Personen ohne Unterstützungswohnsitz - Bestimmung des zuständigen Aufenthaltsorts

Inhaltsverzeichnis

Kapitelnr.
3.2.02.
Publikationsdatum
19. Februar 2013
Kapitel
3 Zuständigkeit
Unterkapitel
3.2. Unterstützungswohnsitz und Aufenthalt

Rechtsgrundlagen

Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 24. Juni 1977 (ZUG), SR 851.1 Sozialhilfegesetz vom 14. Juni 1981 (SHG), LS 851.1

Erläuterungen

1.Definition Aufenthaltsgemeinde

Die Aufenthaltsgemeinde einer Person befindet sich grundsätzlich dort, wo sie sich tatsäch-lich aufhält (Art. 11 Abs. 1 ZUG, § 39 Abs. 1 SHG), ohne aber ihren Unterstützungswohnsitz zu haben (vgl. Kapitel 3.2.01 und Kapitel 3.2.03). Beispiele:

  • die Anwesenheit ohne Niederlassungsabsicht, z.B. bei Personen auf Durchreise oder die vorübergehende Anwesenheit zu einem besonderen Zweck (z. B. Praktikum, Sai-sonstelle, Militärdienst)
  • die Anwesenheit einer Person in einem Heim, einem Spital, einer Anstalt oder einer Pflegefamilie, in die sie von einem anderen Kanton, einer anderen Gemeinde oder vom Ausland (Art. 5 ZUG, § 35 SHG) eingetreten ist
  • die Anwesenheit eines minderjährigen Kindes, dessen Wohnsitz sich in einem anderen Kanton oder in einer anderen Gemeinde befindet (Art. 7 ZUG, § 37 SHG)
  • die Anwesenheit einer Person, die infolge Abschiebung ihren bisherigen Wohnsitz in ei-nem anderen Kanton oder einer anderen Gemeinde beibehalten hat (Art. 10 Abs. 2 ZUG, § 40 Abs. 1 SHG) (Siehe Thomet, Kommentar zum Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (ZUG), 2.A., Zürich 1994, Rz 167).

2.Zuständigkeit für die Hilfeleistung der Aufenthaltsgemeinde

2.1. Zuständigkeit für die Leistung von Notfallhilfe Ist eine Person ausserhalb ihres Wohnortes auf dringliche Hilfe angewiesen, muss der Auf-enthaltskanton bzw. die Aufenthaltsgemeinde ihr diese zukommen lassen. (Zu den Anspruchsvoraussetzungen für Notfallhilfe siehe Kapitel 5.3.02) 2.2. Zuständigkeit für die Leistung ordentlicher Unterstützung

Personen ohne Unterstützungswohnsitz in der Schweiz, die sich hier ständig aufhalten und über eine Aufenthaltsberechtigung im Kanton Zürich verfügen, müssen im Kanton Zürich durch die Aufenthaltsgemeinde ordentlich unterstützt werden (vgl. dazu Kapitel 5.3.01). Wenn eine Person ohne Unterstützungswohnsitz ihren ständigen Aufenthaltsort ohne be-hördliches Zutun verlässt, wird die neue Aufenthaltsgemeinde für die Unterstützung zustän-dig. Dasselbe gilt auch, wenn die betroffene Person - ohne dass die bisher zuständige Be-hörde hierfür Kostengutsprache geleistet hätte oder sie ärztlich in die Institution eingewiesen worden wäre - in eine Einrichtung in einer anderen Gemeinde eintritt. 2.3. Ausnahmen Wird eine offensichtlich hilfsbedürftige Person (v.a. infolge Krankheit oder Unfall) auf ärztli-che oder behördliche Anordnung in einen anderen Kanton oder eine andere Gemeinde ver-bracht, gilt der Kanton bzw. die Gemeinde als Aufenthaltsort, von wo aus die Zuweisung er-folgte (Art. 11 Abs. 2 ZUG, § 39 Abs. 2 SHG). Der neue Aufenthaltsort ist sozialhilferechtlich weder für die Unterstützung noch für die Kostentragung zuständig (vgl. Kapitel 3.2.01). Beispiele:

  • Eine drogenabhängige, wohnsitzlose Person wird in Bassersdorf unterstützt. Sie ent-schliesst sich zu einer Drogentherapie in Zürich. Bassersdorf leistet dafür Kostengut-sprache und bleibt sozialhilferechtlich zuständig, auch wenn sich die betroffene Person während der Therapie in Zürich aufhält.
  • Eine Touristin macht auf einem Campingplatz im Kanton Zürich Ferien. Sie erkrankt schwer und wird mit der Ambulanz in das nächstgelegene Spital im Kanton Zug ge-bracht. Die sozialhilferechtliche Zuständigkeit bleibt im Kanton Zürich.

3.Parallele Aufenthaltsorte bei Personen ohne Unterstützungswohnsitz

Der offengehaltene und nur auf das objektive Element der Anwesenheit an einem Ort abstel-lende Aufenthaltsbegriff bewirkt, dass eine Person den Aufenthaltsort häufig, also auch mehrmals täglich, wechseln kann. In besonderen Fällen können daher mehrere Orte als Auf-enthaltsorte in Betracht kommen. Die Funktion des Aufenthaltsortes, das unterstützungs-pflichtige Gemeinwesen zu bestimmen, schliesst die Annahme mehrerer konkurrierender un-terstützungsbegründender Aufenthalte aus. Ein Aufenthalt gilt deshalb als nicht unterbro-chen, wenn eine Person sich vorübergehend anderswo aufhält. Bestehen in einem gleichen Zeitraum mehrere Aufenthaltsorte nebeneinander, muss an jenem Ort die Unterstützung ge-leistet werden, zu welchem die engste Beziehung besteht, und an welchen die betroffene Person immer wieder zurückkehrt. Beispiele:

  • Eine Touristin ist im Tessin in den Ferien und hat dort eine Ferienwohnung für drei Wo-chen gemietet. Bei einem Ausflug nach Zürich verunfallt sie und muss medizinisch ver-sorgt werden. Der Kanton Zürich muss zwar Notfallhilfe leisten, der Kanton Tessin bleibt aber der sozialhilferechtlich für die Kostentragung zuständige Aufenthaltskanton.
  • Ein Mann ohne Wohnsitz ist in einer Obdachloseneinrichtung in Winterthur unterge-bracht. Er ist über Ostern bei seiner Tante in Wädenswil eingeladen und wird nach den Feiertagen wieder nach Winterthur zurückkehren. Die Unterstützungszuständigkeit bleibt in Winterthur. Häufig liegt aber keine Konkurrenz verschiedener Aufenthaltsorte vor, weil sie nicht nebenei-nander bestehen bleiben, sondern sich jeweils ablösen. Das ist der Fall, wenn jemand um-herzieht und den Aufenthaltsort ständig wechselt, ohne Rückkehrabsichten zum vorherigen Aufenthaltsort bzw. ohne mit dem Aufenthalt am neuen Ort einen Sonderzweck zu verfolgen. .

4.Der Wochenaufenthalt

Fallen Arbeits- oder Ausbildungsort mit Unterkunft und Wohnort einer Person auseinander, so gilt in der Regel der Wohnort, wo die Person auch gemeldet ist und ihre politischen Rech-te ausübt, als Wohnsitz. Die Person hält sich lediglich zu einem Sonderzweck am Aufent-haltsort auf und die Unterstützungszuständigkeit bleibt beim Hauptdomizil. Der Aufenthaltsort muss höchstens Nothilfe leisten. Möchte das Hauptdomizil geltend machen, der Unterstüt-zungswohnsitz befinde sich am Ort, wo eine Person als Wochenaufenthalterin gemeldet ist, ist es dafür beweispflichtig. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn

  • die betroffene Person kaum mehr an ihr Hauptdomizil zurückkehrt, obwohl dies zeitlich und örtlich möglich wäre
  • am Wochenaufenthaltsort über eine eigene Wohnung verfügt
  • am Wochenaufenthaltsort in einer festen Partnerschaft lebt
  • etc. In diesen Fällen dient der Aufenthalt nicht mehr in erster Linie einem Sonderzweck, sondern die inneren und äusseren Elemente des Unterstützungswohnsitzes sind gegeben (vgl. Kapi-tel 3.2.01).

Rechtsprechung

Urteil des Bundesgerichts 2A.345/2002 (09.05.2003) vom 9. Mai 2003: Sozialhilfe, interkan-tonale Zuständigkeit bei einem Drogenabhängigen, der keinen Unterstützungswohnsitz mehr hat und sich in mehreren Kantonen in Institutionen behandeln lässt (Art. 4 ZUG; E. 2). Der Unterstützungswohnsitz kann (vorübergehend) ohne Ersatz aufgehoben werden (Art. 9 Abs. 3 ZUG; E. 3.2). Der Kanton Bern als vorübergehender Aufenthaltskanton kann nicht zur Übernahme der in einem andern Kanton angefallenen Therapiekosten verpflichtet werden, wenn die Zuweisung in das Heim nicht von Bern aus erfolgt ist (Art. 11 Abs. 2 ZUG; E. 3.2-3.5). VB.2008.00291: Rechtsgrundlagen der Unterstützungspflicht für Ausländer (E. 2.1). Definiti-on des Aufenthalts nach dem Zuständigkeitsgesetz (ZUG; E. 2.2). Wann ein die kantonale Unterstützungszuständigkeit ändernder Aufenthaltswechsel vorliegt, regelt das ZUG nicht; ein solcher ist bei Ausländern ohne Wohnsitz in der Schweiz zurückhaltend anzunehmen

(E. 2.3). A wollte im Kanton X Wohnsitz nehmen, doch konnte er sich in der Unterkunft der Heilsarmee nicht polizeilich anmelden. Er hätte sich somit auf einen Unterstützungswohnsitz berufen können und war als EU-Bürger berechtigt, sich in der Schweiz niederzulassen oder mindestens aufzuhalten (E. 4.1.1 und 2). Es ist fraglich, ob er die Heilsarmeeunterkunft frei-willig verliess (E. 4.2). Er verfügt über eine engere Beziehung zum Kanton X und hielt sich dort über zwei Monate tatsächlich auf, so dass er dort seinen Aufenthalt begründete (E.4.2.2). Als er im Hauptbahnhof Zürich aufgegriffen wurde, war er auf dem Weg zum Kon-sulat; dies und die blosse Leistung der Nothilfe durch den Kanton Zürich führte nicht zu ei-nem Wechsel des Aufenthaltskantons. Deshalb bleibt der Beschwerdeführer als sein Aufent-haltskanton unterstützungspflichtig (E. 4.3.2 und 3). Dieses Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich wurde bestätigt mit Urteil des Bundesgerichts vom 25. Februar 2009, 8C_852/2008. VB.2000.00184 (nicht publiziert): Eine Person ohne fürsorgerechtlichen Wohnsitz muss am Aufenthaltsort in der Regel ordentlich unterstützt werden, die Aufenthaltsgemeinde hat ihr al-so prinzipiell vollumfänglich Hilfe zu leisten.

Praxishilfen

Kontakt

Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe

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