Schattenseiten der Ekstase

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Hören Sie den Artikel zum Thema «Street Parade: Die Schattenseiten der Ekstase» hier. Text: Erich Wenzinger, Sprecher: KI-generiert

Staatsanwältinnenund Staatsanwälte im Einsatz an der Street Parade 2024

Jahr für Jahr verwandeln Fans elektronischer Tanzmusik das Zürcher Seebecken am zweiten Augustwochenende in einen einzigen Dancefloor. Wo knapp eine Million Menschen ausgelassen feiern und tanzen, bleiben auch Straftaten nicht aus.

Drohnenaufnahme zeigt die Zürcher Bellevuebrücke von oben. Die Brücke ist voller Menschen, erkennbar an einer Vielzahl heller Punkte. Im Seebecken rund um die Brücke sind sehr viele Boote. auf dem Wasser.
Die Street Parade soll ein Symbol für Liebe, Frieden, Freiheit und Toleranz sein. Doch nicht alle Teilnehmenden folgen den Idealen der Organisatoren. Neben ausgelassener Stimmung gehören Delikte wie Diebstähle, Betäubungsmitteldelikte oder Auseinandersetzungen zu den unerfreulichen Begleiterscheinungen. In der Vergangenheit gab es aufsehenerregende Vorfälle, darunter ein Tötungsdelikt auf der Rathausbrücke 2007 oder eine Bombenattrappe am Utoquai 2019.

Die Street Parade soll ein Symbol für Liebe, Frieden, Freiheit und Toleranz sein. Doch nicht alle Teilnehmenden folgen den Idealen der Organisatoren. Neben ausgelassener Stimmung gehören Delikte wie Diebstähle, Betäubungsmitteldelikte oder Auseinandersetzungen zu den unerfreulichen Begleiterscheinungen. In der Vergangenheit gab es aufsehenerregende Vorfälle, darunter ein Tötungsdelikt auf der Rathausbrücke 2007 oder eine Bombenattrappe am Utoquai 2019.

Auseinandersetzung in der Genfergasse

Doch zurück in die Gegenwart. Es ist inzwischen kurz nach 20.30 Uhr an diesem Samstag im August 2024, keine Wolke trübt den Zürcher Abendhimmel, das Thermometer zeigt noch immer weit über 25 Grad Celsius. Die Bässe dröhnen, die Stimmung rund ums Seebecken ist ausgelassen. Aus der Genferstrasse im Kreis 2 wird eine Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen gemeldet. Ein Jugendlicher sei mit einer Stichwaffe verletzt worden, der Mann wird bereits durch die Sanität von Schutz & Rettung Zürich medizinisch betreut.

Kurze Zeit später wird die Verhaftung mehrerer Personen gemeldet. Der Leitende Staatsanwalt Rolf Meier, der gemeinsam mit Staatsanwältin Sibille Müller und Assistenz-Staatsanwältin Katrin Niggli seit 18 Uhr die zwölfstündige Pikettschicht als Front-STA leistet, informiert sich beim Polizeioffizier über die Details. Er entscheidet sich aufgrund der vermuteten Schwere des Delikts, die auf Gewaltdelikte spezialisierte Staatsanwaltschaft I einzuschalten, und orientiert deren Pikettstaatsanwalt Daniel Regenass telefonisch. Dieser übernimmt den Fall und wird später ein Strafverfahren gegen den beschuldigten 38-jährigen Schweizer einleiten.

Angriff auf einen Polizisten

Inzwischen ist die Nacht über das pulsierende Zürich hereingebrochen. Um 22.45 Uhr kommt es vor einem Club an der Theaterstrasse zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen. Als Einsatzkräfte der Polizei die Situation klären wollen, wird ein Polizist unvermittelt von hinten angegriffen und gewürgt. Mithilfe weiterer Einsatzkräfte kann der Angreifer, ein 48-jähriger Brasilianer, überwältigt und festgenommen werden.

Staatsanwältin Müller ordnet beim Beschuldigten eine Blut- und Urinprobe an. Der Mann kommt in Polizeihaft. Nach Abschluss der Ermittlungen und einer staatsanwaltschaftlichen Einvernahme wird er wenige Tage später von der Staatsanwaltschaft wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden oder Beamte mittels Strafbefehls bestraft.

Nach der Street Parade: Mann von Zug erfasst und tödlich verletzt

Am frühen Sonntagmorgen um 3.30 Uhr ruft ein SBB-Lokomotivführer die Notrufzentrale der Polizei an und meldet eine Kollision mit einer Person auf den Geleisen. Der Lokführer war mit seiner Zugskomposition von Urdorf kommend in Richtung Zürich unterwegs, als er kurz vor dem Bahnhof Altstetten plötzlich eine Person bemerkte, die zu Fuss auf dem Gleis ebenfalls in Richtung Zürich unterwegs war.

Trotz sofort eingeleiteter Notbremsung kollidierte die S-Bahn in der Folge mit dem Fussgänger, dieser – ein 29-jähriger Mann – wird so schwer verletzt, dass er noch auf der Unfallstelle stirbt. Polizei, Sanität sowie der diensthabende Brandtour-Staatsanwalt Luca Baici rücken an den Ereignisort aus. Die Staatsanwaltschaft eröffnet in solchen Fällen ein sogenanntes AgT-Verfahren (Verfahren betr. aussergewöhnlichen Todesfall), im Rahmen dessen die Hintergründe des Vorfalls und mögliches strafrechtlich relevantes Fehlverhalten geklärt werden.

Die ersten Abklärungen ergeben, dass es sich beim Verstorbenen um einen tschechischen Touristen handelt, der als Teil einer Gruppe an der Street Parade teilgenommen hatte und dass ein Unfallgeschehen im Vordergrund steht.

Zwei Personen in Tauchanzügen und Schwimmflossen springen von einer heruntergelassenen Heckklappe eines Bootes der Stadtpolizei in den Zürichsee.
Zur Suche nach dem vermissten Street-Parade-Teilnehmer und zu dessen Bergung kamen Einsatztaucher der Wasserschutzpolizei (Stadtpolizei Zürich) zum Einsatz.

Tote Person aus Zürichsee geborgen

Am Sonntagnachmittag ist vom vorabendlichen Spuk rund ums Seebecken nicht mehr viel zu sehen, die Reinigungskräfte haben die von den Ravern hinterlassenen Abfallberge längst beseitigt. Doch für Polizei und Staatsanwaltschaft ist die Parade noch nicht Geschichte.

Ein 40-jähriger Schweizer, der am Vortag mit Kollegen die Street Parade besuchte, wird vermisst. Seine Begleiter geben an, der Vermisste habe am Samstagnachmittag am Utoquai schwimmen gehen wollen und sich von ihnen entfernt. Danach brach der Kontakt ab. Umgehend führt die Wasserschutzpolizei beim Utoquai Suchtauchgänge durch und stösst bald auf den leblosen Vermissten.

Die Stadtpolizei bietet auch hier den diensthabenden Pikettstaatsanwalt Luca Baici auf, der ans Seeufer ausrückt. «Erste Abklärungen von Polizei und Institut für Rechtsmedizin ergaben, dass der Mann nach einem Sprung ins Wasser ertrunken ist», erklärt Luca Baici. Nach derzeitigem Erkenntnisstand gebe es keine Hinweise auf ein Delikt bzw. auf eine Dritteinwirkung, die genauen Hintergründe werden im Rahmen eines weiteren AgT-Verfahrens zu klären sein. Es ist leider nicht der erste Street-Parade- Besucher, der mutmasslich bei einem Badeunfall ums Leben kommt, zuletzt wurde die Parade im Jahr 2022 von einem tödlichen Badeunfall überschattet.

Zwiespältige Bilanz

Bleibt zum Schluss die Frage nach der Bilanz der Street Parade 2024. Staatsanwalt Guy Krayenbühl, der ebenfalls am Street-Parade-Wochenende im Einsatz stand, sagt es so: «Bei allem Unheil der einzelnen Fälle: Angesichts von fast einer Million Raverinnen und Raver kann über alles betrachtet sicher von einem friedlichen Anlass gesprochen werden.» Dieser relativen Betrachtung stehe aber eine absolute gegenüber, so Krayenbühl. Er meint damit die zahlreichen Fälle, welche die ohnehin schon unter hoher Arbeitslast stehenden Strafverfolgerinnen und Strafverfolger als Folge des Technoevents zusätzlich zu bewältigen hätten.


Text: Erich Wenzinger

Mengengerüst


Während des Street-Parade-Wochenendes kam es in der Stadt Zürich zu insgesamt rund 75 Zuführungen der Polizei an die Staatsanwaltschaft. Dies ist dann der Fall, wenn von erwachsenen Personen begangene Vergehen und Verbrechen im Raum stehen. Dabei handelt es sich grösstenteils um Diebstähle sowie Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Ausländerund Integrationsgesetz.

Hinzu kamen noch die Delikte im Übertretungsbereich, die von der Polizei direkt an die Übertretungsstrafbehörden rapportiert werden. In den Tagen und Wochen nach der Street Parade gingen verschiedene weitere Fälle ein. Strafanzeigen mit Bezug zum Technoevent, beziehungsweise polizeiliche Rapportierungen dazu, gehen naturgemäss mit etwas zeitlicher Verzögerung bei der Staatsanwaltschaft ein.

Kontakt

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich – Medienstelle

Adresse

Güterstrasse 33
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