Orientierung über die Opferhilfe

Kapitelnr.
16.4.01.
Publikationsdatum
7. August 2012

Rechtsgrundlagen

Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten vom 23. März 2007 (Opferhilfegesetz, OHG), SR 312.5 Einführungsgesetz zum Opferhilfegesetz vom 25. Juni 1995 (EG OHG), LS 341 Kantonale Opferhilfeverordnung vom 22. Mai 1996, LS 341.1

Erläuterungen

1.Grundsätzliches

Aufgrund des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten (OHG) erhält jede Per-son, die durch eine Straftat im Sinne des Opferhilfegesetzes (= Straftaten gegen Leib und Leben, gegen die sexuelle Integrität sowie gegen die Freiheit) in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist (Opfer), Hilfe hinsichtlich

  • Beratung durch fachlich selbständige öffentliche oder private Beratungsstellen (unent-geltliche Leistung oder Vermittlung von medizinischer, psychologischer, sozialer, materi-eller und juristischer Hilfe),
  • Schutz und Wahrung der Rechte im gegen den Täter laufenden Strafverfahren (Persön-lichkeitsschutz, besondere Verfahrensrechte),
  • Kostenübernahme, Entschädigung und Genugtuung (Anspruch gegenüber dem Staat; unter bestimmten, v.a. auch finanziellen Voraussetzungen; Entschädigung von Fr. 500.-- bis Fr. 120 000.--). Auch der Ehegatte des Opfers, dessen Kinder und Eltern sowie andere Personen, die ihm in ähnlicher Weise nahestehen, haben Anspruch auf bestimmte Hilfeleistungen (z.B. Beratung). Im Kanton Zürich ist die Kantonale Opferhilfestelle, eine Fachstelle der Direktion der Justiz und des Innern, für den Vollzug des OHG zuständig. Bei ihr ist auch eine entsprechende In-formationsbroschüre erhältlich bzw. auf deren Homepage abrufbar (Kantonale Opferhilfestel-le). Zur Geltendmachung von Ansprüchen nach OHG kann man sich nach einer Straftat an eine Beratungsstelle oder direkt an die Kantonale Opferhilfestelle wenden.

2.Beratung der Opfer von Straftaten

Das kantonale Einführungsgesetz zum Opferhilfegesetz (EG OHG) sieht in den §§ 1-7 vor, dass die Beratung im Sinne des OHG (inkl. Vermittlung von weiterer Hilfe) den vom Regie-rungsrat anerkannten Beratungsstellen obliegt. Diese werden im Wesentlichen vom Kanton Zürich finanziert und unterstehen der Aufsicht der Direktion der Justiz und des Innern. Die vom Opfer einer Straftat angesprochene Beratungsstelle ist zur Beratung und Hilfeleistung verpflichtet und bleibt dafür auch verantwortlich, wenn sie mit anderen Stellen zusammenar-beitet (§ 5 EG OHG). Zudem können die Beratungsstellen infolge der Straftat entstandene

Kosten bis zu Fr. 500.-- pro Person übernehmen (Soforthilfe; § 9 Abs. 2 Kantonale Opferhil-feverordnung). Zurzeit sind folgende Beratungsstellen anerkannt: Allgemeine Beratungsstelle:

  • Opferberatung Zürich, Fachstelle der Stiftung «Opferhilfe Zürich, 8004 Zürich. Beratungsstellen für Kinder und Jugendliche:
  • Castagna, 8004 Zürich
  • Mädchenhaus Zürich, 8031 Zürich
  • Schlupfhuus, 8032 Zürich
  • Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle des Kinderspitals Zürich, 8032 Zürich
  • Fachstelle OKey für Opferhilfeberatung und Kinderschutz, 8402 Winterthur Beratungsstellen für weibliche Opfer häuslicher Gewalt und von Sexualdelikten:
  • bif, Beratungs- und Informationsstelle für Frauen, gegen Gewalt in Ehe und Partner-schaft, 8031 Zürich
  • Beratungsstelle Nottelefon für Frauen - gegen sexuelle Gewalt, 8026 Zürich
  • Frauen-Nottelefon - Beratungsstelle für gewaltbetroffene Frauen, 8401 Winterthur Die FIZ Makasi Interventionsstelle für Opfer von Frauenhandel ist keine kantonal anerkannte Opferberatungsstelle. Die von ihr angebotene spezialisierte Begleitung von Frauen, die im Kanton Zürich Opfer von Frauenhandel wurden, wird aber vom Kanton Zürich im Rahmen der Hilfe durch Dritte (mit-)finanziert.

3.Entschädigung und Genugtuung sowie weitere Hilfe

Zur Festsetzung und Ausrichtung einer Entschädigung oder Genugtuung sowie für die Kos-tenübernahme (ab Fr. 500.--) ist die Kantonale Opferhilfestelle zuständig (§§ 8-15 EG OHG). Das Formular zur Einreichung eines Opferhilfegesuchs ist bei der Kantonalen Opferhilfestel-le, Postfach, 8090 Zürich, zu beziehen oder kann von deren Homepage (www.opferhilfe.zh.ch) heruntergeladen werden. Es ist zusammen mit den Belegen der Kan-tonalen Opferhilfestelle einzureichen, wobei der Anspruch auf Entschädigung und Genugtu-ung innert fünf Jahren seit der Straftat oder nach Kenntnis der Straftat geltend zu machen ist (Art. 25 OHG). Diese Frist kann nicht erstreckt werden. Gegen Entscheide der Kantonalen Opferhilfestelle kann innert 30 Tagen beim Sozialversicherungsgericht Beschwerde erhoben werden (§ 16 EG OHG).

4.Verhältnis zur öffentlichen Sozialhilfe

Die Opferhilfe im Sinne des OHG ist zwar keine Aufgabe der Sozialbehörden. Die Sozialhil-feorgane haben aber die Hilfe der dafür zuständigen Stellen zu vermitteln und mit den Op-

ferhilfestellen zusammenzuarbeiten (§ 7 Abs. 3 SHG und § 12 Abs. 3 SHG). Insbesondere ist bei Sozialhilfe beantragenden Opfern von Straftaten im Sinne des OHG abklären zu las-sen, ob sie einen Anspruch auf Entschädigung oder Genugtuung haben. Solche Leistungen wären von der Sozialbehörde unter bestimmten Umständen zu berücksichtigen und würden der Sozialhilfe vorgehen (§ 2 Abs. 2 SHG, vgl. Kapitel 9.2.01; SKOS-Richtlinien, Kapitel E.2.1). Gegebenenfalls hat die Sozialbehörde subsidiäre Kostengutsprache zu leisten, wenn der Anspruch auf Leistungen durch die Opferhilfe noch unklar ist.

5.Verhältnis zwischen Opferhilfe und Kindesschutzmassnahmen

Sind Kinder Opfer einer Straftat, kann es sich als notwendig erweisen, Kindesschutzmass-nahmen zu ergreifen (z.B. kinderpsychiatrische oder kinderpsychologische Therapien, be-gleitetes Besuchsrecht, ausserfamiliäre Platzierung etc.). Wird die Kindesschutzmassnahme einzig wegen der Straftat notwendig, hat die Beratungsstelle die erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten. Die Kosten einer solchen Kindesschutzmassnahme sind grundsätzlich durch die Opferhilfe zu übernehmen. Spielt die Straftat jedoch für die Notwendigkeit einer Kindes-schutzmassnahme nur eine untergeordnete Rolle, kommt eine Kostenübernahme durch die Opferhilfe wohl nicht in Betracht.

Rechtsprechung

Entscheide des Bundesgerichts:

BGE 125 II 230: Aufgrund der für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellung des Verwaltungsgerichts bildeten die Folgen der Straftat nur eine Teilursache für die Heim-einweisung. Mitursächlich waren auch das familiäre Umfeld und die Unfähigkeit der Eltern der Beschwerdeführerinnen, die Erziehungsaufgaben wahrzunehmen. Es ist somit davon auszugehen, dass die Folgen der Straftat für die Anordnung und Beibehaltung der Mass-nahme nicht allein entscheidend waren, obwohl die Heimbetreuung den Beschwerdeführe-rinnen auch ermöglichen sollte, die unmittelbaren Folgen der Straftat zu bewältigen. Vor die-sem Hintergrund weist die Massnahme in sachlicher Hinsicht sowohl eine kindes- als auch eine opferschutzrechtliche Komponente auf; insofern überschneidet sich die Zielsetzung des Kindesschutzes mit derjenigen des Opferschutzes. Im Rahmen einer Gesamtbeurteilung kommt den Folgen der Straftat kein derartiges ursächliches Gewicht zu, dass man sagen könnte, der kindesschutzrechtliche Charakter der Massnahme werde in den Hintergrund ge-drängt. Dies schliesst es aus, den allfälligen Vorrang der Opferhilfe mit dem Zweck der Mas-snahme zu begründen. Soweit wirksame Hilfe durch andere Institutionen geleistet wird, kann es nicht dem Zweck des Opferhilfegesetzes entsprechen, diese Leistungen zurückzudrän-gen. Bewirken die angeordneten Massnahmendes familienrechtlichen Kindesschutzes einen hinreichenden Schutz im Sinn des Opferhilfegesetzes, besteht grundsätzlich keine Notwen-digkeit für eine nachträgliche Betreuungshilfe seitens der Beratungsstelle (E. 3).

Entscheide des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich:

OH.2010.00004: [Kostengutsprache für eine stationäre medizinische Notfallbehandlung] Das Opfer einer Straftat besitzt grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen gegenüber dem Staat. Dieser muss seine Leistungen jedoch nur dann erbringen, wenn keine Vorleistungs-pflicht eines ersatzpflichtigen Dritten besteht oder dieser nur ungenügende Leistungen er-bringt (Peter Gomm, OHG-Kommentar, 3. Aufl., Bern 2009, Art. 4 N 1). Wie die Opferhilfe ist auch die Sozialhilfe subsidiärer Natur. Bei dieser Rechtslage fällt es nicht leicht, abstrakt zu bestimmen, welche Hilfe der anderen vorgeht. Es ist daher in erster Linie auf die konkreten Umstände abzustellen (Gomm, OHG-Kommentar, Art. 4 N 5; Urteil des Bundesgerichts in Sachen F. T. vom 26. Januar 2001, 1A.249/2000, publiziert in Praxis 2001 Nr. 112 S. 653 ff., Erw. 4c). Das Bundesgericht stellte in BGE 125 II 230 zum Verhältnis familienrechtlicher Kindesschutzmassnahmen zur Opferhilfe fest, dass, soweit wirksame Hilfe durch andere In-stitutionen geleistet werde, es nicht dem Zweck des Opferhilfegesetzes entspreche, diese Leistungen zurückzudrängen (BGE 125 II 230 Erw. 3 d S. 236). Nach Gomm gehen Leistun-gen der Opferhilfe Sozialhilfeleistungen dagegen im Grundsatz vor, weil Erstere gerade dazu dienen sollen, dem Opfer den Gang auf das Sozialamt zu ersparen. Sozialhilfeleistungen lie-gen ausserhalb der Entschädigungs- und Hilfssysteme, die bezogen auf die Straftat einen Schadenausgleich bewirken sollen (Gomm, OHG-Kommentar, Art. 4 N 5). Die zitierte Recht-sprechung des Bundesgerichts betrifft den Fall, dass durch das zuständige Gemeinwesen nach den Bestimmungen der Sozialhilfe bereits Kostengutsprache erteilt und Leistungen ausgerichtet wurden. In diesem Fall besteht gemäss Bundesgericht keine Notwendigkeit für eine nachträgliche Unterstützung des Opfers durch Anordnungen der Opferhilfe. Demgegen-über sind vorliegend die angefallenen Kosten der notfallmässigen Behandlung des Be-schwerdeführers im Y.___ vorliegend nach wie vor offen. Nach Lehre und Rechtsprechung stehen Sozialhilfeleistungen ausserhalb der Entschädigungs- und Hilfssysteme, die bezogen auf eine Straftat einen Schadenausgleich bewirken sollen (Gomm, OHG-Kommentar, Art. 4 N 5, BGE 131 II 217 Erw. 2.5 S. 223). Die angefallenen Behandlungskosten sind daher, da im Übrigen sämtliche Voraussetzungen nach OHG erfüllt sind, als notwendige medizinische Soforthilfe nach Art. 13 Abs. 1 und 3 OHG vom Beschwerdegegner zu übernehmen (E. 3).

Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich:

VB.2008.00067: Gesetzliche Grundlagen der Opferhilfe (E. 2.1) und der subsidiären Kosten-gutsprache (E. 2.2). Das Gesuch um subsidiäre Kostengutsprache wurde rechtzeitig gestellt (E. 4.1). Es war in erster Linie Aufgabe der Opferhilfe abzuklären, welcher Hilfe die betroffe-ne Frau bedurfte und allfällige Kosten zu übernehmen. Dies kann die Sozialbehörde jedoch nicht als Argument gegen ihre eigene Zuständigkeit zur subsidiären Kostengutsprache an-führen. Ein umfassendes Mitspracherecht der Sozialbehörde bezüglich Aufenthaltsort und -dauer sowie Kostenlimite besteht nur bei Kostengutsprachen betreffend planbare Ausgaben (E. 4.2). Die Notwendigkeit eines länger dauernden Aufenthalts im Frauenhaus zeichnete sich bereits im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Entscheids ab. Die von der Sozialbehörde angebotenen Ersatzmassnahmen (Notwohnung und Betreuung durch Sozialarbeiter) hätten nicht genügt (E. 4.3). Der Einwand, der Frauenhausaufenthalt falle nicht unter die Nothilfe im Sinn von Art. 12 BV, geht fehl (E. 4.4). Es fragt sich, in welchem Zeitpunkt und wie detailliert die Mittellosigkeit der betroffenen Frau im Zeitpunkt der Gewährung der subsidiären Kosten-

gutsprache für eine bereits begonnene Behandlung bzw. Unterbringung abzuklären ist, da über solche Gesuche in der Regel sehr rasch entschieden werden muss (E. 4.5).

Praxishilfen

Weitere Informationen, Informationsbroschüren, Richtlinien und Merkblätter finden sich unter www.opferhilfe.zh.ch

Kontakt

Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe

E-Mail

sozialhilfe@sa.zh.ch

Für Fragen zur Interinstitutionellen Zusammenarbeit: iiz@sa.zh.ch


Für dieses Thema zuständig: