0413

Entscheidinstanz
Direktion der Justiz und des Innern
Geschäftsnummer
JI-2023-0925
Entscheiddatum
17. April 2023
Rechtsgebiet
Straf- und Massnahmenvollzug
Stichworte
Strafvollzug Disziplinarsanktionen Urinprobe Drogenkonsum Unentgeltliche Rechtspflege
Verwendete Erlasse
Art. 91 Abs. 1 StGB § 23 b Abs. 2 lit. g StJVG § 23 b Abs. 2 lit. j StJVG § 23 c Abs. 1 lit. c und d StJVG § 23 c Abs. 1 lit. h StJVG § 16 Abs. 1 und Abs. 2 VRG

Zusammenfassung (verfasst von der Direktion der Justiz und des Innern):

Der Rekurrent hat in der Vollzugseinrichtung die Abgabe einer Urinkontrolle (UP) verweigert. Er bestreitet dies grundsätzlich nicht, machte aber geltend, er habe eine allfällig «erniedrigende» Art und Weise der Abgabe nicht akzeptieren können. Er beantragte zudem die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Anhaltspunkte für eine nicht korrekte Durchführung der Abgabe der UP lagen nicht vor. Die blosse Vorstellung einer möglichen unsachlichen Vorgehensweise konnte für die Verweigerung nicht massgeblich sein. Nur bei Abgabe einer UP unter Sicht kann ohne unverhältnismässigen Aufwand ein Missbrauch verhindert werden. Die Vereitelung der Kontrolle durfte als positiver Drogenbefund gewertet werden. Die ausgesprochene Sanktion erwies sich als angemessen. Der Rekurrent musste in den letzten 12 Monaten mehrfach diszipliniert werden. Eine Mittellosigkeit mit Bezug auf die tiefen Verfahrenskosten war nicht dargetan. Das Gesuch um unentgeltliche Verfahrensführung war daher abzuweisen. Einen Rechtsvertreter hatte der Rekurrent nicht bestellt.

Der Rekurs wurde abgewiesen.

Anonymisierter Entscheidtext (Auszug):

Sachverhalt:

A. befindet sich im Strafvollzug in B. Dort wurde er mit Disziplinarverfügung vom 1. März 2023 wegen Konsum von Drogen und Vereitelung von Kontrollen mit sieben Tagen Medien- und Aktivitätenverbot bestraft (vom 1. März 2023 bis 8. März 2023). Mit Rekurs vom 11. März 2023 beantragte A. bei der Direktion der Justiz und des Innern u.a. die Aufhebung dieser Disziplinarverfügung. Die Direktion zeigte A. am 15. März 2023 den Eingang des Rekurses an und wies ihn darauf hin, dass er eine Rechtsvertretung - sofern er eine wünsche - selber zu bestellen habe; über die Frage der Unentgeltlichkeit würde später entschieden. Gleichzeitig wurde Justizvollzug und Wiedereingliederung Kanton Zürich (JuWe) zur Stellungnahme und Einreichung der Akten aufgefordert. Mit Eingabe vom 21. März 2023 ersuchte A. um einen Zwischenentscheid zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtsvertretung. JuWe beantragte mit Vernehmlassung vom 23. März 2023 die Abweisung des Rekurses und reichte die Anstalts- sowie die Laufakten ein. Die Direktion räumte A. mit Schreiben vom 27. März 2023 die Gelegenheit ein, sich zur Stellungnahme von JuWe, inkl. Beilagen (Formular zur Mittellosigkeit, etc.), zu äussern. Die Direktion wies A. dabei auch darauf hin, dass nur dann vorab über die unentgeltliche Rechtspflege zu entscheiden wäre, wenn er in erheblichem Masse Kosten verursachende Schritte unternehmen müsste. Dies treffe hier nicht zu. Zudem erscheine der Beizug einer Rechtsvertretung nicht notwendig. A. äusserte sich nicht mehr. Damit erweist sich die Sache als spruchreif.

Erwägungen:

1. [Prozessvoraussetzungen]

2.

2.1. Dem Rekurrenten wird in der angefochtenen Verfügung vorgeworfen, er habe die Abgabe einer am 1. März 2023 angeordneten Urinprobe verweigert. Diese Verweigerung komme einem positiven Ergebnis gleich. Straferhöhend wirke sich aus, dass der Rekurrent in den vergangenen 12 Monaten bereits mehrfach, und insbesondere wegen Drogenkonsum, habe diszipliniert werden müssen.
2.2 Der Rekurrent wendet ein, er habe nicht die Urinprobe verweigert, sondern lediglich die erniedrigende Prozedur bei der Abgabe. Das letzte Mal sei einer direkt neben ihm gestanden und hätte ihm bei der Abgabe der Urinprobe unentwegt und in sexuell belästigender Weise zugeschaut. Man habe ihm nicht zusichern wollen, dass sich das Verhalten (des Aufsehers) nicht wiederhole. Er habe weder Drogen konsumiert noch arglistig eine Probe vereitelt und es stimme auch nicht, dass er in den letzten 12 Monaten mehrfach wegen Drogendelikten diszipliniert worden sei. Zudem wäre es nicht zulässig gewesen, die Verfügung nachträglich mündlich abzuändern und ihn in seiner Zelle einzuschliessen. Auch sei fraglich, ob der Aufseher C. die Disziplinarverfügung hätte erlassen dürfen.

3.

3.1 Gegen Gefangene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können gemäss Art. 91 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) Disziplinarsanktionen verhängt werden. Das Disziplinarrecht für den Straf- und Massnahmenvollzug ist im Kanton Zürich in den §§ 23 b ff. des Straf- und Justizvollzugsgesetzes (StJVG) geregelt.
Ein Disziplinarvergehen verübt namentlich, wer gemäss § 23 b Abs. 2 lit. g StJVG Drogen, Alkohol oder ihr oder ihm nicht zustehende Medikamente in die Vollzugseinrichtung einführt, sie von einer Besucherin oder einem Besucher entgegennimmt, sie herstellt, besitzt, konsumiert, weitergibt oder damit handelt. Nach § 23 b Abs. 2 lit. j StJVG wird diszipliniert, wer eine entsprechende Kontrolle vereitelt, umgeht oder verfälscht.
Gemäss Hausordnung (HO) […]. können auf Anordnung der Anstaltsdirektion, der Abteilungsleitung, des Pikettchefs oder des medizinischen sowie therapeutischen Personals Alkohol- und Drogentests durchgeführt werden. Urinproben werden unter Sichtkontrolle abgenommen (Abs. 1); eine Nichtabgabe innert angesetzter Frist gilt als positiver Befund (Abs. 2).

3.2 An die Beweisführung und die Begründung werden in einem Disziplinarverfahren nicht dieselben Anforderungen gestellt wie in einem Strafverfahren (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1P.4/2004 vom 4. August 2004, E. 3 mit weiteren Hinweisen; vgl. Kaspar Plüss, in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar VRG, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf, 2014, § 7 N. 136 und 138).

4.

4.1 Unbestritten ist, dass sich der Rekurrent am 1. März 2023 geweigert hat, der Aufforderung zu Abgabe einer Urinprobe nachzukommen. Die vom Rekurrenten angeführten Gründe sind nicht stichhaltig: Die blosse Vorstellung, eine Aufsichtsperson könnte ihm bei der Abgabe der Urinprobe in «sexuell belästigender Art und Weise» zuschauen, ist nicht ausreichend. Dass eine Urinprobe unter Sicht abzugeben ist, liegt in der Natur der Sache: Nur so kann ohne unverhältnismässigen Aufwand ein Missbrauch (z.B. Verfälschung einer Probe durch Beifügen von Wasser, etc.) verhindert werden. Die entsprechende Vorgabe findet sich in der HO […]. Im Übrigen fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich bei früherer Abgabe einer Urinprobe des Rekurrenten eine Aufsichtsperson nicht korrekt verhalten hätte.

4.2 Mit der Verweigerung der Urinprobe hat der Rekurrent auch den Tatbestand der Vereitelung von Kontrollen erfüllt und seine Verweigerung durfte als positiver Drogenbefund gewertet werden. Andernfalls hätten es die inhaftierten Personen in der Hand, durch blosse Verweigerung einen positiven Befund zu umgehen (§ 23b Abs. 2 lit. g und j StJVG i.V.m. der HO […]). Die Berechtigung des Gruppenaufsehers zum Erlass der Disziplinarverfügung stützt sich auf die Delegation der Direktion der Vollzugseinrichtung B. […].

5.

5.1 Gegenüber dem Rekurrenten wurde ein Medien- und Aktivitätenverbot ausgesprochen. Dies ist durch § 23 c Abs. 1 lit. c und d StJVG gedeckt: Diese Bestimmungen sehen als Disziplinarsanktion ausdrücklich der Ausschluss vom Gemeinschaftsbetrieb und das Verbot des Gebrauchs elektronischen Medien und Ton- oder Bildwiedergabegeräten bis zu drei Monaten (im Wiederholungsfall bis zu sechs Monaten) vor.

5.2 Das für sieben Tage verhängte Verbot bewegt sich im untersten Bereich des Strafrahmens und erscheint angemessen. Dies gilt umso mehr, als der Rekurrent in den vergangenen 12 Monaten bereits mehrfach (und am 10. März 2022 einschlägig wegen Konsum von Drogen) diszipliniert werden musste. Mit einem «Medien-/Aktivitätenverbot» ist im Übrigen selbstredend ein Zelleneinschluss am Abend verbunden. Andernfalls vermöchte die Sanktion keine Wirkung zu erzeugen. Dies entspricht im Übrigen der bereits bisher so gehandhabten und als «leichter Gruppenausschluss» bezeichneten Massnahme. Ein Zelleneinschluss wäre im Übrigen auch durch § 23 c Abs. 1 lit. h StJVG gedeckt.

6.
Zusammenfassend ist die angefochtene Disziplinarverfügung nicht zu beanstanden. Der Rekurs ist abzuweisen.

7.
Bei diesem Ausgang sind die Kosten des Verfahrens dem Rekurrenten aufzuerlegen (§ 13 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 [VRG; LS 175.2]).

8.

8.1 Der Rekurrent stellt ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Privaten, welchen die nötigen Mittel fehlen und deren Begehren nicht offensichtlich aussichtslos erscheint, ist auf entsprechendes Ersuchen die Bezahlung von Verfahrenskosten und Kostenvorschüssen zu erlassen (§ 16 Abs. 1 VRG). Nach § 16 Abs. 2 VRG haben sie überdies Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, wenn sie nicht in der Lage sind, ihre Rechte im Verfahren selbst zu wahren (vgl. auch Art. 29 Abs. 3 BV).

8.2 Die Direktion der Justiz und des Innern setzt bei Disziplinarrekursen die Spruchgebühr sehr tief an, um den eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten der Insassen Rechnung zu tragen. Dem Rekurrenten werden monatlich Fr. 525 als Arbeitsverdienst auf dessen Freikonto überwiesen. Davon werden ihm Fr. 100 pauschal für den Grundbedarf (z.B. TV Miete, Miete Mediennetz und Telefonkosten pro Monat) abgezogen (Formular betr. Mittellosigkeit). Dem Rekurrenten verbleiben somit Fr. 425 monatlich. Es ist ihm daher zuzumuten, die Kosten des Rekurses in Höhe von Fr. 210 selbst zu tragen (u.U. auch mit monatlichen Ratenzahlungen à Fr. 50). Der Rekurrent erweist sich insoweit nicht als mittellos und das Gesuch um unentgeltliche Verfahrensführung ist abzuweisen.

8.3 In Bezug auf das Gesuch um unentgeltliche Rechtsvertretung ergibt sich, dass der Rekurrent während des Verfahrens nicht vertreten war. Soweit er eine Rechtsvertretung wünschte, wurde er mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass er eine solche selber zu bezeichnen hätte. Von Amtes wegen musste ihm keine solche bestellt werden. Eine Rechtsvertretung war hier auch nicht notwendig, stellten sich doch keine schwierigen Sach- oder Rechtsfragen.

8.4. Zusammenfassend ist das Gesuch des Rekurrenten um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege so oder anders abzuweisen.

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