News GS Bezirke Hinwil, Meilen, Pfäffikon, Uster – 2/2021

Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Kinder, Jugendliche und Familien sind weiterhin von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Wir wollten es im AJB genauer wissen und haben deshalb vor einem Jahr den Kindesschutzradar initiiert. Die neuste Auflage ist für Anfang nächsten Jahres geplant. Weiter informieren wir Sie über ein spezifisches Coaching-Angebot für Jugendliche. Zum Schluss geht es um die ganz kleinen Kinder und ihre frischgebackenen Eltern: Was Fachpersonen, Gemeinden und der Kanton für einen gelingenden Start ins Leben tun können, erfahren Sie im Artikel über Bindung im Kleinkindalter.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre & bleiben Sie uns gewogen.

Herzlich, Katja Bluntschli

Katja Bluntschli

Geschäftsführerin

katja.bluntschli@ajb.zh.ch
+41 43 259 80 00

Katja Bluntschli, Geschäftsführerin GS Hinwil, Meilen, Pfäffikon, Uster, AJB

Ein Radar für den Kindesschutz 

Wie geht es den Kindern, Jugendlichen und Familien während der Corona-Zeit? Was beobachten die verschiedenen Kindesschutzorganisationen? Wie steht es um den Kindesschutz im Kanton Zürich während einer Pandemie? Diesen Fragen geht der Kindesschutzradar des Amts für Jugend und Berufsberatung (AJB) nach und setzt damit Impulse zur Weiterentwicklung von Kindesschutzangeboten.

Kleines, lächelndes Mädchen steht mit mehrfarbigem Regenschirm in einem regnerischen Park.
Im Kindesschutzradar geben Organisationen im Kindesschutz Auskunft über ihre Angebote und über die aktuelle Lage in der Pandemie. Quelle: iStock

Im Frühling 2020 stellte sich für Politik, Behörden und Gesellschaft die Frage, wie es der Bevölkerung geht, insbesondere, ob der Kindesschutz auch während der Pandemie sichergestellt werden kann. Universitäten und Fachhochschulen setzten verschiedene Studien über die Auswirkungen der Corona-Krise auf.

Das AJB wollte zeitnah und unmittelbar zu Informationen gelangen und entwickelte deshalb ein eigenes Instrument: Im Kindesschutzradar wird das Befinden von Kindern, Jugendlichen und Familien abgebildet. Es wurden diverse Organisationen im Zürcher Kindesschutz wie die KESB, die Kindesschutzgruppe des Kinderspitals, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Stadt- und Kantonspolizei sowie zahlreiche weitere Akteurinnen und Akteure angefragt, am Radar teilzunehmen. Die Angefragten begrüssten die Initiative und waren gerne bereit, ihre Beobachtungen zu teilen.

Bei der Befragung schätzen sie die Befindlichkeit ihrer Zielgruppen ein, sie geben Auskunft über die Erbringung und Nutzung ihrer eigenen Angebote, und sie zeichnen ein Bild der aktuellen Kindesschutzsituation. Daraus ergibt sich ein gesamtheitliches Bild, das im Sinne eines Frühwarnsystems aufzeigt, welche Belastungssituationen problematisch werden könnten. Es zeigt sich zudem, dass die regelmässige Befragung bei den Organisationen ein Zusammengehörigkeitsgefühl als «Zürcher Kindesschutz» verstärkt und die interinstitutionelle Zusammenarbeit und Vernetzung verbessert.

Die Informationen aus den Befragungen dienen der AJB-Geschäftsleitung bei der Ressourcensteuerung und ermöglichen es, die Angebote den aktuellen Bedürfnissen anzupassen. Aufgrund der Erkenntnisse aus den Radar-Befragungen konnte das AJB ab Anfang 2021 in seinen vier Versorgungsregionen verschiedene Projekte anstossen, die die betroffenen Gruppen direkt unterstützen. Lesen Sie dazu auch den Beitrag zum Berufseinstiegscoaching.

Die erste Radar-Erhebung fand im November 2020, die zweite im Mai 2021 statt. Die nächste ist für den November vorgesehen, die Resultate werden Anfang 2022 publiziert unter:

Berufswahl während der Pandemie: Coaching-Angebot im biz

Jugendliche im Berufswahlprozess waren und sind besonders stark von den Einschränkungen durch die Pandemie betroffen. Nicht nur hatten sie kaum Gelegenheit, die Berufswelt tatsächlich zu erkunden. Auch verlegte sich der Berufswahlunterricht und somit die Begleitung im Prozess auf den unpersönlichen, digitalen Kanal. Insbesondere wer eine enge Begleitung gebraucht hätte, drohte, durch die Maschen zu fallen. Die biz der Bezirke Hinwil, Meilen, Pfäffikon und Uster haben reagiert.

Bereits im Lockdown haben das biz Meilen und das biz Uster gehandelt. Da die Pandemie auch zu einem Rückgang der Nachfrage in der Erwachsenenberatung führte, verteilten sie die frei gewordenen Ressourcen kurzerhand um und investierten sie in die Jugendlichen: Mit zusätzlichen Beratungsstunden, die mitunter auch Begleitung beinhalteten, die für die reguläre Berufsberatung unüblich ist und im Normalfall von Lehrpersonen übernommen wird. Dazu gehörte neben konkreter Unterstützung beim Erstellen von Bewerbungsunterlagen auch, sich mehr Zeit für intensivere und engere Begleitung zu nehmen und Jugendliche in der Phase zu bestärken, ermuntern und ermutigen.

Traf das Angebot einen vorhandenen Bedarf?

Die Jugendlichen seien insbesondere von der ersten Welle sehr stark betroffen und in Bezug auf den Berufswahlprozess ungefähr 3-4 Monate im Rückstand gewesen, so Bruno Ehrenberg, Leiter des biz Meilen. Die Wirtschaft sei ihnen zwar entgegengekommen. Doch jene kleine Gruppe von ca. 10-15 Prozent, die sich auch sonst mit der Berufswahl schwertun würde, hätte umso mehr Mühe gehabt. «Die Jugendlichen hielten noch länger an unrealistischen Wunschberufen fest, hatten allgemein Mühe, aktiv zu werden und brauchten mehr Unterstützung.»

Von der individuellen Initiative zum formell etablierten Angebot

Was auf individuelle Initiativen hin begann, etablierte sich Anfang dieses Jahres zu einem zeitlich begrenzten Angebot im Rahmen der Corona-Sonderangebote, dem «Berufseinstiegscoaching». Den Berufsberatenden wurde ein Kontingent von bis zu zwölf zusätzlichen Stunden mehr pro Fall für das Berufseinstiegscoaching zugesprochen.

Stephanie Ganz, Leiterin Regionale Entwicklungen, koordinierte die Ausarbeitung des Angebots. Sie war hocherfreut, wie interdisziplinär Bedarf und Umsetzung abgesprochen worden seien. Bereits vor dem Lockdown habe es einen regelmässigen Austausch zwischen all den verschiedenen Fachdisziplinen im AJB gegeben. Im Lockdown wurde dieser intensiviert. Mit dabei waren Vertreter und Vertreterinnen aus den Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz), der Gemeinwesenarbeit, der beiden biz und der Schulsozialarbeit (SSA). Disziplinübergreifend wurde gesammelt, welcher Bedarf bei welcher Zielgruppe vorhanden war. So konnten schliesslich verschiedene Unterstützungsangebote, u.a. das Berufseinstiegscoaching, unbürokratisch und effizient umgesetzt werden.

Ein Angebot, das bleibt?

Ende Jahr läuft das Angebot aus. Aktuell wird geprüft, in welcher Form eine Weiterführung zukünftig möglich ist. Bruno Ehrenberg: «Ich wünschte mir, dass ein solches Coaching im Einzelfall weiterhin angeboten werden kann. Manchmal zahlt sich nur schon eine kleine, zusätzliche Unterstützung stark aus. Für diese notwendigen wenigen Zusatzstunden würde sich der ganze Prozess einer offiziellen Überweisung zu unseren Angeboten Netz2 oder Ithaka, kaum lohnen. Und manchmal steht aus Kapazitätsgründen auch schlicht gerade niemand akut zur Verfügung.»

Klar sei bereits, dass der enge disziplinübergreifende Austausch beibehalten werde, so Stephanie Ganz. Dadurch sei noch deutlicher geworden, was die Organisationseinheiten beschäftige und darüber hinaus hätten der Austausch und die enge Zusammenarbeit einander nähergebracht.

Bedeutung für das AJB in Zukunft

Die Erkenntnisse aus dem Berufseinstiegscoaching fliessen in die Zusammenarbeit der Zukunft ein. So sind weitere Massnahmen geplant für eine möglichst lückenlose Unterstützung der Jugendlichen ohne Anschlusslösung oder mit Problemen in der Ausbildung. Ziel ist die kontinuierliche Verbesserung des Frühwarnsystems zwischen biz, Schulsozialarbeit, kjz und den Zusammenarbeitspartnern des AJB.

Bindung macht Babys stark fürs Leben

In der frühen Kindheit wird die Basis für ein gelingendes Leben gelegt. Eine sichere Bindung zu Mutter und Vater ist für ein Kind der verlässliche Ausgangspunkt für die Erkundung der Welt und bietet Schutz und Kraft bei Herausforderungen. Fachpersonen, Gemeinden und Kanton können Eltern dabei unterstützen, die Beziehung zu ihrem Baby zu stärken und solche Schutzfaktoren aufzubauen – gerade auch in belasteten Familiensituationen.

Schlafendes Neugeborenes in den Armen seiner Mutter.
Ein Kind zu bekommen bedeutet eine grosse Veränderung im Leben. Quelle: iStockphoto

Fatma Özdemir* möchte alles richtig machen mit ihrem Baby, Kontakt aufnehmen, verstehen was es will. Doch jetzt liegt der kleine Yusuf auf seinem Tuch, dreht sein Köpfchen weg und ballt sein Fäustchen. Sie ist froh um die Erklärung ihrer Mütter- und Väterberaterin (MVB), dass Yusuf ganz einfach überfordert ist von all den Reizen und neuen Eindrücken in der fremden Umgebung des Kurslokals. Sanft streichelt Fatma, wie die MVB ihr gezeigt hat, die Füsschen des Kleinen und wartet geduldig, bis er sich entspannt.

Zeichen deuten

Die junge Türkin besucht den Kurs «Mein Baby und ich» des kjz Meilen, von dem sie über den Sozialdienst der Gemeinde erfahren hat. Sie lebt noch nicht lange in der Schweiz und erhält mit ihrem Mann finanzielle Unterstützung. Sie vermisst die Begleitung ihrer Mutter und der anderen Frauen aus ihrem Heimatdorf. Im Kurs kann Fatma endlich auch mit anderen Eltern über Probleme und Erfahrungen sprechen. Sie fühlt sich verstanden und nicht mehr so allein.

«Eltern lernen in diesem Kurs, die kleinen Zeichen in der Körpersprache ihres Babys richtig zu deuten», sagt Marianne Steiner, MVB im kjz Meilen. «Das Erkennen dieser Signale hilft ihnen, die Bedürfnisse ihres Kindes nach Geborgenheit und Zuwendung zu befriedigen. So können sie die Beziehung zum Kind stärken.» Eine sichere Bindung zwischen Eltern und Kind gilt als sicherer Ausgangspunkt für den künftigen Lebensweg und als wichtiger Baustein in der sozioemotionalen und damit der kognitiven Entwicklung.

Marianne Steiner: «Wenn sich ein Kind gut entwickelt, bringt es später auch bessere Schulleistungen. Es kann sich auf eine Sache konzentrieren, an etwas dranbleiben, sich einer neuen Situation besser anpassen. Gleichzeitig wird es widerstandsfähiger und kann in der Gesellschaft bestehen. So macht ein Kind seinen Weg auch in einem belasteten Umfeld.»

Schutzfaktoren aufbauen

Die sichere Eltern-Kind-Beziehung ist also ein eigentlicher Schutzfaktor im Leben eines Menschen. Schwierige Lebensverhältnisse mit persönlichen oder finanziellen Problemen, Migrationshintergrund oder traumatischer Vergangenheit bringen Risikofaktoren mit, die sich negativ auf die Entwicklung von Kindern auswirken. Hier sind solche Schutzfaktoren doppelt wichtig. Sie puffern die Auswirkung dieser Risikofaktoren ab, wirken der negativen Dynamik entgegen und verhindern neue soziale, psychische und physische Probleme. Das ist nicht nur im Interesse des Einzelnen und der Familie, sondern auch im Interesse von Gesellschaft und Gemeinden. So verursachen weniger belastete Familien nachweisbar weniger Sozialkosten.

Selbstverständlich reicht ein einzelner Kurs nicht aus, um eine positive Entwicklung von Kindern zu ermöglichen und Eltern in ihrer Aufgabe zu unterstützen. Da braucht es eine ganze Angebotspalette, Strategien des Kantons, Konzepte der Gemeinden, das Wissen der Fachpersonen und den Willen zur Zusammenarbeit. So wird ein Netzwerk geschaffen, das möglichst alle Kinder und ihre Familien auffängt.

Angebote vernetzen

Die Bildungsdirektion und mit ihr das AJB lanciert und unterstützt seit über 20 Jahren kostenlose Projekte zur frühkindlichen Förderung und damit zur Verbesserung von Startchancen. Daneben gibt es weitere Akteure. Die öffentlichen und privaten Angebote reichen von MVB, Kitas und Eltern-Kind-Turnen über Babyschwimmen und Freizeitkurse bis hin zu Sozialarbeit und Kindermedizin. In Meilen wurde im vergangenen Sommer von Melanie Bischofberger (Sozialbehörde) erfolgreich ein Workshop zur «Frühen Kindheit» initiiert mit dem Ziel, die verschiedenen Angebote und Akteure in Gemeinde und Kanton zu eruieren und ihre Vernetzung zu verbessern.

Der Workshop sei als Bestandsaufnahme sehr wertvoll gewesen, sagt Marianne Steiner, jetzt müsse man dranbleiben. Vor allem die finanzielle Unterstützung sei enorm wichtig und zahle sich später nachweisbar aus. Eine Investition in die frühe Kindheit sei immer auch eine Investition in die Zukunft der Gemeinschaft. Negative Bedingungen in der frühen Kindheit seien beim Erwachsenen oft schwer zu kompensieren.

Zukunft unterstützen

Das Bewusstsein ist da: So finanziert die Gemeinde Meilen z.B. die Kitaplätze für Kinder aus belasteten Familien und mildert dadurch den psychosozialen Stress vor allem der Mütter. Mütter, die sich weniger eingeschränkt und gestresst fühlen, lesen die Zeichen ihres Kindes besser, können eine innigere Beziehung zu ihm aufbauen und dadurch positive Schutzfaktoren erreichen.

Was wünscht sich die MVB Marianne Steiner für die kommende Zeit? «Es könnten noch mehr belastete Familien erkannt und erreicht werden. Nicht nur Babys, auch belastete Eltern senden kleine Zeichen aus. Sie fragen z.B. nach Kitaplätzen, auch wenn nicht beide Elternteile arbeiten. Sie vergessen Termine oder geben eine falsche Telefonnummer an. Ich hoffe, dass Gemeinden und Fachpersonen lernen, diese Zeichen zu lesen und entsprechend zu handeln.»

*Name frei erfunden

Weitere Informationen

Informationen des AJB zum Thema Frühe Kindheit, Kursangebote für Familien, Beratungsangebote für Fachpersonen sowie Netzwerke und Adressen für Gemeinden:

Das Kinder- und Jugendhilfezentrum kjz Meilen berät Eltern bei Fragen zur Erziehung und zum Familienalltag. Die Beratungen finden sowohl im kjz wie auch ausserhalb, z. B. in Familienzentren der Region, statt:

Kurs für Eltern mit Babys zwischen ca. 8 Wochen und 6 Monaten des kjz Meilen:

Kontakt

Amt für Jugend und Berufsberatung - Geschäftsstelle der Bezirke Hinwil, Meilen, Pfäffikon und Uster

Adresse

Guyer-Zeller-Strasse 6
Postfach 1299
8620 Wetzikon
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