Leitsätze zum Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften

Die Zugehörigkeit zu Glaubensgemeinschaften verändert sich im Kanton Zürich stark und schnell. Einerseits steigt die Zahl der Konfessionslosen stetig. Andererseits nimmt die Pluralisierung bei den Religionsgemein-schaften zu. Entsprechend gross ist das Bedürfnis der Gesellschaft, das Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften zu diskutieren. Mit sieben Leitsätzen zu Staat und Religion legt der Regierungsrat jetzt die Basis für eine Fortsetzung dieser Diskussion.

Die religiöse Pluralisierung im Kanton Zürich ist eine Tatsache. Noch in den 60er Jahren waren zwei Drittel der Zürcherinnen und Zürcher Mitglieder der Evangelisch-reformierten Landeskirche. Diese Zahl hat sich seither halbiert. Waren 1970 noch 94 Prozent der Bevöl-kerung Mitglied entweder der Evangelisch-reformierten oder der Römisch-katholischen Körperschaft, sind es heute noch rund 62 Prozent. Andere Religionsgemeinschaften sind demgegenüber gewachsen. Viele Zürcherinnen und Zürcher gehören zudem keiner Glau-bensgemeinschaft an. Die Dynamik dieser Entwicklung ist beachtlich: Namentlich die Zahl der Konfessionslosen und der übrigen Konfessionen wächst seit den 70er Jahren stark.

Einladung zu vertiefter Diskussion

Diese Veränderungen betreffen auch den Staat. Allein schon die Verfassung macht klar, dass der Staat und die Religionsgemeinschaften in einem engen Verhältnis stehen. So anerkennt der Kanton Zürich die Evangelisch-reformierte Landeskirche, die Römisch-katholische Körperschaft und die Christkatholische Kirchgemeinde als selbständige Kör-perschaften des öffentlichen Rechts. Als Vereine ebenfalls in der Verfassung anerkannt sind die Israelitische Cultusgemeinde und die Jüdische Liberale Gemeinde. In den Richtli-nien zur Regierungspolitik 2015-2019 verpflichtete der Regierungsrat die Direktion der Jus-tiz und des Innern, ein Leitbild zum Verhältnis zwischen Staat und Religion zu erarbeiten. Dieses soll ihm im Umgang mit allen Glaubensgemeinschaften eine einheitliche und klare Haltung ermöglichen.

Regierungsrätin Jacqueline Fehr, Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern, hat diese Leitsätze des Regierungsrats mit dem Titel «Staat und Religion im Kanton Zürich – eine Orientierung» heute der Öffentlichkeit vorgestellt. «Der Regierungsrat lädt mit den Leitsätzen zu einer konstruktiven Diskussion ein», sagte Fehr vor den Medien. Die sieben Leitsätze zum Verhältnis Staat und Religion schafften Klarheit darüber, wo die Zürcher Regierung in dieser Frage stehe.

Das Recht gilt für alle religiösen Gruppierungen gleich

Im ersten Teil «Gesellschaft und Religion» befassen sich drei Leitsätze mit der Bedeutung und Rolle der Religion innerhalb unserer pluralistischen Gesellschaft. Für den Regierungs-rat ist klar: Religiöse Überzeugungen bilden eine wichtige Grundlage des Zusammenle-bens. Die kirchlichen Gemeinschaften sind zusammen mit dem Staat Garanten für ein friedfertiges und tolerantes Neben- und Miteinander in unserer Gesellschaft. Religion hat eine öffentliche Rolle. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiert, dass Glaubenshal-tungen auch öffentlich bezeugt werden dürfen.

Die Leitsätze vier und fünf stellen das Verhältnis zwischen dem Staat als Inhaber des Ge-waltmonopols und Garanten der individuellen Freiheiten und den Religionsgemeinschaften dar. Verbindlicher Massstab ist die staatliche Rechtsordnung. Auch religiöse Überzeugun-gen dispensieren nicht von der Pflicht, diese Rechtsordnung zu befolgen, denn die Rechts-ordnung gilt für alle gleich. Keine religiöse Gruppierung verfügt über eigenes Recht. Unsere Staatsordnung hat sich über Jahrhunderte entwickelt. Besonders prägend waren liberale und demokratische Leitvorstellungen westlicher Prägung.

Die Leitsätze sechs und sieben befassen sich konkreter mit dem Verhältnis zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften. Die drei genannten kirchlichen Körperschaften sind seit 1963 verfassungsrechtlich anerkannt. Das System der Anerkennung hat sich nach Ansicht des Regierungsrates sehr gut bewährt. Der Staat und die anerkannten Religions-gemeinschaften wirken im Kanton Zürich zum Nutzen der Gesellschaft zusammen. Die Zusammenarbeit ist geprägt von regelmässigem Austausch, gegenseitigem Vertrauen und Respekt.

Mit der verfassungsrechtlichen Anerkennung zweier jüdischer Gemeinden im Zug der To-talrevision der Verfassung 2005 erfolgte ein wichtiger Schritt. Der Kanton Zürich hat damit den Kreis der verfassungsrechtlich anerkannten Gemeinschaften über christliche Religi-onsgemeinschaften hinaus geöffnet.

Es braucht Grundlagen zum Beispiel für die Regelung der Seelsorge

Die religiöse Pluralisierung geht weiter. Der Staat kann die Augen vor dieser gesellschaftli-chen Realität nicht verschliessen. Er muss darum über eine einheitliche und klare Haltung im Umgang mit allen Religionsgemeinschaften verfügen. Während die verfassungsrechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften gegenüber dem Staat eine Rechenschaftspflicht haben, bestehen für nicht-anerkannte Gemeinschaften über die allgemeine staatliche Rechtsordnung hinaus keine besonderen Regelungen. Praktische Fragen wie die der Seelsorge in öffentlichen Institutionen oder der Ausbildung von Predigern machen es aber nötig, dass Grundlagen für eine Zusammenarbeit bestehen. Im siebten Leitsatz spricht sich der Regierungsrat für verbindlichere Formen der Zusammenarbeit aus. Die jetzt vorliegen-de Orientierung soll eine öffentliche Diskussion auch in dieser Frage fördern.

(Medienmitteilung des Regierungsrates)

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