0476

Entscheidinstanz
Direktion der Justiz und des Innern
Geschäftsnummer
JI-2024-1848
Entscheiddatum
6. September 2024
Rechtsgebiet
Straf- und Massnahmenvollzug
Schlagworte
Strafantrittstermin, Verschiebungsgesuch, Normalvollzug
Verwendete Erlasse
Art. 372 Abs. 1 StGB, Art. 439 Abs. 2 StPO, § 48 JVV, Art. 4 V-StGB-MStG

Zusammenfassung (verfasst von der Direktion der Justiz und des Innern):

Die Rekurrentin ersuchte um ein neues Strafantrittsdatum, da sie noch verschiedene Angelegenheiten zu regeln habe. Zudem wollte sie ihre Strafe in einer anderen Vollzugsanstalt verbüssen.

Die Rekurrentin hat diverse Strafen zu verbüssen. Diese sind rechtskräftig, weshalb sie der Rekursgegner in Vollzug zu setzen hat. Das Verfahren betreffend Strafverbüssung in der besonderen Vollzugsform der gemeinnützigen Arbeit wurde rechtskräftig abgewiesen. Der Rekursgegner hatte die Rekurrentin deshalb zum Vollzug vorzuladen. Die der Rekurrentin eingeräumte Zeit von zwei Monaten vor Strafantrittstermin zur Erledigung privater Angelegenheiten ist nicht zu beanstanden, zumal ein öffentliches Interesse an einem zeitnahen Vollzug besteht. Ein Verschiebungsgesuch hätte vor dem Rekursgegner beantragt werden müssen. Darauf wurde die Rekurrentin im Vollzugsbefehl auch hingewiesen. Sodann kann die hiesige Behörde auch nicht darüber befinden, in welcher Vollzugsanstalt die Strafe zu verbüssen ist. Darüber entscheidet der Rekursgegner und es besteht kein Anspruch auf Strafverbüssung in einer Vollzugsanstalt der Wahl. Auf die medizinischen Bedürfnisse der Rekurrentin kann im Strafvollzug Rücksicht genommen werden. In anderen Angelegenheiten steht zudem der Sozialdienst der Strafanstalt für Unterstützung zur Verfügung. Die Vorladung in den Strafvollzug ist nicht zu beanstanden.

Der Rekurs ist abzuweisen.

Die Kosten sind der Rekurrentin aufzuerlegen.

Anonymisierter Entscheidtext (Auszug):

Sachverhalt:

A.
A. hat folgende Strafen zu verbüssen:

  • 90 Tage Freiheitsstrafe sowie einer Busse von Fr. 100.– wegen einem geringfügigen Vermögensdelikt (Diebstahl, mehrfache Begehung) etc. gemäss Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 15. November 2023
  • 6 Monate Freiheitsstrafe, abzüglich 53 Tage bereits erstandener Freiheitsentzug, wegen einfacher Körperverletzung gemäss Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich I vom 13. Juli 2023
  • Busse von Fr. 300.–, abzüglich Fr. 170.– Teilzahlung, wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich Limmattal / Albis vom 30. März 2022

B.
Mit Verfügung der Direktion der Justiz und des Innern vom 2. Mai 2024 wurde der Rekurs von A. betreffend Gesuch um Strafverbüssung in gemeinnütziger Arbeit abgewiesen (JI Nr. […]). In der Folge lud Justizvollzug und Wiedereingliederung Kanton Zürich, Bewährungs- und Vollzugsdienste, Strafvollzug (JuWe) A. mit Verfügung vom 6. Mai 2024 auf den 24. Juni 2024 in den Strafvollzug vor.

C.
Gegen die Verfügung des JuWe vom 6. Mai 2024 erhob A. mit verbesserter Eingabe vom 11. Juni 2024 und ergänzender Eingabe vom 26. Juli 2024 (recte: 26. Juni 2024) Rekurs bei der Direktion der Justiz und des Innern. Sie beantragte sinngemäss die Aufhebung der Verfügung und die Verschiebung des Strafantritttermins. Zudem ersucht sie darum, ihre Strafe in X. antreten zu können.

D.
Mit Vernehmlassung vom 24. Juli 2024 beantragte JuWe die Abweisung des Rekurses und reichte die massgeblichen Akten ein.

E.
A. liess sich in der Folge nicht mehr vernehmen. Die Sachverhaltsermittlungen sind damit abgeschlossen. Das Verfahren ist spruchreif.

Erwägungen:

1.
Die Legitimation der Rekurrentin und die Zuständigkeit der Direktion der Justiz und des Innern sind gegeben, weshalb auf den rechtzeitig erhobenen Rekurs einzutreten ist.

2.

2.1 Der Rekursgegner begründet den Vollzugsbefehl damit, dass das Gesuch der Rekurrentin um Strafverbüssung in einer besonderen Vollzugsform von ihm und der hiesigen Behörde abgewiesen wurde. Die Rekurrentin sei deshalb zum Normalvollzug vorzuladen.

2.2 Die Rekurrentin bringt demgegenüber vor, sie habe die angefochtene Verfügung erst zwei Monate nach Eingang erhalten. Sie habe noch einige Sachen zu klären, wie etwa einen Arzttermin, die Klärung der Wohnsituation und die Anmeldung im Z.-Programm. Sie habe Probleme solche Aufgaben zu bewältigen und bräuchte deshalb mehr Zeit. Sie ersucht deshalb um ein neues Strafantrittsdatum. Zudem ersucht sie um Strafantritt in der Vollzugsanstalt X. In der ergänzenden Eingabe macht die Rekurrentin des Weiteren geltend, der Strafvollzug würde sich negativ auf ihre aktuell stabile Lebenssituation auswirken. Sie ersucht deshalb um einen Vollzug in «Raten». Zudem würde noch eine Nasenoperation bevorstehen, wobei das Vorgespräch im August 2024 stattfinden würde.

3.

3.1 Gemäss Art. 372 Abs. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0) vollziehen die Kantone die von ihren Strafgerichten ausgefällten Urteile. Dazu erlässt die Vollzugsbehörde einen Vollzugsbefehl (Art. 439 Abs. 2 Schweizerische Strafprozessordnung vom 17. Juni 2022 [StPO; SR 312.0]). Die von Polizeibehörden und anderen zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide sind den durch Strafgerichte ausgefällten Urteilen gleichgestellt (Art. 372 Abs. 2 StGB).

3.2 Die verurteilte Person, welche die Voraussetzungen für den Vollzug in einer besonderen Vollzugsform nicht erfüllt oder von dieser Vollzugsform keinen Gebrauch macht, ist zum offenen oder geschlossenen Vollzug der Freiheitsstrafe aufzubieten (§ 48 Abs. 1 Justizvollzugsverordnung [JVV; LS 331.1]). Sofern kein Fall von Art. 439 Abs. 3 StPO (u.a. Fluchtgefahr, erhebliche Gefährdung der Öffentlichkeit) vorliegt, wird der Termin zum Antritt der Strafe in der Regel so angesetzt, dass der verurteilten Person eine angemessene Zeit zur Vorbereitung auf den Vollzug und zur Regelung ihrer persönlichen und/oder beruflichen Angelegenheiten verbleibt (§ 48 Abs. 2 JVV). Als Grundsatz ist anerkannt, dass die Vollstreckung einer strafrechtlichen Sanktion der rechtskräftigen Verurteilung möglichst rasch folgen soll (vgl. BGr, Urteil vom 10. Januar 2019, 6B_1018/2018, E. 3. mit weiteren Hinweisen; BGE 146 IV 267).

3.3 Unabhängig davon, ob das kantonale Recht dies vorsieht, hat die verurteilte Person die Möglichkeit, ein Gesuch um Aufschub des Strafantritts beziehungsweise um Verschiebung des angesetzten Termins um eine bestimmte Dauer oder auf einen späteren Zeitpunkt zu stellen, wenn dadurch erhebliche Gesundheitsrisiken oder andere erhebliche, nicht wiedergutzumachende Nachteile vermieden werden und weder der Vollzug der Strafe in Frage gestellt wird noch erhöhte Risiken für Dritte entstehen (vgl. § 48 Abs. 3 Bst. a JVV). Der Entscheid über die Fristerstreckung beziehungsweise Terminverschiebung ist ein Ermessensentscheid. Ein Anspruch auf Vollzugsaufschub besteht nicht.

4.

4.1 Die Rekurrentin hat diverse Strafen zu verbüssen. Diese sind rechtskräftig, weshalb sie der Rekursgegner zu vollziehen hat. Ein Vollzug in Raten ist nicht möglich, da Freiheitsstrafen, die zusammentreffen, zwingend gemeinsam zu vollziehen sind (Art. 4 der Verordnung zum Strafgesetzbuch und zum Militärstrafgesetz vom 4. September 2024 [V-StGB-MStG; SR 311.01]). Die hiesige Behörde hat den Rekurs der Rekurrentin betreffend Gesuch um Strafverbüssung in der besonderen Vollzugsform der Gemeinnützigen Arbeit mit Entscheid vom 2. Mai 2024 abgewiesen. Dieser Entscheid blieb unangefochten und erwuchs damit in Rechtskraft. Der Rekursgegner hatte die Rekurrentin deshalb in den Strafvollzug vorzuladen. Gemäss Abklärungen des Rekursgegners hat die Rekurrentin an ihrer derzeitigen Wohnadresse einen eigenen Briefkasten, den sie selbständig zu leeren hat. Entsprechend gehen ihre Vorbringen, sie habe den Vollzugsbefehl zu spät ausgehändigt erhalten, fehl. Es lag in der Eigenverantwortung der Rekurrentin ihren Briefkasten zu leeren. Im Übrigen konnte die Rekurrentin aufgrund der ihr im Rekursverfahren jeweils zusätzlich per A-Post Plus zugestellten Briefe ihre Eingabe fristgerecht verbessern. Ihre Aussage, die Post sei «verschleppt» worden, überzeugt daher nicht.

4.2 Der Rekursgegner hat der Rekurrentin vor dem Strafantritt zwei Monate Zeit eingeräumt, damit sie ihre privaten Angelegenheiten regeln kann. Die Rekurrentin wusste von ihren Strafen und musste damit rechnen, diese würden zeitnah vollzogen. Es gilt zu berücksichtigen, dass bei der Rekurrentin gemäss Risikoabklärung vom 19. Februar 2024 die Delinquenzrisiken für Eigentumsdelikte und Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz hoch und diejenige für Gewaltdelikte mittel sind. Wie der Rekursgegner zutreffend ausführt, ist das öffentliche Interesse an einem zeitnahen Strafvollzug deshalb hoch. Dass die Rekurrentin Schwierigkeiten hat, sich zu organisieren, kann demgegenüber nicht höher gewichtet werden. Die der Rekurrentin eingeräumten Frist bis zum bevorstehenden Strafantritt ist damit nicht zu beanstanden.

4.3 Zum Verschiebungsgesuch ist festzuhalten, dass die Rekurrentin mit der angefochtenen Verfügung auf die Möglichkeit eines Verschiebungsgesuchs aufmerksam gemacht wurde. Das von ihr im hiesigen Verfahren beantragte Verschiebungsgesuch auf Oktober 2024 wäre folglich vorab vom Rekursgegner zu beurteilen, war dies doch nicht Gegenstand des angefochtenen Vollzugsbefehls. Der Rekursgegner wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass er ein Verschiebungsgesuch ablehnen würde. Gründe für eine Verschiebung des Strafantritts sind aus den Akten sowie gestützt auf die Vorbringen der Rekurrentin nicht ersichtlich. Dem zeitnahen Strafvollzug stehen insbesondere keine erheblichen Gesundheitsrisiken oder andere erhebliche, nicht wieder gutzumachenden Nachteile entgegen (vgl. § 48 Abs. 3 Bst. a JVV). Die medizinische Versorgung in der Strafanstalt ist von Gesetzes wegen gewährleistet (§ 108 JVV). Auf die medizinischen Bedürfnisse der Rekurrentin kann folglich auch im Strafvollzug Rücksicht genommen werden. Erforderliche und unaufschiebbare Eingriffe können auch während dem Strafvollzug durchgeführt werden. Sodann kann sie in Bezug auf die Anmeldung im Z.-Programm die Unterstützung des Sozialdienstes der Strafanstalt in Anspruch nehmen. Im Strafvollzug wird insbesondere auch die Zeit nach der Entlassung besprochen und entsprechende Unterstützung, etwa bezüglich der künftigen Wohnsituation, angeboten. Die Vorladung in den Strafvollzug ist damit nicht zu beanstanden.

4.4 Das Gesuch der Rekurrentin um Strafverbüssung in der Vollzugsanstalt X. ist ebenfalls nicht Gegenstand der angefochtenen Verfügung. Zudem entscheidet der Rekursgegner darüber, in welcher Vollzugsanstalt die Rekurrentin ihre Strafe zu verbüssen hat. Sie hat mithin keinen Anspruch auf einen Strafvollzug in einer von ihr gewünschten Vollzugsanstalt. Dennoch ist der Rekursgegner darum bemüht, die Rekurrentin für den Strafvollzug in der JVA X. anzumelden.

5.

Nach dem Gesagten ist der Rekurs abzuweisen.

6.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Rekurrentin kostenpflichtig (§ 13 Abs. 1 und 2 Verwaltungsrechtspflegegesetz).

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