0360

Anonymisierter Entscheidtext (Auszug)

Entscheidinstanz
Direktion der Justiz und des Innern
Geschäftsnummer
JI-2021-899
Entscheiddatum
7. Juni 2021
Rechtsgebiet
Bürgerrecht
Stichworte
Bürgerrechte, Einbürgerung, Einbürgerungsvoraussetzungen, Einbürgerungsgesuch, Übergangsrecht
Verwendete Erlasse
Art. 37 Abs. 1 BV, Art. 38 BV, Art. 50 Abs. 2 BüG, § 39 KBüV, § 4 Abs. 1 BüV, § 4 Abs. 2 lit. e BüV
Zusammenfassung (verfasst von der Staatskanzlei)
Die Vorinstanz hat das Einbürgerungsgesuch des Rekurrenten vom 24. April 2016 am 5. Februar 2021 abgelehnt, weil dieser mit Strafbefehl vom 6. August 2018 verurteilt worden war. Unabhängig davon, auf welchen Zeitpunkt abgestellt wird (Gesuchseinreichung, Entscheiddatum oder Übergang zum neuen Recht), hat der Rekurrent die Voraussetzungen von § 26 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 der vorliegend anwendbaren, bis am 31. Dezember 2017 geltenden Bürgerrechtsverordnung erfüllt. Die Sache wird an die Vorinstanz zur abschliessenden Prüfung sämtlicher Einbürgerungsvoraussetzungen zurückgewiesen.

Sachverhalt

Am 24. April 2016 reichte A. dem Gemeindeamt des Kantons Zürich (GAZ) ein Gesuch um Erteilung der eidgenössischen ordentlichen Einbürgerungsbewilligung nach Art. 13 des aBürgerrechtsgesetzes ein (aBüG, Stand am 1. Januar 2013). Mit Schreiben vom 18. Juli 2016 informierte das GAZ über die Zustellung der Akten an die Wohngemeinde für die kommunale Bürgerrechtserteilung. Der Stadtrat stellte mit Entscheid vom 23. November 2016 fest, dass A. sein Einbürgerungsgesuch zwischen dem 16. und 25. Lebensjahr eingereicht und in der Schweiz mindestens fünf Jahre Schulen besucht hat und erteilte ihm gestützt auf § 21 des aGemeindegesetzes (aGG, Stand am 1. Januar 2016) und Art. 15 aBüG, unter Vorbehalt der Zustimmung von Kanton und Bund, das Bürgerrecht der Stadt […]. Mit Schreiben vom 7. April 2020 teilte das GAZ A. mit, dass festgestellt worden sei, dass am 6. August 2018 ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis wegen Widerhandlung gegen das Ausländergesetz gegen ihn ergangen sei und forderte eine Kopie dieses Strafbefehls an. Mit Schreiben vom 16. November 2020 stellte das GAZ A. gestützt auf § 6 der aBürgerrechtsverordnung vom 25. Oktober 1978 (aBüV) die Abweisung seines Einbürgerungsgesuchs in Aussicht und gab ihm gleichzeitig die Möglichkeit, dieses zurückzuziehen. Mit Eingabe vom 23. Dezember 2021 liess A. durch seine Rechtsvertreterin im Wesentlichen geltend machen, dass er die Voraussetzungen von § 6 aBüV sowohl zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung wie zum erwarteten Zeitpunkt der Verfügung des Gemeindeamts erfüllt habe beziehungsweise erfülle und sein Strafregisterauszug zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung keine Einträge enthalten habe und durch den zwischenzeitlich erfolgten Ablauf der Probezeit auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Einträge mehr enthalte. Es lasse sich weder aus dem Wortlaut von § 6 aBüV noch aus der Auslegung nach Sinn und Zweck der Bestimmung ableiten, dass die Voraussetzungen während des gesamten Einbürgerungsverfahrens vorliegen müssten. Mit Verfügung vom 5. Februar 2021 wies das GAZ das Einbürgerungsgesuch ab. Gegen diese Verfügung liess A. durch seine Rechtsvertreterin mit Eingabe vom 8. März 2021 Rekurs bei der Direktion der Justiz und des Innern erheben und die Anträge stellen, die Verfügung der Rekursgegnerin vom 5. Februar 2021 sei aufzuheben und das Einbürgerungsgesuch des Rekurrenten vom 24. April 2016 sei gutzuheissen. Eventualiter sei die Sache zur erneuten Abklärung und Entscheidfindung an die Rekursgegnerin zurückzuweisen. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Rekursgegnerin beziehungsweise der Staatskasse. […]

Erwägungen

1.[Prozessvoraussetzungen]

2.

2.1

Das GAZ begründet die Abweisung des Einbürgerungsgesuchs damit, dass aufgrund der übergangsrechtlichen Regelung sämtliche Einbürgerungsvoraussetzungen per 31. Dezember 2017 erfüllt sein müssten. Nur wenn per Ende 2017 die Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt gewesen seien, könne ein Gesuch nach altem Recht beurteilt werden. Die Einbürgerungsvoraussetzungen müssten somit erst recht auch im gesamten Zeitraum nach dem 31. Dezember 2017 erfüllt sein. Ein Zuwarten bis zur Erfüllung der Voraussetzungen in einem Zeitpunkt nach dem 31. Dezember 2017 sei nicht zulässig. Aufgrund der Verurteilung im August 2018 habe der Rekurrent die altrechtlichen Einbürgerungsvoraussetzungen nach dem 31. Dezember 2017 nicht erfüllt. Eine Einbürgerung gestützt auf das frühere Recht sei somit nicht mehr möglich und das Gesuch sei deshalb abzuweisen.

2.2

Der Rekurrent bringt zur Begründung seines Rekurses vor, dass die Voraussetzungen von § 6 aBüV nach Sinn und Zweck jeweils zu den Prüfungszeitpunkten durch das Gemeindeamt vor Weiterleitung des Gesuchs an die Gemeinde und nach Erteilung des Gemeindebürgerrechts, insbesondere im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung über das Kantonsbürgerrecht gegeben sein müssen. Im Beurteilungszeitpunkt durch die Rekursgegnerin im Dezember 2020 beziehungsweise Februar 2021 als Zeitpunkt der Ausgangverfügung sei im Privatauszug des Rekurrenten kein Eintrag mehr enthalten gewesen, da die Probezeit abgelaufen sei und der Rekurrent sich bewährt habe. Der Rekurrent erfülle so im Zeitpunkt der Gesuchstellung im Jahr 2016 wie auch im Dezember 2020 beziehungsweise Februar 2021 die Voraussetzungen nach § 6 aBüV, da kein Strafverfahren hängig beziehungsweise kein Eintrag im Privatregisterauszug ersichtlich gewesen sei. Das in der Zwischenzeit durchlaufene Strafverfahren könne ihm nicht angelastet werden, wenn er sich im Zeitpunkt des Gesuchs seit mehreren Jahren wohlverhalten und die Probezeit erfolgreich absolviert habe. Schliesslich sei die Verweigerung der Einbürgerung unverhältnismässig, da der Rekurrent nicht gewusst habe, dass er wegen seines damaligen ausländerrechtlichen Status’ eine zusätzliche Arbeitsbewilligung für eine Lehre benötige. Es sei in erster Linie Pflicht des Arbeitgebers, die entsprechende Bewilligung einzuholen und nicht des rechtsunkundigen minderjährigen Lehrlings. Ferner sei höchst fragwürdig, dass dem Rekurrenten die eventualvorsätzliche Erfüllung und nicht Fahrlässigkeit vorgeworfen worden sei.

3.

3.1

Das Bürgerrecht ist in der Schweiz dreifach. Es setzt sich zwingend aus den Bürgerrechten des Bundes, eines Kantons und einer Gemeinde zusammen; die drei Bürgerrechte bilden eine untrennbare Einheit (Art. 37 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999; [BV; SR 101]). Der Bund erlässt Mindestvorschriften über die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern durch die Kantone und erteilt die Einbürgerungsbewilligung (Art. 38 Abs. 2 BV). Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts sind gestützt auf Art. 38 BV im Bürgerrechtsgesetz geregelt.

3.2

Am 1. Januar 2018 trat das Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG [SR 141.0]) in Kraft. Gemäss Art. 50 Abs. 2 BüG werden vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes eingereichte Gesuche bis zum Entscheid über das Gesuch nach den Bestimmungen des bisherigen Rechts behandelt. Am 23. August 2017 erliess der Regierungsrat die Kantonale Bürgerrechtsverordnung (KBüV [LS 141.11]). Diese trat am 1. Januar 2018 in Kraft und löste die alte Bürgerrechtsverordnung vom 25. Oktober 1978 (aBüV) ab. § 39 KBüV legt in der Übergangsbestimmung fest, dass vor ihrem Inkrafttreten eingereichte Gesuche nach bisherigem Recht behandelt werden.

3.3

Der Rekurrent reichte sein Gesuch um ordentliche Einbürgerung am 24. April 2016 ein. Damit ist das Gesuch nach dem bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Recht zu beurteilen. Anwendbar sind folglich die Bestimmungen des aBüG (Stand am 1. Januar 2013), des aBüV (Stand am 1. Januar 2015) und des aGG (Stand am 1. Januar 2016).

3.4

Gemäss § 20 Abs. 1 aBüV haben die im Kanton Zürich wohnhaften ausländischen Personen im Rahmen des Verfahrens um ordentliche Einbürgerung zunächst auf einem Formular des Bundes ein Gesuch um Erteilung der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung an die Direktion der Justiz und des Innern beziehungsweise den Beschwerdegegner zu richten (vgl. Ziff. 1.1 lit. a des Anhangs 3 der Verordnung über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung vom 18. Juli 2007). Dieses Gesuch gilt gleichzeitig als Begehren um Aufnahme in das Kantons- und das Gemeindebürgerrecht (§ 20 Abs. 3 aBüV). Die Direktion beurteilt in der Folge, ob die Gesuchstellenden die Wohnsitzerfordernisse des Bundes (vgl. Art. 15 aBüG) erfüllen und die Rechtsordnung beachten (§ 26 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 aBüV). Sind die Voraussetzungen erfüllt, überweist die Direktion das Einbürgerungsgesuch an die Wohnsitzgemeinde (§ 26 Abs. 3 aBüV), sonst weist sie das Gesuch ab; vorgängig gibt sie der gesuchstellenden Person Gelegenheit zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme (§ 26 Abs. 4 aBüV). Die Gemeinde prüft, ob die gesuchstellende Person integriert ist und über Sprachkenntnisse gemäss § 21b aBüV verfügt, für sich und ihre Familie aufkommen kann und die Wohnsitzerfordernisse gemäss kantonalem Recht sowie allfällige kommunale Wohnsitzerfordernisse erfüllt (§ 28 aBüV). Die Erteilung des kommunalen Bürgerrechts durch die zuständigen Gemeindeorgane steht nach § 29 Abs. 3 aBüV unter dem Vorbehalt der Erteilung des Kantonsbürgerrechts und der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung. Die Direktion der Justiz und des Innern entscheidet, ob das Kantonsbürgerrecht erteilt oder verweigert wird (§ 32 aBüV). Die Erteilung des Kantonsbürgerrechts setzt unter anderem voraus, dass das Gemeindebürgerrecht erteilt wurde und allfällige weitere Abklärungen keine Ablehnungsgründe ergeben haben (vgl. § 33 Abs. 1 aBüV).

4.

4.1

Die Voraussetzungen für die Einbürgerung müssen grundsätzlich bei Einreichung des Gesuchs erfüllt sein. Dies geht aus § 2 aBüV hervor, wonach sämtliche Nachweise dem Gesuch beizulegen sind. Allerdings konnte das Gesuch nach altem Recht sistiert werden, falls einzelne Voraussetzungen im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs nicht oder nicht vollständig erfüllt waren, ihre Erfüllung aber in nützlicher Frist zu erwarten war (§ 14 aBüV). Entscheidend ist demnach auch der Zeitpunkt des Entscheides über ein Einbürgerungsgesuch.

4.2

Ob der Rekurrent die Wohnsitzerfordernisse des Bundes (vgl. Art. 15 aBüG) erfüllt, war nicht Gegenstand der angefochtenen Verfügung. Strittig und zu prüfen ist daher lediglich, ob der Rekurrent die Rechtsordnung beachtet (§ 26 Abs. 1 i.V.m. § 6 aBüV).

4.3

Nach § 6 Abs. 1 und 2 aBüV muss die gesuchstellende Person die schweizerische Rechtsordnung beachten und dabei darf kein Eintrag im Strafregisterauszug für Privatpersonen und kein hängiges Strafverfahren bestehen. Im Zeitpunkt des Einbürgerungsgesuchs am 24. April 2016 war der Rekurrent – kurz vor seinem Geburtstag – noch 16 Jahre alt und folglich noch nicht erwachsen, weshalb § 6 Abs. 2 aBüV nicht zur Anwendung kommt. Bei Jugendlichen ist die Voraussetzung der Beachtung der Rechtsordnung erfüllt, wenn Strafen gemäss Jugendstrafgesetz (JStG) vollzogen, Schutzmassnahmen gemäss JStG aufgehoben sind und kein Strafverfahren hängig ist (§ 6 Abs. 3 aBüV). Gemäss rechtskräftigem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis vom 6. August 2018 arbeitete der Rekurrent als Reifenpraktiker in Ausbildung ohne Arbeitsbewilligung im Zeitraum vom 14. August 2017 bis 8. Mai 2018. Folglich war am 31. Dezember 2017 das Strafverfahren gegen ihn noch nicht hängig und es bestand kein Eintrag im Strafregister.

4.4

Für den Zeitraum nach Erreichen der Volljährigkeit ist § 6 Abs. 2 aBüV anwendbar. Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal-Albis wurde am 8. August 2018 erstellt. Weder im Zeitpunkt der Ausgangsverfügung der Rekursgegnerin beziehungsweise Gewährung des rechtlichen Gehörs vom 16. November beziehungsweise 18. Dezember 2020 noch im Zeitpunkt der Einbürgerungsabweisung am 5. Februar 2021 war ein Eintrag des Rekurrenten im Strafregisterauszug für Privatpersonen nach § 6 Abs. 2 lit. a aBüV vorhanden.

4.5

Ob vorliegend nun der Zeitpunkt der Gesuchseinreichung, der Zeitpunkt des Entscheides oder – wie von der Rekursgegnerin gefordert – der Zeitpunkt des Überganges vom alten zum neuen Recht am 31. Dezember 2017 massgeblich ist, kann damit grundsätzlich offenbleiben, da der Rekurrent – wie dargelegt – die Voraussetzungen von § 26 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 aBüV zu sämtlichen Zeitpunkten erfüllt hat beziehungsweise erfüllt.

4.6

Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass der Rekurrent wohl auch gemäss der neuen Gesetzgebung die Voraussetzung der Beachtung der Rechtsordnung erfüllen würde, da die Probezeit der bedingten Strafe abgelaufen ist und der Eintrag gestützt auf Art. 371 Abs. 3bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1993 (StGB; SR 311.0) nicht mehr im Strafregisterauszug für Privatpersonen erscheint. Bei einer erneuten Einreichung eines Einbürgerungsgesuchs gälte der Rekurrent aufgrund der damaligen Bestrafung der bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätze à Fr. 30 und der Bewährung in der Probezeit wohl als erfolgreich integriert im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 2 lit. e der Verordnung über das Schweizer Bürgerrecht vom 17. Juni 2016 (BüV; SR 141.01). Aus prozessökonomischen Gründen und aufgrund der langen Dauer des Verfahrens vor der Vorinstanz, die nicht vom Rekurrenten verursacht wurde, ist zu vermeiden, dass der Rekurrent ein neues Gesuch um Einbürgerung einreichen muss, da dieses – wie obenstehend dargelegt – wohl ohnehin gutzuheissen wäre.

5.

Der Rekurs ist nach dem Gesagten teilweise gutzuheissen und die Sache zur erneuten Prüfung im Sinne der Erwägungen und zur abschliessenden Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.

6.[Kostentragung]

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