Rückerstattung aus dem Nachlass in der Soziallhilfe

Kapitelnr.
15.3.01.
Publikationsdatum
19. Dezember 2013
Kapitel
15 Rückerstattung und Nachzahlung
Unterkapitel
15.3. Rückerstattung aus dem Nachlass

Rechtsgrundlagen

Erläuterungen

1.Allgemeines

Stirbt eine Person, so geht unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen das Vermögen als Ganzes auf die Erben über und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben (Art. 560 ZGB). Dies jedenfalls dann, wenn die Erbschaft von einem Erben (z.B. wegen Überschuldung) nicht ausgeschlagen wurde (Art. 566 ZGB).

Grundsätzlich ist es Aufgabe der nächsten Angehörigen bzw. der Erben, die mit einem Todesfall verbundenen Formalitäten zu regeln und die übrigen erforderlichen Massnahmen zu treffen. Die Erbschaft darf in der Regel von den Erben selber verwaltet und geteilt werden.

Ist ungewiss, ob Erben existieren, wird in der Regel eine Erbschaftsverwaltung gemäss Art. 554 Abs. 1 Ziff. 2 bzw. 3 ZGB angeordnet und erfolgt ein Erbenruf gemäss Art. 555 ZGB. Zuständig hierfür ist das Einzelgericht am letzten Wohnsitz der Erblasserin bzw. des Erblassers (§ 137 lit. b GOG in Verbindung mit Art. 28 ZPO). Sind nach Begleichung der Schulden (inkl. sozialhilferechtliche Rückerstattungsansprüche) noch Vermögenswerte vorhanden und melden sich aufgrund einer öffentlichen Aufforderung binnen Jahresfrist keine Erben, so fällt die Erbschaft an das Gemeinwesen (Art. 466 ZGB und Art. 555 ZGB sowie § 124 EG ZGB).

Unter Umständen müssen nachlasssichernde Massnahmen ergriffen werden. Darunter fallen z.B. die Siegelung und die Inventarisation. So wird nach Art. 553 ZGB die Aufnahme eines Inventars angeordnet wenn ein minderjähriger Erbe unter Vormundschaft steht oder zu stellen ist (Abs. 1 Ziff. 1), ein Erbe dauernd und ohne Vertretung abwesend ist (Abs. 1 Ziff. 2), einer der Erben oder die Erwachsenenschutzbehörde es verlangt (Abs. 1 Ziff. 3) oder wenn ein volljähriger Erbe unter umfassender Beistandschaft steht oder unter sie zu stellen ist (Abs. 1 Ziff. 4). Zuständig für die Anordnung eines Inventars ist grundsätzlich das Einzelgericht (§ 137 lit. b GOG). In den Fällen von Art. 553 Abs. 1 Ziff. 1, 2 und 4 ZGB wird das Inventar aber durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) angeordnet. Sie kann die Aufnahme eines Inventars auch in weiteren Fällen anordnen, insbesondere wenn es für die Führung einer Beistandschaft mit Vermögensverwaltung erforderlich ist. In schwierigen Fällen kann sie die Aufnahme des Inventars beim Einzelgericht beantragen (§ 125 EG ZGB). Eine Siegelung des Nachlasses kommt in Betracht, wenn die Inventaraufnahme zu dessen Sicherung nicht ausreicht. Zuständig hierfür ist das Einzelgericht am letzten Wohnsitz der Erblasserin bzw. des Erblassers (§ 128 EG ZGB in Verbindung mit Art. 28 ZPO).

Grundsätzlich darf die Sozialbehörde weder die Erbmasse verwalten noch darüber verfügen, sondern sie muss ihre Ansprüche als normale Gläubigerin den Erben gegenüber geltend machen. Befinden sich aber noch Nachzahlungen von Sozialversicherungen auf dem Klientenkonto der Sozialbehörde, so dürfen sie mit ausbezahlten Sozialhilfeleistungen verrechnet werden. Hingegen müssen Sozialversicherungsrenten, welche der Sozialbehörde für den dem Todesfall folgenden Monat bereits ausbezahlt worden sind, an die ausrichtende Stelle zurückerstattet werden.

2.Rückerstattungsanspruch gegenüber dem Nachlass

Mit dem Tod der Klientin bzw. des Klienten entsteht ein Anspruch der Sozialbehörde auf Rückerstattung der wirtschaftlichen Hilfe gegenüber dem Nachlass (§ 28 Abs. 1 SHG). Davon betroffen sind Leistungen, welche im Zeitpunkt des Rückerstattungsentscheids nicht mehr als 15 Jahre zurückliegen und solche, für die eine Rückerstattungsverpflichtung aufgrund von nichtrealisierbaren Vermögenswerten eingegangen worden ist (vgl. dazu Kapitel 9.2.02).

Der Rückerstattungsanspruch richtet sich gegen diejenigen Erben, welche die Erbschaft nicht ausgeschlagen haben. Sind mehrere Erben vorhanden, so haften sie dafür solidarisch (Art. 603 Abs. 1 und Art. 639 ZGB). Wenn allerdings die Erben eines zahlungsunfähigen Erblassers die Erbschaft ausschlagen, so haften sie gleichwohl insoweit, als sie vom Erblasser innerhalb der letzten fünf Jahre ausgleichungspflichtige Vermögenswerte (vgl. Art. 626 ff. ZGB) empfangen haben (Art. 579 ZGB).

Zur Prüfung einer Rückerstattung aus dem Nachlass der Klientin bzw. des Klienten ist abzuklären, wie viel ihr bzw. ihm in den letzten 15 Jahren an Sozialhilfeleistungen ausgerichtet worden ist. Davon sind allfällige, den gleichen Zeitraum betreffende Eingänge (z.B. Zahlungen von Sozialversicherungen oder aus Verwandtenunterstützung) abzuziehen. Für den verbleibenden Nettobetrag kann gegenüber dem Nachlass bzw. den Erben ein Anspruch auf Rückerstattung geltend gemacht werden.

Dabei sind die Verhältnisse der Erben angemessen zu berücksichtigen (§ 28 Abs. 2 SHG). So sollte z.B. der Beziehung des Erben zum Erblasser, der Grösse und Art des Erbteils sowie der finanziellen Lage des Erben Rechnung getragen werden. Jedenfalls wäre es unverhältnismässig, von einem in schlechten finanziellen Verhältnissen lebenden und dem Erblasser nahe verbunden gewesenen Erben einen relativ geringfügigen Erbteil bzw. ein Objekt mit hohem Erinnerungswert zurückzuverlangen.

3.Verfahren zur Geltendmachung der Ansprüche

Wenn Erben vorhanden und bekannt sind, so hat die Rückforderung in der Form eines rekursfähigen Beschlusses der Sozialbehörde zu erfolgen. Wird dagegen nicht rekurriert bzw. ist ein erhobener Rekurs letztinstanzlich abgewiesen worden, so gilt ein solcher Entscheid als definitiver Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 80 SchKG und Art. 81 SchKG. Bei Nichtbezahlung der Rechnung kann daher ohne weiteres ein Betreibungsverfahren durchgeführt werden.

Der Rückforderungsbeschluss ist normalerweise bzw. dann, wenn die Erbschaft ohne Mitwirkung von Amtsstellen oder Drittpersonen verwaltet und geteilt wird, dem oder den Erben (soweit sie keinen gemeinsamen Vertreter haben) der verstorbenen Klientschaft zuzustellen (Art. 579ZGB). Falls die Klientin bzw. der Klient durch letztwillige Verfügung einen Willensvollstrecker eingesetzt hat (Art. 517 ZGB und Art. 518 ZGB), ist der Entscheid an diesen zu richten. Gleich verhält es sich, sofern ausnahmsweise eine Erbschaftsverwaltung angeordnet worden ist (Art. 554 ZGB). Auch wenn der Erblasser unter Beistandschaft stand, sind (sofern Erben vorhanden sind) die Erwachsenenschutzorgane zur Begleichung einer solchen Rückforderung nicht mehr zuständig, da solche Befugnisse mit dem Tod des Erblassers erloschen sind (Art. 399 Abs. 1 ZGB, Art. 421 Ziff. 2 ZGB).

Falls die Sozialbehörde begründete Besorgnis hat, dass ihre Forderung nicht bezahlt wird und auf ihr Begehren hin auch keine Vergütung oder Sicherstellung erfolgt, so kann sie innert drei Monaten, vom Tod des Erblassers oder der Eröffnung der letztwilligen Verfügung an gerechnet, die amtliche Liquidation der Erbschaft verlangen (Art. 594 ZGB). Innerhalb des Kantons Zürich hat sie dies beim zuständigen Einzelgericht zu beantragen (§ 137 lit. g GOG). Die Sicherungsmassnahmen (Inventarisation, Siegelung, Erbschaftsverwaltung) müssen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorhanden sind, beim Einzelgericht beantragt oder von der Erwachsenenschutzbehörde durchgeführt werden (Art. 551 bis 555 ZGB, § 125 EG ZGB, § 137 GOG; vgl. vorstehend Ziff. 1). Zudem kann die Sozialbehörde unter bestimmten Voraussetzungen Vermögensstücke eines zur Rückerstattung verpflichteten Erben auch mit Arrest belegen lassen (Art. 271 bis 281 SchKG).

Rechtsprechung

VB.2013.00371: Die Rückerstattungsforderung wird bei Weitem vom Nachlass der Erblasserin gedeckt. Angesichts des eigenen Vermögens der Beschwerdeführerin und auch unter Berücksichtigung des ihr zu belassenden Vermögensfreibetrags ist dem Schluss der Vorinstanz, dass die Beschwerdeführerin durch das Erbe in günstige Verhältnisse gelangte, ohne Weiteres zu folgen (E. 4.1).

Urteil des Bundesgerichts 8C_254/2011 vom 7. Juli 2011: Ein (teilweiser) Verzicht auf eine Rückerstattung aus dem Nachlass liesse sich dann rechtfertigen, wenn die Beziehung zwischen Erblasserin und Erben gut gewesen wäre und sich die Erben in ausserordentlicher Weise und ohne Entgelt um die Erblasserin gekümmert und so die öffentliche Hand vor zusätzlicher Gewährung von Sozialhilfe bewahrt hätten. Davon kann hier nicht die Rede sein.

VB.2011.00386: Forderung gegen eine Alleinerbin auf Rückerstattung von rechtmässig bezogener wirtschaftlicher Hilfe. Streitgegenstand (E. 1.2-1.3). Rechtsgrundlagen betreffend Anspruch auf Rückerstattung von rechtmässig bezogener wirtschaftlicher Hilfe gegenüber Erben (E. 2): «(…) Somit kann die angemessene Berücksichtigung der Verhältnisse des Erben eines verstorbenen Hilfeempfängers, der rechtmässig Sozialhilfe bezog, nur bedeuten, dass auch der Erbe infolge der Erbschaft in finanziell günstige Verhältnisse nach § 27 Abs. 1 lit. b SHG gelangt sein muss, damit eine Rückerstattungsforderung gegen ihn bzw. den Nachlass geltend gemacht werden kann.» Aus dem Nachlass lässt sich die geltend gemachte und ausgewiesene Rückerstattungsforderung problemlos begleichen, ohne dass der Freibetrag von Fr. 25'000.- auch nur annähernd tangiert würde (E. 4.1). Aufgrund der verschiedenen, nicht bewerteten Vermögenswerte ist nicht ausgeschlossen, dass der Nachlass tatsächlich noch etwas grösser ist. Die Rückerstattung ist für die Beschwerdeführerin zumutbar (E. 4.5).

RRB 55/1996 (nicht publiziert): Bei der Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs aus dem Nachlass von Klientinnen und Klienten sind die Verhältnisse der Erbinnen und Erben angemessen zu berücksichtigen. Darunter fallen insbesondere die Beziehung zum Erblasser bzw. zur Erblasserin, die Grösse und Art des Erbteils sowie die finanzielle Lage der Erben und Erbinnen. Aus in den Nachlass übergegangenen Rentennachzahlungen kann aber ohne weiteres eine Rückerstattung der den gleichen Zeitraum betreffenden wirtschaftlichen Hilfe verlangt werden.

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