0416

Entscheidinstanz
Direktion der Justiz und des Innern
Geschäftsnummer
JI-2023-1403
Entscheiddatum
5. April 2023
Rechtsgebiet
Straf- und Massnahmenvollzug
Stichworte
Strafvollzug Bedingte Entlassung
Verwendete Erlasse
Art. 86 StGB

Zusammenfassung (verfasst von der Direktion der Justiz und des Innern):

Der Rekurrent beantragte die Entlassung aus dem Strafvollzug auf den 2/3-Termin der Strafe. Der Rekursgegner lehnte dies ab: Der Rekurrent zeigte grundsätzlich zwar ein gutes Vollzugsverhalten. Seit 2016 war er aber sechzehn Mal rechtskräftig verurteilt worden (zumeist wegen Verstoss gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz). Drei Mal wurde dem Rekurrenten bereits eine bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug gewährt. Jedes Mal wurde er rückfällig. Bereits 2021 wurde daher eine weitere bedingte Entlassung abgelehnt. Der Rekurrent hat hier kein Aufenthaltsrecht und es besteht eine Einreisesperre. Ein geregelter sozialer Empfangsraum für die Zeit nach der Entlassung ist nicht gegeben. Die Legalprognose ist daher deutlich belastet. Angesichts der langjährig gezeigten Unbelehrbarkeit war eine bedingte Entlassung nicht mehr zu gewähren.

Der Rekurs wurde abgewiesen.
 

Anonymisierter Entscheidtext (Auszug):

Sachverhalt:

A. verbüsst in B. folgende Strafen:

  • 80 Tage Freiheitsstrafe, abzüglich 2 Tage erstandenen Freiheitsentzug, wegen rechtswidriger Einreise, etc. (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft C. vom 23. Oktober 2022)
  • 100 Tage Freiheitsstrafe, abzüglich 2 Tage erstandenen Freiheitsentzug, wegen rechtswidrigem Aufenthalt (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft C. vom 14. Juni 2022).
  • 100 Tage Freiheitsstrafe, abzüglich 2 Tage erstandenen Freiheitsentzug, wegen rechtswidriger Einreise, etc. (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft D. vom 13. Mai 2022)

Erwägungen:

1. [Prozessvoraussetzungen]

2.

2.1 Der Rekursgegner führt in der angefochtenen Verfügung aus, das Vollzugsverhalten des Rekurrenten gebe grundsätzlich zu keinen Klagen Anlass; allerdings werde der Rekurrent teilweise als sehr fordernd und extrem aufdringlich wahrgenommen. Er habe bis anhin aber nicht diszipliniert werden müssen. Der Rekurrent arbeite gut, habe aber seinen Einsatz im Hausdienst auch vermehrt ausgenutzt, um private Angelegenheiten zu klären. Unter den Insassen werde der Rekurrent eher gemieden; er suche aber auch keinen Kontakt. Erhebliche Bedenken gebe es zur Legalprognose: Der Rekurrent sei seit 2016 sechzehn Mal rechtskräftig verurteilt worden. Drei Mal sei er bedingt aus dem Strafvollzug entlassen worden, wobei er während der Probezeit jeweils erneut delinquiert habe. Der Rekurrent zeige sich unbeeindruckt von wiederholtem Strafvollzug. Es müsse auch dieses Mal davon ausgegangen werden, dass er innert kürzester Zeit wieder illegal in die Schweiz einreisen würde. Die verbleibende Zeit im Strafvollzug könne der Rekurrent nutzen, um eine sinnvolle Lebensperspektive aufzubauen.

2.2 Der Rekurrent macht im Rekursverfahren im Wesentlichen geltend, er zeige ein gutes Vollzugsverhalten, auch wenn die Haft für ihn nicht einfach sei. Es sei im Übrigen zwar richtig, dass er bereits drei Mal bedingt aus einem Strafvollzug entlassen worden sei; dafür habe er aber gebüsst. Zudem sei er nun reifer und älter geworden. Er wisse, dass er hier ein Einreiseverbot bis 2027 habe und werde sich an dieses halten. Er sei daher bedingt aus dem Strafvollzug zu entlassen, zumal er dann - zusammen mit seiner hier lebenden Freundin - die Schweiz verlassen und sich in E. ein neues Leben aufbauen werde. In E. gäbe es gerade im Frühjahr und Sommer mehr Arbeitsmöglichkeiten und er sei sicher, dass er eine Arbeit finden und sein Leben dort finanzieren könne.

3.

3.1 Nach Art. 86 Abs. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0) ist der Gefangene nach Verbüssung von zwei Dritteln, mindestens aber drei Monaten seiner Strafe, bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde in Freiheit weitere Verbrechen oder Vergehen begehen. Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen zu prüfen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden kann; dabei hat sie diesen anzuhören und einen Bericht der Anstaltsleitung einzuholen (Art. 86 Abs. 2 StGB).

3.2 Die bedingte Entlassung stellt die vierte und letzte Stufe des Strafvollzuges dar und bildet die Regel, von der nur aus guten Gründen abgewichen werden darf. In dieser Stufe soll der Entlassene den Umgang mit der Freiheit erlernen, was nur in Freiheit möglich ist. Diesem rein spezialpräventiven Zweck stehen die Schutzbedürfnisse der Allgemeinheit gegenüber, welchen umso höheres Gewicht beizumessen ist, je hochwertiger die gefährdeten Rechtsgüter sind (BGE 125 IV 113 E. 2a).

3.3 Die Prognose über das künftige Wohlverhalten ist in einer Gesamtwürdigung zu erstellen, welche nebst dem Vorleben, der Persönlichkeit und dem Verhalten des Täters während des Strafvollzugs vor allem dessen neuere Einstellung zu seinen Taten, seine allfällige Besserung und die nach der Entlassung zu erwartenden Lebensverhältnisse berücksichtigt. Dabei steht der zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum zu (BGE 133 IV 201 E. 2.2 und 2.3). Blosses Wohlverhalten im Strafvollzug darf nicht ohne Weiteres als prognostisch positiv gewertet werden. Das Verhalten im Vollzug ist als Gesamtheit und unter Berücksichtigung seiner Entwicklung im Zeitverlauf in die Prognose einzubeziehen (Cornelia Koller, in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht I [BSK-StGB], 4. Aufl., Basel 2019, Art. 86 N. 10 mit Hinweisen). Anhand der erwähnten Kriterien ist eine Individualprognose vorzunehmen, aber auch im Sinne einer Differenzialprognose zu fragen, ob die Gefahr einer Begehung weiterer Straftaten bei einer bedingten Entlassung oder bei einer Vollverbüssung der Strafe höher einzuschätzen ist. Zu prüfen ist zudem, ob die bedingte Entlassung mit der Möglichkeit von Auflagen und Bewährungshilfe eher zu einer Resozialisierung des Täters führt (BGE 124 IV 193). Die differenzialdiagnostische Abwägung kann dann belanglos sein, wenn dem Verurteilten grundsätzlich eine schlechte Prognose gestellt werden muss und es daher im Interesse der öffentlichen Sicherheit unabdingbar erscheint, ihn die gesamte Strafe verbüssen zu lassen (Koller, BSK-StGB, Art. 86 N. 16).

4.

4.1 a) Der Rekurrent zeigt grundsätzlich ein gutes Vollzugsverhalten. Dieses steht einer bedingten Entlassung nicht entgegen (vgl. Bericht Gefängnis B. vom 23. März 2023). Erhebliche Bedenken für seine Legalprognose ergeben sich aber aus seinem Vorleben: Der Rekurrent hat seit 2016 nicht weniger als 16 rechtskräftige Verurteilungen, zumeist wegen Widerhandlung gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz, erwirkt. Drei Mal wurde ihm die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug gewährt (am 18. April 2017 durch das Amt für Justizvollzug des Kantons St. Gallen und am 7. Januar 2020 sowie am 4. Februar 2021 durch den Rekursgegner). Alle drei bedingten Entlassungen mussten widerrufen und der Strafrest zum Vollzug angeordnet werden, weil der Rekurrent während laufender Probezeit erneut delinqiuert hatte. Der Rekursgegner hatte aufgrund der Unbelehrbarkeit des Rekurrenten eine weitere bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug bereits am 6. Dezember 2021 abgelehnt. Nach damaligem Strafende per 16. Dezember 2021 hat der Rekurrent innert kürzester Zeit die hier massgeblichen drei Verurteilungen erwirkt (vgl. oben).

b) Der Rekurrent verfügt hier über kein Aufenthaltsrecht; er weiss auch, dass gegen ihn eine Einreisesperre besteht. Diese Situation scheint er dennoch nicht akzeptieren zu wollen: Im Gesuch um bedingte Entlassung vom 2. März 2023 hat er ausgeführt, er wolle in der Schweiz bleiben, da seine Lebenspartnerin hier wohne; nur falls dies nicht möglich sei, wolle er mit dieser zusammen nach E. gehen. Gegenüber dem Sozialdienst hat er offenbar zudem ausgeführt, er wolle mit der Lebenspartnerin hier eine Familie gründen; er werde von der Partnerin finanziell unterstützt, wenn er entlassen werde; eine Arbeitsstelle werde er nach der Entlassung suchen; er wolle (hier) wieder als Maler arbeiten; dadurch wolle er eine Aufenthaltsbewilligung beantragen. In der persönlichen Anhörung vom 5. April 2023 führte der Rekurrent ebenso aus, seine Lebenspartnerin lebe in der Schweiz und habe keine Möglichkeit, in einem anderen Land zu leben; sie hätten das Problem immer noch nicht gelöst und wüssten nicht, wie die Situation nach der Entlassung sei.

c) Angesichts seiner Vorgeschichte und der Ausführungen vor dem Rekursgegner erscheinen damit die hier gemachten pauschalen Angaben des Rekurrenten wonach er seine Zukunft (zusammen mit seiner Freundin) in E. sehe, wenig glaubhaft. Konkrete Anhaltspunkte dafür, namentlich zu einer geregelten Arbeits- und Aufenthaltssituation oder einem sozialen Empfangsraum in E. fehlen denn auch gänzlich. Bei dieser Ausgangslage hat der Rekursgegner zu Recht geschlossen, dass ebenso naheliege, dass der Rekurrent nach einer bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug und Ausschaffung erneut umgehend illegal in die Schweiz einreise.

4.2 Die Legalprognose des Rekurrenten ist damit jedenfalls nach wie vor deutlich belastet. Auch wenn nicht hohe Rechtsgüter wie Leib und Leben in Frage stehen, ist angesichts der vom Rekurrenten langjährig gezeigten Unbelehrbarkeit eine bedingte Entlassung nicht mehr zu gewähren. Dies gilt umso mehr, als der verbleibende kurze Strafrest zumindest noch für einen Versuch genutzt werden kann, den Rekurrenten zur Erarbeitung einer realistischen Zukunftsperspektive zu motivieren bzw. sich mit Fragen zum Aufenthaltsstatus bzw. zur Wohn- und Arbeitssituation im Ausland auseinanderzusetzen. Der Rekursgegner hat die bedingte Entlassung des Rekurrenten aus dem Strafvollzug daher zu Recht abgelehnt.

5.
Der Rekurs ist abzuweisen.

6.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Rekurrent kostenpflichtig (§ 13 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 [VRG; LS 175.2]).

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