0477

Entscheidinstanz
Direktion der Justiz und des Innern
Geschäftsnummer
JI-2024-1876
Entscheiddatum
23. Juli 2024
Rechtsgebiet
Straf- und Massnahmenvollzug
Schlagworte
Disziplinarmassnahme, Disziplinartatbestand, Illegaler Handel im Strafvollzug
Verwendete Erlasse
§ 23b Abs. 1 lit. a StJVG, § 23c Abs. 1 lit. g StJVG, § 23d Abs. 2 StJVG, Art. 91 Abs. 1 StGB, § 127 lit. j JVV

Zusammenfassung (verfasst von der Direktion der Justiz und des Innern):

Mit Disziplinarverfügung von JuWe vom 10. Juni 2024 wurde der Rekurrent wegen Abschlusses eines unerlaubten Rechtsgeschäftes mit einer Busse von Fr. 20.00 bestraft. Gegen diese Disziplinarverfügung erhob A. (Rekurrent) mit Eingabe vom 17. Juni 2024 Rekurs bei der Direktion der Justiz und des Innern. Er beantragte die Aufhebung der genannten Disziplinarverfügung sowie das Absehen von einer Disziplinierung, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse. In formeller Hinsicht beantragte er den Beizug sämtlicher Verfahrensakten durch die Rekursinstanz sowie Akteneinsicht.

Der Rekurrent wurde vom diensthabenden Aufseher beobachtet, wie er am 8. Juni 2024, um ca. 11.08 Uhr, die Zelle 3 des Gefangenen B. mit leeren Händen betrat und diese anschliessend mit einem Gabenpaket (Einkaufstasche) in der linken Hand tragend wieder verliess. Ob es sich um einen Kauf, einen Tausch, eine Schenkung oder eine blosse Ausleihe gehandelt hat, ist nicht bekannt und im Übrigen auch nicht relevant, da bereits die Übergabe bzw. Entgegennahme von Gegenständen, wie beispielsweise Esswaren, als Rechtsgeschäft im Sinne von § 27 der Hausordnung […] zu qualifizieren ist. Soweit der Rekurrent inzwischen geltend macht, das Gabenpaket sei nicht für ihn bestimmt gewesen, er habe es lediglich für den Insassen B. getragen, ist dies nicht glaubhaft; plausible Gründe hierfür sind nicht erkennbar und werden vom Rekurrenten auch nicht geltend gemacht. Damit ist der Sachverhalt erstellt, wie er in der angefochtenen Verfügung zu finden ist. Die vom Rekursgegner vorgenommene rechtliche Würdigung des Verhaltens des Rekurrenten (Verstoss gegen eine Hausordnung bzw. Abschluss eines Rechtsgeschäfts) ist korrekt. Mit der Entgegennahme des Gabenpakets, spätestens aber mit dem Verlassen der Zelle von B. hat der Rekurrent in Bezug auf den Tatbestand des Abschlusses eines Rechtsgeschäftes auch mindestens eventualvorsätzlich gehandelt. Die vorliegend verhängte Busse von Fr. 20.00 liegt im unteren Strafrahmen und erscheint der Verfehlung des Rekurrenten angemessen, weshalb sie nicht zu beanstanden ist. Folglich ist der Rekurs abzuweisen.

Anonymisierter Entscheidtext (Auszug):

Sachverhalt:

A.
A. verbüsst seit dem 15. November 2022 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) X. eine Freiheitsstrafe. Mit Disziplinarverfügung von Justizvollzug und Wiedereingliederung Kanton Zürich (JuWe), JVA X., vom 10. Juni 2024 wurde er wegen Abschlusses eines unerlaubten Rechtsgeschäftes mit einer Busse von Fr. 20.00 bestraft. Da Rekursen gegen Disziplinarverfügungen keine aufschiebende Wirkung zukommt, wurde die Disziplinarmassnahme sofort vollstreckt (§ 23d Abs. 2 Straf- und Justizvollzugsgesetzes vom 19. Juni 2006 [StJVG; LS 331]).

B.
Gegen die Disziplinarverfügung des JuWe vom 10. Juni 2024 erhob A. (Rekurrent) mit Eingabe vom 17. Juni 2024 (Posteingang: 20. Juni 2024) Rekurs bei der Direktion der Justiz und des Innern. Er beantragte die Aufhebung der genannten Disziplinarverfügung sowie das Absehen von einer Disziplinierung, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse. In formeller Hinsicht beantragte er den Beizug sämtlicher Verfahrensakten durch die Rekursinstanz sowie Akteneinsicht.

C.
Das JuWe beantragte mit Vernehmlassung vom 26. Juni 2024 und Untervernehmlassung vom 25. Juni 2024 die Abweisung des Rekurses. Zudem reichte es das Insassen-Stammblatt und die entsprechenden Anstalts- und Laufakten ein. Mit Verfügung der Direktion der Justiz und des Innern vom 28. Ju¬ni 2024 wurde dem Rekurrenten das Recht zur Einsicht in das Unterdossier «Disziplinarwesen» der Anstaltsakte bewilligt. Gleichzeitig wurde ihm die Gelegenheit gegeben, dazu innert 5 Tagen nach erfolgter Akteneinsicht Stellung zu nehmen. Der Rekurrent reichte innert dieser Frist keine Stellungnahme ein. Der Rekurrent reichte am 7. Juli 2024 eine Replik ein und hielt an seinen Anträgen fest. Das JuWe liess sich nicht mehr vernehmen. Die Sachverhaltsermittlungen gelten damit als abgeschlossen. Das Verfahren ist spruchreif. Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen.

Erwägungen:

1.
Zum Rekurs ist berechtigt, wer durch die angefochtene Anordnung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (§ 21 Abs. 1 Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 [VRG; LS 175.2]). Auch wenn die angefochtene Disziplinarmassnahme in Anwendung von § 23d Abs. 2 StJVG bereits vollzogen wurde, besteht ein schutzwürdiges Interesse an der Überprüfung der angefochtenen Disziplinarverfügung, da sonst kaum je die Möglichkeit einer (rechtzeitigen) Überprüfung der Rechtmässigkeit bestünde (vgl. BGE 135 I 79 E. 1.1 mit weiteren Hinweisen). Da auch die grundsätzliche Zuständigkeit der Direktion der Justiz und des Innern und die Rechtzeitigkeit des Rekurses gegeben sind, ist auf den Rekurs einzutreten.

2.

2.1 Nach Art. 91 Abs. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0) können gegen Gefangene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, Disziplinarsanktionen verhängt werden. Gemäss § 23b Abs. 1 lit. a StJVG werden Personen, die in Vollzugseinrichtungen eingewiesen sind, mit Disziplinarmassnahmen belegt, wenn sie unter anderem gegen Hausordnungen, Reglemente oder andere Vollzugsvorschriften verstossen. Die Hausordnung regelt unter anderem die Rechtsgeschäfte unter den verurteilen Personen, soweit dies durch die jeweilige Vollzugsform geboten ist (§ 127 lit. j Justizvollzugsverordnung vom 6. Dezember 2006 [JVV; LS 331.1]). Nach § 27 der Hausordnung der JVA X. (HO […]; Ausgabe vom 1. November 2022) sind Rechtsgeschäfte unter Gefangenen, wie beispielsweise Kauf, Tausch, Schenkung, Ausleihe von Gegenständen und Gewährung von Darlehen, untersagt. Die Anstaltsdirektion kann Ausnahmen gestatten, wenn diese im Interesse aller Beteiligten liegt.

2.2 An die Beweisführung und die Begründung werden in einem Disziplinarverfahren nicht dieselben Anforderungen gestellt wie in einem Strafverfahren (vgl. Urteil BGer 1P.4/2004 vom 4. August 2004 E. 3 mit weiteren Hinweisen; vgl. betreffend freie Beweiswürdigung auch Kaspar Plüss, in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [Kommentar VRG], 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2014, § 7 N. 136 und 138).

3.

3.1 Dem Rekurrenten wird vorgeworfen, er habe am 8. Juni 2024, um ca. 11.08 Uhr, in der Zelle 3 des Gefangenen B. ein Gabenpaket (Einkaufstasche) von B. erhalten und hierauf, das Gabenpaket in der linken Hand tragend, die Zelle von B. verlassen. Damit sei der Tatbestand von § 23b Abs. 1 lit. a StJVG in Verbindung mit § 27 HO […] erfüllt.

3.2 Der Rekurrent macht im Wesentlichen geltend, er habe kein Gabenpaket entgegengenommen. Er habe das Gabenpaket lediglich für B. getragen, um diesem zu helfen. Somit habe er kein Rechtsgeschäft abgeschlossen. Ausserdem sei die Disziplinarmassnahme auch nicht verhältnismässig. Schliesslich sei ihm das rechtliche Gehör nicht rechtsgenügend gewährt worden, da er nicht die Möglichkeit erhalten habe, sich zu den Vorwürfen umfassend zu äussern.

4.

4.1 Der Rekurrent wurde am 8. Juni 2024 angehört und konnte sich ausreichend zum Sachverhalt äussern. Insbesondere wurde er im Rahmen der Anhörung abschliessend gefragt, ob er dem Rapport noch etwas beifügen wolle. Damit ist sein rechtliches Gehör nicht verletzt worden.

4.2 Gemäss § 27 HO […] sind Rechtsgeschäfte unter Gefangenen, wie beispielsweise Kauf, Tausch, Schenkung, Ausleihe von Gegenständen und Gewährung von Darlehen, untersagt. Der Rekurrent wurde vom diensthabenden Aufseher beobachtet, wie er am 8. Juni 2024, um ca. 11.08 Uhr, die Zelle 3 des Gefangenen B. mit leeren Händen betrat und diese anschliessend mit einem Gabenpaket (Einkaufstasche) in der linken Hand tragend wieder verliess. Dies bestreitet der Rekurrent auch nicht. Im Gegenteil führte er im Rahmen seiner Anhörung am 8. Juni 2024 aus, er habe das Gabenpaket vom Insassen B. bekommen, «weil er es mir gegeben hat». Dies könne er auch beweisen. Ob es sich um einen Kauf, einen Tausch, eine Schenkung oder eine blosse Ausleihe gehandelt hat, ist nicht bekannt und im Übrigen auch nicht relevant, da bereits die Übergabe bzw. Entgegennahme von Gegenständen, wie beispielsweise Esswaren, als Rechtsgeschäft im Sinne von § 27 HO […] zu qualifizieren ist. Soweit der Rekurrent inzwischen geltend macht, das Gabenpaket sei nicht für ihn bestimmt gewesen, er habe es lediglich für den Insassen B. getragen, ist dies nicht glaubhaft; plausible Gründe hierfür sind nicht erkennbar und werden vom Rekurrenten auch nicht geltend gemacht. Damit ist der Sachverhalt erstellt, wie er in der angefochtenen Verfügung zu finden ist. Die vom Rekursgegner vorgenommene rechtliche Würdigung des Verhaltens des Rekurrenten (Verstoss gegen eine Hausordnung bzw. Abschluss eines Rechtsgeschäfts, § 23b Abs. 1 lit. a StJVG in Verbindung mit § 27 HO […]) ist korrekt. Mit der Entgegennahme des Gabenpakets, spätestens aber mit dem Verlassen der Zelle von B. hat der Rekurrent in Bezug auf den Tatbestand des Abschlusses eines Rechtsgeschäftes auch mindestens eventualvorsätzlich gehandelt.

4.3 Zu prüfen bleibt, ob die angeordnete Disziplinarstrafe verhältnismässig ist. Die zulässigen Disziplinarmassnahmen sind in § 23c Abs. 1 StJVG geregelt. Gemäss lit. g dieser Bestimmung ist unter anderem die Aussprechung einer Busse bis Fr. 200.00 möglich. Die vorliegend verhängte Busse von Fr. 20.00 liegt im unteren Strafrahmen und erscheint der Verfehlung des Rekurrenten angemessen, weshalb sie nicht zu beanstanden ist.

5.

Nach dem Gesagten erweist sich die angefochtene Disziplinarverfügung als rechtmässig. Der Rekurs ist abzuweisen.

6.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Rekurrent die Verfahrenskosten (§ 13 Abs. 1 VRG). Er hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (§ 17 Abs. 2 VRG).

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