Zusammenfassung (verfasst
von der Direktion der Justiz und des Innern):
Der Rekurrent befindet sich zum Vollzug einer Freiheitsstrafe von 39 Monaten und 45 Tagen in B. Mit Verfügung vom 28. November 2023 bewilligte ihm JuWe die Versetzung in den offenen Vollzug sowie unbegleitete Ausgänge und Beziehungsurlaube (Tagesurlaube). Mit Schreiben vom 22. Januar 2024 ersuchte der Rekurrent um Gewährung von Übernachtungsurlauben. JuWe wies das Gesuch mit Verfügung vom 11. März 2024 ab. Gegen diese Verfügung erhob der Rekurrent am 9. April 2024 Rekurs und beantragte die Aufhebung der Verfügung.
Im Zeitpunkt seines Gesuchs um Übernachtungsurlaube liefen die dem Rekurrenten bereits gewährten Vollzugslockerungen erst seit zwei Monaten. Laut JuWe könne innerhalb so kurzer Zeit noch nicht darüber entschieden werden, ob sich der Rekurrent in den bisherigen Vollzugslockerungen bewährt habe. Zudem habe sich aus dem psychiatrischen Gutachten vom 26. September 2018 ergeben, dass sich der Rekurrent noch nicht zufriedenstellend mit seinem deliktpräventiven Risikomanagement befasst habe, weswegen noch ein moderates Rückfallrisiko bestehe. Auch die Stellungnahme der Fachkommission des Ostschweizer Strafvollzugskonkordats attestierte dem Rekurrenten eine negative Legalprognose. Schliesslich hielt auch der Vollzugsbericht der B. fest, dass Übernachtungsurlaube zu diesem Zeitpunkt verfrüht gewesen wären. Somit war die Voraussetzung einer positiven Legalprognose nicht erfüllt. Die vorgebrachten Argumente des Rekurrenten vermochten an diesem Ergebnis nicht zu ändern.
Der Rekurs wird abgewiesen.
Anonymisierter Entscheidtext (Auszug):
Sachverhalt:
A. A. wurde mit Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. September 2020 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von 39 Monaten (abzüglich 19 Tage bereits erstandenen Freiheitsentzugs) verurteilt. Nachdem er per 27. September 2021 zum Antritt der Freiheitsstrafe aufgefordert und sein Gesuch um Verschiebung des Strafantritts abgewiesen worden war, trat A. die Strafe nicht an und ging auf Flucht. Am 1. April 2022 wurde er in Konstanz verhaftet; seit dem 26. April 2022 befindet er sich in B. im Strafvollzug. Mit Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 15. Februar 2023 wurde A. wegen Betrugs mit einer (zu vollziehenden) Freiheitsstrafe von 45 Tagen belegt.
Mit Verfügung vom 28. November 2023 bewilligte Justizvollzug und Wiedereingliederung Kanton Zürich (JuWe), die Versetzung in den offenen Vollzug sowie unbegleitete Ausgänge und Beziehungsurlaube (Tagesurlaube). Seit dem 16. Januar 2024 befindet sich A. im offenen Vollzug in C.
B. Am 22. Januar 2024 ersuchte A. um Gewährung von Übernachtungsurlauben. Nach Einholung einer therapeutischen Stellungnahme des Psychiatrisch-Psychologischen Diensts (PPD) und einem Vollzugsbericht der B. wies JuWe das Gesuch mit Verfügung vom 11. März 2024 ab.
C. Dagegen erhob A. am 9. April 2024 (eingegangen am 11. April 2024) Rekurs und beantragte sinngemäss, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und ihm seien Übernachtungsurlaube zu gewähren.
D. Mit Vernehmlassung vom 25. April 2024 reichte JuWe die massgebenden Akten ein und beantragte die Abweisung des Rekurses. A. replizierte am 4. Mai 2024. JuWe liess sich nicht mehr vernehmen, weshalb die Sachverhaltsfeststellungen als abgeschlossen gelten.
Erwägungen:
1. Die Legitimation des Rekurrenten und die Zuständigkeit der Direktion der Justiz und des Innern sind gegeben. Auf den rechtzeitig erhobenen Rekurs ist einzutreten.
2.
2.1 Der Rekursgegner erwog in der Verfügung vom 11. März 2024 im Wesentlichen, dass dem Rekurrenten seit seiner Versetzung in den offenen Vollzug in C. ein grundsätzlich korrektes Vollzugsverhalten attestiert werden könne. Er befinde sich jedoch erst seit knapp zwei Monaten im offenen Vollzug und habe bisher nur zwei unbegleitete Beziehungsurlaube (Tagesurlaube) absolviert, weshalb noch nicht davon gesprochen werden könne, dass er sich im Rahmen dieser Vollzugslockerungsstufe bewährt und die entsprechenden Erprobungsfelder ausgeschöpft hätte. Übernachtungsurlaube würden sich jedoch praxisgemäss an vorangegangene und erfolgreich verlaufene unbegleitete Beziehungsurlaube (Tagesurlaube) anschliessen. Der Rekurrent habe sein Wissen über seine Risikoeigenschaften – insbesondere in Bezug auf die gesteigerte Rigidität – zu vertiefen; er verfüge aktuell noch nicht über ein zufriedenstellendes deliktspräventives Risikomanagement. Gestützt auf die gutachterliche Risikoeinschätzung und diejenige des PPD und der Fachkommission sei aktuell von einem mindestens moderaten Rückfallrisiko für einschlägige Sexualdelikte auszugehen. Vor diesem Hintergrund seien die Voraussetzungen für die Bewilligung von Übernachtungsurlauben derzeit noch nicht erfüllt.
2.2 Der Rekurrent bringt zur Begründung seines Rekurses insbesondere vor, die angefochtene Verfügung entspreche nicht dem positiven Vollzugsverlaufs «und dem schnellen Erfolg in der freiwilligen Therapie». Der Brief seiner Partnerin, der dem Gesuch um Übernachtungsurlaube beilag, sei «mit keinen Worten» erwähnt worden. Des Weiteren hält der Rekurrent dafür, dass er seit seinem Übertritt in C. wöchentliche Therapiesitzungen an der E. in Zürich wahrnehme. Während diesen Sachurlauben für die Therapie fühle er sich unter den Menschen in der Gesellschaft keineswegs überfordert; im Gegenteil tue es ihm sehr gut, draussen unter Menschen zu sein. Schliesslich bringt der Rekurrent vor, die Verfügung vom 11. März 2024 widerspreche einer Aussage seines Therapeuten. Dieser habe ihm am 21. März 2024 mitgeteilt, dass Übernachtungsurlaube befürwortet würden.
3.
3.1 Nach Art. 84 Abs. 6 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0) ist dem Gefangenen zur Pflege der Beziehung zur Aussenwelt, zur Vorbereitung seiner Entlassung oder aus besonderen Gründen in angemessenem Umfang Urlaub zu gewähren, soweit sein Verhalten im Strafvollzug dem nicht entgegensteht und keine Gefahr besteht, dass er flieht oder weitere Straftaten begeht. § 61 Abs. 1 der Justizvollzugsverordnung vom 6. Dezember 2006 (JVV; LS 331.1) verweist für die Gewährung von Urlauben auf die Richtlinien der Ostschweizer Strafvollzugskommission über die Ausgangs- und Urlaubsgewährung vom 7. April 2006. Gemäss Ziff. 4.1 dieser Richtlinien kann einer eingewiesenen Person Ausgang und Urlaub bewilligt werden, wenn aufgrund einer Analyse des konkreten Risikos die Gefahr einer Flucht oder der Begehung weiterer Straftaten hinreichend verneint oder einer verbleibenden Gefahr durch begleitende Massnahmen oder Auflagen ausreichend begegnet werden kann, wenn sie den Vollzugsplan einhält und bei den Eingliederungsbemühungen aktiv mitwirkt, wenn ihre Einstellung und Haltung im Vollzug sowie ihre Arbeitsleistungen zu keinen Beanstandungen Anlass geben sowie wenn Grund zur Annahme besteht, dass sie rechtzeitig in die Vollzugseinrichtung zurückkehrt, sich an die durch die zuständige Behörde festgelegten Bedingungen und Auflagen hält und während des Urlaubs das in sie gesetzte Vertrauen nicht missbraucht, und zudem, wenn sie über genügend Mittel verfügt, um die Kosten des Ausgangs oder des Urlaubs zu bezahlen. Diese Kriterien müssen kumulativ erfüllt sein. Gemäss § 61 Abs. 4 JVV ist im Fall von Fluchtgefahr eine Urlaubsgewährung ausgeschlossen.
3.2 Nach Art. 75a Abs. 1 und 2 StGB (in Verbindung mit Art. 90 Abs. 4bis StGB) ist die Gemeingefährlichkeit des Täters im Hinblick auf die Bewilligung von Vollzugsöffnungen von einer Kommission nach Art. 62d Abs. 2 StGB zu beurteilen, wenn dieser ein Verbrechen nach Art. 64 Abs. 1 begangen hat und die Vollzugsbehörde die Frage der Gemeingefährlichkeit des Gefangenen nicht eindeutig beantworten kann. Gemeingefährlichkeit ist anzunehmen, wenn die Gefahr besteht, dass der Gefangene flieht oder eine weitere Straftat begeht, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person schwer beeinträchtigt (Art. 75a Abs. 3 StGB).
Die Feststellung der Gemeingefährlichkeit erfolgt nach § 70 Abs. 1 JVV gemäss den Richtlinien der Ostschweizer Strafvollzugskommission über den Vollzug von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Massnahmen bei potentiell gefährlichen Straftätern und Straftäterinnen vom 26. Oktober 2012. Solchen Tätern werden Vollzugslockerungen nur dann gewährt, wenn davon ausgegangen werden kann, dass sie nicht mehr gemeingefährlich sind oder Dritte vor einer verbleibenden Gefahr durch begleitende Massnahmen ausreichend geschützt werden können (§ 70 Abs. 2 JVV).
4.
4.1 Gemäss forensisch-psychiatrischem Gutachten von Dr. med. F., Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 26. September 2018 ist beim Rekurrenten die Rückfallgefahr zur Begehung einer erneuten Sexualstraftat (von der Qualität Vergewaltigung/versuchte Vergewaltigung) als mittelgradig einzustufen.
Die Fachkommission des Ostschweizer Strafvollzugskonkordats kam in ihrer Stellungnahme vom 15. November 2023 – nach einer Gesamtbeurteilung aller prognostisch relevanten Faktoren – zum Schluss, dass die Legalprognose des Rekurrenten belastet sei. Negativ hielt die Fachkommission insbesondere fest, dass der Rekurrent die Sexualdelikte (auch die Vorstrafe [versuchte Vergewaltigung]) nach wie vor abstreite und sich diesbezüglich bagatellisierend und externalisierend verhalte. Unter dem Gesichtspunkt der Gemeingefährlichkeit des Rekurrenten könne sie unbegleitete Beziehungsurlaube (Tagesurlaube) sowie die Versetzung in den offenen Strafvollzug unter strikter Einhaltung von Auflagen befürworten.
Aus einer therapeutischen Stellungnahme des PPD vom 12. Februar 2024 geht hervor, dass der Start des Rekurrenten in C. am 16. Januar 2024 von den dortigen Arbeitspartnern als schwierig beschrieben worden sei. Für den Rekurrenten brauche es noch mehr Stabilisierung. Ferner gelte es auch, den Rekurrenten aufgrund schneller Lockerungsschritte infolge vermehrter Verantwortungsübernahme nicht zu überfordern. Insofern seien aus therapeutischer Sicht weitere unbegleitete Urlaube zu empfehlen, bevor an der an der Vollzugskoordinationssitzung vom 3. April 2024 weitere Vollzugslockerungsschritte in Form von Übernachtungsurlauben diskutiert werden könnten.
Aus dem Vollzugsbericht der B. vom 16. Februar 2024 geht schliesslich hervor, dass das Verhalten des Rekurrenten gegenüber den Mitarbeitenden korrekt sei, auch wenn er teilweise sehr fordernd und hartnäckig auftrete. Die bislang absolvierten Urlaube seien – soweit überprüfbar – korrekt verlaufen. Die Programmgestaltung für die unbegleiteten, zwölfstündigen Beziehungsurlaube habe sich als schwierig erwiesen, da die Vorstellungen des Rekurrenten nicht mit den Vorgaben der B. und der Bewährungs- und Vollzugsdienste (BVD) einhergehen würden. In diesen Situationen werde der Rekurrent als bestimmend, sehr beharrlich und wenig beeinflussbar erlebt. Als Fazit hält die B. fest, dass Übernachtungsurlaube zum jetzigen Zeitpunkt als «eindeutig verfrüht» erachtet würden.
4.2 Sowohl das forensisch-psychiatrische Gutachten als auch die Stellungnahme der Fachkommission gehen nach dem Gesagten von einem mindestens moderaten Rückfallrisiko aus. Auf diesen Umstand wies der Rekursgegner in der angefochtenen Verfügung denn auch ausdrücklich hin. Hinzu kommt, dass der behandelnde Therapeut (bzw. der PPD) und die B. (derzeit) von einer Vollzugslockerung in Form von Übernachtungsurlauben abrieten. Insgesamt ist daher nicht zu beanstanden, dass die Gewährung von Übernachtungsurlauben in der Verfügung vom 11. März 2024 abgelehnt wurde. Was der Rekurrent dagegen vorbringt, vermag die ausführliche Begründung der angefochtenen Verfügung nicht in Zweifel zu ziehen. Soweit er geltend macht, der Brief seiner Lebenspartnerin sei in der angefochtenen Verfügung nicht erwähnt worden, so trifft dies nicht zu. Vielmehr wird das Schreiben darin ausdrücklich erwähnt. Wie der Rekursgegner sodann zu Recht vorbringt, gingen aus dem Schreiben der Partnerin keine Argumente hervor, die im Rahmen der Gesuchsprüfung vertieft hätten behandelt werden müssen.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass anlässlich der Vollzugskoordinationssitzung III am 3. April 2024 weitere Vollzugsöffnungsschritte ab Juli 2024 diskutiert wurden. Der Fachkommission sollen an ihrer Sitzung vom 8. Juli 2024 die nächsten Vollzugslockerungen – insbesondere auch in Form von Übernachtungsurlauben – vorgelegt werden. Ein erster Übernachtungsurlaub könnte möglicherweise bereits am Wochenende vom 27./28. Juli 2024 gewährt werden.
5.
Nach dem Gesagten ist der Rekurs abzuweisen
6.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten dem Rekurrenten aufzuerlegen (§ 13 Abs. 2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes).
© 2025 Staatskanzlei des Kantons Zürich