0484

Entscheidinstanz
Direktion der Justiz und des Innern
Geschäftsnummer
JI-2024-2947
Entscheiddatum
15. November 2024
Rechtsgebiet
Straf- und Massnahmenvollzug
Schlagworte
Rechtsschutzinteresse Disziplinarmassnahme Drogenkonsum Urinprobe Selbstverletzendes Verhalten Störung der Ordnung der Vollzugseinrichtung
Verwendete Erlasse
Art. 91 Abs. 1 StGB § 23 b Abs. 2 lit. c StJVG § 23 b Abs. 2 lit. g StJVG § 23 c Abs. 1 StJVG

Zusammenfassung (verfasst von der Direktion der Justiz und des Innern):


Der Rekurrent befindet sich zurzeit im Gefängnis X. Mit Disziplinarverfügung vom 27. September 2024 wurde er wegen Störung der Ordnung der Vollzugseinrichtung sowie des Konsums von Drogen mit einem Tag Arrest und einer Busse von Fr. 20.00 bestraft. Gegen diese Disziplinarverfügung erhob der Rekurrent mit Schreiben vom 4. Oktober 2024 Rekurs bei der Direktion der Justiz und des Innern.

Der Rekurrent wurde am 25. September 2024 positiv auf THC getestet. An der anschliessenden Anhörung bestritt er zwar, Drogen konsumiert zu haben, reagierte jedoch auf das Angebot, einen Labortest durchzuführen, mit der Äusserung, dass er die Nacht ohnehin im Spital verbringen werde. Nach seiner Versetzung in den Arrest gab er zudem an, eine Batterie geschluckt zu haben.

Erfolgen Aussagen, die auf selbstverletzendes Verhalten hindeuten, ungerechtfertigt, werden die geordneten Abläufe der Einrichtung ohne Not erheblich gestört. Vorliegend wurde der Rekurrent auf seine Aussagen hin in eine Arrestzelle versetzt, der zuständige Arzt wurde eingeschaltet und der Rekurrent wurde in ein Spital eingewiesen. Das Vorbringen des Rekurrenten, er habe spazieren gehen wollen, aber keine Erlaubnis dazu erhalten, vermag sein Verhalten nicht zu rechtfertigen.

Die Disziplinierung erfolgte zu Recht. Die ausgesprochenen Sanktionen erweisen sich als angemessen. Der Rekurs wird abgewiesen.

Anonymisierter Entscheidtext (Auszug):

Sachverhalt:
A. A. befindet sich zurzeit im Gefängnis X. Mit Disziplinarverfügung von Justizvollzug und Wiedereingliederung Kanton Zürich (JuWe), Vollzugseinrichtungen Zürich, Gefängnis X, vom 27. September 2024 wurde er wegen Störung der Ordnung der Vollzugseinrichtung sowie Konsum von Drogen mit einem Tag Arrest und einer Busse von Fr. 20.00 bestraft. Die Disziplinarmassnahme wurde rückwirkend per 25. September 2024 vollstreckt.
B. Mit Rekurs vom 4. Oktober 2024 beantragte A. bei der Direktion der Justiz und des Innern sinngemäss die Aufhebung der Disziplinarverfügung vom 27. September 2024.
C. Mit Vernehmlassung vom 21. Oktober 2024 reichte das JuWe die massgeblichen Akten ein und beantragte die Abweisung des Rekurses.
D. A. nahm zur Rekursvernehmlassung des JuWe nicht Stellung, womit mit Ablauf der angesetzten Frist die Sachverhaltsermittlungen als abgeschlossen gelten.

Erwägungen:

1.
Zum Rekurs ist berechtigt, wer durch die angefochtene Anordnung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (§ 21 Abs. 1 Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 24. Mai 1959 (VRG; LS 175.2). Auch wenn die fraglichen Disziplinarmassnahmen bereits vollzogen wurden, besteht ein schutzwürdiges Interesse an der Überprüfung der angefochtenen Verfügung, da sonst kaum je die Möglichkeit einer (rechtzeitigen) Überprüfung der Rechtmässigkeit bestünde (vgl. BGE 135 I 79 E. 1.1 mit weiteren Hinweisen). Ein schutzwürdiges Interesse des Rekurrenten liegt auch insofern vor, als die Verhängung von Disziplinarmassnahmen für die Beurteilung seiner Führung im Strafvollzug von Bedeutung ist. Da auch die übrigen Verfahrensvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf den Rekurs einzutreten.

2.

2.1. Der Rekursgegner führt in der angefochtenen Verfügung aus, der Rekurrent sei am 25. September 2024 positiv auf THC getestet worden. Bei der Anhörung habe er bestritten, Drogen konsumiert zu haben, und geäussert, noch eine Stunde spazieren gehen zu wollen. Auf das Angebot, den Test im Labor zu analysieren, habe er gesagt, dass er die Nacht ohnehin im Spital verbringen werde. Nachdem er auf die Frage, ob das als Drohung zu verstehen sei und ob er sich etwas antun wolle, nicht aufschlussreich geantwortet habe, sei er zu seinem Selbstschutz in eine Arrestzelle versetzt worden. Bei der Leibesvisite im Arrestraum habe er gesagt, dass er eine Batterie geschluckt habe. Der Rekurrent sei in Absprache mit dem zuständigen Arzt am 26. September 2024 in ein Spital eingewiesen worden und sei gleichentags in das Gefängnis X zurückgekehrt. Dem Rekurrent werde einerseits vorgeworfen, illegale Drogen konsumiert zu haben, und andererseits, zukünftige Selbstverletzungen angedeutet und dadurch den geordneten Ablauf der Einrichtung erheblich gestört zu haben.

2.2 Der Rekurrent bringt in seinem Rekurs vor, er habe spazieren gehen wollen, aber keine Erlaubnis dazu bekommen. Selbst wenn er «im Bunker» sei, stehe es ihm zu, spazieren zu gehen. In diesem Moment habe er sich gefühlt wie ein Tier, das im Käfig eingesperrt sei. Deshalb habe er sich gezwungen gesehen, zu drastischen Massnahmen zu greifen.

2.3 Der Rekursgegner führt dazu aus, der Rekurrent sei aufgefordert worden, eine Urinprobe abzugeben. Nachdem er entgegnet habe, dass er gerade keine Urinprobe abgeben könne, sei er bis zur Abgabe der Urinprobe in einem Einstellhaftraum untergebracht worden. Es sei davon auszugehen, dass der Rekurrent die Abgabe der Urinprobe verzögert habe, um durch Zeitablauf das Ergebnis zu beeinflussen. Durch das Verzögern der Urinprobe habe der Rekurrent selbstverschuldet die Spazierzeiten am Mittag verpasst.

3.

3.1 Gegen Gefangene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können gemäss Art. 91 Abs. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0) Disziplinarsanktionen verhängt werden. Das Disziplinarrecht für den Straf- und Massnahmenvollzug ist im Kanton Zürich in den §§ 23 b ff. des Straf- und Justizvollzuggesetzes vom 19. Juni 2006 (StJVG: LS 331) geregelt. Ein Disziplinarvergehen verübt namentlich, wer die Ordnung oder Sicherheit der Vollzugseinrichtung stört oder gefährdet (§ 23 b Abs. 2 lit. c StJVG) oder Drogen konsumiert (§ 23 b Abs. 2 lit. g StJVG). Ein Drogenkonsumverbot in den Vollzugseinrichtungen ist sowohl in § 106 Abs. 3 der Justizvollzugsverordnung vom 6. Dezember 2006 (JVV; LS 331.1) als auch in § 21 der Hausordnung der JVA Pöschwies (HO PöW) statuiert. Die Vollzugseinrichtungen veranlassen die notwendigen Kontrollen (§ 106 Abs. 3 Satz 2 JVV). Zur Überprüfung der Drogenabstinenz werden Urinproben abgenommen (§ 83 Abs. 1 HO PöW).

3.2 An die Beweisführung und die Begründung werden in einem Disziplinarverfahren nicht dieselben Anforderungen gestellt wie in einem Strafverfahren (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1P.4/2004 vom 4. August 2004, E. 3 mit weiteren Hinweisen; betreffend freie Beweiswürdigung vgl. auch Kaspar Plüss, in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2014 [Kommentar VRG], § 7 N. 136 und 138).

4.

4.1 Der Rekurrent wurde am 25. September 2024 positiv auf THC getestet. An der anschliessenden Anhörung bestritt er zwar, Drogen konsumiert zu haben, reagierte jedoch auf das Angebot, einen Labortest durchzuführen, mit der Äusserung, dass er die Nacht ohnehin im Spital verbringen werde. Nach seiner Versetzung in den Arrest gab er zudem an, eine Batterie geschluckt zu haben. Dieser Sachverhalt ist erstellt, da die Ausführungen des Rekursgegners unbestritten sind und kein Anlass besteht, daran zu zweifeln.

4.2 Aussagen, die auf selbstverletzendes Verhalten hindeuten, ziehen der Situation entsprechendes Handeln der Vollzugseinrichtung nach sich. Erfolgen solche Aussagen ungerechtfertigt, werden die geordneten Abläufe der Einrichtung ohne Not erheblich gestört. Vorliegend wurde der Rekurrent auf seine Aussagen hin in eine Arrestzelle versetzt, der zuständige Arzt wurde eingeschaltet und der Rekurrent wurde in ein Spital eingewiesen.
Der Rekurrent führt zur Rechtfertigung aus, er habe spazieren gehen wollen. Da er dazu keine Erlaubnis bekommen habe, habe er sich gezwungen gesehen, drastische Massnahmen zu ergreifen. Der Wunsch des Rekurrenten nach einem Spaziergang rechtfertigt es selbstredend nicht, Andeutungen auf selbstverletzendes Verhalten zu machen.

4.3 Anzumerken ist, dass der Rekurrent es in der Hand hatte, seinen Aufenthalt im Einstellhaftraum durch die Abgabe der Urinprobe jederzeit zu beenden. Seinen Aufenthalt in der Arrestzelle hat der Rekurrent durch Äusserungen, die auf zukünftige Selbstverletzungen hindeuten, selbst verursacht.

4.4 Nach dem Gesagten hat der Rekurrent die Disziplinartatbestände des Drogenkonsums nach § 23 b Abs. 2 lit. g StJVG sowie der Störung der Ordnung der Vollzugseinrichtung nach § 23 b Abs. 2 lit. c StJVG erfüllt. Die Disziplinierung erfolgte damit zu Recht.

5.

5.1 Die zulässigen Disziplinarmassnahmen sind in § 23 c Abs. 1 StJVG geregelt. Unter anderem sind als Disziplinarmassnahmen die Busse bis zu Fr. 200.00 (lit. g) sowie der Arrest bis zu 20 Tagen (lit. i) möglich. Mehrere Disziplinarmassnahmen können miteinander verbunden werden (§ 23 c Abs. 2 StJVG). Bei der Auswahl und der Bemessung der Disziplinarstrafe steht der Vollzugsbehörde ein grosses Ermessen zu. Der Disziplinarentscheid erfolgt aufgrund einer umfassenden Würdigung, insbesondere der objektiven Schwere des Disziplinarvergehens, des bisherigen Verhaltens im Vollzug und der Beweggründe. Die Massnahme soll zum begangenen Disziplinarvergehen in Beziehung stehen und geeignet sein, künftige Verstösse gegen die Anstaltsdisziplin zu verhindern (§ 164 Abs. 2 JVV).

5.2 Vorliegend fällt das bisherige Vollzugsverhalten des Rekurrenten positiv ins Gewicht, was sich strafmildernd auswirkt. In Anbetracht des Konsums von THC sowie der ungerechtfertigten Andeutungen, sich zukünftig selbst verletzen zu wollen, erweisen sich die verhängten Disziplinarmassnahmen von einem Tag Arrest und einer Busse von Fr. 20.00 als angemessen und gerechtfertigt.

6.
Im Ergebnis ist der Rekurs als unbegründet abzuweisen.

7.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Rekurrent kostenpflichtig (§ 13 Abs. 1 und 2 VRG).

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