Start der Online-Publikation der Zürcher Stillstandsprotokolle

In einem gemeinsam von Evangelisch-reformierter Landeskirche und Staatsarchiv getragenen Projekt werden die Protokolle des sogenannten Stillstands, einem Vorläufergremium der heutigen Kirchenpflegen, online zugänglich gemacht. Die Texte aus dem 17. Jahrhundert bieten eindrückliche Schilderungen der Lebensverhältnisse der damaligen Bevölkerung.

Auf eine Initiative des freischaffenden Historikers Beat Frei vereinbarten im Jahr 2009 der damalige Kirchenratspräsident Ruedi Reich und Staatsarchivar Beat Gnädinger, die Online-Publikation der Zürcher Stillstandsprotokolle des 17. Jahrhunderts an die Hand zu nehmen. Am 14. April 2010 bewilligte der Regierungsrat auf Antrag der Evangelisch-reformierten Landeskirche aus dem Lotteriefonds einen Beitrag von 300›000 Franken. Seit heute sind die ersten von Beat Frei transkribierten Stillstandsprotokolle auf der Archivdatenbank des Staatsarchivs online zugänglich, zusammen mit Digitalisaten der Originalquellen.

Stillstandsprotokolle – eine einmalige historische Quelle

Die Zürcher Stillstandsprotokolle dokumentieren die Tätigkeit der ältesten Aufsichtsbehörde der reformierten Kirchgemeinden, des sogenannten Stillstands, so benannt, weil das Gremium nach dem Gottesdienst in der Kirche wortwörtlich «stillstand», also stehenblieb, um monatlich seine Geschäfte unter dem Vorsitz des Pfarrers zu beraten. Der seit dem frühen 17. Jahrhundert bezeugte Stillstand war multifunktional Kirchen-, Schul-, Armen- und Vormundschaftsbehörde in einem, zugleich auch Sittengericht, und übernahm an einigen Orten sogar Funktionen der politischen Gemeindebehörden. Nach dem Umsturz der politischen Verhältnisse 1798 wurden seine Aufgabenbereiche auf rein kirchliche Angelegenheiten beschränkt, und das Gremium später durch die heutigen Kirchenpflegen ersetzt.

Entsprechend den vielfältigen Aufgaben des Stillstands dokumentieren die vom jeweiligen Pfarrer verfassten Protokolle die ganze Bandbreite des Alltags und des Zusammenlebens der Menschen im Gebiet des damaligen Stadtstaats Zürich (vgl. Factsheet). Einsetzend mit dem Jahr 1631, sind für das 17. Jahrhundert aus insgesamt 35 Kirchgemeinden, die sich über den ganzen Kanton verteilen, Stillstandsprotokolle überliefert. Zum Projektstart werden rund 500 Protokollseiten aus den beiden Kirchgemeinden Brütten und Hedingen online publiziert.

Der Weg zur Online-Publikation

Trotz ihrem hohen Quellenwert sind die Zürcher Stillstandsprotokolle aus mehreren Gründen bisher weitgehend unerforscht geblieben. Zum einen werden die originalen Protokolle dezentral in den jeweiligen Archiven der evangelisch-reformierten Kirchgemeinden aufbewahrt, zum anderen handelt es sich häufig um eher flüchtige Notizen in der individuellen Handschrift des Pfarrers, so dass die Texte nur mit entsprechender Übung und Erfahrung zu entziffern sind.

Als Verfasser von Ortsgeschichten hat der Historiker Beat Frei immer wieder Stillstandsprotokolle ausgewertet und sich so mit ihren Besonderheiten vertraut gemacht. Die von ihm nach definierten Regeln transkribierten Protokolle werden in Jahrestranchen aufgeteilt und zusammen mit digitalisierten Schwarz-Weiss-Mikrofilmaufnahmen der Originalprotokolle auf der Archivdatenbank des Staatsarchivs online publiziert; das Staatsarchiv räumt den Kirchgemeindearchiven zu diesem Zweck ein «Gastrecht» ein. Auf der Plattform seiner Archivdatenbank macht das Staatsarchiv seit 2009 zentrale Quellenserien zur Zürcher Geschichte der Öffentlichkeit zugänglich wie namentlich die Regierungsratsbeschlüsse und Kantonsratsprotokolle seit 1803.

Im Anschluss an die zum Projektstart publizierten ersten Stillstandsprotokolle von Brütten und Hedingen werden in den kommenden zwei Jahren periodisch neue Texte aufgeschaltet.

(Gemeinsame Medienmitteilung der Direktion der Justiz und des Innern und der Evangelisch-reformierten Landeskirche)

Hinweis

Diese Meldung ist vor 2018 erschienen. Gegenüber der ursprünglichen Fassung sind alle Bilder, Links und Downloads entfernt worden. Dies beim Wechsel zum neuen kantonalen Webauftritt 2020.
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