Krankenversicherung: Auswirkungen auf die Sozialbehörden

Kapitelnr.
11.1.11.
Publikationsdatum
17. September 2021
Kapitel
11 Weitere Leistungen Soziale Sicherheit
Unterkapitel
11.1. Sozialversicherungsleistungen

Rechtsgrundlagen

Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 24. Juni 1977 (ZUG), SR 851.1 § 15a SHG Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG), SR 832.10 Einführungsgesetz zum Krankenversicherungsgesetz vom 29. April 2019 (EG KVG), LS 832.01

Erläuterungen

1.Obligatorische Krankenversicherung

1.1. Prämien Aufgrund von Art. 3 Abs. 2 lit. b ZUG gelten die von einem Gemeinwesen anstelle von Versi-cherten zu übernehmenden Beiträge an die obligatorische Krankenpflegeversicherung nicht als sozialhilferechtliche Unterstützungen (vgl. auch SKOS-Richtlinien, Kapitel B.5). Deshalb dürfen Prämienübernahmen nach § 15 EG KVG weder an andere sozialhilferechtliche Kos-tenträger weiterverrechnet noch in die Staatsbeitragsrechnung gemäss § 45 SHG einbezo-gen werden. Zudem ist zu beachten, dass die Zuständigkeit zu einer solchen Prämienüber-nahme nicht beim Unterstützungswohnsitz der betroffenen Person liegt, sondern ihr zivil-rechtlicher Wohnsitz massgeblich ist. Innerhalb des Kantons Zürich entscheiden die Gemeinden selber, welche Stellen sie mit der Prämienübernahme betrauen wollen. Auch wenn diese Aufgabe gestützt auf § 7 Abs. 2 SHG der Sozialbehörde übertragen ist, stellt die Prämienübernahme keine Sozialhilfeleistung dar. Desungeachtet ist der durch die Prämienverbilligung nicht gedeckte Teil der Krankenkas-senprämie als Aufwandposition im Unterstützungsbudget einer Sozialhilfe beantragenden bzw. beziehenden Person zu berücksichtigen. Dabei ist zu beachten, dass seit der am 1. Ap-ril in Kraft getretenen Totalrevision des EG KVG per 1. April 2020 und der damit erfolgten Änderung des SHG Sozialhilfebeziehende, die bei einer teuren Krankenkasse versichertet sind, aufgefordert sind, zu einer günstigen Krankenkasse zu wechseln, soweit dies möglich und zumutbar ist. Die Sozialhilfeorgane sind verpflichtet, die Sozialhilfebeziehenden zu ei-nem Wechsel anzuhalten und sie gegebenenfalls bei einem Wechsel zu unterstützen (§ 15a Abs. 1 und 2 SHG). Als Vollzugshilfe erstellt die Gesundheitsdirektion jeweils für alle drei Prämienregionen des Kantons Zürich eine Übersicht mit Krankenversicherungen und Versi-cherungsmodellen, die im Sinne von § 15a Abs. 1 SHG als günstig gelten (vgl. Anlagen). Bei der Beurteilung, was zumutbar und möglich ist, sind insbesondere die Dauer der Sozial-hilfeabhängigkeit, die Chance der Ablösung aus der Sozialhilfe und die Möglichkeiten, sich in einem günstigen Versicherungsmodell zurechtzufinden, zu berücksichtigen (§ 15a Abs. 4

SHG). Weigert sich eine Sozialhilfe beziehende Person, zu einer günstigen Krankenversicherung zu wechseln, obwohl dies möglich und zumutbar wäre, hat die Sozialbehörde ihr eine entspre-chende Auflage (vgl. Kapitel 14.1.01) zu erteilen. Wird diese nicht erfüllt, sind die Sozialhilfe-leistungen gestützt auf § 24 SHG im Sinne einer Sanktion angemessen zu kürzen (vgl. § 24 lit. a Ziff. 8 SHG; Kapitel 14.2.01). Die Kürzung muss also im Einzelfall verhältnismässig sein und sie darf in Bezug auf Dauer und Umfang unter Berücksichtigung allfälliger weiterer be-reits beschlossener Kürzungen das sozialhilferechtliche Kürzungsmaximum nicht überschrei-ten. Zu beachten ist, dass der zivilrechtliche Wohnsitz der betreffenden Person auch dann den nicht durch die Prämienverbilligung gedeckten Teil der tatsächlichen Krankenkassenprämie dem Krankenversicherer zu überweisen hat (§ 15 Abs. 1 und 2 EG KVG), wenn diese sich weigert, zu einer günstigen Krankenkasse zu wechseln und ihr deshalb die Sozialhilfeleis-tungen gekürzt werden. Diese Auslagen gehen zulasten der Gesamtmittel für die Prämien-verbilligung (PV-Topf; vgl. Kapitel 11.1.10 Ziff. 6.2 und Ziff. 7). Damit ist sichergestellt, dass keine Prämienausstände entstehen. Ist ein Wechsel nicht möglich oder zumutbar, kommt eine Kürzung der Sozialhilfeleistungen nicht in Betracht. Die Differenz zwischen tatsächlicher Prämie und Prämienverbilligung wird vom Kanton übernommen, d.h. auch hier kommt § 15 EG KVG zur Anwendung (§ 15a Abs. 3 SHG). Unrechtmässig bezogene Übernahmen von Krankenkassenprämien dürfen nicht gestützt auf das SHG zurückgefordert werden, auch dann nicht, wenn sie zusammen mit (ebenfalls zu Unrecht bezogener) Sozialhilfe ausgerichtet worden sind. Die Rückforderung von Prämien-verbilligungen richtet sich nach § 20 EG KVG. Die Rückforderung von rechtmässig bezoge-nen Übernahmen von Krankenkassenprämien (z.B. bei subsidiär erfolgten Prämienüber-nahmen) richtet sich nach § 15 Abs. 3 EG KVG. 1.2. Franchise und Selbstbehalt Die von den Versicherten geschuldeten Kosten für Franchisen und Selbstbehalte gehören zur medizinischen Grundversorgung und sind bei Sozialhilfe beziehenden Personen von der Sozialbehörde zu übernehmen (vgl. auch SKOS-Richtlinien, Kapitel B.5). Im Gegensatz zu den Prämien gelten diese als sozialhilferechtliche Unterstützung und können unter den Vo-raussetzungen von § 44 SHG weiterverrechnet werden. Vgl. dazu Kapitel 7.3.01 und Kapitel 7.3.02

2.Zusatzversicherung nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

Die medizinische Grundversorgung ist weitgehend durch die obligatorische Krankenversiche-rung gedeckt. Daneben besteht die Möglichkeit, sich über die Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung hinaus versichern zu lassen. Beispiele:

  • Alternativmedizin,
  • Bade- und Erholungskuren,
  • Krankenpflege und Haushaltshilfe,
  • Brillen und Kontaktlinsen,
  • Zahnbehandlungskosten, Zahnstellungskorrekturen und Massnahmen der Kieferchirur-gie,
  • Spitalzusatzversicherung für halbprivate oder private Abteilung. Bei den Zusatzversicherungen können die Krankenkassen die Prämien abgestuft nach Alter und Geschlecht gestalten und sie dürfen Vorbehalte anbringen, d.h. Leistungen für bestimm-te Krankheiten ausschliessen. Im Gegensatz zur obligatorischen Grundversicherung besteht keine Verpflichtung der Krankenkassen, eine Person in eine Zusatzversicherung aufzuneh-men. Die obligatorische Grundversicherung und Zusatzversicherungen können bei verschie-denen Krankenkassen abgeschlossen werden. Im Rahmen des sozialen Existenzminimums besteht in der Regel kein Anspruch auf Einbe-zug von Zusatzversicherungen (vgl. § 15 Abs. 2 SHG). In Sonderfällen (z.B. medizinisch be-gründete Notwendigkeit eines besseren Versicherungsschutzes bzw. kostengünstigere Lö-sung) oder für eine verhältnismässig kurze Unterstützungsperiode (vorübergehende Notlage) kann es aber angebracht sein, ausnahmsweise Prämien für über die Basisversorgung hin-ausgehende Leistungen aus Sozialhilfemitteln abzugelten (vgl. Kapitel 8.1.02 und SKOS-Richtlinien, Kapitel B.5 und C.1.4). Falls die Zusatzversicherung nicht berücksichtigt wird, steht es den Hilfesuchenden normalerweise frei, sie entweder aufzulösen oder die entspre-chenden Prämien selber zu tragen.

3.Freiwillige Taggeldversicherung

Die freiwillige Taggeldversicherung nach KVG können Personen ab dem 15. Altersjahr bis zum AHV-Alter abschliessen. Diese Versicherung dient dazu, bei Arbeitsunfähigkeit finanzi-elle Engpässe zu decken. Vgl. dazu Kapitel 11.1.09, Ziff. 3. Bei freiwilligen Taggeldversicherungen ist abzuwägen, ob der oder die Hilfesuchende und eventuell auch die Sozialbehörde ein erhebliches Interesse an ihrer Weiterführung haben. Ist dies der Fall, so können die entsprechenden Beiträge im Rahmen des sozialen Existenzmi-nimums berücksichtigt werden (vgl. Kapitel 8.1.16).

Rechtsprechung

Praxishilfen

https://www.zh-sozialkonferenz.ch/wp-content/uploads/2020/03/Newsletter_1-20.pdf

Merkblatt der Gesundheitsdirektion zur Restprämienübernahme ohne Sozialhilfebezug

Anhänge

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