Interkantonale Vereinbarung für soziale Einrichtungen (IVSE)

Inhaltsverzeichnis

Details

Kapitelnr.
12.1.03.
Publikationsdatum
4. Januar 2021
Kapitel
12 Stationäre Massnahmen
Unterkapitel
12.1. Massnahmen im Erwachsenenbereich

Rechtsgrundlagen

Erläuterungen

1.Allgemeines

Die IVSE ist ein interkantonales Konkordat, das die Situation von Personen regelt, die ausserhalb ihres Kantons besondere Pflege oder institutionelle Betreuung in Anspruch nehmen müssen. Mit dem Abschluss der IVSE wird eine enge interkantonale Zusammenarbeit im Bereich der sozialen Einrichtungen angestrebt. Soziale Einrichtungen sollen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Wohnsitz in einem anderen Kanton ohne Erschwernisse offenstehen. Die hierfür notwendige Angebotsoffenheit wird dadurch gewährleistet, dass die IVSE die Kostenübernahme zwischen den Kantonen auf der Grundlage einheitlicher Berechnungsgrundlagen sichert.

2.Geltungsbereich

Die IVSE bezieht sich auf Einrichtungen der folgenden Bereiche (Art. 2 IVSE):

Bereich A:

Hierunter fallen stationäre Einrichtungen, die gestützt auf eidgenössisches oder kantonales Recht Personen bis zum vollendeten 20. Altersjahr, längstens jedoch bis nach Abschluss der Erstausbildung beherbergen, sofern sie vor Erreichen der Volljährigkeit in eine Einrichtung eingetreten oder dort untergebracht worden sind.

Im Fall von Massnahmen gemäss dem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht vom 20. Juni 2003 (Jugendstrafgesetz, (JStG), SR 311.1) liegt die Altersgrenze unabhängig vom Eintrittsalter beim vollendeten 22. Altersjahr. Zu beachten ist hier, dass Einrichtungen, welche einem Konkordat über den Vollzug von Strafen und Massnahmen (Straf-und Massnahmenvollzugskonkordate) unterstellt sind, nicht zum Bereich A gehören. Sie fallen generell nicht unter den Geltungsbereich der IVSE.

Bereich B:

Zum Bereich B gehören Einrichtungen für erwachsene, invalide Personen oder Einheiten solcher Einrichtungen gemäss dem Bundesgesetz über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG, SR 831.26), d.h.:

  • Werkstätten, die dauernd intern oder an dezentral ausgelagerten Arbeitsplätzen invalide Personen beschäftigen, die unter üblichen Bedingungen keine Erwerbstätigkeit ausüben können,
  • Wohnheime und andere betreute kollektive Wohnformen für invalide Personen,
  • Tagesstätten, in denen invalide Personen Gemeinschaft pflegen und an Freizeit- und Beschäftigungsprogrammen teilnehmen können.

Einheiten von Einrichtungen, welche die gleichen Leistungen wie die oben aufgelisteten Werkstätten, Wohnheime oder Tagesstätten erfüllen, sind gleichgestellt.

Bereich C:

Der Bereich C umfasst stationäre Therapie- und Rehabilitationsangebote im Suchtbereich.

Bereich D:

Zum Bereich D gehören Einrichtungen der externen Sonderschulung:

  • Sonderschulen für Unterricht, Beratung und Unterstützung inklusive integrativer Sonderschulung sowie für die Tagesbetreuung, sofern diese Leistung von der Einrichtung erbracht wird,
  • Früherziehungsdienste für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder,
  • Pädagogisch-therapeutische Dienste für Logopädie oder Psychomotoriktherapie, sofern diese Leistungen nicht innerhalb des Regelschulangebotes erbracht werden.

Sonderschuleinrichtungen, die eine eigene Schule (Externat) und ein Internat führen, können für den Sonderschulunterricht, der von externen Schülerinnen und Schülern besucht wird, dem Bereich D und für das stationäre Angebot (interne Schüler und Schülerinnen) dem Bereich A unterstellt werden. Stationäre Einrichtungen der Sonderschulung mit eigener Schule, die vorwiegend Schülerinnen und Schüler im Internat aufnehmen, werden dem Bereich A unterstellt.

Nicht unter die IVSE fallen:

  • Einrichtungen, die einem Konkordat über den Vollzug von Strafen und Massnahmen (Straf-und Massnahmenvollzugskonkordate) unterstellt sind,
  • Einrichtungen für Betagte sowie medizinisch geleitete Einrichtungen,
  • Einrichtungen, soweit sie Leistungen zur beruflichen Eingliederung im Sinne der Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959 (IVG, SR 831.20) erbringen.

Alle Kantone und das Fürstentum Liechtenstein sind Mitglieder der IVSE.. Der Kanton Zürich ist mit Beschluss des Regierungsrates vom 14. November 2007 per 1. Januar 2008 allen vier Bereichen der IVSE beigetreten.

3.Einrichtungen

Der Standortkanton bezeichnet die Einrichtungen in seiner Zuständigkeit, welche er der IVSE zu unterstellen beabsichtigt, teilt sie den entsprechenden Bereichen (vgl. vorstehend Ziff. 2) zu, bezeichnet die von der Einrichtung angewandte Methode der Leistungsabgeltung (vgl. nachstehend Ziff. 6) und meldet diese Angaben dem Zentralsekretariat der Sozialdirektorenkonferenz (SODK). Das Zentralsekretariat der SODK führt eine Liste der Einrichtungen beziehungsweise derjenigen Abteilungen, welche der IVSE unterstellt sind (Datenbank IVSE). Es führt die Liste nach Bereichen und nach Methoden der Leistungsabgeltung. Fallen nicht alle Abteilungen einer Einrichtung unter die IVSE, so bezeichnet der Standortkanton ausdrücklich jene Abteilungen, auf welche die IVSE Anwendung finden soll.

4.Verbindungsstellen

Jeder Vereinbarungskanton bezeichnet eine Verbindungsstelle. Diese sind gemäss Art. 11 IVSE zuständig für:

  • das Einholen der Kostenübernahmegarantie,
  • die Entgegennahme und Bearbeitung von Gesuchen um Kostenübernahmegarantie und den Entscheid über dieselben,
  • die Koordination der Information und der Geschäftsbearbeitung mit Verwaltungen sowie Einrichtungen und deren Vertretungen innerhalb des Kantons,
  • den Informationsaustausch und die Geschäftsbearbeitung mit Verbindungsstellen anderer Vereinbarungskantone,
  • die Führung eines Registers über die erteilten Kostenübernahmegarantien.

Im Kanton Zürich nimmt das Kantonale Sozialamt die Aufgaben der Verbindungsstelle wahr, wobei Gesuche um Kostenübernahmegarantie aus dem Bereich A und D vom Amt für Jugend und Berufsberatung (AJB) bearbeitet werden.

5.Kostenübernahmegarantie

5.1.Zuständigkeit

Die Zuständigkeit zur Leistung einer Kostenübernahmegarantie liegt grundsätzlich beim Wohnkanton, d.h. bei dem Kanton, in dem die Person, welche die Leistungen beansprucht, ihren zivilrechtlichen Wohnsitz hat (vgl. Art. 4 lit. d IVSE). Wechselt der zivilrechtliche Wohnsitz der betreffenden Person, findet grundsätzlich auch ein Zuständigkeitswechsel des pflichtigen Kantons statt. In solchen Fällen muss ein neues Gesuch um Kostenübernahmegarantie eingereicht werden, über welches der neue Wohnkanton zu entscheiden hat (vgl. hierzu nachfolgend Ziff. 5.2).

Spezielle Zuständigkeitsregelung bestehen dabei in den Bereichen B und D:

Bereich B:

Nach Art. 5 Abs. 1 IVSE bewirkt der Aufenthalt in einer Einrichtung gemäss Art. 2 Absatz 1 Bereich B lit. b (Wohnheime und andere betreute kollektive Wohnformen für invalide Personen) keine Änderung der bisherigen Zuständigkeit für das Leisten der Kostenübernahmegarantie. Das bedeutet, dass der bisherige zivilrechtliche Wohnkanton für die Kostenübernahmegarantie zuständig bleibt, auch wenn die Person während ihres Aufenthaltes in der Einrichtung ihren zivilrechtlichen Wohnsitz (sei dies an den Standort der Einrichtung, sei dies an einen anderen Ort) verlegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die betreffende Person ihren zivilrechtlichen Wohnsitz selbständig wechseln kann oder ob sich ihr zivilrechtlicher Wohnsitz , wie das bei Volljährigen unter umfassender Beistandschaft der Fall ist, am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde befindet (so genannte unselbständige Wohnsitzverlegung; vgl. Art. 26 ZGB).

Gemäss Empfehlung des Vorstandes der Vereinbarungskonferenz IVSE an die Mitgliedskantone der IVSE vom 18. Dezember 2009 (vgl. auch die Anlage mit Beispielen) ist Art. 5 Abs. 1 IVSE so anzuwenden, dass nicht nur selbständige Wohnsitzverlegungen an den Standort des Heimes, sondern auch unselbständige Wohnsitzverlegungen und selbständige Wohnsitzverlegungen an einen anderen als den Standort des Heimes keine Änderung der IVSE-Zuständigkeit bewirken. Dies gilt jedenfalls ab dem 1. Januar 2008. Da bis Ende 2007 eine andere Praxis bezüglich der Beurteilung der unselbständigen Wohnsitzverlegung und der selbständigen Wohnsitzverlegung an einen anderen als den Standort des Heimes bestand, begründen die vom Heimeintritt bis zum 31. Dezember 2007 erfolgten unselbständigen und selbständigen Wohnsitzverlegungen an einen anderen als den Standort des Heimes einen IVSE-Zuständigkeitswechsel. Die bis zum 31. Dezember 2007 erfolgten unselbständigen und selbständigen Wohnsitzverlegungen an den Standort des Heimes begründen keinen IVSE-Zuständigkeitswechsel.Bereich D:

Für Vergütungen von Leistungen der externen Sonderschulung hat derjenige Kanton die Kostenübernahmegarantie zu leisten, in dem sich der Schüler oder die Schülerin aufhält (Art. 5 Abs. 2 IVSE). Im Unterschied zum Aufenthalt und Schulbesuch in stationären Einrichtungen mit eigener Schule (Schulheime), bei denen der generelle IVSE-Grundsatz des zivilrechtlichen Wohnsitzes gemäss Art. 4 IVSE gilt, richtet sich im Bereich der externen Sonderschulung die Zuständigkeit nach dem Aufenthaltsort.

5.2.Verfahren

Vor der Unterbringung bzw. vor dem Eintritt der Person reicht die Einrichtung bei der Verbindungsstelle des Standortkantons ein Gesuch um Kostenübernahmegarantie ein. Ist die vorgängige Einreichung wegen zeitlicher Dringlichkeit nicht möglich, ist dies so rasch als möglich nachzuholen.

Die Verbindungsstelle des Standortkantons leitet das Gesuch um Kostenübernahmegarantie der Verbindungsstelle des zivilrechtlichen Wohnkantons der Person (bzw. des Aufenthaltskantons in Fällen des Bereichs D) weiter, welche das Gesuch prüft und darüber entscheidet. Die Kostenübernahmegarantie kann befristet und mit Auflagen versehen sein. Unbefristete Kostenübernahmegarantien können mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden (Art. 27 IVSE).

Bei einem Wechsel der Zuständigkeit hat die Einrichtung der IVSE-Verbindungstelle des Standortkantons ein neues Gesuch um Kostenübernahmegarantie einzureichen. Diese leitet das Gesuch dem neu zuständigen Kanton weiter, welcher über das Gesuch zu befinden hat.

6.Leistungsabgeltung

Die Leistungsabgeltung ist in den Art. 20 ff. IVSE geregelt. Die Leistungsabgeltung kann sowohl durch Methode D (Defizitdeckung) als auch durch Methode P (Pauschalen) erfolgen. Besteht zwischen dem Standortkanton und seiner Einrichtung keine Abmachung bezüglich der Methode P, so kommt die Methode D zur Anwendung (Art. 23 IVSE).

Die Einrichtung des Standortkantons kann den zahlungspflichtigen Stellen und Personen monatlich Rechnung stellen. Die Rechnungen sind innert 30 Tagen nach Eingang zu bezahlen. Bei Inkassoproblemen leistet der Wohnkanton Hilfe (Art. 25 IVSE).

Bezüglich der Kostenbeteiligungen bestehen je nach Bereich unterschiedliche Regelungen:

Bereich A:

Für den Bereich A hält Art. 22 IVSE fest, dass die Unterhaltspflichtigen einen Beitrag zu leisten haben, welcher den mittleren Tagesaufwendungen für Kost und Logis für eine Person in einfachen Verhältnissen entspricht (Art. 22 IVSE). Ausgegangen wird hier von einem Betrag zwischen Fr. 25.-- und Fr. 30.-- pro Tag (vgl. Kommentar zur IVSE, S. 12 f.). Von Unterhaltspflichtigen nicht geleistete Beiträge können der Sozialhilfe belastet werden (Art. 22 Abs. 2 IVSE). Zur Kostentragungspflicht nach kantonalem Recht vgl. aber Kapitel 12.2.03, Ziff. 2.1).

Bereich B:

Erwachsene invalide Personen in Einrichtungen gemäss Art. 2 Absatz 1 Bereich B lit. b und lit. c (Wohnheime und andere betreute kollektive Wohnformen für invalide Personen sowie Tagesstätten) tragen die Kosten der Leistungsabgeltung teilweise oder vollständig aus ihrem Einkommen und aus Anteilen des Vermögens. Die Berechnung der Kostenbeteiligung erfolgt nach den im Wohnkanton geltenden Regeln (Art. 28 IVSE).

Die Kostenbeteiligung wird von der Einrichtung bei der Person oder deren gesetzlichen Vertretung aufgrund der Kostenübernahmegarantie des Wohnkantons eingefordert. Verbleibt nach Abzug der Kostenbeteiligung von der Leistungsabgeltung ein ungedeckter Betrag, so gilt der Wohnkanton diesen der Einrichtung ab (Art. 29 IVSE).

Bereich C:

Betreffend Kostenbeteiligung der die Leistung beanspruchenden Person ist massgeblich, wie im Wohnkanton Anspruchsberechtigung, Finanzierung und Zuständigkeit für Aufenthalte von Personen in stationären Therapie- und Rehabilitationsangeboten im Suchtbereich auf Gesetzes-, Verordnungs- und Verwaltungsstufe geregelt sind, zum Beispiel die Frage der Finanzierung über die Sozialhilfe oder über kommunale oder kantonale Beiträge mit eigener gesetzlicher Grundlage (für die Regelung im Kanton Zürich vgl. Kapitel 12.1.02).

Bereich D:

Im Bereich D sieht die IVSE keine individuelle Kostenbeteiligung vor.

Rechtsprechung


Praxishilfen

Weitere Informationen, Richtlinien und Wegleitungen finden sich unter www.sodk.ch/de/ivse/.

Anlagen

Kontakt

Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe

E-Mail

sozialhilfe@sa.zh.ch

Für Fragen zur Interinstitutionellen Zusammenarbeit: iiz@sa.zh.ch


Für dieses Thema zuständig: