Vor 175 Jahren: Totale Erneuerung des Kantons Zürich

Vor 175 Jahren, im März und April 1831, gab sich das Zürcher Volk eine neue Staatsverfassung. Diese veränderte Zürich fundamental. Zuvor bestimmte die Stadtzürcher Aristokratie «väterlich» und «fürsorglich» das Geschehen im Kanton. Die gebildete und unruhige Jugend von 1830 bezeichnete dieses patriarchalische Regime als «Willkürherrschaft». Neu und vermehrt sollten rechtliche und politische Gleichberechtigung, Verfassung und Gesetz als bindende Normen gelten.

Der Umsturz und völlige Bruch mit der Vergangenheit kündigte sich 1830 an. In Paris war Revolution. In Zürich geisselte die gebildete Jugend die «unwissenschaftliche und altmodische» Staatsführung ihrer Väter. Das Volk demonstrierte zu tausenden in Uster und begehrte Souveränität und gleiche Rechte für alle. Die Stadt Winterthur setzte sich an die Spitze der Bewegung und kündigte der Stadt Zürich die Gefolgschaft. Die Forderungen des Volkes wurden dem Bürgermeister (Regierungspräsidenten) persönlich in einer Denkschrift überreicht.

Ende 1830 kapitulierte die Regierung. Das Parlament löste sich auf. Ein neuer Kantonsrat wurde gewählt nach demokratischeren Regeln als zuvor. In wenigen Wochen entstand eine neue, totalrevidierte Kantonsverfassung, datiert vom 10. März 1831. Diese wurde vom Volk am 20. März 1831 - in der ersten kantonalen Volksabstimmung überhaupt - mit 40'503 Ja gegen 1721 Nein angenommen.

Am 10. April 1831 legten sämtliche Kantonsbürger in ihren Kirchen den Eid auf die neue Verfassung ab. Sie schwuren vor Gott dem Allwissenden: «Wir Bürger des Kantons Zürich schwören Treue der Schweizerischen Eidgenossenschaft und unserm Kanton; wir schwören, die Unabhängigkeit, Rechte und Freiheiten unsers teuren Vaterlandes zu schützen und zu schirmen, mit Gut und Blut, wo es die Not erfordert.»

Die Verfassung von 1831 bildete die institutionelle Grundlage für den Eintritt des Kantons Zürich in die Moderne. Vieles, was heute selbstverständlich ist, stammt aus jener Zeit vor 175 Jahren. Eine Zäsur stellte die Verfassung von 1831 für die politische Kultur dar: Herrschte zuvor Apathie und Desinteresse für kantonalen Angelegenheiten, so setzte die neue Zeit «alle Fibern in Bewegung» und weckte im Volk «Selbstgefühl und eigenen Willen», konstatierte ein Zeitgenosse. Seit 1830/31 gehören Parteien, Versammlungen, Kundgebungen, Volksfeste und Öffentlichkeit zum politischen Leben im Kanton Zürich.

Im übrigen Europa hatten die Volksbewegungen von 1830/31 wenig Erfolg - im Gegensatz zu Zürich und einigen anderen schweizerischen Kantonen. Der gegenwärtige Jahrgang der Zürcher Gesetzessammlung jedenfalls trägt nicht ohne Grund den Titel: «61. Band der offiziellen Sammlung der seit 10. März 1831 erlassenen Gesetze, Beschlüsse und Verordnungen des Eidgenössischen Standes Zürich»!

Literaturhinweis:
Kleine Zürcher Verfassungsgeschichte. Konzept und Redaktion:
Meinrad Suter. Hrsg. vom Staatsarchiv Zürich. Zürich 2000.
Download: http://www.staatsarchiv.zh.ch/download/zh_verfassungsgeschichte.pdf

Das aus dem 14. Jahrhundert stammende grosse Staatssiegel sowie die Unterschriften von Bürgermeister und Staatsschreiber unter der Zürcher Kantonsverfassung von 1831.

(Medienmitteilung des Staatsarchivs des Kantons Zürich)

Hinweis

Diese Meldung ist vor 2018 erschienen. Gegenüber der ursprünglichen Fassung sind alle Bilder, Links und Downloads entfernt worden. Dies beim Wechsel zum neuen kantonalen Webauftritt 2020.
Bei Fragen zu dieser Meldung wenden Sie sich bitte an den unten aufgeführten Kontakt.