachstum weder rein positiv noch rein negativ. «Ist das Wachstum Fluch oder Segen? Meine Antwortet lautet: ‹beides›.»

So lautete auch die Antwort des Publikums: Es konnte abstimmen, ob es das Bevölkerungswachstum eher als Fluch oder Segen erachtet. Das Resultat: 50,6 Prozent sehen es negativ, 49.4 Prozent positiv.

Jörg Kündig, der Präsident des Verbands der Zürcher Gemeindepräsidien, betonte, wie wichtig es sei, dass die Gemeinden im bedeutungsvollen Projekt «Wachstum 2050» einbringen können, was sie umtreibt und beschäftigt. «Ich bin froh, dass wir heute in diesem Rahmen die Diskussion über das Thema Wachstum auch untereinander breit führen können.»

Politgeograf Michael Hermann stellte am Gemeindeforum den neuen Stadt-Land-Monitor vor, den sein Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag der Genossenschaft Fenaco erstellt hat. Die Studie zeigt einen bemerkenswerten Kontrast: Einerseits bewerten das Bevölkerungswachstum mehr Menschen negativ als positiv. Andererseits wird die Entwicklung der Lebensqualität in Gemeinden mit überdurchschnittlichem Wachstum als besonders positiv wahrgenommen. Am wenigsten positiv wird die Entwicklung in schrumpfenden Gemeinden wahrgenommen. Hermanns Fazit: «Wachstum schafft Ressourcen zu seiner Bewältigung – bei Stillstand und Rückgang fehlen diese.» Eine der grossen Herausforderungen des Wachstums sei das Thema Wohnraum. Diese «housing crisis» verlange nach einem Brückenschlag zwischen den verschiedenen politischen Lagern. Er plädierte zudem an die Gemeindevertretenden, Wachstum nicht als Schreckgespenst stehen zu lassen.

Die Akzeptanz für Wachstum in der Bevölkerung beschäftigt auch den Stadtpräsidenten von Dübendorf, André Ingold, die Stadtpräsidentin von Affoltern, Eveline Fenner, und die Gemeindepräsidentin von Zell, Regula Ehrismann. Sie haben sich auf der Bühne über ihre Erfahrungen ausgetauscht. Das Wachstum sei eine grosse Herausforderung, waren sich die drei einig – nicht nur gesellschaftlich, sondern auch finanziell, strukturell und planerisch. Dennoch sähen sie Wachstum gesamthaft eher als Chance – wenn man es umsichtig gestalte und es schafft, die Bevölkerung mitzunehmen. Wichtig sei es, dabei den Menschen ins Zentrum zu stellen. Vom Kanton erwarten sie Zuverlässigkeit und koordiniertes Handeln.

Auch der Kanton will sich mit dem Projekt «Wachstum 2050» für das Bevölkerungswachstum gut rüsten. Der Projektdelegierte Wilhelm Natrup informierte über die Ziele, die Organisation und den Zeitrahmen des Projekts. Bis 2027 soll es eine Auslegeordnung mit möglichen Massnahmen bieten. Rund 20 Gemeindevertretende bringen in einer Arbeitsgruppe die kommunale Sicht ein.

Zentral sind dabei die Bevölkerungsprognosen. Andrea Schnell, Co-Leiterin des Statistischen Amts, zeigte auf, wo und wie der Kanton gemäss der neusten Bevölkerungsszenarien wachsen könnte. Auf der Basis der Prognosen des Bundes hat das Statistische Amt für den Kanton Zürich drei Wachstumsszenarien entwickelt. Das Referenzszenario geht von einem Wachstum von heute 1,6 auf 1,9 Millionen Einwohnende im Jahr 2055 aus. Bei einer konservativen Wachstumsdynamik wären es 1,7 Millionen und bei einer starken Dynamik 2,2 Millionen. Haupttreiber für das Wachstum bleibt die Zuwanderung aus dem Ausland. Besonders stark wird die Bevölkerungsgruppe der über 65-Jährigen wachsen. Etwa drei Viertel des Wachstums wird auf die Städte und Agglomerationen entfallen. Im Verhältnis zur bereits ansässigen Bevölkerung werden ländlichere Regionen wie das Furttal, das Weinland und der Pfannenstiel besonders zulegen.

Die rund 200 Teilnehmenden konnten sich am Gemeindeforum zudem in zwei Dialogrunden über das Thema austauschen. Ihre Überlegungen zu den Bereichen «Sozialer Zusammenhalt und Akzeptanz», «Öffentliche Einrichtungen und Leistungen», «Raumplanung und Mobilität» und «Wohnraum» wurden gesammelt und werden ebenfalls in das kantonale Projekt einfliessen.

Im Fazit bedankte sich Jacqueline Fehr bei den Gemeindevertretenden für die engagierten und differenzierten Diskussionen. Sie plädierte dafür, das Bevölkerungswachstum trotz allen Widersprüchen als Chance zu sehen – «als Chance, lebenswerte Gemeinden und Städte zu gestalten.»

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