Anonymisierter Entscheidtext (Auszug):
Sachverhalt:
Am 12. Juli 2023 (eingegangen am 9. August 2023) stellte A bei der Sozialbehörde X ein Gesuch um Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen. Am 31. Juli 2023 (eingegangen am 23. Oktober 2023) stellte zudem die Beiständin der Tochter B bei der Sozialbehörde X einen Antrag auf subsidiäre Kostengutsprache für die Nebenkosten und Verpflegungsbeiträge der ausserfamiliären Platzierung von B. Mit Entscheid vom 16. November 2023 errichtete die KESB Kreis Bülach Süd für A eine Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung. Mit Beschluss vom 4. März 2024 wies die Sozialbehörde X das Gesuch von A um finanzielle Unterstützung vom 9. August 2023, um Übernahme des hälftigen Anteils des Verpflegungsbeitrags und der Nebenkosten für B ab. Sie führte aus, bei A ergebe sich aufgrund der eingereichten Unterlagen ein Überschuss, mit welchem die Nebenkosten und der Verpflegungsbeitrag für B getragen werden könnten. A erfülle die Kriterien zur Hilfsbedürftigkeit nicht. Gegen diesen Beschluss erhob die Beiständin von A mit Eingabe vom 3. April 2024 Rekurs. Sie beantragt Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und rückwirkende Übernahme der Nebenkosten von B durch die Sozialhilfe. Innert Frist reichte sie eine Einverständniserklärung von A nach.
Erwägungen:
1.
[Prozessgeschichte]
2.
Die Zuständigkeit des Bezirksrates zur Behandlung des vorliegenden Rekurses ergibt sich aus § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Bezirksverwaltung vom 10. März 1985 (LS 173.1). Der Rekurrent ist aufgrund seines eigenen Antrags auf Ausrichtung von Sozialhilfe, aber auch als Vater und gesetzlicher Vertreter von B (Art. 301 Abs. 1bis, Art. 304 Abs. 2 ZGB) durch den angefochtenen Entscheid berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an seiner Änderung oder Aufhebung, weshalb er zum Rekurs legitimiert ist (§ 21 Abs. 1 Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 24. Mai 1959 (VRG; LS 175.2). Auf den fristgerecht eingereichten Rekurs ist somit einzutreten.
Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, ist B als Rekurrentin ins Rubrum aufzunehmen.
3.1.2
[Ausführungen der Sozialbehörde und des Rekurrenten]
3.3
Wer für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht hinreichend oder nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann, hat Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe (§ 14 Sozialhilfegesetz vom 14. Juni 1981 [SHG; LS 851.1] in Verbindung mit § 16 Verordnung zum Sozialhilfegesetz [SHV; LS 851.11]). Diese soll das Existenzminimum gewährleisten, das neben den üblichen Aufwendungen für den Lebensunterhalt auch individuelle Bedürfnisse angemessen berücksichtigt (§ 15 Abs. 1 SHG). Grundlage für die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe bilden die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien, § 17 SHV).
Umstritten sind vorliegend die Verpflegungsbeiträge (§ 19 Kinder- und Jugendheimgesetz vom 27. November 2017 [KJG; LS 852.2]) sowie die Nebenkosten der Fremdplatzierung von B. Diese werden nicht über das KJG finanziert. Bei diesen Auslagen handelt es sich um Unterhaltskosten, die bei Minderjährigen grundsätzlich von den Unterhaltspflichtigen zu bezahlen sind. Bei Bedürftigkeit ist für die Finanzierung der individuellen Auslagen von Leistungsbeziehenden das Sozialhilfeorgan an deren Unterstützungswohnsitz zuständig. Einen Antrag auf wirtschaftliche Hilfe (für die/den Leistungsbeziehenden) können in erster Linie die Sorgeberechtigten, die Leistungsbeziehenden und die Mandatsführenden im Auftrag der KESB oder des Gerichts stellen. Dauernd fremdplatzierte minderjährige Leistungsbeziehende haben einen eigenen Unterstützungswohnsitz. Sie sind nicht mehr Teil der Unterstützungseinheit ihrer Herkunftsfamilie und werden als eigener Fall geführt. Bedürftigkeit ist in diesem Fall gegeben, wenn die verfügbaren eigenen Einnahmen und anderen Mittel der/des Leistungsbeziehenden selbst nicht ausreichen, um die Nebenkosten und Verpflegungsbeiträge zu decken, und die zuständige Sozialhilfebehörde erteilt direkt Kostengutsprache. Die finanzierende Gemeinde tritt im Umfang der übernommenen Unterhaltskosten der/des Leistungsbeziehenden von Gesetzes wegen in deren Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern ein und kann allenfalls mit den Eltern eine Vereinbarung betreffend einen Elternbeitrag abschliessen oder eine Unterhaltsklage veranlassen. Der zu vereinbarende Elternbeitrag wird aufgrund des erweiterten SKOS-Budgets nach den SKOS-Richtlinien, Kapitel D.4.2 ermittelt (Sozialkonferenz des Kantons Zürich/Kantonales Sozialamt/Amt für Jugend und Berufsberatung [Hrsg.], Empfehlungen zu den individuellen Auslagen von Minderjährigen und jungen Erwachsenen bei Platzierungen in Familien- und Heimpflegeangeboten nach KJG, Stand 22. Mai 2024, Ziff. 2, 4.1, 6.1, 6.2, 6.3.1, 6.6).
3.4.1
Gemäss dem Antrag der Beiständin von B vom 31. Juli 2023 wurde diese mit Verfügung des Bezirksgerichts […] vom 28. Juli 2023 in [einer sozialpädagogischen Wohngruppe] platziert. Aus dem Antrag des Rekurrenten geht hervor, dass B bis zum 9. Februar 2023 bei der Mutter wohnte, vom 9. Februar bis 5. Juni 2023 [in einer Institution] untergebracht war und ab dem 5. Juni 2023 [in einer weiteren Institution] war. Die Mutter wohnte vom 1. Januar 2021 bis 1. September 2023 an der Y-Strasse in X. Der Rekurrent wohnt seit dem 2. September 2019 an der Z-Strasse in X.
Vor der Fremdplatzierung wohnte somit B – wie ihre Eltern – in X und hatte dort ihren sozialhilferechtlichen Wohnsitz (§ 37 Abs. 1 und 2 SHG). Seit der Fremdplatzierung hat sie einen eigenen Unterstützungswohnsitz ebenfalls in X (§ 37 Abs. 3 SHG). Entsprechend ist sie als eigene Unterstützungseinheit zu führen.
Aufgrund dieser Ausgangslage konnten somit entweder der Vater oder die Beiständin von B namens von B ein Gesuch um Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen stellen. Die Beiständin von B stellte denn auch mit Schreiben vom 31. Juli 2023 in deren Namen ein Unterstützungsgesuch für die gesamten Verpflegungsbeiträge und Nebenkosten. Weshalb dieses erst am 23. Oktober 2023 bei der Sozialbehörde einging, ist unbekannt. Sodann stellte auch der Rekurrent ein mit dem 12. Juli 2023 datiertes Gesuch (eingegangen am 9. August 2023). Diesem kann zwar nicht entnommen werden, dass er damit lediglich die Übernahme der Verpflegungsbeiträge und Nebenkosten beantragen wollte; die Sozialbehörde geht aber davon aus.
Der weitere Verlauf des Verfahrens ist aus den Akten nicht genau nachvollziehbar. Immerhin ist ersichtlich, dass die Abteilung Soziales zunächst mit der Beiständin von B eine E-Mail-Korrespondenz führte. Am 6. Dezember 2023 meldete sich die neue Beiständin des Rekurrenten bei der Abteilung Soziales, und ab diesem Zeitpunkt führte diese die Korrespondenz lediglich noch mit der Beiständin des Rekurrenten weiter. Von Beginn weg ging die zuständige Sozialarbeiterin davon aus, dass es sich um einen Antrag des Rekurrenten um Übernahme seines Elternbeitrags, d.h. für sich selbst, handle, und dass die Sozialhilfe nur 50 % der Kosten zu vergüten habe, weil die Mutter von X weggezogen sei und für ihre Hälfte die neue Wohngemeinde zuständig sei.
Diesen Standpunkt übernahm offensichtlich auch die Sozialbehörde, indem sie das Gesuch vom 9. August 2023 (des Rekurrenten) um hälftige Übernahme des Verpflegungsbeitrags und der Nebenkosten für B abwies und den Entscheid lediglich dem Rekurrenten und dessen Beiständin zustellte.
Da aber B einen eigenen Unterstützungswohnsitz hat und somit auch als eigene Unterstützungseinheit zu führen ist, hätte die Sozialbehörde – unabhängig davon, ob von einem Gesuch des Vaters oder der Beiständin auszugehen war – einen Entscheid betreffend Sozialhilfe für B treffen müssen. Anschliessend hätte die Sozialbehörde mit den beiden Elternteilen einen Elternbeitrag aushandeln oder diesen allenfalls gerichtlich durchsetzen können.
Die Gewährung von Sozialhilfe an den Vater zur Bezahlung seines Anteils an den Verpflegungsbeiträgen und Nebenkosten stand hingegen in dieser Konstellation nicht zur Diskussion.
Damit ist der angefochtene Beschluss schon deshalb aufzuheben, weil er sich an die falsche Person richtet.
3.4.2
Wie erwähnt, kann der Rekurrent als gesetzlicher Vertreter auch namens seiner Tochter Rekurs erheben und dabei beantragen, dass dieser Sozialhilfe ausgerichtet wird, zumal ein Gesuch der Beiständin von B der Sozialbehörde vorlag. Soweit ersichtlich, behandelte die Sozialbehörde das Gesuch der Beiständin von B bisher noch nicht. Dieses ist somit im Rahmen des Rekurses zu prüfen.
Mit ihrem Gesuch vom 31. Juli 2023 beantragte die Beiständin von B einen Verpflegungsbeitrag von Fr. 25.00 pro Tag an maximal 31 Tagen pro Monat, d.h. maximal Fr. 775.00 pro Monat, sowie Nebenkosten gemäss SKOS von Fr. 460.00 sowie eine Integrationszulage von Fr. 150.00. Zum Zeitpunkt des Gesuchs hatte die damals 16jährige B noch kein eigenes Einkommen. Die Beiständin führte aus, zum jetzigen Zeitpunkt sei noch unklar, ob B im Rahmen des Berufsvorbereitungsjahres […] ein Praktikum absolvieren können werde. Insofern stehe noch nicht fest, ob B künftig über Einnahmen verfügen und somit einen Teil der Kosten selber werde tragen können.
B war somit zum Zeitpunkt der Antragstellung offensichtlich bedürftig im Sinne von § 14 SHG, so dass das Gesuch ihrer Beiständin um Kostengutsprache hätte gutgeheissen werden müssen, mit dem Vermerk, dass allfällige Einnahmen in Abzug zu bringen seien.
[Hinweise zur Berechnung des Anspruchs]
In diesem Sinne ist der Rekurs gutzuheissen.
3.4.3
Da die Sozialbehörde X die Verpflegungsbeiträge und Nebenkosten für B zu 100 % zu übernehmen hat, tritt sie gegenüber beiden Elternteilen in den Unterhaltsanspruch ein, und zwar unabhängig davon, wo diese heute ihren Wohnsitz haben. Sie kann somit sowohl mit dem Rekurrenten als auch mit der Kindsmutter einen Elternbeitrag aushandeln oder diesen gerichtlich durchsetzen, soweit dies erfolgsversprechend erscheint. […]
4.
[Kostenfolgen]
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