0395

Entscheidinstanz
Bezirksräte
Geschäftsnummer
GE.2023.18/2.02.01 GE.2023.47/2.02.01
Entscheiddatum
16. November 2023
Rechtsgebiet
Übriges Verwaltungsrecht
Stichworte
Mindestlohn

Beschluss vom 16. November 2023

Mitwirkende Präsident lic. iur. Mathis Kläntschi
Bezirksrat BSc in Business Law Matyas Sagi-Kiss
Bezirksrätin lic. iur. Marita Hauenstein
Bezirksrat MLaw Jedidjah Bollag
Bezirksrat Dr. iur. Patrice Zumsteg
Juristischer Sekretär lic. iur. Peter Müller

In Sachen A.________,
Rekurrent
vertr. durch Rechtsanwalt B.________

und C.________,
Rekurrentin
vertr. durch Rechtsanwalt D.________ und/oder Rechtsanwältin E.________

gegen Gemeinderat von Zürich, Stadthaus, Stadthausquai 17, 8001 Zürich
Rekursgegner
vertr. durch Stadtrat von Zürich, Stadthausquai 17, Stadthaus, 8001 Zürich

dieser vertr. durch Rechtsanwalt F.________ und/oder Rechtsanwalt G.________

betreffend Verordnung über den Mindestlohn (Gemeinderatsbeschluss Nr. 2022/246 vom 1. März 2023)

Der Bezirksrat stellt fest und erwägt:

1. 1.1
Am 1. März 2023 beschloss der Gemeinderat der Stadt Zürich die Verordnung über den Mindestlohn (GR Nr. 2022/246) als Gegenvorschlag zur am 10. November 2020 eingereichten Volksinitiative «Ein Lohn zum Leben». Die Verordnung lautet wie folgt:

Art. 1 Zweck
1 Der Mindestlohn trägt zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei.
2 Er ermöglicht, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer:
a. ihren Lebensunterhalt zu angemessenen Bedingungen durch ihre Erwerbsarbeit bestreiten können;
b. vor Armut trotz Erwerbsarbeit geschützt sind.
3 Zu diesem Zweck legt diese Verordnung einen Mindestlohn fest.

Art. 2 Geltungsbereich
1 Der Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Arbeit mehrheitlich auf dem Gebiet der Stadt verrichten.
2 Ausgenommen vom Mindestlohn sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die:
a. ein auf maximal zwölf Monate befristetes Praktikum mit Ausbildungscharakter absolvieren;
b. als Lernende in anerkannten Lehrbetrieben arbeiten;
c. gemäss Art. 4 Abs. 1 Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz) als Familienmitglieder in Familienbetrieben von den Bestimmungen des Arbeitsgesetzes ausgenommen sind;
d. an Programmen der beruflichen und sozialen Integration teilnehmen;
e. jünger als 25 Jahre sind und nicht mindestens einen Berufslehrabschluss auf Stufe Eidgenössisches Berufsattest (EBA) nachweisen können; oder
f. dem kantonalen Personalrecht oder dem Bundespersonalrecht unterstehen.
3 Der Stadtrat kann weitere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom Mindestlohn ausnehmen; dabei ist dem Zweck des Mindestlohns Rechnung zu tragen.

Art. 3 Sozialpartnerschaft
Der Stadtrat bezieht die Sozialpartner bei seinen Entscheiden zur Umsetzung des Mindestlohns angemessen ein.

Art. 4 Höhe des Mindestlohns, a. Betrag
1 Der Mindestlohn beträgt brutto Fr. 23.90 pro Stunde.
2 Unter Lohn ist der massgebende Lohn im Sinne des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung zu verstehen.
3 Ferien- und Feiertagsentschädigungen sind nicht eingerechnet.


Art. 5 b. Erhöhung
1 Der Stadtrat überprüft jährlich die Höhe des Mindestlohns.
2 Er erhöht den Mindestlohn auf den 1. Januar des Folgejahres:
a. aufgrund des arithmetischen Mittels zwischen der Jahresteuerung gemäss dem Landesindex der Konsumentenpreise und der Nominallohnentwicklung; und
b. sobald das kumulierte arithmetische Mittel gemäss lit. a mehr als 2,5 Prozent beträgt.
3 Die Basis für die Berechnungen gemäss Abs. 2 bildet der Stand des Landesindexes der Konsumentenpreise und des Nominallohnindexes von Januar 2024.

Art. 6 Kontrolle
1 Die Durchsetzung des Mindestlohns wird durch die vom Stadtrat bezeichnete Stelle kontrolliert.
2 Der Stadtrat kann die Kontrolle vertraglich an Dritte übertragen; ausgeschlossen ist eine Kontrollstelle, die mehrheitlich von Arbeitnehmerorganisationen oder mehrheitlich von Arbeitgeberorganisationen besetzt wird.
3 Die Kontrollstelle erhält von den zu kontrollierenden Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern:
a. Zutritt zu den Arbeits- und Betriebsräumlichkeiten;
b. alle für die Kontrolle erforderlichen Unterlagen.
Art. 7 Feststellung von Verstössen
1 Stellt die Kontrollstelle Verstösse fest, teilt sie diese den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern sowie den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit.
2 Die Kontrollstelle fordert die Betroffenen zur schriftlichen Stellungnahme innert einer Frist von dreissig Tagen auf.
3 Sie reicht ihren schriftlichen Bericht zusammen mit den notwendigen Unterlagen und Beweismitteln der zuständigen Strafverfolgungsbehörde ein.

Art. 8 Kosten
1 Die Stadt trägt die Kosten für die Kontrollen.
2 Sie kann die Kosten den fehlbaren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern auferlegen, wenn bei den Kontrollen Verstösse gegen diese Verordnung festgestellt worden sind.

Art. 9 Berichterstattung
Die Kontrollstelle erstattet dem Stadtrat jährlich Bericht über die Kontrolltätigkeit.

Art. 10 Bussen
1 Wer gegen diese Verordnung verstösst, wird mit Busse bestraft.
2 Versuch und Gehilfenschaft sind strafbar.
3 Juristische Personen, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften sowie Inhabende von Einzelfirmen haften solidarisch für Bussen und Kosten, die ihren Organen oder Hilfspersonen auferlegt werden; ihnen stehen im Verfahren die gleichen Rechte wie den Beschuldigten zu.

Art. 11 Verwaltungsrechtliche Sanktionen
Schwerwiegende und wiederholte Verstösse führen zum Ausschluss von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen für die Dauer zwischen einem Jahr und fünf Jahren.


Art. 12 Übergangsbestimmungen
1 Auf begründeten Antrag kann der Stadtrat Betrieben, die nachweislich finanzielle Schwierigkeiten haben, ab Datum des Inkrafttretens dieser Verordnung eine Übergangsfrist von zwei Jahren gewähren, während der sie den Mindestlohn gemäss dieser Verordnung noch nicht einhalten müssen.
2 Drei Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung berichtet der Stadtrat dem Gemeinderat über die Arbeit der Kontrollstelle und über die Auswirkungen der Verordnung auf betroffene Tieflohnempfängerinnen und -empfänger und Betriebe.

Art. 13 Inkrafttreten
Der Stadtrat setzt diese Verordnung in Kraft.

In der Folge wurde die Volksinitiative zurückgezogen. Der vom Gemeinderat beschlossene Gegenvorschlag gilt damit als eigenständiger Gemeinderatsbeschluss. Am 22. März 2023 wurde dagegen das Parlamentsreferendum ergriffen.

1.2
Mit Eingabe vom 11. April 2023 hat A.________ (fortan: Rekurrent) Rekurs gegen die Verordnung über den Mindestlohn vom 1. März 2023 erhoben. Er stellt folgende Anträge (act. 1 [GE.2023.18; nachfolgende Aktenzitate ohne weiteren Vermerk beziehen sich auf die Akten dieses Verfahrens]):

1. Die Verordnung über den Mindestlohn vom 1. März 2023 gemäss Beschluss des Gemeinderats der Stadt Zürich vom 1. März 2023 (GR Nr. 2022/246) sei vollumfänglich aufzuheben;

2. Eventualiter seien Art. 6-9 und Art. 11 der Verordnung über den Mindestlohn vom 1. März 2023 gemäss Beschluss des Gemeinderats der Stadt Zürich vom 1. März 2023 (GR Nr. 2022/246) aufzuheben;

alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen inkl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu Lasten [des Rekursgegners].

1.3
Mit Vernehmlassung vom 11. Mai 2023 beantragt der Gemeinderat von Zürich (fortan: Rekursgegner), auf den Rekurs sei unter Kostenfolgen zulasten des Rekurrenten nicht einzutreten, eventualiter sei der Rekurs abzuweisen (act. 5).

1.4
Der Bezirksrat tat den Parteien am 16. Mai 2023 seine Absicht kund, das Verfahren angesichts der anstehenden Volksabstimmung zu sistieren. Er räumte ihnen Gelegenheit ein, um hierzu sowie zu der vom Rekursgegner aufgeworfenen Eintretensfrage Stellung zu nehmen (act. 7).

Der Rekursgegner sprach sich am 23. Mai 2023 gegen eine Sistierung aus und hielt an seinen Anträgen fest (act. 8). Der Rekurrent erklärte sich am 6. Juni 2023 mit einer Sistierung einverstanden und hielt im Übrigen dafür, auf den Rekurs sei einzutreten (act. 9).

Mit Beschluss vom 15. Juni 2023 wies der Bezirksrat den (auf Nichteintreten lautenden) Hauptantrag des Rekursgegners ab und sistierte das Verfahren, bis die Abstimmung über die Verordnung hinsichtlich Stimmrechtsrekursen rechtskräftig ist (act. 10).

1.5
In der Gemeindeabstimmung vom 18. Juni 2023 wurde die Vorlage mit 69,43 % Ja-Stimmen angenommen. Dagegen wurde kein Stimmrechtsrekurs ergriffen. Der Bezirksrat hob am 3. Juli 2023 die Sistierung auf und setzte das Verfahren fort (BR act. 12).

1.6
Mit Eingabe vom 28. Juli 2023 hat C.________ (fortan: Rekurrentin), ebenfalls gegen die Verordnung Rekurs beim Bezirksrat erhoben. Sie stellt folgende Anträge (act. 1 [GE.2023.47]):

1. Die Verordnung über den Mindestlohn des Gemeinderats Zürich vom 1. März 2023 sei aufzuheben;

2. Eventualiter sei der Stadtrat Zürich anzuweisen, gestützt auf Art. 2 Abs. 3 der Verordnung über den Mindestlohn vom 1. März 2023 eine Ausnahmeregelung für Arbeitnehmende vorzusehen, für die ersten vier Jahre nach Abschluss ihrer Berufslehre mit dem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis «________»;
3. alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten [des Rekursgegners].

1.7
Der Rekurrent und der Rekursgegner halten mit Replik vom 3. August 2023 und mit Duplik vom 7. September 2023 an ihren Anträgen fest (act. 13 und 17).

Der Rekursgegner beantragt mit Rekursantwort vom 31. August 2023, auf den Rekurs der Rekurrentin sei unter Kosten- und Entschädigungsfolge nicht einzutreten, eventuell sei er abzuweisen (act. 5 [GE.2023.47]). Die Rekurrentin hält mit Replik vom 25. September 2023 an ihren Anträgen fest (act. 8 [GE.2023.47]).

Weitere Stellungnahmen gingen in der Folge nicht mehr ein.


2. 2.1
Die beiden Rekurse zielen hauptsächlich auf die Aufhebung der Verordnung vom 1. März 2023 ab, und sie werfen weitgehend die gleichen Rechtsfragen auf. Sie sind daher aus Gründen der Prozessökonomie zu vereinigen (vgl. Martin Bertschi/Kaspar Plüss, in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar VRG, 3. A., Zürich/Ba¬sel/Genf 2012, Vorbemerkungen zu §§ 4-31 N. 59 [fortan: «Kom¬men¬tar VRG»]). Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass sich die Eventualanträge voneinander unterscheiden (vgl. die in BGE 143 I 403 nicht publizierte E. 1 des Urteils 2C_774/2014 vom 21. Ju¬li 2017 [= Pra 2017 Nr. 100, S. 957, 961]).

2.2
Gemäss § 19 Abs. 1 lit. d VRG können mit dem Rekurs Erlasse (aus¬ge¬nom¬men die Kantonsverfassung und kantonale Gesetze) an-ge¬foch¬ten werden (sog. «abstrakte Normenkontrolle»). In diesem Verfahren kann die Verletzung übergeordneten Rechts ge¬rügt wer-den (vgl. § 20 Abs. 2 VRG). Der Bezirksrat ist zuständige Rekurs-instanz (§ 19b Abs. 2 lit. c Ziff. 1 VRG).

Zur Anfechtung eines Erlas¬ses ist berechtigt, wer durch eine Norm in schutzwürdigen In¬ter¬es¬sen berührt werden könnte (§ 21b Abs. 1 VRG). Diese Rege¬lung folgt der bundesgerichtlichen Praxis (vgl. hierzu: Weisung des Regierungsrats vom 22. Oktober 2014 zum Publi¬kations¬gesetz, ABl 2014-11-07 [Nr. 45], Meldungsnummer 00090451), nach welcher zur An¬fechtung eines kantonalen Erlasses legitimiert ist, wer durch den Er¬lass aktuell oder virtuell besonders berührt ist und ein schutz¬würdiges Interesse an dessen Änderung oder Aufhebung hat. Virtu¬el¬les Berührtsein setzt voraus, dass der Beschwerdeführer von der an¬ge¬fochtenen Rege¬lung früher oder später einmal mit einer mini¬malen Wahr¬schein¬lichkeit unmittelbar betroffen sein wird (BGer 2C_402/2022 vom 31. Juli 2023, E. 1.2 [zur Pub¬likation vorgese¬hen]; vgl. auch Anja Martina Binder, Verwaltungsrechtspflege des Kantons Zürich, Zürich/St. Gallen 2021, Rz. 1077; Andreas Conne, Abstrakte Nor¬men¬kontrolle im Kan-ton Zürich: Überblick und Vergleich mit der Ein¬zelakt¬kontrol¬le, in: ZBl 115/2014, S. 410, und Martin Bertschi, Kommentar VRG, § 21 N. 33; Ralph David Doleschal, Die abstrakte Normen¬kontrolle in den Kantonen, Diss. Zürich/Basel/Genf 2019, S. 676 f.).

Der Rekurrent ist Arbeitgeber mit Sitz in der Stadt Zürich. Er ist damit selbst von der angefochtenen Verordnung zumindest virtuell besonders berührt und somit zum Rekurs legitimiert.

Die Rekurrentin ist ein Verband, der in eigenem Namen, aber im Interesse seiner Mitglieder Rekurs erhebt. Diese Form der Prozessstandschaft (sog. egoistischer Verbandsrekurs) ist auch im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle grundsätzlich zulässig, und zwar unter folgenden Voraussetzungen: Beim Verband muss es sich um eine juristische Person handeln, diese muss statutarisch zur Wahrung der betreffenden Interessen der Mitglieder befugt sein, diese Interessen müssen allen oder zumindest einer grossen Anzahl von Mitgliedern gemeinsam sein, und jedes dieser Mitglieder muss selber zur Geltendmachung des Interesses auf dem Rechtsmittelweg befugt sein (Urteil AN.2019.00003 des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Februar 2020, E. 1.3.1; BGE 142 II 84, E. 1.4.2; Bertschi, Kommentar VRG, § 21 N. 93 f.; Doleschal, S. 684 f.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend offenkundig erfüllt. Insbesondere ist die Rekurrentin nach ihren Statuten befugt, unter anderem die Interessen ihrer Mitglieder zu wahren (act. 2/3 [GE.2023.47], S. 2). Die Rekurrentin hat auch ausreichend dargelegt, dass das Interesse zumindest einer grossen Anzahl ihrer Mitglieder gemein ist und diese Mitglieder das Interesse selbst auf dem Rechtsmittelweg geltend machen könnten (act. 8, S. 6; act. 9/1-9/5 [je GE.2023.47]). Die Rekurrentin ist folglich ebenfalls zumindest grundsätzlich (vgl. E. 6.4) zur Rekurserhebung legitimiert.

Im Übrigen dürfte auch der Rekurrent zum egoistischen Verbandsrekurs legitimiert sein, was hier aber – weil sich die Legitimation bereits aus anderem Grund ergibt – keiner näheren Prüfung mehr bedarf.

Der Beschluss des Rekursgegners wurde am 8. März 2023 im Amtsblatt der Stadt Zürich publiziert (Meldungsnummer 2023/0123). Die Rekursfrist von 30 Tagen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 VRG) endete aufgrund der Ostertage am 11. April 2023 (§ 22 Abs. 2 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 VRG). Der Rekurs des Rekurrenten ist damit rechtzeitig erhoben (vgl. bereits act. 10, S. 3 f.), wenngleich das Verfahren zunächst zu sistieren war (Binder, Rz. 1089, mit Hinweis). Was der Rekursgegner gegen die Zulässigkeit des vom Rekurrenten erhobenen Rechtsmittels vorbringt, hat der Bezirksrat bereits im Beschluss vom 15. Juni 2023 behandelt und verworfen (act. 10).

Auch der von der Rekurrentin erhobene Rekurs erweist sich als fristgerecht: Das Ergebnis der Abstimmung vom 18. Juni 2023 wurde am 28. Juni 2023 amtlich publiziert (Meldungsnummer 2023/0412). Die dadurch ausgelöste Rekursfrist von 30 Tagen endete am 28. Juli 2023. Die Rekurrentin hat ihre Rekursschrift am selben Tag bei der Post aufgegeben und die Frist daher gewahrt.

Die im Übrigen formgerecht eingereichten Rekurse sind somit grund¬sätzlich zulässig.

2.3
Nicht einzutreten ist indes auf den Eventualantrag der Rekurrentin. Dieser Antrag zielt darauf ab, den Stadtrat der Stadt Zürich anzuweisen, gestützt auf Art. 2 Abs. 3 der Mindestlohnverordnung eine Ausnahmeregelung für Arbeitnehmende mit dem Fähigkeitszeugnis «________» (für die ersten vier Jahren nach Abschluss ihrer Berufslehre) vorzusehen. Eine solche Anweisung zu erteilen, verbietet sich aus Gründen der Gewaltentrennung. Es ist nicht Sache des Bezirksrats, dem Stadtrat vorzuschreiben, welche Ausführungsbestimmungen er dereinst zu erlassen habe. Der Eventualantrag der Rekurrentin erscheint daher zum Vornherein als unzulässig.

2.4
Unter genanntem Vorbehalt ist auf die Rekurse einzutreten (vgl. allerdings auch E. 6.3).

2.5
Prüfungsmassstab der abstrakten Normenkontrolle ist stets ausschliesslich und allein das gesamte übergeordnete Recht, also insbesondere kantonale und eidgenössische Verfassungen und Gesetze, aber auch das internationale Recht. Den verwaltungsinternen Kontrollbehörden steht – anders als im Einzelaktanfechtungsverfahren – grundsätzlich keine Ermessenskontrolle zu (Arnold Marti, Ab¬strakte Normenkontrolle, Klageverfahren und weitere besondere Verfahren, in: Alain Griffel/Tobias Jaag [Hrsg.], Reform der Zürcher Verwaltungsrechtspflege, Zürich/St Gallen 2010, S. 115). Die ab-strakte Normenkontrolle hat rein kassatorische Funktion (Conne, S. 411; Binder, Rz. 1091). Nach Lehre und Praxis ist im Normenkontrollverfahren eine zurückhaltende Kognition angebracht. Eine Norm soll grundsätzlich nur dann aufgehoben werden, wenn sie sich einer rechtskonformen Auslegung entzieht. Erscheint aber eine Regelung in normalen Situationen, wie sie der Gesetzgeber voraussetzen durfte, als mit dem übergeordneten Recht vertretbar, so kann die Möglichkeit, dass sie sich in bestimmten Fällen als verfassungswidrig erweisen könnte, grundsätzlich zu keinem Eingreifen im Normenkontrollverfahren führen. Vielmehr verbleibt den Betroffenen dann die Möglichkeit, eine allfällige Verfassungswidrigkeit bei der Anwendung im Einzelfall geltend zu machen. Die Erklärungen der zuständigen Behörde darüber, wie sie die fragliche Vorschrift anwendet oder anzuwenden gedenkt, sind im Kontrollverfahren ebenfalls zu berücksichtigen (vgl. Kaspar Plüss, Kognition im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle, in: ZBl 115/2014, S. 420; Urteil AN.2022.00007 des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 2. März 2023, E. 3; BGer 2C_774/2014 vom 21. Juli 2017, E. 3.2; nicht publ. in: BGE 143 I 403, aber in: Pra 2017 Nr. 100, S. 964).


3. 3.1
Art. 27 der Bundesverfassung (BV) gewährleistet die Wirtschaftsfreiheit, insbesondere die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung. Gemäss Art. 94 Abs. 1 BV halten sich Bund und Kantone an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit. Abweichungen von diesem Grundsatz, insbesondere Massnahmen, die sich gegen den Wettbewerb richten, sind nur zulässig, wenn sie in der Bundesverfassung vorgesehen oder durch kantonale Regalrechte begründet sind (Art. 94 Abs. 4 BV). Art. 27 BV schützt damit den individualrechtlichen Gehalt, Art. 94 BV als grundlegendes Ordnungsprinzip einer auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruhenden Wirtschaftsordnung die systembezogene oder institutionelle Dimension der Wirtschaftsfreiheit, wobei diese beiden Aspekte freilich eng auf¬einander bezogen sind und nicht isoliert betrachtet werden können (BGE 138 I 385 E. 6.1). Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr. Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein. Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein. Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar (Art. 36 BV).

3.2
3.2.1
Der Rekurrent macht geltend (teilweise unter Hinweis auf seine Ausführungen zur bundesrechtlichen Kompetenzordnung), der in der strittigen Verfügung vorgesehene Mindestlohn entspreche nicht echten Interessen der Sozialpolitik, zumal er sich bei Weitem nicht auf das beschränke, was die betroffenen Arbeitnehmenden für eine würdige Lebensführung wirklich benötigten (act. 1, S. 18). Zwar habe das Bundesgericht im Zusammenhang mit dem Mindestlohn im Kanton Neuenburg entschieden, dass das Arbeitsgesetz dem Erlass bestimmter sozialpolitischer Massnahmen auf kantonaler Ebene nicht entgegenstehe. Vorausgesetzt sei indes, dass die Beiträge für Minimallöhne auf einem relativ tiefen Niveau angesetzt würden, nahe am Mindesteinkommen, welches sich aus dem System der Sozialversicherungen bzw. der Sozialhilfe ergebe (act. 1, S. 13 und 18; act. 13, S. 4 und 6). Der in der angefochtenen Verordnung vorgesehene Mindestlohn liege rund Fr. 4.00 bzw. – unter Berücksichtigung des obligatorischen Ferienzuschlags – fast Fr. 6.00 über dem vom Bundesgericht beurteilten Neuenburger Mindestlohn. Hinzu komme, dass knapp zwei Drittel der in der Stadt Zürich erwerbstätigen (und somit von der Verordnung erfassten) Personen ausserhalb der Stadt lebten. Bei den im Tieflohnsektor tätigen Arbeitnehmenden sei dieser Anteil aufgrund der hohen städtischen Mieten vermutlich noch höher. Für den überwiegenden Teil der vom stadtzürcherischen Mindestlohn erfassten Arbeitnehmenden (denjenigen, die in der Stadt arbeiteten, jedoch nicht hier wohnten) könne daher nicht das für die Stadt Zürich massgebende Existenzminimum massgebend sein. Vielmehr wäre auf das tendenziell tiefere Existenzminimum (gemäss Ergänzungsleistungs- bzw. Sozialhilferecht) an ihrem Wohnort abzustellen (act. 1, S. 15 f. und 20 f.; act. 13, S. 8). Abgesehen davon habe das Bundesgericht im erwähnten Fall keine kantonalen Beihilfen und Gemeindezuschüsse einberechnet (act. 13, S. 8). Selbst wenn man auf die höheren minimalen Lebenshaltungskosten in der Stadt Zürich abstellen wollte, so ginge der vorgesehene Mindestlohn immer noch deutlich über dieses Minimum hinaus. Der vorgesehene Mindestlohn sei folglich keine sozialpolitische Massnahme im Sinn der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, sondern vielmehr eine – unzulässige – wirtschaftspolitisch motivierte Massnahme (act. 1, S. 16-18).

Aber auch die individualrechtliche Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV werde verletzt, denn zur Bekämpfung der Armut gebe es mildere Instrumente als die Einführung eines pauschalen und übergreifenden Mindestlohns. Der Fokus müsse vielmehr auf berufsspezifischen Aus- und Weiterbildungen liegen. Denkbar sei auch, Gesamtarbeitsverträge vom Anwendungsbereich des Mindestlohns auszunehmen. Darüber hinaus gefährde ein kommunaler Mindestlohn Arbeitsplätze im Segment mit tiefen Anforderungen. Ferner führe ein auf die Stadt Zürich beschränkter Mindestlohn zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung, weil die Lohnkosten innerhalb desselben Kantonsgebiets (und damit auch innerhalb desselben Unternehmens) erheblich differieren könnten. Kurioserweise würde etwa ein in der Stadt wohnhafter aber woanders erwerbstätiger Arbeitnehmer nicht vom Mindestlohn profitieren, schon jedoch sein in der Stadt Zürich erwerbstätiger, allerdings woanders wohnhafter Arbeitskollege (act. 1, S. 19-22; act. 13, S. 11-13).

3.2.2
Die Rekurrentin ist der Ansicht, der vorgeschlagene Mindestlohn eigne sich nicht, um die Problematik der «Working Poor» adäquat anzugehen. Der Mindestlohn entpuppe sich als wirtschaftspolitische Massnahme. Manche Mitglieder der Rekurrentin würden Schwierigkeiten haben, den Mindestlohn zu bezahlen, und es werde voraussichtlich zu Entlassungen bzw. weniger Einstellungen kommen. Zudem könne der zu hoch angesetzte Mindestlohn dazu führen, dass junge Menschen von Anfang an höherbezahlten Jobs nachgingen, statt in eine Ausbildung und in die ersten Berufsjahre zu investieren. Im Übrigen erscheine die Höhe von Fr. 23.90 pro Stunde willkürlich gewählt und sachlich nicht gerechtfertigt. Die Berechnung des Ansatzes sei nicht genügend nachvollziehbar. Insbesondere sei unklar, weshalb er den vom Bundesgericht anerkannten Betrag von Fr. 20.00 pro Stunde übersteigen soll (act. 1 [GE.2023.47], S. 8-10). Effektiv wirksame sozialpolitische Massnahmen müssten differenzierte, nachhaltigere Lösungsansätze kombinieren (z. B. verbesserte Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Ermöglichen flexibler Arbeitseinsätze, Sicherung bezahlbarer Kinderbetreuung, Förderung der Bildungschancen, fiskalpolitische Massnahmen). Auch werde der Wohnort der Arbeitnehmenden nicht berücksichtigt, obwohl sich dieser entscheidend auf die effektiven Lebenshaltungskosten auswirke. Von der Regelung werde nur ein Teil der Arbeitnehmenden der Stadt Zürich erfasst, nämlich diejenigen, die in der Stadt arbeiteten. Dafür fielen aber Arbeitnehmende unter die Regelung, die nicht in der Stadt Zürich wohnten. Die Verordnung verletze aus diesen Gründen die Wirtschaftsfreiheit (act. 1 [GE.2023.47], S. 11-13; act. 8 [GE.2023.47], S. 10-16).

3.2.3
Der Rekursgegner hält dagegen, die angefochtene Verordnung sei sozialpolitisch motiviert. Das Bundesgericht habe von einer pauschalen Beurteilung sowie davon abgesehen, Grenzwerte zu benennen. Vielmehr müsse es eine Bandbreite geben, in welcher der kantonale Gesetzgeber den Mindestlohn als sozialpolitisch definieren dürfe. Die Methode des Gesetzgebers bei der Ermittlung eines Mindestlohns müsse auf objektiven und vernünftigen Kriterien basieren (act. 5, S. 9 f.; act. 6 [GE.2023.47], S. 10 f.). Es sei aber nicht an den Gerichten, einen Betrag zahlenmässig zu definieren. Der Mindestlohn von Fr. 23.90 sei anhand der Regeln zur Bemessung der minimalen Lebenshaltungskosten für Ergänzungsleistungen von AHV und IV berechnet (act. 5, S. 12; act. 6 [GE.2023.47], S. 11). Mildere Mittel seien nicht ersichtlich. Insbesondere reichten Massnahmen im Berufsbildungsbereich nicht aus, um die Erwerbsarmut zu bekämpfen. Der Befürchtung der Rekurrentin, junge Menschen könnten Jobs mit Mindestlöhnen einer Ausbildung vorziehen, werde gerade mit der Ausnahmebestimmung von Art. 2 Abs. 1 lit. e der Verordnung Rechnung getragen (act. 6 [GE.2023.47], S. 10; vgl. auch act. 5, S. 16). Zu beachten sei auch, dass Erwerbsarmut in urbanen Gebieten schneller unerwünschte Folgen haben könnte und dort somit ein grösseres Bedürfnis bestünde, die Erwerbsarmut zu bekämpfen (act. 1, S. 17).

3.3
Das Bundesgericht hatte in seinem bereits erwähnten Entscheid vom 21. Juli 2017 zu beurteilen, ob die im Gesetz über die Arbeit und die Arbeitslosenversicherung des Kantons Neuenburg vorgesehene Einführung eines grundsätzlichen Mindestlohns von Fr. 20.00 pro Stunde zulässig sei. In einem ersten Schritt prüfte das Bundesgericht die Zulässigkeit unter dem institutionellen Aspekt der Wirtschaftsfreiheit (Art. 94 BV). Das Bundesgericht erwog, dass dem Staat grundsätzlich jegliche Massnahmen untersagt seien, die sich eigneten, den freien Wettbewerb mit dem Ziel zu behindern, bestimmte Wirtschaftszweige oder bestimmte Formen der Wirtschafts¬tätigkeit zu favorisieren oder das Wirtschaftsleben nach einem festen Plan zu dirigieren. Abweichungen vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit – insbesondere auch Massnahmen, die sich gegen den Wettbewerb richteten – seien nach Art. 94 Abs. 4 BV nur zulässig, wenn sie in der Bundesverfassung vorgesehen oder durch kantonale Regalrechte begründet seien. Im Gegensatz zu wirtschaftspolitischen Massnahmen fielen jedoch staatliche Massnahmen, die ordnungs- oder sozialpolitische Gründe verfolgten, sowie Massnahmen, die nicht primär wirtschaftlichen Interessen dienten (z. B. Raumplanung, Umweltpolitik) zum Vornherein aus dem Schutzbereich von Art. 94 BV. Die Rechtsprechung definiere die erwähnten sozialen oder sozialpolitischen Massnahmen als solche, die darauf ausgelegt seien, der Allgemeinheit oder einem grossen Teil der Bevölkerung Wohlstand zu verschaffen oder diesen Wohlstand durch die Verbesserung der Lebensbedingungen, der Gesundheit oder der Freizeit zu steigern (BGE 143 I 407 f. E. 5.2). Das Bundesgericht verwies auf sein Urteil 1C_357/2009 vom 8. April 2010, in welchem es festgehalten hatte, dass die Beträge der Mindestlöhne auf einem relativ niedrigen Niveau anzusetzen seien, nahe dem Mindesteinkommen, das sich aus den Sozialversicherungs- oder Sozialhilfesystemen ergebe, andernfalls der Rahmen der Sozialpolitik verlassen werde. Der [in Neuenburg vorgesehene] Mindestlohn orientiere sich an den Ergänzungsleistungen zur AHV und IV, welche zur Deckung des Existenzbedarfs bestimmt seien. Das entspreche dem von der Rechtsprechung formulierten Anliegen, sich auf den Rahmen der Sozialpolitik zu beschränken. Die sich auf Art. 94 BV stützenden Rügen seien abzuweisen (BGE 143 I 409 E. 5.4.3). Deshalb könne offengelassen werden, ob es den (von der Bundesversammlung gewährleisteten) Mindestlohnartikel in der Neuenburger Kantonsverfassung nur eingeschränkt auf seine Bundesrechtskonformität überprüfen könne (BGer 2C_774/2014 vom 21. Juli 2017, E. 4.1 f.; nicht publ. in: BGE 143 I 403, aber in: Pra 2017 Nr. 100, S. 965).

Weiter prüfte das Bundesgericht nach Massgabe von Art. 36 BV (Voraussetzungen für die Einschränkung von Grundrechten), ob das kantonale Gesetz mit der individualrechtlichen Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV vereinbar sei. Das Gesetz auferlege Arbeitgebern die Pflicht, im Kanton Neuenburg Erwerbstätigen wenigstens einen bestimmten Mindestlohn zu bezahlen. Diese Verpflichtung schränke die freie Ausübung der Wirtschaftsfreiheit der Arbeitgeber auf dem Kantonsgebiet ein. Ohne Weiteres bejahte das Bundesgericht, dass eine genügende gesetzliche Grundlage sowie ein öffentliches Inter-esse (Verfolgung sozialpolitischer Ziele) im Sinn von Art. 36 Abs. 1 und 2 BV vorlägen (BGE 143 I 411 f. E. 5.6-5.6.2). Im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung (Art. 36 Abs. 3 BV) verwarf das Bundesgericht die Auffassung der Beschwerdeführer, wonach der vorgesehene Mindestlohn keine geeignete Massnahme sei, um die Armut zu bekämpfen. Gleichermassen hielt das Bundesgericht die Ansicht für unbeachtlich, dass die Einführung eines Mindestlohns nicht dazu beitrage, die Sozialhilfequote im Kanton Neuenburg zu senken, sondern im Gegenteil zur Folge haben könnte, dass die Inhaber kleiner Unternehmen nicht mehr in der Lage seien, die vom Staat festgelegten Löhne zu bezahlen, und daher gezwungen seien, Personal zu entlassen. Ebenfalls wies das Bundesgericht in Bezug auf das Kriterium der Erforderlichkeit die Auffassung zurück, dass die mit der Einführung des Mindestlohns verfolgten Ziele auch durch weniger einschneidende Massnahmen erreicht werden könnten, die in Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen vorgesehen seien (BGE 143 I 412-414 E. 5.6.4-5.6.5). Schliesslich erörterte das Bundesgericht hinsichtlich der Verhältnismässigkeit im engeren Sinn, dass der Staatsrat des Kantons Neuenburg für einige Wirtschaftsbereiche Mindestlöhne festlegen könne, die vom Mindestlohn abwichen. Damit solle das Ziel, den Arbeitnehmenden einen angemessenen Lohn zu garantieren, mit dem Bestreben in Einklang gebracht werden, die betreffenden Wirtschaftsbereiche nicht zu gefährden. Zudem könne der Staatsrat für besondere Arbeitsverhältnisse Ausnahmeregelungen erlassen. Sodann werde während einer Periode von acht Jahren die Anwendung der Mindestlohnbestimmungen beobachtet und darüber Bericht erstattet. Aufgrund dieser Regelungen stehe fest, dass die vom kantonalen Gesetzgeber beschlossene Einführung eines Mindestlohns hinreichend mit Flexibilitätsklauseln und periodischen Neubeurteilungen begleitet werde (BGE 143 I 413-415 E. 5.6.6). Bei der Festlegung des Mindestlohns habe sich der Grosse Rat [des Kantons Neuenburg], dem hier ein grosser gesetzgeberischer Ermessensspielraum zuzugestehen sei, auf objektive und sachliche Kriterien gestützt. Er sei vom Mindesteinkommen nach den Ergänzungsleistungen zur AHV/IV für eine alleinstehende Person ausgegangen. Zum Betrag für den Lebensbedarf kämen ein Betrag für Mietzinsausgaben (inkl. Nebenkosten), ein jährlicher Pauschalbetrag für die obligatorische Krankenpflegeversicherung und ein Jahresbetrag für die Sozialversicherungsbeiträge dazu. Das ergebe einen Bruttomindestlohn von Fr. 19.59 pro Stunde. Dieser Betrag sei auf Fr. 20.00 aufgerundet worden, um namentlich die potenziell mit dem Erwerb des Einkommens verbundenen Kosten zu berücksichtigen. Laut dem Staatsekretariat für Wirtschaft (SECO) habe im Übrigen die Tieflohnschwelle in der Schweiz im Jahr 2010 je nach angewandter Methode und verwendeter Datenquelle zwischen Fr. 22.00 und Fr. 23.90 pro Stunde gelegen, was über dem vorgesehenen kantonalen Lohn von Fr. 20.00 liege (BGE 143 I 415 f. E. 5.6.7). Unter Hinweis auf andere Mindestlohnberechnungen hielt das Bundesgericht dafür, dass sich der für den Kanton Neuenburg festgesetzte Mindestlohn innerhalb einer angemessenen Bandbreite bewege sowie auf objektiven Kriterien beruhe. Die Mindestlohnregelung stehe zusammenfassend im Einklang mit der Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV (BGE 143 I 417 E. 5.6.8 und 5.7).

3.4
Zunächst ist unter dem institutionellen Aspekt der Wirtschaftsfreiheit zu prüfen, ob die angefochtene Verordnung sozial- oder wirtschafts-politische Ziele verfolgt.

Die Verordnung über den Mindestlohn bezweckt gemäss ihrem Art. 1, zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeitnehmenden beizutragen (Abs. 1) und es ihnen zu ermöglichen, ihren Lebensunterhalt zu angemessenen Bedingungen durch ihre Erwerbsarbeit bestreiten zu können sowie vor Armut trotz Erwerbsarbeit geschützt zu sein (Abs. 2 lit. a und b).

Der Neuenburger Mindestlohn betraf gemäss den vom Bundesgericht zitierten Angaben des Grossen Rats (BGE 143 I 409 E. 5.4.1) 4,3 % der Arbeitnehmenden im Kanton Neuenburg. Der Stadtrat der Stadt Zürich berechnete den Anteil der in der Stadt tätigen Arbeitnehmenden, die weniger als Fr. 23.00 pro Stunde verdienen, auf 4 % (rund 16'800 Personen) der insgesamt rund 385'000 Erwerbstätigen. Gestützt auf die Lohnstrukturerhebung (LSE) 2018 berechnete der Stadtrat diesen Anteil aufgrund eines standardisierten Bruttomonatslohns von Fr. 3'987.00 bei einer Arbeitszeit von 4 1/3 Wochen zu 40 Stunden pro Woche (inkl. Sozialabgaben der Arbeitnehmenden, Zulagen für Schicht- Sonntags- und Nachtarbeit, 1/12 des 13. Monatslohns und 1/12 der jährlichen Sonderzahlungen [Boni], jedoch ohne Zulage für Ferien und Feiertage; vgl. dazu: Beschluss des Stadtrats vom 15. Juni 2022 [act. 6/4, S. 13 f.]). Diese Berechnungsweise ist nachvollziehbar und wurde von den Rekurrenten nicht beanstandet. Der prozentuale Anteil der vom jeweiligen Mindestlohn betroffenen Arbeitnehmenden im Kanton Neuenburg und in der Stadt Zürich ist daher annähernd gleich. Dies gilt insbesondere, wenn der Anteil für die Stadt Zürich nicht auf eine ganze Zahl gerundet wird (richtig: 4,36 % statt «4 %»). Anzufügen ist, dass die Berechnungen des Stadtrats noch von einem Mindeststundenlohn von Fr. 23.00 ausgingen, der in der Verordnung vorgesehene Mindestlohn dagegen Fr. 23.90 pro Stunde beträgt. Zu letzterem Betrag fand der Gemeinderat, um die zwischenzeitliche Teuerung auszugleichen (Gemeinderat der Stadt Zürich, Auszug aus dem substanziellen Protokoll der 37. Ratssitzung vom 1. Februar 2023, S. 3 f. und 15 [abrufbar unter: www.gemeinderat-zuerich.ch]). Daher kann angenommen werden, dass der Anteil der von einem teuerungsbereinigten Mindestlohn betroffenen Arbeitnehmenden in der Stadt Zürich nach wie vor den prozentualen Anteil von 4 % aller Arbeitnehmenden in der Stadt ungefähr umfasst bzw. leicht übersteigt.

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist – wie erwähnt – schliesslich zu beachten, dass der Mindestlohnbetrag auf einem relativ tiefen Niveau anzusetzen ist, nahe am Mindesteinkommen, welches sich aus dem System der Sozialversicherungen bzw. der Sozialhilfe ergibt, ansonsten der Rahmen der Sozialpolitik verlassen wird. Der in der angefochtenen Verordnung vorgesehene Mindestlohn orientiert sich an den Ergänzungsleistungen zur AHV/IV. Bei der Bemessung des Mindestlohns wurden zudem die kantonalen Beihilfen und Gemeindezuschüsse beachtet (act. 6/4, S. 13). Die Ergänzungsleistungen bezwecken die Deckung des Existenzbedarfs (Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [ELG]). Das genügt der bundesgerichtlichen Vorgabe, wonach ein Mindestlohn nicht über eine sozialpolitische Massnahme hinausgehen darf (vgl. BGE 143 I 410 E. 5.4.3). Gleich verhält es sich mit den kantonalen Beihilfen und den Gemeindezuschüssen, welche die angemessene Deckung des Bedarfs bezwecken und die vergleichsweise hohen Lebenskosten im Kanton beziehungsweise der Stadt mildern sollen (vgl. etwa Urteil ZL.2021.00072 des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. November 2022, E. 4.3.2).

Damit ist festzuhalten, dass die angefochtene Verordnung Grundlage für eine sozialpolitische Massnahme bildet und daher nicht gegen den institutionellen Aspekt der Wirtschaftsfreiheit nach Art. 94 BV verstösst.

3.5
Art. 4 Abs. 1 der Mindestlohnverordnung setzt den Mindestlohn auf Fr. 23.90 pro Stunde fest. Er gilt nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung für alle Arbeitnehmenden, die ihre Arbeit mehrheitlich auf dem Gebiet der Stadt verrichten. Abs. 2 dieser Bestimmung sieht mehrere Kategorien von Arbeitnehmenden vor, welche vom Mindestlohn ausgenommen sind. Diese Vorschriften schränken die individualrechtliche Wirtschaftsfreiheit der Arbeitgebenden ein, welche Arbeitnehmende im Sinn von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung beschäftigen. Grundsatzkonforme Massnahmen, welche die Wirtschaftsfreiheit einschränken, müssen den allgemein geltenden Anforderungen, wie sie sich aus Art. 36 BV ergeben (gesetzliche Grundlage, öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit), genügen und ferner den Grundsatz der Gleichbehandlung der direkten Konkurrenten beachten (Ulrich Hä¬fe-lin/Walter Haller/Helen Keller/Danie¬la Thurn¬herr, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 10. A., Zürich/Ba¬sel/Genf 2020, Rz. 668).

3.5.1
Freiheitsbeschränkungen müssen grundsätzlich in einem Rechtssatz vorgesehen sein, wobei schwerere Eingriffe auf Gesetzesstufe geregelt sein müssen. Der Rechtssatz muss zudem genügend bestimmt sein (vgl. Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, Rz. 308-310). § 4 Abs. 2 des Gemeindegesetzes (GG) sieht entsprechend vor, dass die Gemeinden wichtige Rechtssätze in der Form eines Gemeindeerlasses zu beschliessen haben. Zuständig sind die Stimmberechtigten oder das Gemeindeparlament unter Vorbehalt des fakultativen Referendums.

Die Mindestlohnverordnung ist (unbestrittenermassen) ausreichend präzis formuliert und daher genügend bestimmt. Sie steht zudem auf der Stufe eines Gemeindeerlasses (vgl. Art. 54 Abs. 1 Gemeindeordnung der Stadt Zürich [GO]; vgl. auch Tobias Jaag/Markus Rüssli, Staats- und Verwaltungsrecht des Kantons Zürich, 5. A., Zürich/Basel/Genf 2019, Rz. 2213d-2213g). Die Erfordernisse des Rechtssatzes und der hinreichenden Normstufe sind ohne Weiteres gewahrt, was die Parteien zu Recht nicht in Frage gestellt haben.

3.5.2
Die Mindestlohnverordnung verfolgt – wie gezeigt (vgl. E. 3.4) – sozialpolitische Ziele. Das ist bereits ein zulässiges öffentliches In¬ter-esse (vgl. dazu auch Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, Rz. 671a und 687 f.). Die Bundesverfassung formuliert die Sozialziele des Bundes in Art. 41 BV. Gemäss dessen Abs. 1 lit. d BV haben sich Bund und Kantone in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür einzusetzen, dass Erwerbsfähige ihren Lebens-unterhalt durch Arbeit zu angemessenen Bedingungen bestreiten können. Als sozialpolitischer Auftrag enthält diese Bestimmung ganz verschiedene Aufgaben, die gesetzgeberisch zu konkretisieren sind. Eine Entschädigung für die Erwerbsarbeit ist erst dann im Sinn von Art. 41 Abs. 1 lit. d BV angemessen, wenn sie einerseits dem gesellschaftlichen Wert der Arbeit entspricht und andererseits für die Deckung des Lebensunterhalts der Arbeitnehmenden und ihrer Familien mindestens ausreichend ist, also über die Deckung der blossen Existenz hinausreicht. Das Phänomen der sog. «Working Poor» widerspricht Art. 41 Abs. 1 lit. d BV (Patricia Egli/Rai¬ner J. Schwei¬zer, in: Ehrenzeller/Egli/Hettich/Hong¬ler/Schind¬ler/Schmid/ Schwei¬zer [Hrsg.], St. Galler Kommentar, Die schweizerische Bundesverfassung, 4. A., Zürich/St. Gallen und Zürich/Basel/Genf 2023, Art. 41 N. 61 und 64, mit Hinweisen; vgl. auch Thomas Gächter/Gregori Werder, in: Bernhard Waldmann/Eva Maria Belser/Astrid Epiney [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesverfassung, Basel 2015, Art. 41 N. 47 f.). Die Verfassung des Kantons Zürich erklärt diese Sozialziele der Bundesverfassung auch zu Sozialzielen des Kantons und der Gemeinden (Art. 19 Abs. 1 Kantonsverfassung [KV]).

Das in der Mindestlohnverordnung genannte öffentliche Interesse, die Erwerbsarmut einzudämmen, steht offenkundig im Zentrum. Es besteht allerdings noch ein weiteres öffentliches Interesse: Wer nämlich für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht hinreichend oder nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann, hat Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe (§ 14 des Sozialhilfegesetzes). Dieser Anspruch entfällt, wenn Erwerbsfähige ihren Lebens¬unterhalt durch ihre eigene Arbeit zu angemessenen Bedingungen bestreiten können. Die Einführung eines Mindestlohns kann daher das Sozialhilfesystem entlasten. Auch dieser Nebeneffekt einer Mindestlohnvorschrift steht im öffentlichen Interesse (act. 6/4, S. 4; act. 6/9, S. 13).

3.5.3
Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt, dass behördliche Massnahmen für das Erreichen des im öffentlichen oder privaten Interesse liegenden Zieles geeignet und erforderlich sind und sich für die Betroffenen als zumutbar erweisen (sog. Verhältnismässigkeit im engeren Sinn).

3.5.3.1
Die Einführung eines Mindestlohns eignet sich gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung, die im öffentlichen Interesse stehenden Ziele zu erreichen. Insbesondere liegt es auf der Hand, dass nicht von Erwerbsarmut betroffen ist, wer zumindest einen den Existenzbedarf deckenden Lohn erhält. Daran ändert die Auffassung der Rekurrenten nichts, wonach sich die Einführung eines Mindestlohns negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken und insbesondere zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen werde (vgl. hierzu bereits BGE 143 I 412 E. 5.6.4). Ob diese (wirtschaftspolitische) Auffassung der Rekurenten zutrifft, braucht nicht näher geprüft zu werden. An dieser Stelle kann es sein Bewenden mit der Feststellung haben, dass die wirtschaftspolitischen Auswirkungen eines Mindestlohns kontrovers diskutiert werden (vgl. den Beschluss des Stadtrats vom 15. Juni 2022, S. 9 f. und S. 19 f. [act. 6/4]; Christian Maduz/Oliver Schmid, [Un-]Zulässigkeit von kantonalen Mindestlohn-Regelun¬gen?, ARV 2017, S. 275 f.; Kurt Pärli, Kantonale Mindestlöhne sind zulässig [zit.: Pärli, Kantonale Mindestlöhne], ARV 2018, S. 295; vgl. auch act. 9/6 [GE.2023.47], insbesondere S. 5). Eine Studie über die Auswirkungen des Mindestlohns im Kanton Neuenburg auf das Gastgewerbe eruierte zumindest weder eine signifikante Veränderung der Beschäftigungssituation noch der Preise für Getränke und Speisen (Marius Berger/Bruno Lanz, Minimum wage regulation in Switzerland: survey evidence for restaurants in the canton of Neuchâtel, in: Swiss Journal of Economics and Statistics 156, 2020 [abrufbar unter: https://www.research-collection.ethz.ch/], zit. in: act. 2/7, S. 3; kritisch zur Studiengrundlage: Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich [Hrsg.], Zürcher Wirtschaftsmonitoring. Einschätzungen und Prognosen Juni 2021, Zürich 2021, S. 11 [abrufbar unter: www.zh.ch/wirtschaftsmonitoring]; vgl. zudem die Entwicklung des Bruttoinlandprodukts im Kanton Neuenburg und in der Schweiz in den Jahren 2016-2019 in: Departement Soziales der Stadt Winterthur [Hrsg.], Mindestlohn in Winterthur. Analyse zur Erarbeitung eines Gegenvorschlags zur Volksinitiative «Ein Lohn zum Leben», 2022, S. 9 f. [act. 2/7, Anhang]).


3.5.3.2
Hinsichtlich der Erforderlichkeit werfen die Rekurrenten die Frage auf, ob das verfolgte Ziel nicht mit berufsspezifischen Aus- und Weiterbildungen als milderem Mittel erreicht werden könnte. Dem kann indes nicht beigepflichtet werden. Die Rekurrenten lassen offen, wie diese Aus- und Weiterbildungen konkret umgesetzt werden sollten, insbesondere wer welche Aus- und Weiterbildung erhalten soll und wie sie zu finanzieren seien. Wie sich der Vorschlag der Rekurrenten auf die Löhne auswirkt, lässt sich so kaum abschätzen. Aus- und Weiterbildungen haben aber offenkundig nur eine beschränkte Reichweite. Sie garantieren nicht, dass jede Arbeitsleistung im Tieflohnsegment mindestens zu einem Lohn entgolten wird, mit dem die Arbeitnehmenden ihren Lebensunterhalt angemessen bestreiten können. Gleiches gilt für die Vorschläge, flexible Arbeitseinsätze zu ermöglichen und (von der Stadt Zürich mindestens teilweise verwirklichte) bezahlbare Kinderbetreuung zu sichern. Das Bundesgericht hat es sodann verworfen, dass der Vorrang von Gesamtarbeitsverträgen eine mildere Massnahme sei, da sich die Zielrichtungen einer Mindestlohnvorschrift und von Gesamtarbeitsverträgen unterschieden und sich ausserdem das Problem der «Working Poor» nicht auf einen bestimmten Wirtschaftsbereich beschränke (BGE 143 I 413 E. 5.6.5). Der Bezirksrat schliesst sich dieser Auffassung an. Die Rekurrenten haben daher keine milderen (und ebenfalls geeigneten) Massnahmen dargetan.

3.5.3.3
3.5.3.3.1
Die Rekurrenten halten den vorgesehenen Mindestlohn von Fr. 23.90 pro Stunde (zuzüglich Ferien- und Feiertagsentschädigung) für überhöht, was die Frage nach der Verhältnismässigkeit im engeren Sinn beschlägt.

Dem Beschluss des Stadtrats vom 15. Juni 2022 ist zu entnehmen, wie der Mindestlohn bemessen worden ist (act. 6/4, S. 12 f.): Ausgangspunkt waren drei Berechnungsmodelle gestützt auf Ergänzungsleistungen ohne Gemeindezuschüsse (1), mit Gemeindezuschüssen (2) sowie mit Gemeindezuschüssen und kantonalen Beihilfen (3). Für das Berechnungsmodell 1 berechnete sich der Nettojahreslohn aus der Summe des Allgemeinen Lebensbedarfs gemäss dem Ergänzungsleistungsrecht (mit dem Basisjahr 2021) von Fr. 19'610.00, des regionalen Mietzinsrichtwerts für Alleinlebende (Mietzinsregion 1) von Fr. 16'440.00 sowie der Krankenkassenprämie (Durchschnittsprämie der Region 1) von Fr. 6'252.00, total Fr. 42'302.00. Auf dieser Grundlage wurde der Bruttojahreslohn von Fr. 48'046.00 berechnet, bei welchem nach Abzug der darauf abzuführenden Sozialabgaben (AHV/IV/EO, ALV, NBU, Pensionskasse unter Berücksichtigung des Koordinationsabzugs des Jahres 2021) der Nettojahreslohn von Fr. 42'302.00 verbleibt. Daraus wurde der Stundenlohn von Fr. 22.20 brutto berechnet, wobei offenkundig von einer Jahresarbeitszeit von 2168 Stunden ausgegangen worden ist (berechnet aus dem Produkt von 41,7 Stunden pro Woche und 52 Wochen jährlich [act. 6/10, S. 1 f.; so auch der Rekurrent: act. 1, S. 16; vgl. auch act. 2/7, Anhang, S. 15]). Diese Berechnungen sind nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Unzutreffend ist dagegen die Berechnungsweise des Rekurrenten: Er berücksichtigt nämlich nicht die gesetzlichen Sozialversicherungsabzüge und die Beiträge an die Pensionskasse, sondern lediglich den «Minimalbeitrag» für Nichterwerbstätige in Höhe von «aktuell Fr. 503.00» (act. 1, S. 16; gemeint ist offenbar der Mindestbeitrag an die AHV/IV/EO für Nichterwerbstätige, der allerdings total Fr. 514.00 beträgt [vgl. Art. 10 Abs. 1 Bundessgesetzes über die Alters- und Hinterlasse¬nen¬versicherung {AHVG}, Art. 3 Abs. 1bis des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung {IVG} und Art. 27 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Erwerbsersatz {EOG}]). Dieser Mindestbeitrag für Nichterwerbstätige ist gerade nicht einschlägig, wenn ein Mindestlohn für Arbeitnehmende berechnet werden soll.

Unter Einbezug der Gemeindezuschüsse erhöht sich der Bruttostundenlohn von Fr. 22.20 auf Fr. 25.20 (Berechnungsmodell 2). Werden zusätzlich die kantonalen Beihilfen einberechnet, so ergibt sich ein Bruttostundenlohn von Fr. 26.50 (Berechnungsmodell 3 [act. 6/4, S. 12 f.]).

In seinem Beschluss vom 15. Juni 2022 legte der Stadtrat seinen Überlegungen eine Mindestlohnhöhe von Fr. 23.00 zugrunde. Er hielt dazu fest, dass die Berechnung auf der Basis der Ergänzungsleistungen erfolgen und über dem Existenzminimum liegen soll (act. 6/4, S. 12 f. und 16 f.). Die drei Berechnungsmodelle ergaben – wie erwähnt – Bruttostundenlöhne von Fr. 22.20 (nur Ergänzungsleistungen), Fr. 25.20 (mit Gemeindezuschüssen) und Fr. 26.50 (mit Gemeindezuschüssen und kantonalen Beihilfen). Der gewählte Ansatz von Fr. 23.00 pro Stunde orientiert sich offenkundig an diesen Berechnungsmodellen. Er übersteigt den nur aufgrund der Ergänzungsleistungen (und ohne weitere Zusatzleistungen [vgl. Berechnungsmodell 1]) berechneten Bruttostundenlohn von Fr. 22.20 nicht übermässig, zumal das Bundesgericht eine Aufrundung zugelassen hat, um die potenziell mit dem Erwerb des Einkommens verbundenen Kosten zu berücksichtigen (BGE 143 I 415 f. E. 5.6.7). Demgegenüber unterschreitet er recht klar die Bruttostundenlöhne, welche die Gemeindezuschüsse und die kantonalen Beihilfen vollumfänglich einbeziehen (Berechnungsmodelle 2 und 3). Die Gemeindezuschüsse und die kantonalen Beihilfen, welche in der Stadt Zürich zusätzlich zu den Ergänzungsleistungen entrichtet werden, wurden demnach im Ansatz von Fr. 23.00 höchstens zu einem kleinen Teil berücksichtigt. Es spielt deshalb keine wesentliche Rolle, dass das Bundesgericht im erwähnten Leit¬entscheid keine kantonalen Zusatzleistungen miteinberechnet hat, die über die Ergänzungsleistungen zur AHV/IV hinausgehen.

In die Mindestlohnverordnung wurde jedoch nicht ein Bruttostundenlohn von Fr. 23.00, sondern von Fr. 23.90 aufgenommen. Dies rührt daher, dass im weiteren Gesetzgebungsprozess die Mehrheit der zuständigen Sachkommission Sozialdepartement (SK SD) dem Gemeinderat beantragte, die zwischenzeitliche Teuerung auszugleichen. In seiner Sitzung vom 1. Februar 2023 folgte der Gemeinderat diesem Änderungsantrag (Protokoll der 37. Ratssitzung vom 1. Februar 2023 [zit. in E. 3.4], S. 3 f. und 15). Am Teuerungsausgleich ist nichts auszusetzen. Ungefähr zum gleichen Ergebnis wäre der Gemeinderat gelangt, hätte er nicht den aufgrund der Ansätze des Basisjahrs 2021 berechneten Bruttolohn um die Teuerung bereinigt, sondern stattdessen den Bruttolohn aufgrund der Ansätze des Jahrs 2023 neu berechnet (Allgemeiner Lebensbedarf: Fr. 20'100.00, Mietzinsrichtwert: Fr. 17'580.00, Krankenkassenprämie: Fr. 6'636.00, Koordinationsabzug: Fr. 25'725.00). Der aktuelle Nettojahreslohn erhöhte sich gegenüber dem Jahr 2021 um Fr. 2'014.00 (so im Ergebnis auch der Rekurrent in act. 1, S. 16), der Bruttojahreslohn um mehr als Fr. 2'350.00 und der Bruttostundenlohn um mehr als Fr. 1.00.

Dass der Gemeinderat einerseits gestützt auf einen Mindestlohn in Höhe von Fr. 23.00 in die Beratungen getreten und anderseits den Lohnansatz um die Teuerung bereinigt auf Fr. 23.90 festgesetzt hat, liegt nach Ansicht des Bezirksrats innerhalb des vom Bundesgericht zugestandenen weiten Ermessensspielraums (BGE 143 I 415 E. 5.6.7). Die Festsetzung der Mindestlohnhöhe auf Fr. 23.90 ist sachlich ausreichend begründet.


3.5.3.3.2
Nicht zu beanstanden ist im Übrigen die Bestimmung von Art. 4 Abs. 3 der Mindestlohnverordnung, wonach Ferien- und Feiertagsentschädigungen nicht im Mindestlohn eingerechnet seien. Arbeitnehmende haben einen gesetzlichen Anspruch auf Ferien (Art. 329a Abs. 1 des Obligationenrechts [OR]). Während des Ferienbezugs ist der ordentliche Lohn weiterhin zu leisten (vgl. Art. 329d Abs. 1 OR). Bei der Beschäftigung im Stundenlohn ist zusätzlich zum Lohn eine Ferienentschädigung zu bezahlen. Dies ist vor allem bei unregelmässiger oder kurzer Beschäftigung der Fall oder wenn noch nicht bezogene Ferien nicht mehr in natura gewährt werden können (Wolfgang Portmann/Roger Rudolph, Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 7. A., Basel 2020, Art. 329d N. 11 und 15). Art. 4 Abs. 2 der Mindestlohnverordnung verstösst somit nicht gegen höheres Recht. Im Übrigen stellte auch das Bundesgericht die entsprechende Bestimmung im Gesetz über die Arbeit und die Arbeitslosenversicherung des Kantons Neuenburg nicht in Frage (vgl. Art. 32d Abs. 3 dieses Gesetzes, zit. in: BGE 143 I 405).

3.5.3.3.3
Die von den Rekurrenten aufgeworfene Frage nach der Zielgenauigkeit der Mindestlohnverordnung betrifft hauptsächlich die Verhältnismässigkeit (im engeren Sinn) der Verordnung, teilweise aber auch ihre Eignung. Die Rekurrenten bezweifeln die Zielgenauigkeit, weil knapp zwei Drittel der in der Stadt Zürich erwerbstätigen Arbeitnehmenden ausserhalb der Stadt wohnten. Der Rekurrent vermutet zudem, dass dieser Anteil höher liegen dürfte, weil Arbeitnehmende aus dem Tieflohnsektor wegen der hohen Mieten tendenziell nicht in der Stadt lebten.

Eingangs ist festzuhalten, dass die entsprechenden Bestimmungen der Mindestlohnverordnung und des Neuenburger Gesetzes in diesem Punkt inhaltlich gleich sind. Gemäss Art. 2 Abs. 1 der Mindestlohnverordnung gilt der Mindestlohn «für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Arbeit mehrheitlich auf dem Gebiet der Stadt verrichten.» Art. 32b des Gesetzes über die Arbeit und die Arbeitslosenversicherung des Kantons Neuenburg unterstellt alle «relations de travail des travailleurs accomplissant habituellement leur travail dans le canton» den Bestimmungen über den Mindestlohn (vgl. BGE 143 I 405).

Bereits das zuhanden der Städte Zürich, Kloten und Winterthur erstattete Gutachten von Felix Uhlmann, Beat Stalder und Martin Wilhelm vom 26. März 2021 betreffend Gültigkeit der Volksinitiativen mit dem Titel «Ein Lohn zum Leben» (zit.: Gutachten Uhlmann/Stal-der/Wilhelm) führte aus, dass das öffentliche Interesse an Mindestlohnvorschriften primär darauf gerichtet sein müsse, die Armut der eigenen Bevölkerung zu vermindern bzw. die eigenen Sozialhilfekosten zu senken. Die Zumutbarkeit der Mindestlohnvorschriften werde in Frage gestellt, wenn ein grosser Teil der davon betroffenen Arbeitnehmenden in einem anderen Gemeinwesen wohne. Von den im Jahr 2019 in der Stadt Zürich Erwerbstätigen hätten 63 % den Wohnort ausserhalb der Stadt (274'471 von total 435'896 [act. 6/9, S. 13]). Bis zum Jahr 2021 hat sich dieses Verhältnis nicht wesentlich verändert (alle Erwerbstätigen: 276'919 [= 63,3 %] von total 437'191; nur Angestellte [gerundet]: 261'100 [= 64,8 %] von total 402'800 [act. 6/11, S. 3-5]). Hiervon ist auszugehen. Es besteht kein Grund zur Annahme, dass der Prozentsatz im Tieflohnsegment wesentlich abweicht. Zwar ist dem Rekurrenten darin zuzustimmen, dass die städtischen Mietzinsen vergleichsweise hoch und demnach günstige Mietwohnungen knapp sind. Die Wohnkosten sind jedoch nur einer von vielen Gesichtspunkten, die bei der Wahl des Wohnorts eine Rolle spielen (etwa: Wohnqualität, Steuerfuss, Kosten eines Eigenheims, Schulort der Kinder, öffentlicher Verkehr, Nähe zur Arbeit, Verfügbarkeit von externer Kinderbetreuung und weiterer Sozialleistungen etc.). Auch mehrheitlich in der Stadt Zürich erwerbstätige Arbeitnehmende mit durchschnittlichem und über-durchschnittlichem Lohn können also ohne Weiteres geneigt sein, in andere Gemeinden umzuziehen, und Geringverdiener können geneigt sein, in der Stadt Zürich zu verbleiben. Abgesehen davon weisen mehrere Nachbargemeinden der Stadt Zürich ebenfalls hohe Mietzinsen auf (vgl. Statistisches Amt des Kantons Zürich, Aus- und Einzugsmieten im Kanton Zürich, statistik.info 2023/01, S. 8 [abrufbar unter www.zh.ch/statistik-daten]). Das schränkt das Angebot günstigen Wohnraums ausserhalb der Stadt Zürich ein. Mangels detaillierterer Daten ist daher im Folgenden anzunehmen, dass auch im Tieflohnsegment rund 63 % bis 65 % der in der Stadt Zürich erwerbstätigen Arbeitnehmenden in einer anderen Gemeinde wohnen. Dieser Anteil ist verhältnismässig hoch, und im Sinn der Rekurrenten und des Gutachtens ist festzuhalten, dass dieser Umstand die Zielgenauigkeit der Mindestlohnverordnung beeinträchtigt. Das Gutachten hat jedoch die Einführung eines Mindestlohns trotzdem für verhältnismässig beurteilt (act. 6/9, S. 13).

Darüber hinaus berücksichtigte das Gutachten den weiteren Aspekt, dass 67 % der in der Stadt Zürich wohnenden Erwerbstätigen in dieser Gemeinde arbeiten. Dies bedeutet, dass der in der Verordnung vorgesehene Mindestlohn für einen grossen Teil der in der Stadt Zürich wohnenden Arbeitnehmenden nicht unterschritten werden dürfte (act. 6/9, S. 14). Dieser Umstand erhöht die Zielgenauigkeit der Mindestlohnverordnung für die hiesigen Arbeitnehmenden erheblich, würde sie doch weitgehend das erreichen, was im öffentlichen Interesse steht: Sie vermöchte wesentlich dazu beizutragen, das Problem der Armut trotz Erwerbstätigkeit in der Stadt Zürich einzudämmen. Ebenfalls kann angenommen werden, dass die Verordnung einen spürbaren Effekt auf das Sozialhilfesystem der Stadt Zürich hätte (vgl. auch act. 6/9, S. 13). Dass darüber hinaus auch der Lohn von in der Stadt erwerbstätigen Arbeitnehmenden, die ausserhalb der Stadt Zürich wohnen, den Mindestlohn nicht unterschreiten dürfte, würde die Sozialhilfe der Stadt Zürich dagegen nicht beeinflussen. Insgesamt erscheint die Mindestlohnverordnung als ausreichend zielgenau.

Abzulehnen ist dagegen die Überlegung des Rekurrenten, für den Mindestlohn der von der Verordnung erfassten, aber ausserhalb der Stadt Zürich wohnenden Personen müsse richtigerweise auf das (tendenziell tiefere) Existenzminimum an ihrem Wohnort abgestellt werden. Zunächst wäre es abwegig, den Mindestlohn für auswärts lebende, in der Stadt Zürich erwerbstätige Arbeitnehmende nach dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum zu berechnen, während sich der Mindestlohn der in der Stadt lebenden und erwerbstätigen Arbeitnehmenden nach dem Ergänzungsleistungsrecht bemessen soll. Der Vorschlag des Rekurrenten wäre überdies kaum umsetzbar. Im zitierten Entscheid hat das Bundesgericht die Auffassung der Behörden des Kantons Neuenburg nicht be-anstandet, wonach es zu zahlreichen Problemen käme, wenn ein Mindestlohn anhand der kantonalen Sozialhilfe berechnet würde, namentlich dann, wenn ihn die Arbeitgebenden individuell (das heisst nach Abklärung der finanziellen Situation der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers) zu ermitteln hätten (vgl. BGE 143 I 410 E. 5.4.3). Aber auch bei einem nach dem Ergänzungsleistungsrecht berechneten Mindestlohn wäre es fragwürdig, ob er bei auswärts lebenden Arbeitnehmenden wesentlich tiefer als Fr. 23.90 ausfiele. Bei einer solchen Berechnungsweise aufgrund des Existenzminimums am Wohnort wären nämlich die zusätzlich anfallenden Gewinnungskosten (Arbeitsweg, Mehrkosten der auswärtigen Verpflegung) miteinzubeziehen, was eine allfällige Differenz zum in der Verordnung vorgesehenen Mindestlohn schmälerte. Zudem gehören alle der Stadt Zürich benachbarten Gemeinden der Mietzinsregion 2 (monatlicher Höchstbetrag von Fr. 1'420.00 statt Fr. 1'465 [Basisjahr 2023]) und fast alle der Prämienregion 2 an (Jahresprämie von Fr. 6'000.00 statt Fr. 6'636.00 [Basisjahr 2023]). Die vom Rekurrenten verlangte Differenzierung dürfte daher marginal sein und birgt auf jeden Fall ein erhebliches Umsetzungsproblem. Es erscheint nicht als unzulässig, dass die Mindestlohnverordnung den Mindestlohn für alle mehrheitlich in der Stadt Zürich erwerbstätigen Arbeitnehmenden für anwendbar erklärt, selbst wenn sich ihre Existenzminima je nach ihrem Wohnort unterscheiden (vgl. zur Zulässigkeit einer gewissen Schematisierung in der Rechtsetzung: Häfelin/Haller/Keller/Thurn-herr, Rz. 755).

In dieser Situation kann offengelassen werden, ob die weiteren im Gutachten bzw. in der Lehre aufgeführten Aspekte die Zielgenauigkeit erhöhen (act. 6/9, S. 14; Pärli, Kantonale Mindestlöhne, S. 297).

Dem Rekurrenten ist darin beizupflichten, dass ein auf die Stadt Zürich beschränkter Mindestlohn zu einer Ungleichbehandlung führen kann, weil nämlich die Lohnkosten innerhalb desselben Kantonsgebiets und innerhalb desselben Unternehmens differieren könnten. Genau besehen spricht das aber nicht gegen eine Mindestlohnvorschrift, denn auch ohne eine solche Bestimmung sind Lohnunterschiede üblich.

Ferner trifft es im Sinn der Rekurrentin zu, dass nur ein Teil der Arbeitnehmenden der Stadt Zürich von der Regelung erfasst werden, nämlich diejenigen, die mehrheitlich in der Stadt arbeiten. Für die Arbeitnehmenden, die in der Stadt wohnen, jedoch auswärts arbeiten, kann sie jedoch – selbstredend – keinen Mindestlohn bestimmen. Dieser Umstand macht die Mindestlohnverordnung indes nicht unverhältnismässig.

3.5.3.3.4
Die Mindestlohnverordnung enthält sodann mehrere Mechanismen, die auf besondere Situationen Rücksicht nehmen. So schränkt sie in Art. 2 Abs. 2 ihren Geltungsbereich ein, indem sie verschiedene Arbeitnehmende vom Mindestlohn ausnimmt (etwa: Arbeitnehmende, die ein auf maximal zwölf Monate befristetes Praktikum mit Ausbildungscharakter absolvieren [lit. a], die als Lernende in anerkannten Lehrbetrieben arbeiten [lit. b], die jünger als 25 Jahre sind und nicht mindestens einen Berufslehrabschluss auf Stufe Eidgenössisches Berufsattest nachweisen können [lit. e]). Insbesondere beugt Art. 2 Abs. 2 lit. e der Verordnung der Gefahr vor, dass der Mindestlohn junge Menschen dazu verleiten könnte, höherbezahlte Arbeitsstellen einer Ausbildung vorzuziehen. Der Stadtrat ist zudem befugt, weitere Arbeitnehmende vom Geltungsbereich der Mindestlohnverordnung auszunehmen (Art. 2 Abs. 3). Sodann hat der Stadtrat die Sozialpartner bei seinen Entscheiden zur Umsetzung angemessen einzubeziehen (Art. 3), und die mit der Durchsetzung des Mindestlohns betraute Kontrollstelle hat dem Stadtrat jährlich über ihre Tätigkeit Bericht zu erstatten (Art. 6 und Art. 9). Weiter kann der Stadtrat Betrieben mit finanziellen Schwierigkeiten gestatten, während einer Übergangsfrist den Mindestlohn nicht einzuhalten (Art. 12 Abs. 1). Der Stadtrat hat schliesslich dem Gemeinderat drei Jahre nach Inkrafttreten unter anderem über die Auswirkungen der Verordnung zu berichten (Art. 12 Abs. 2). Diese Vorschriften vermöchten allfällige nachteilige Auswirkungen des Mindestlohns abzumildern. Sie tragen zur Verhältnismässigkeit der Mindestlohnverordnung bei.

3.6
Die Mindestlohnverordnung ist zusammenfassend mit dem institutionellen Aspekt der Wirtschaftsfreiheit vereinbar. Sie stützt sich ferner auf eine genügende gesetzliche Grundlage, wird durch ein zulässiges öffentliches Interesse gedeckt und ist schliesslich verhältnismässig. Es liegt keine Ungleichbehandlung vor, und der Kerngehalt der Wirtschaftsfreiheit bleibt unberührt. Die Mindestlohnverordnung ist somit auch mit dem individualrechtlichen Aspekt der Wirtschaftsfreiheit vereinbar. Die Mindestlohnvorschriften der umstrittenen Verordnung sind als sozialpolitische Massnahmen zu qualifizieren. Soweit die Verordnung demnach die Wirtschaftsfreiheit tangiert, erweist sich deren Einschränkung als zulässig.


4. 4.1
Nach dem Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV) können die Kantone in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, keine Rechtsetzungskompetenzen mehr wahrnehmen, soweit sie nicht in der einschlägigen Bundesgesetzgebung ausdrücklich vorgesehen sind. Auch wenn sich eine Bundesregelung in einem bestimmten Sachbereich an sich als abschliessend darstellt, ist eine kantonale Lösung nicht ausgeschlossen, falls sie ein anderes Ziel verfolgt als dasjenige des Bundesrechts. Die Kantone dürfen jedoch im Rahmen der ihnen zukommenden Kompetenzen nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen den Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln (BGE 148 I 22 E. 4.2; BGE 148 I 37 E. 5.2).

4.2
Der Rekurrent macht geltend, die Verordnung über den Mindestlohn verstosse gegen die bundesrechtliche Kompetenz¬ordnung. Das Bundesrecht regle das private Arbeitsrecht (grundsätzlich) abschliessend (act. 1, S. 12 f.). Zudem habe der Bund die Kompetenz, Vorschriften über den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zu erlassen. Von dieser Kompetenz habe er mit dem Erlass des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG) Gebrauch gemacht, welches den allgemeinen Schutz der Arbeitnehmenden umfassend und abschliessend regle. Zwar stehe das Arbeitsgesetz gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sozialpolitischen Massnahmen auf kantonaler Ebene nicht entgegen. Der in der umstrittenen Verordnung vorgesehene Mindestlohn verlasse jedoch den sozialpolitisch motivierten Rahmen (BR act. 1, S. 13 f.).

Die Rekurrentin ist ebenfalls der Ansicht, dass der Bund das Arbeitsrecht des Bundesprivatrechts sowie den Schutz der Arbeitnehmenden grundsätzlich abschliessend geregelt habe. Für Massnahmen wie die Einführung eines Mindestlohns fehle eine ausdrückliche Grundlage (act. 1, S. 6 f.; act. 9, S. 7-10 [je GE.2023.47]).

Der Rekursgegner hält dagegen, dass der in der Verordnung vorgesehene Mindestlohn nach den Regeln zur Bemessung der minimalen Lebenshaltungskosten für Ergänzungsleistungen errechnet worden sei. Dies sei die gleiche Methode, wie sie das Bundesgericht verwendet habe (act. 5, S. 12).

4.3
Das Bundesgericht erwog im erwähnten Entscheid, dass das Arbeitsverhältnis nicht einzig dem Privatrecht unterstellt sei, sondern auch allen Arten von öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die von den Kantonen oder dem Bund erlassen wurden, um einen Mindestschutz der Arbeitnehmenden zu gewährleisten. Art. 342 Abs. 1 lit. b OR erinnere daran, dass die öffentlichen-rechtlichen Vorschriften des Bundes und der Kantone vorbehalten blieben. Der Bund habe gestützt auf Art. 110 Abs. 1 lit. a und b BV das Arbeitsgesetz erlassen, das den Schutz der Arbeitnehmenden abschliessend regle. Das Arbeitsgesetz stehe jedoch dem Erlass bestimmter sozialpolitischer Massnahmen nicht entgegen. Die Kantone seien frei, öffentlich-rechtliche Bestimmungen zu erlassen, die einen anderen Zweck als den Schutz der Arbeitnehmenden verfolgten. Kantonale Mindestlohnvorschriften könnten zwar indirekt eine Schutzwirkung für Arbeitnehmende entfalten, doch sei eine solche Wirkung zulässig, wenn diese Vorschriften ein anderes Hauptziel als dasjenige des Arbeitsgesetzes verfolgten. Zudem seien die Kantone gemäss Art. 115 BV zuständig für die Sozialhilfe. Die materielle Sozialhilfe sei subsidiär gegenüber dem Einkommen, welches die Betroffenen aus eigener Kraft durch eine Erwerbstätigkeit erzielen könnten. Das jedoch setze voraus, dass vollzeitlich erwerbstätige Personen ein Einkommen erzielten, das für den Lebensunterhalt ausreiche (BGE 143 I 418-425 E. 7-7.7).

4.4
Die Rekurrenten setzen sich mit den bundesgerichtlichen Erwägungen nicht auseinander und bringen nichts vor, was sie in Frage stellen könnte. Wie bereits gezeigt, hat die Mindestlohnverordnung zum Ziel, dass Arbeitnehmende ihren Lebensunterhalt zu angemessenen Bedingungen durch ihre Erwerbsarbeit bestreiten können und vor Armut trotz Erwerbsarbeit geschützt sind. Das ist ein überwiegend sozialpolitisches Ziel. Die Kantone sind grundsätzlich frei, hierfür Mindestlohnvorschriften zu erlassen. Ein Verstoss gegen den Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts liegt somit nicht vor.


5. 5.1
Weiter rügen die Rekurrenten einen Verstoss gegen die kantonale Kompetenzordnung.

Die politischen Gemeinden nehmen alle öffentlichen Aufgaben wahr, für die weder Bund noch Kanton zuständig sind (Art. 83 Abs. 1 KV). Die Gemeinden regeln ihre Angelegenheiten selbständig. Das kantonale Recht gewährt ihnen möglichst weiten Handlungsspielraum (Art. 85 Abs. 1 KV). Die Gemeinden nehmen öffentliche Aufgaben selber wahr, wenn sie diese ebenso zweckmässig erfüllen können wie der Kanton (Art. 97 Abs. 1 KV). Die Gemeindeaufgaben sind im kantonalen Recht nicht abschliessend aufgezählt (Jaag/Rüssli, Rz. 2338). Der Aufgabenkatalog der Kantonsverfassung weist den Gemeinden keine spezifischen Aufgaben zu; in der Regel werden Kanton und Gemeinden mit einer Aufgabe betraut. Welche Aufgabe die Gemeinden zu erfüllen haben und wie viel Autonomie ihnen dabei zukommet, wird erst durch Gesetz bestimmt (Tobias Jaag, in: Isabelle Häner/Markus Rüssli/Evi Schwarzenbach [Hrsg.], Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, Zürich/Ba¬sel/Genf 2007, Art. 85 N. 10 [zit.: Kommentar KV]). Nach der Rechtsprechung sind Gemeinden in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt. Der geschützte Autonomiebereich kann sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug eigener kommunaler Vorschriften beziehen oder einen entsprechenden Spielraum bei der Anwendung kantonalen oder eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz der Gemeindeautonomie setzt eine solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet, sondern lediglich im streitigen Bereich voraus. Im Einzelnen ergibt sich der Umfang der kommunalen Autonomie aus dem für den entsprechenden Bereich anwendbaren kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht (BGE 147 I 437 E. 4.1, mit Hinweisen).

5.2
Der Rekurrent rügt, die Mindestlohnverordnung verstosse gegen die kantonale Kompetenzordnung. Die Kantonsverfassung regle die Gemeindeaufgaben zwar nicht abschliessend, zumal die Gemeinden grundsätzlich alle öffentlichen Aufgaben wahrnähmen, für die weder Bund noch Kanton zuständig seien. Die politischen Gemeinden seien deshalb befugt, freiwillig zusätzlich Aufgaben zu übernehmen. Vorausgesetzt sei hierfür jedoch, dass es sich um typisch lokale Angelegenheiten handle, um welche sich Kanton oder Bund nicht umfassend kümmerten. Die Einführung eines Mindestlohns sei klarerweise keine typische lokale Angelegenheit, sondern habe – wenn überhaupt – zwingendermassen auf Bundes- oder Kantonsebene zu erfolgen. Es bestehe ein erheblicher überkommunaler Abstimmungs- und Koordinationsbedarf. Das zeige sich gerade darin, dass der Mindestlohn nicht der Stadt Zürich, sondern vielmehr den umliegenden Gemeinden bzw. deren Einwohnern zugutekomme, weil nur eine Minderheit der in der Stadt Zürich erwerbstätigen Arbeitnehmenden auch dort ihren Wohnsitz habe. Ebenso sei es auf die kleinräumige, auf die Stadt Zürich beschränkte Regelung zurückzuführen, dass es zu einer erheblichen Ungleichbehandlung zwischen ortsansässigen und auswärtigen Arbeitgebenden komme (act. 1, S. 24-26; act. 13, S. 9)

Die Rekurrentin hält ebenfalls dafür, dass der Rekursgegner keine Mindestlohnverordnung erlassen dürfe. Sie verweist auf die bundesgerichtliche Praxis, wonach eine Gemeinde in einem Sachbereich autonom sei, wenn das kantonale oder eidgenössische Recht diesen nicht abschliessend ordne, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlasse und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräume. Weil zudem nicht alle in der Stadt Zürich erwerbstätigen Arbeitnehmenden in der Stadt wohnhaft seien, werde – in Missachtung des Territorialitätsprinzips – gegen die funktionelle Zuständigkeit der anderen Gemeinwesen verstossen. Zudem würden die demokratischen Rechte der dortigen Stimmberechtigten verletzt, indem die Mindestlohnverordnung grössere Lohnunterschiede zwischen den Gemeinden bewirke und damit die Zuständigkeit der Wohngemeinden für ihre eigene Bevölkerung ausheble (act. 1 [GE.2023.47], S. 6 und 8; act. 8 [GE.2023.47, S. 11]). Der Verweis des Rekursgegners auf Art. 41 BV lasse ausser Acht, dass diese Bestimmung ausdrücklich Bund und Kantone anspreche. Von den Gemeinden sei nicht die Rede (act. 8 [GE.2023.47], S. 9).

Der Rekursgegner weist darauf hin, dass nach Art. 111 KV der Kanton und die Gemeinden im Bereich der Sozialhilfe zuständig seien, soziale Not und Armut zu bekämpfen mittels Hilfe zur Selbsthilfe. Diese Norm sei als konkrete Rechtsgrundlage für konkrete Massnahmen der Gemeinde zu verstehen. Massnahmen zur Bekämpfung von Erwerbsarmut stünden im Einklang mit dem Sozialziel von Art. 41 Abs. 1 lit. d BV, welches durch Art. 19 Abs. 1 KV auch für die Gemeinden anwendbar erklärt werde. Ein kommunaler Erlass, der auf die Verhinderung von Erwerbsarmut auf städtischem Gebiet fokussiere, sei mit der kantonalen Kompetenzordnung und Gesetzgebung vereinbar. Zudem sei die Stadt Zürich die grösste Stadt der Schweiz. Es liege auf der Hand, dass urbane Gebiete ein grösseres Bedürfnis nach Massnahmen zur Bekämpfung von Erwerbsarmut und Verhinderung von Sozialhilfebedürftigkeit habe (act. 5, S. 9-14; act. 13, S. 4).

5.3
Die Sozialziele der Bundesverfassung sind – wie erwähnt (E. 3.5.2) – auch Sozialziele des Kantons und der Gemeinden. Kanton und Gemeinden streben die Verwirklichung der Sozialziele im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und ihrer verfügbaren Mittel an (Art. 19 Abs. 1 und 3 KV). Dass neben dem Kanton auch die Gemeinden die Sozialziele (im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und ihrer verfügbaren Mittel) anzustreben hätten, wurde in den Beratungen des Zürcher Verfassungsrats nie in Frage gestellt (der – abgelehnte – Antrag, Art. 19 Abs. 3 KV [im Entwurf: Art. 20 Abs. 3 KV] zu streichen, wurde sinngemäss lediglich damit begründet, dass die Bestimmung redundant sei [Protokoll des Zürcher Verfassungsrats zur Sitzung vom 25. Juni 2004, S. 2952 f.]). Nach Art. 111 Abs. 1 KV haben sodann Kanton und Gemeinden dafür zu sorgen, dass Menschen in einer Notlage, die sie nicht aus eigener Kraft bewältigen können, ein Obdach und existenzsichernde Mittel erhalten.

Das in Art. 41 Abs. 1 lit. d BV formulierte Sozialziel, dass alle Erwerbsfähigen ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu angemessenen Bedingungen bestreiten können sollen, ist daher ebenfalls ein Sozialziel des Kantons Zürich und seiner politischen Gemeinden. Aus den Sozialzielen können keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden (Art. 19 Abs. 4 KV), weshalb sich die Zielvorgaben in erster Linie an die Gesetzgebung richten (vgl. Thomas Gächter, Kommentar KV, Art. 19 N. 27; vgl. auch Egli/Schweizer, Art. 41 N. 61; Christine Kaufmann, in: Giovanni Biaggini/Thomas Gächter/Regina Kiener [Hrsg.], Staatsrecht, 3. A., Zürich/St. Gallen 2021, § 41 N. 10). Weil folglich das Sozialziel von Art. 41 Abs. 1 lit. d BV explizit auch von den Gemeinden zu verfolgen ist, ist auch die Stadt Zürich grundsätzlich zum Erlass entsprechender Normen befugt, und zwar ohne das zusätzliche Erfordernis, dass es sich um eine typisch lokale Angelegenheit handeln müsste. Am Rand sei aber erwähnt, dass auch das Sozialwesen zu den typischen Aufgaben der politischen Gemeinden zählt (vgl. Tobias Jaag, Kommentar KV, Art. 83 N. 12).

Zur Verfolgung des Sozialziels, dass alle Erwerbsfähigen ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu angemessenen Bedingungen bestreiten können sollen, bedarf es nicht zwangsläufig einer Mindestlohnvorschrift (vgl. dazu auch Egli/Schweizer, Art. 41 N. 65). Daher ist zu prüfen, ob der Kanton Zürich den Gemeinden eine solche Regelung versagt. Das ist nicht der Fall. Der Kanton Zürich kennt weder Mindestlohnvorschriften (von denen die Gemeinden zudem nicht abweichen dürften) noch Massnahmen anderer Art, mit welchen die Eindämmung der Erwerbsarmut abschliessend geregelt würde. Sodann verbietet das kantonale Recht kommunale Mindestlohnvorschriften auch nicht ausdrücklich.

Im Übrigen hat der Umstand, dass die Mindestlohnverordnung nur einen Teil der in der Stadt Zürich mehrheitlich erwerbstätigen Arbeitnehmenden betrifft, nichts mit der kommunalen Rechtsetzungskompetenz zu tun. Er beschlägt nur (aber immerhin) die Frage nach der auch bei der Rechtsetzung zu beachtenden Verhältnismässigkeit (vgl. hierzu schon E. 3.5.3.3.3).

5.4
Der Erlass der Mindestlohnverordnung verstösst somit nicht gegen die kantonale Kompetenzordnung. Es kann offengelassen werden, ob die Stadt Zürich auch gestützt auf Art. 111 KV zum Erlass von Mindestlohnvorschriften befugt wäre. Nicht einzusehen ist zudem, wie die Mindestlohnverordnung die demokratischen Rechte der Stimmberechtigten anderer Gemeinden verletzen könnte, denn einen Mindestlohn in der Stadt Zürich zu regeln ist nicht deren Sache.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein weiteres, von Thomas Geiser und Ueli Kieser dem Gewerkschaftsbund des Kantons Zürich erstattetes Gutachten zu einem vergleichbaren Schluss gekommen ist. Der Rekursgegner hat dieses Gutachten zwar nicht an die Akten gereicht, obschon es in dem von ihm eingereichten Gutachten Uhlmann/Stalder/Wilhelm zitiert wird (act. 6/9, S. 18). Ein Auszug davon findet sich jedoch in einer Beilage der Rekurrentin. Jene Gutachter führten aus, «dass sich aus BGE 143 I 403 ff. nichts ableiten lässt, das einer kommunalen Regelung eines Mindestlohnes entgegenstehen würde. Auch sehen wir keine Vorschriften des zürcherischen Rechts, welche eine entsprechende Regelung verbieten würde. Inhaltlich muss sie sich selbstverständlich in dem Rahmen halten, den das Bundesgericht im genannten Entscheid vorgegeben hat» (Departement Soziales der Stadt Winterthur [Hrsg.], Mindestlohn in Winterthur. Analyse zur Erarbeitung eines Gegenvorschlags zur Volksinitiative «Ein Lohn zum Leben», 2022, S. 4 [act. 2/7, Anhang, S. 4]).



6. 6.1
Das Bundesgesetz über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz; BGBM) gewährleistet, dass Personen mit Niederlassung oder Sitz in der Schweiz für die Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz freien und gleichberechtigten Zugang zum Markt haben (Art. 1 Abs. 1 BGBM). Jede Person hat das Recht, Waren, Dienstleistungen und Arbeitsleistungen auf dem gesamten Gebiet der Schweiz anzubieten, soweit die Ausübung der betreffenden Erwerbstätigkeit im Kanton oder der Gemeinde ihrer Niederlassung oder ihres Sitzes zulässig ist (Art. 2 Abs. 1 BGBM). Ortsfremden Anbieterinnen und Anbietern darf der freie Zugang zum Markt nicht verweigert werden. Beschränkungen sind in Form von Auflagen oder Bedingungen auszugestalten und nur zulässig, wenn sie: a. gleichermassen auch für ortsansässige Personen gelten; b. zur Wahrung überwiegender öffentlicher Interessen unerlässlich sind; und c. verhältnismässig sind (Art. 3 Abs. 1 BGBM).

6.2
Die Rekurrenten halten dafür, dass die Mindestlohnverordnung gegen das Binnenmarktgesetz verstosse. Der Mindestlohn stelle eine unzulässige Arbeitsbedingung bzw. Marktzugangsbeschränkung im Sinn von Art. 3 BGBM dar, denn der vorgesehene Mindestlohn sei unverhältnismässig und führe zu diversen, objektiv nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen. Er sei insbesondere nicht zur Wahrung überwiegender öffentlicher Interessen unerlässlich. Die Mindestlohnverordnung vereitle den vom Binnenmarktgesetz geforderten einheitlichen schweizerischen Wirtschaftsraum (act. 1, S. 22-24; act. 1 [GE.2023.47], S. 13). Die Rekurrentin streicht hervor, dass sich ein Mindestlohn in der Stadt Zürich als Marktzugangsbeschränkung auswirke für ortsfremde ________betriebe, die in der Stadt Zürich ihre Dienste anbieten wollten (act. 8 [GE.2023.47], S. 18).

Der Rekursgegner bringt vor, ein vorgeschriebener Mindestlohn stelle keine verdeckte Marktzutrittsschranke zu Gunsten einheimischer Wirtschaftsinteressen dar, sondern liege im Spektrum der sozialpolitischen Massnahmen und sei unerlässlich zum Schutz der besonders betroffenen Personen. Auch wenn diese nur einen Teil der Erwerbstätigen der städtischen Bevölkerung ausmachten, so sei die Gefahr der Sozialhilfeabhängigkeit gerade bei diesen Personen, die im Niedriglohnsektor tätig seien und in der urbanen Gegend wohnen (blieben), besonders hoch und nur mit der vorgesehenen Massnahme zu sichern. Unter diesen Bedingungen sei die Anwendung der am Ort der Leistungserbringung geltenden sozialpolitischen Arbeitsvorschriften auch aus binnenmarktrechtlicher Perspektive möglich (act. 5, S. 18 f.).

6.3
Es ist fraglich, ob die Rüge der Rekurrenten überhaupt zulässig ist. Ihre Legitimation schöpfen sie daraus, dass sie bzw. ihre Mitglieder in der Stadt Zürich Arbeitnehmende tatsächlich beschäftigen oder beschäftigen könnten (E. 2.2). Soweit sie sich jedoch darauf berufen, dass der Mindestlohn ortsfremden Anbieterinnen und Anbietern den Marktzugang beschränke (so in act. 8 [GE.2023.47], S. 18), machen sie kein Interesse geltend, das ihnen selbst zukommt (vgl. auch Doleschal, S. 677). Insoweit dürfte ihnen keine Legitimation zukommen. Diese Frage kann aber letztlich offengelassen werden, weil sich die Rüge ohnehin als unbegründet erweist.

6.4
Das Binnenmarktgesetz richtet sich gegen Beschränkungen des freien Marktzugangs im öffentlichen Recht der Kantone und Gemeinden. Es konkretisiert die Wirtschaftsfreiheit und beabsichtigt, ihre Binnenmarktfunktion zu stärken. Entsprechend der Funktion des Binnenmarktgesetzes ist dessen sachlicher, örtlicher und persönlicher Geltungsbereich im Wesentlichen gleich wie der Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit (Matthias Oesch/Stefan Renfer, in: Matthias Oesch/Rolf H. Weber/Roger Zäch [Hrsg.], Wettbewerbsrecht II, 2. A., Zürich 2021, Art. 1 BGBM N. 5; vgl. auch Rolf H. We¬ber/Stephanie Volz, Fachhandbuch Wettbewerbsrecht, 2. A., Zürich/Basel/Genf 2023, Rz. 1.116). Im Sinn der Rekurrenten trifft es zu, dass Unternehmen, die nicht Sitz in der Stadt Zürich haben, dort jedoch Waren oder Dienstleistungen anbieten wollen, der Zugang zum Markt beschränkt wird, wenn sie Mindestlohnvorschriften beachten müssen. Bei Mindestlohnvorschriften handelt es sich nämlich nach herrschender Lehre um eine Arbeitsbedingung im Sinn von Art. 3 BGBM (Gutachten Uhlmann/Stal¬der/Wilhelm [act. 6/9], S. 16, mit Hinweis auf Wettbewerbskommission WEKO, Gutachten «Zulässigkeit des Leistungsortsprinzips für Arbeitsbedingungen im kantonalen Beschaffungsrecht» vom 21. Oktober 2019, S. 8; Kurt Pärli, Arbeitsrecht im öffentlichen Beschaffungswesen [zit.: Pärli, Beschaffungswesen], in: Jean-Baptiste Zufferey/Martin Beyeler/Ste-fan Scherler [Hrsg.], Aktuelles Vergaberecht 2022, Zürich/Ba-sel/Genf 2022, Rz. 83; vgl. hierzu auch Pandora Kunz-Notter, in: Hans Rudolf Trüeb, Handkommentar zum Schweizerischen Beschaffungsrecht, Zürich/Basel/Genf 2020, S. 222 ff.). Ausser Frage steht indes, dass die Mindestlohnvorschriften gleichermassen für Unternehmen gelten, die in der Stadt Zürich domiziliert sind, und ortsfremde Unternehmende daher nicht diskriminiert werden. Die überwiegenden öffentlichen Interessen im Sinn von Art. 3 Abs. 2 lit. b BGBM sind identisch mit jenen Interessen, die Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit rechtfertigen (Peter Hänni/Andre¬as Stöckli, Schweizerisches Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bern 2013, Rz. 661; Oesch/Renfer, Art. 3 BGBM N. 3). Mit der Einschränkung «überwiegend» machte der Gesetzgeber deutlich, dass das öffentliche Interesse von einer gewissen Bedeutung sein muss (Nicolas F. Diebold, Die Verwirklichung des Binnenmarktes Schweiz, in: Tho¬mas Cottier/Matthias Oesch [Hrsg.], Allgemeines Aussenwirtschafts- und Binnenmarktrecht, 3. A., Basel 2020, Rz. 113). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Wirtschaftsfreiheit kann zulässigerweise durch Massnahmen beschränkt werden, die sozialpolitische Ziele verfolgen (vgl. E. 3). Sodann hat das Interesse, die Erwerbsarmut einzudämmen, Verfassungsrang. Hinzu kommt das Interesse, die Sozialhilfe zu entlasten. Die (allfällige) Beschränkung des freien Marktzugangs durch die Mindestlohnverordnung erscheint deshalb als verhältnismässig (vgl. Hänni/Stöckli, Rz. 663 ff.; vgl. E. 3.5.3.3), selbst wenn man – einem Teil der Lehre folgend (Diebold, Rz. 114) – bei der Verhältnismässigkeitsprüfung höhere Anforderungen stellen wollte. Insbesondere liegt auch keiner der Tatbestände von Art. 3 Abs. 2 BGBM vor, welche das Gesetz (in nicht abschliessender Weise) als unverhältnismässige Beschränkungen aufzählt.

Schliesslich ist zu beachten, dass die Mindestlohnverordnung nicht regelmässig mit dem Marktzugangsprinzip kollidieren dürfte, weil ortsfremde Anbietende wenige Arbeitnehmende beschäftigen, die mehrheitlich in der Stadt Zürich erwerbstätig sind (vgl. Pärli, Beschaffungswesen, Rz. 84). Dass die Mindestlohnverordnung in Einzelfällen allenfalls dem freien Marktzugang zuwiderlaufen könnte, rechtfertigt noch keine Aufhebung im Kontrollverfahren (E. 2.5). Soweit daher die Mindestlohnverordnung den freien Marktzugang beschränkt, erweist sich diese Beschränkung als zulässig.


7. 7.1
Der Gemeindevorstand ist die oberste Behörde der Gemeinde. Er ist zuständig für die politische Planung und Führung. Er regelt die Organisation der Verwaltung in einem Behördenerlass (§ 48 Abs. 1 und 2 GG). Der Gemeindevorstand kann Aufgaben an ihm unterstellte Kommissionen zur selbstständigen Erledigung übertragen. Die Gemeindeordnung regelt den Bestand der Kommissionen. Der Gemeindevorstand regelt die Mitgliederzahl, die Zusammensetzung, die Aufgaben und die Entscheidungsbefugnisse der Kommissionen in einem Behördenerlass (§ 50 Abs. 1 und 2 GG).

7.2
Nach Ansicht der Rekurrentin verletzt Art. 6 Abs. 1 der Mindestlohnverordnung die Gemeindeordnung [gemeint eher: § 50 Abs. 1 und 2 GG]. Bei der vorgesehenen Kontrollstelle handle es sich um eine unterstellte Kommission. Solche Kommissionen seien zwar zulässig, sie bedürften jedoch einer Grundlage in der Gemeinde¬ordnung. Die Gemeindeordnung der Stadt Zürich (GO) enthalte keine genügende Grundlage für die Schaffung der Kontrollstelle. Zudem fehle es aktuell an einem Erlass, der gemäss § 50 Abs. 2 GG die Mitgliederzahl der Kontrollstelle, ihre Zusammensetzung, Aufgaben und Entscheidbefugnisse näher regle (act. 1 [GE.2023.47], S. 14). Der Kontrollstelle sollen hoheitliche Aufgaben zukommen, was über eine beratende Tätigkeit hinausgehe. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sie folglich eine unterstellte Kontrollstelle sei (act. 8 [GE.2023.47], S. 19).

Der Rekursgegner bestreitet, dass es sich bei der Kontrollstelle um eine unterstellte Kommission handle. Stattdessen habe der Stadtrat eine für die Durchsetzung des Mindestlohns verantwortliche städtische Stelle zu bezeichnen (act. 6 [GE.2023.47], S. 16).

7.3
Zu den Behörden gehören unter anderem die unterstellten und die eigenständigen Kommissionen im Sinn der §§ 50 f. GG (Schindler/Rüef¬li/Widmer, in: Jaag/Rüssli/Jenni [Hrsg.], Vorbemerk. zu §§ 38-62, N. 14). Die vom Gemeindegesetz vorgesehene Möglichkeit, Aufgaben des Gemeindevorstands an Kommissionen und Gemeinde¬angestellte zur selbständigen Erledigung zu übertragen, dient der Entlastung des Gemeindevorstands. Kommissionen eignen sich in erster Linie für die Erfüllung von wichtigen Aufgaben, wenn politisch relevante Entscheide oder Entscheide mit grossen Ermessensspielräumen gefasst werden müssen (Weisung des Regierungsrats des Kantons Zürich zur Totalrevision des Gemeindegesetzes vom 20. März 2013, ABl 2013-04-19 [Nr. 15], Meldungsnummer: 00030197, S. 85 [zit.: Weisung GG]). Die Vorschrift von § 48 Abs. 2 GG, wonach der Gemeindevorstand die Verwaltungsorganisation in einem Behördenerlass zu regeln hat, stellt die Information über die Verwaltungsorganisation sicher (Weisung GG, S. 132). Die Gemeinden können so ihre Verwaltungsorganisation massgeschneidert ausgestalten und flexibel verändern (vgl. Weisung GG, S. 76). Demgegenüber ist es unter dem neuen Gemeindegesetz unzulässig, die Verwaltungsorganisation in der Gemeindeordnung zu verankern (Vittorio Jenni, in: Jaag/Rüssli/Jen¬ni [Hrsg.], § 48 N. 9).

Gemäss Art. 6 Abs. 1 der Mindestlohnverordnung hat die Kontrollstelle die Durchsetzung des Mindestlohns zu kontrollieren. Dazu erhält sie Zutritt zu den Arbeits- und Betriebsräumlichkeiten und alle für die Kontrolle erforderlichen Unterlagen (Art. 6 Abs. 3 der Mindestlohnverordnung). Sie hat zudem festgestellte Verstösse der zuständigen Strafverfolgungsbehörde mitzuteilen (Art. 7 der Mindestlohnverordnung) sowie dem Stadtrat jährlich Bericht über die Kontrolltätigkeit zu erstatten (§ 9 der Mindestlohnverordnung). Alle diese Aufgaben beschränken sich auf blosse Vollzugs- und Informationsfunktionen. Die Kontrollstelle hat weder politisch relevante Entscheide noch Entscheide mit grossem Ermessensspielraum zu fällen. Bei der Kontrollstelle handelt es sich somit offensichtlich um keine unterstellte Kommission. Sie ist weder in der Gemeindeordnung der Stadt Zürich aufzuführen noch hat der Stadtrat eine Regelung im Sinn von § 50 Abs. 2 GG zu erlassen. Die Kontrollstelle wird lediglich im Sinn von § 48 Abs. 2 GG (und Art. 86 Abs. 2 Gemeindeordnung der Stadt Zürich [GO]) zu erfassen sein. Die Rüge der Rekurrentin ist unbegründet.
8. 8.1
Im Eventualantrag verlangt der Rekurrent, es seien die Art. 6-9 und Art. 11 der Mindestlohnverordnung aufzuheben. Die in den Art. 6-11 vorgesehene Kontrolle könne zum Vornherein nur bei jenen Arbeitgebenden durchgesetzt werden, welche ihren Geschäftssitz in der Stadt Zürich hätten. Demgegenüber fehle es bei Unternehmen, die ihren Sitz ausserhalb des Gemeindegebiets hätten, an einer entsprechenden Rechtsgrundlage oder Vereinbarung. Die Stadt Zürich könne ihre Kontrolltätigkeit selbstredend nicht auf das Gebiet anderer Gemeinden ausdehnen. Das sei eine unzulässige Ungleichbehandlung ortsansässiger und ortsfremder Arbeitgebenden (act. 1, S. 21 f. und S. 27 f.; act. 13, S. 17). Darüber hinaus sei die in Art. 11 der Verordnung vorgesehene Verwaltungssanktion unzulässig. Das (inter-)kantonale Beschaffungsrecht regle, unter welchen Voraussetzungen eine Vergabestelle Anbietende von künftigen Aufträgen ausschliessen könne. Der Vergabestelle komme dabei ein Ermessensspielraum zu. Im Unterschied zu dieser abschliessenden Regelung sehe Art. 11 der Mindestlohnverordnung keinerlei Ermessensspielraum vor. Vielmehr sollten Verstösse gegen den in der Verordnung statuierten Mindestlohn «automatisch» zum Ausschluss von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen führen. Das sei unzulässig (act. 1, S. 28 f.).

8.2
Dem kann nicht gefolgt werden. Der Rekursgegner ist zum Erlass einer Mindestlohnvorschrift befugt (E. 5). Daraus ergibt sich ohne Weiteres auch die Befugnis, deren Vollzug zu regeln (vgl. etwa BGE 147 I 437 E. 4.1 [zit. oben in E. 5.1]). Die Mindestlohnverordnung darf daher Bestimmung enthalten, die ihrer Durchsetzung dienen. Art. 6 Abs. 3 der Verordnung sieht vor, dass der Kontrollstelle Zutritt zu den Arbeits- und Betriebsräumlichkeiten zu gewähren ist und alle für die Kontrolle erforderlichen Unterlagen herauszugeben sind. Der Stadtrat hielt hierzu in seinem Beschluss vom 15. Juni 2022 fest, dass die Kontrollen unangemeldet vor Ort möglich sein sollen (act. 6/4, S. 18). Er legt die Bestimmung offenkundig so aus, dass die unangemeldeten Kontrollen auf dem Stadtgebiet stattfinden sollen. Solche Kontrollen betreffen alle Arbeitgebenden unbekümmert um den Ort ihres Geschäftssitzes gleich, wenn sie Arbeitnehmende beschäftigen, die mehrheitlich in der Stadt Zürich erwerbstätig sind. Das ist aber keine Ausdehnung der Kontrolltätigkeit auf das Gebiet anderer Gemeinden.

8.3
Art. 11 der Mindestlohnverordnung sieht vor, dass schwerwiegende und wiederholte Verstösse zum Ausschluss von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen für die Dauer zwischen einem Jahr und fünf Jahren führen.

Der Kanton Zürich ist der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) vom 15. November 2019 beigetreten (Beitrittsgesetz IVöB vom 20. März 2023; in Kraft seit 1. Oktober 2023). Gemäss Art. 12 Abs. 1 IVöB dürfen öffentliche Aufträge nur an Anbietende vergeben werden, die (unter anderem) die im Inland massgeblichen Arbeitsschutzbestimmungen und Arbeitsbedingungen einhalten. Anbietende oder Subunternehmer, die selber oder durch ihre Organe in schwerwiegender Weise gegen Arbeitsschutzbestimmungen oder Arbeitsbedingungen verstossen, können von künftigen öffentlichen Aufträgen für die Dauer von bis zu fünf Jahren ausgeschlossen oder gebüsst werden. In leichten Fällen kann eine Verwarnung erfolgen (vgl. Art. 45 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 44 Abs. 2 lit. f IVöB). Im Sinn des Rekurrenten trifft es zu, dass die «Kann-Bestimmung» von Art. 45 Abs. 1 IVöB einen Ermessensspielraum darin belässt, ob Anbietende bei schwerwiegenden Ver¬stössen vorübergehend von künftigen öffentlichen Aufträgen auszuschliessen seien oder nicht. Demgegenüber ist Art. 11 der Mindestlohnverordnung zwar nicht als «Kann-Bestim¬mung» formuliert. Indes gesteht auch diese Norm einen Ermessensspielraum zu, denn selbst wenn man den Begriff der «schwerwiegende(n) und wiederholte(n) Verstösse» als unbestimmten Rechtsbegriff verstehen wollte, so wäre dessen Gehalt doch im Einzelfall durch Ermessen zu konkretisieren (Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. A., Zürich/St. Gallen 2020, Rz. 413 und 415; vgl. auch BGE 140 I 264 E. 6). Unbestritten geht die Sanktionsandrohung von Art. 11 der Mindestlohnverordnung nicht weiter als diejenige von Art. 45 Abs. 1 IVöB. Die in der Mindestlohnverordnung vorgesehene submissionsrechtliche Sanktion verlässt den Rahmen der IVöB folglich nicht (vgl. dazu auch das Gutachten Uhlmann/Stalder/Wilhelm, S. 29 f.). Und selbst wenn sich im Einzelfall ein befristeter Ausschluss von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen wegen schwerwiegender und wiederholter Verstösse möglicherweise als verfassungswidrig erweisen sollte, so rechtfertigte dies noch keinen Eingriff im Normenkontrollverfahren (vgl. E. 2.5).

8.4
Nach dem Gesagten ist der Eventualantrag des Rekurrenten unbegründet.


9. Zusammenfassend erweisen sich die Rekurse als unbegründet, soweit sie zulässig sind. Sie sind abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.


10. Die Staatsgebühr für diesen Entscheid ist auf Fr. 4'000.00 zu bemessen (§ 5 der Gebührenordnung für die Verwaltungsbehörden). Ausgangsgemäss ist sie den Rekurrenten je hälftig und unter solidarischer Haftung auf den ganzen Betrag aufzuerlegen (§ 13 Abs. 2 sowie § 14 VRG).
Den Rekurrenten steht als Folge ihres Unterliegens keine Parteientschädigung zu. Auch der Stadt Zürich ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, weil das Beantworten von Rechtsmitteln zu ihrem angestammten Aufgabenbereich bzw. zur üblichen Amtstätigkeit gehört und der Rekursgegner bzw. die Stadt Zürich für die Rekursbeantwortung im Wesentlichen auf die im Gesetzgebungsprozess geleisteten Abklärungen abstellen konnte (vgl. dazu Kaspar Plüss, Kommentar VRG, § 17 N. 51 und 54).


11. Die Mindestlohnverordnung steht zurzeit noch nicht in Kraft, und ebensowenig ist das Datum der Inkraftsetzung absehbar. Somit besteht zum Vornherein kein Bedarf, einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Beschluss die aufschiebende Wirkung zu entziehen (§ 55 und § 25 Abs. 3 VRG).


12. Dieser Beschluss ist auch der Wettbewerbskommission zuzustellen (Art. 10a Abs. 2 BGBM; Diebold, Rz. 137; Oesch/Renfer, Art. 10a BGBM N. 3).


Der Bezirksrat beschliesst:


I. Die Rekursverfahren GE.2023.18 und GE.2023.47 werden unter erstgenannter Verfahrensnummer vereinigt.

II. Die Rekurse werden abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.

III. Die Verfahrenskosten, bestehend aus:

Fr. 4'000.00 Staatsgebühr
Fr. 1'436.00 Schreibgebühr
Fr. 42.40 Porti
Fr. 5'478.40 Total,

werden den Rekurrenten je zur Hälfte und unter solidarischer Haftung auf den ganzen Betrag auferlegt.

IV. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

V. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit dessen Zustel-lung beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, Freischützgasse 1, Postfach, 8090 Zürich, schriftlich Beschwerde erhoben werden. Die in dreifacher Ausfertigung einzureichende Beschwerde-schrift muss einen Antrag und dessen Begründung enthalten. Der angefochtene Entscheid ist beizulegen oder genau zu bezeichnen. Die angerufenen Beweismittel sind genau zu bezeichnen und soweit möglich beizulegen.

VI. [Mitteilungen]
 

Für dieses Thema zuständig: