Anonymisierter Entscheidtext (Auszug)
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Sachverhalt
Am 26. September 2021 fand die eidgenössische Volksabstimmung unter anderem über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Ehe für alle) statt. Gemäss den vorläufigen amtlichen Endergebnissen nahmen die Stimmberechtigten die Änderung mit einer Mehrheit von 64,1% Ja-Stimmen zu 35,9% Nein-Stimmen bei einer Stimmbeteiligung von 52,6% an (Stand: 30. September 2021; abrufbar auf der Seite der Bundeskanzlei: bk.admin.ch: Politische Rechte: Volksabstimmungen: Chronologie Volksabstimmungen: 2021-2022: 26.09.2021).
Mit Eingabe vom 21. September 2021 (Postaufgabe am 22. September 2021) erhob der Beschwerdeführer beim Regierungsrat eine Stimmrechtsbeschwerde. Er rügt im Wesentlichen, dass er sein Stimmrecht nicht habe ausüben können, weil er als in Z. lebender Auslandschweizer die Abstimmungsunterlagen nicht erhalten habe. Soweit erforderlich, wird in den Erwägungen näher auf die Begründung eingegangen.
Erwägungen
1.
Gemäss Art. 77 Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes über die politischen Rechte vom 17. Dezember 1976 (BPR; SR 161.1) kann bei der Kantonsregierung Stimmrechts-beschwerde geführt werden. Die Beschwerde ist gemäss Art. 77 Abs. 2 BPR innert dreier Tage seit Entdeckung des Beschwerdegrundes, spätestens jedoch am dritten Tag nach Veröffentlichung der Ergebnisse im kantonalen Amtsblatt als Einschreiben einzureichen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind Mängel hinsichtlich der Vorbereitungshandlungen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen indessen sofort zu rügen. Die Praxis bezweckt, dass Mängel möglichst noch vor der Wahl oder Abstimmung behoben werden können und der Urnengang nicht wiederholt zu werden braucht (BGE 140 I 338 E. 4.4). Stellt die Kantonsregierung auf Beschwerde hin oder von Amtes wegen Unregelmässigkeiten fest, so trifft sie die notwendigen Verfügungen zur Behebung der Mängel. Sie weist die Abstimmungsbeschwerde ohne nähere Prüfung ab, wenn die gerügten Unregelmässigkeiten weder nach ihrer Art noch nach ihrem Umfang dazu geeignet waren, das Hauptresultat der Abstimmung oder Wahl wesentlich zu beeinflussen (Art. 79 Abs. 2 und 2bis BPR).
2.
Der Beschwerdeführer mit Wohnsitz in Z. ist gemäss Auskunft der zuständigen Stimmregisterzentrale der Stadt Zürich im Stimmregister des Kantons Zürich für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer eingetragen. Er übt seine politischen Rechte im Kanton Zürich aus, weil er dort seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz hatte (vgl. Art. 18 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Schweizer Personen und Institutionen im Ausland vom 26. September 2014 [Auslandschweizergesetz, ASG; SR 195.1] sowie § 2a Abs. 1 der Verordnung über die politischen Rechte vom 27. Oktober 2004 [VPR; LS 161.1]). Der Beschwerdeführer ist damit zur Erhebung der Stimmrechtsbeschwerde in eidgenössischen Angelegenheiten legitimiert.
3.
Die Beschwerdeschrift wurde entgegen der gesetzlichen Bestimmung von Art. 77 Abs. 2 BPR nicht als Einschreiben, sondern mit A-Post eingereicht. Die Postaufgabe als eingeschriebene Sendung hat indessen keine eigenständige Bedeutung. Die Formvorschrift von Art. 77 Abs. 2 BPR bezweckt in erster Linie die Verhinderung von Verzögerungen und die Festlegung der Beweislast. Ihr kommt kein Charakter einer Gültigkeitsvoraussetzung zu (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_581/2015 vom 10. No-vember 2015, E. 2.3). Auf das Erfordernis eines Einschreibens kann somit verzichtet werden, wenn die Aufgabe der Sendung – wie vorliegend – aufgrund des Poststempels auf dem Couvert anderweitig festgestellt werden kann.
4.
Gegenstand einer Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von Art. 77 Abs. 1 Bst. a BPR kann die Verletzung des Stimmrechts nach den Art. 2–4, Art. 5 Abs. 3 und 6 sowie Art. 62 und 63 BPR sein. Es kann somit die Verletzung des Stimmrechts im Zusammenhang mit dem Ausschluss des Stimmrechts, dem politischen Wohnsitz, dem Stimmregister, bestimmten Grundsätzen der persönlichen Stimmabgabe, der Stimmrechtsbescheinigung und deren Verweigerung geführt werden. Vorliegend kann der Nichterhalt der Abstimmungsunterlagen mittels Stimmrechtsbeschwerde gerügt werden. Aus den Akten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer der Stimmregisterzentrale am 19. September 2021 per E-Mail mitteilte, er habe die Abstimmungsunterlagen bisher nicht erhalten. Mit E-Mail vom 20. September 2021 wies ihn die Stimmregisterzentrale sinngemäss darauf hin, die Zustellung der Abstimmungsunterlagen nicht beeinflussen zu können. Vor diesem Hintergrund kann die dreitägige Beschwerdefrist seit Entdeckung des Beschwerdegrundes mit der am 22. September 2021 erhobenen Beschwerde als gewahrt betrachtet werden. Auf die Stimmrechtsbeschwerde ist somit einzutreten.
5.
Die politischen Rechte von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern richten sich nach der Bundesgesetzgebung. Auslandschweizerinnen und -schweizer üben ihr Stimmrecht in ihrer letzten Wohnsitzgemeinde aus (Art. 18 Abs. 1 ASG). Wollen sie ihre politischen Rechte ausüben, melden die Auslandschweizerinnen und -schweizer dies ihrer Stimmgemeinde über die zuständige Vertretung. Die Stimmgemeinde trägt sie ins Stimmregister ein (Art. 19 Abs. 1 ASG). Der Eintrag ist die Voraussetzung unter anderem für die Ausübung der Rechte und Pflichten der Auslandschweizerinnen und -schweizer (Art. 11 Abs. 2 ASG). Das Auslandschweizerregister wird vom Kanton geführt (Art. 20 ASG). Gemäss Art. 12 der Verordnung über Schweizer Personen und Institutionen im Ausland vom 7. Oktober 2015 (V-ASG; SR 195.11) stellt die Stimmgemeinde oder der Kanton die Abstimmungsunterlagen den Stimmberechtigten direkt an ihre ausländische Adresse zu (Abs. 1). Anmeldungen für die Ausübung des Stimmrechts beim Versand der Abstimmungsunterlagen werden berücksichtigt, wenn sie mindestens sechs Wochen vor dem Urnengang bei der Stimmgemeinde eintreffen (Abs. 2). Die Abstimmungsunterlagen werden frühestens eine Woche vor dem offiziellen Versand in der Schweiz, der seinerseits mindestens drei und frühestens vier Wochen vor dem Abstimmungstag erfolgt, versandt (Abs. 3; vgl. Art. 11 Abs. 3 BPR). Treffen sie trotz rechtzeitigem Versand zu spät bei der oder dem Stimmberechtigten im Ausland ein, so kann diese oder dieser daraus keine Rechtsansprüche ableiten (Abs. 4).
6.
Gemäss telefonischer Auskunft der zuständigen Stimmregisterzentrale der Stadt Zürich gegenüber der verfahrensleitenden Direktion der Justiz und des Innern vom 27. September 2021 übermittelte die Schweizerische Botschaft in Z. der Stimmregisterzentrale am 16. August 2021 die neue Adresse des Beschwerdeführers in Z. Die Stimmregisterzentrale berücksichtigte die Anmeldung, obwohl diese weniger als sechs Wochen vor dem Urnengang bei ihr eintraf. Sie verschickte die Abstimmungsunterlagen noch am gleichen Tag an die von der Botschaft übermittelte Adresse, die mit den Angaben des Beschwerdeführers übereinstimmt. Daraus ergibt sich, dass der Versand der Abstimmungsunterlagen in Beachtung der vom Auslandschweizergesetz vorgegebenen Frist von fünf Wochen vor dem Abstimmungstermin und damit rechtzeitig erfolgte. Der Beschwerdeführer kann deshalb aus einer verspäteten oder allenfalls nicht erfolgten Zustellung der Unterlagen an seine Adresse in Z. keine Rechtsansprüche ableiten.
7.
Nach diesen Ausführungen ist die Stimmrechtsbeschwerde abzuweisen.
8.
In Anwendung von Art. 86 BPR sind keine Kosten zu erheben.
9.
Gemäss Art. 79 Abs. 1 BPR hat der Regierungsrat innert zehn Tagen nach Eingang der Beschwerde zu entscheiden. Die Beschwerde ging am 23. September 2021 bei der Staatskanzlei ein. Die nächste Sitzung des Regierungsrates findet erst am 6. Oktober 2021 statt. Zur Fristwahrung und infolge der zeitlichen Dringlichkeit hat somit anstelle des Regierungsrates dessen Präsidentin über die vorliegende Beschwerde zu ent-scheiden (§ 23 Abs. 1 des Gesetz über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung vom 6. Juni 2005 [OG RR; LS 172.1]). Der Entscheid ist dem Regierungsrat zur Kenntnis zu bringen (§ 23 Abs. 2 OG RR).
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