Staat & Religion

Die Religionsgemeinschaften sind für den Staat ein wichtiger Partner. Neben den verfassungsrechtlich anerkannten sind grosse nicht-anerkannte Gemeinschaften entstanden. Der Kanton Zürich will auch für das Verhältnis zu diesen Gemeinschaften verbindliche Grundlagen schaffen.

Öffentlich-rechtliche Anerkennung

Durch die öffentlich-rechtliche Anerkennung, geregelt im Kirchengesetz, wird eine Religionsgemeinschaft zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Das ist die gleiche Kategorie, zu der beispielsweise auch die politischen Gemeinden gehören. Konkret heisst das, dass diese Religionsgemeinschaften besondere Rechte haben:

  • das Recht, Steuern zu erheben
  • das Recht, in den öffentlichen Schulen Religionsunterricht durchzuführen
  • das Recht, in öffentlichen Institutionen Seelsorge zu leisten
  • das Recht auf finanzielle Unterstützung durch den Staat für Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung

Den Vorteilen, die die Anerkennung bringt, stehen einige Pflichten gegenüber. Diese Religionsgemeinschaften müssen

  • eine staatliche Aufsicht dulden
  • finanzielle Transparenz herstellen
  • gewisse organisatorische Bedingungen erfüllen, z.B. die demokratische Pfarrwahl

Im Kanton Zürich haben drei Religionsgemeinschaften diesen Status: die Evangelisch-reformierte Landeskirche, die Römisch-katholische Körperschaft und die Christkatholische Kirchgemeinde.
 

Privatrechtliche («kleine») Anerkennung

Neben der öffentlich-rechtlichen Form der Anerkennung gibt es die Form der privatrechtlichen, der sogenannt «kleinen» Anerkennung, geregelt im Gesetz über die anerkannten jüdischen Gemeinden.

Dabei werden die betreffenden Religionsgemeinschaften als privatrechtliche Vereine anerkannt. Sie werden nicht zu Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Rechtswirkungen gehen weniger weit: Diese Gemeinschaften haben zum Beispiel nicht das Recht, Steuern zu erheben.

Im Kanton Zürich sind zwei jüdische Gemeinden in dieser Form anerkannt: die Israelitische Cultusgemeinde Zürich und die Jüdische Liberale Gemeinde Zürich Or Chadasch.

Finanzielle Beiträge

Die anerkannten Zürcher Kirchen leisten Jugendarbeit, bieten Sozialberatungen, betreiben Jobbörsen und vieles mehr im Dienst der gesamten Bevölkerung. Dafür erhalten die fünf anerkannten Religionsgemeinschaften 50 Millionen Franken pro Jahr vom Kanton Zürich.

Diese Beiträge des Kantons für kirchliche Leistungen mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung stützen sich auf die Kantonsverfassung und das Kirchengesetz. Verteilt werden die Beiträge nach einem festgelegten Schlüssel auf die fünf Religionsgemeinschaften. Voraussetzung ist, dass sich die kirchlichen Angebote an alle Menschen, unabhängig von ihrer Kirchen- und Religionszugehörigkeit, wenden. Um die Verwendung der staatlichen Beiträge aufzuzeigen, reichen die anerkannten Religionsgemeinschaften sogenannte Tätigkeitsprogramme ein. 

Studien zu kirchlichen Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung

Zu diesen Leistungen sind bereits mehrere Studien durchgeführt worden. Eine erste Studie der Universität Zürich von 2017 erfasst diese kirchlichen Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung umfassend. Resultat: Der Aufwand der Kirchen für ihre Leistungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung ist höher als die Summe, die die Kirchen vom Staat bekommen.

Im Hinblick auf die neue Finanzierungsperiode 2026 bis 2031 haben die Direktion der Justiz und des Innern, die Evangelisch-reformierte Landeskirche und die Römisch-katholische Körperschaft gemeinsam eine neue Studie in Auftrag gegeben.

Das Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich hat mittels einer Umfrage bei den Kirchgemeinden, den politischen Gemeinden und der Bevölkerung den aktuellen Stand sowie die Veränderung des Umfangs und der Bedeutung der kirchlichen Leistungen überprüft.

Laut der Studie erbringen die Kirchen ähnlich viele Leistungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung wie 2017; in gewissen Bereichen sind es sogar mehr. Die kirchlichen Tätigkeiten sind grundsätzlich gut legitimiert und bei den Gemeinden und der Bevölkerung hoch erwünscht. Kirchliche Angebote stossen auch bei Personen mit nicht-christlicher Identifikation auf Zuspruch.

Auch die Gemeinden sind mit dem Angebot und dem Umfang der kirchlichen Leistungen mehrheitlich zufrieden. So bejaht beispielsweise ein ähnlicher Prozentsatz der Gemeinden wie in der letzten Studie die Aussage, dass die Landeskirchen den Einwohnerinnen und Einwohnern Sinn, Lebensorientierung und Halt vermitteln.

Die Nutzung der kirchlichen Angebote durch die Bevölkerung wiederum hat seit der Vorgängerstudie im 2017 abgenommen, dies vor allem bei den unter 45-Jährigen. Stabil geblieben und sogar teilweise erhöht hat sich die Angebotsnutzung durch die politischen Gemeinden.

Es zeigt sich weiter, dass die Bedeutung der Kirchen als öffentlich sichtbarer Akteur tendenziell abgenommen hat. Dies drückt sich zum Beispiel im abnehmenden Wissen um die kirchlichen Angebote und deren sinkende Präsenz aus.

Studie zu den Beiträgen der anerkannten Religionsgemeinschaften im Kanton Zürich zum Gemeinwohl

Ausgeklammert blieben bei den bisherigen Studien mögliche weitere, nicht-monetäre Aspekte der religiösen Tätigkeit, die zum Gemeinwohl beitragen. Etwa in den Bereichen des sozialen Zusammenhalts oder der Wertevermittlung.
Diese Aspekte haben Forschende aus den Bereichen Religionswissenschaft und Soziologie der Universität Zürich im Auftrag der Direktion JI, der Evangelisch-reformierten Kirche und der Römisch-katholischen Kirche nun untersucht. Die Studie schliesst eine Forschungslücke, indem sie erstmals den Beitrag der Religionsgemeinschaften zur Solidarität, Stabilität und zum Sozialkapital einer offenen, demokratischen Gesellschaft analysiert.

Religionsgemeinschaften stellen soziales Kapital zur Verfügung

Die Ergebnisse zeigen, dass die wahrgenommene Bedeutung religiöser Rituale bei wichtigen Lebensereignissen wie Geburt, Hochzeit und Bestattung in der säkularisierten Gesellschaft nach wie vor gross ist. Und obwohl ein Grossteil der Teilnehmenden der Studie angegeben hat, dass sie selten religiöse Einrichtungen besuchen, ist die Wertschätzung von religiösen Bauten in der Öffentlichkeit hoch. Sie werden als wichtige kulturelle und soziale Bereicherung wahrgenommen.

Die Studie zeigt weiter auf, dass die Gemeinschaften auch soziales Kapital für Personen ausserhalb des Kreises ihrer Mitglieder zur Verfügung stellen. Diese Personen profitieren von den Hilfeleistungen, die mit den entsprechenden Netzwerken entstehen. Als besonders wichtig wurden dabei Angebote wie Seelsorge oder Altersarbeit bezeichnet.

Die Untersuchungen bezüglich Wertebasis, Arbeitsethos und Religion zeigen, dass Mitglieder religiöser Vereine sowie Menschen, die sich selbst als religiös bezeichnen, eine höhere Gemeinschaftsorientierung zeigen als die Durchschnittsbevölkerung. Zudem zeigt sich eine ausgeprägtere Traditionsorientierung von Mitgliedern religiöser Vereine und religiösen Menschen. Dies kann in pluralistischen Gesellschaften auch polarisierend und ausgrenzend wirken.

Die Ergebnisse stützen die These, dass die Wertesozialisierung in religiösen Vereinen, sei es in der Jugend oder im Erwachsenenalter, aktive politische Partizipation fördert. Zudem deuten die Daten darauf hin, dass in religiösen Vereinen bindendes Sozialkapital in Form von Freundschaften schneller entsteht als in Freiwilligenorganisationen oder bei der Arbeit.

Im Zusammenhang mit den Anträgen der Evangelisch-reformierten Landeskirche und der Römisch-katholischen Körperschaft, einen Teil ihrer Mittel für nicht-anerkannte Religionsgemeinschaften zu verwenden, hat die Direktion JI ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die Rechtmässigkeit einer solchen Verwendung zu klären. 

Nicht-anerkannte Religionsgemeinschaften

Die Religionslandschaft im Kanton Zürich ist stark im Umbruch: Neben den anerkannten sind grosse nicht-anerkannte Religionsgemeinschaften entstanden.

In Kürze:

Die Direktion der Justiz und des Innern hat 2019 eine Studie in Auftrag gegeben, um die Situation der nicht-anerkannten Religionsgemeinschaften im Kanton Zürich zu untersuchen und Empfehlungen zum Umgang mit diesen Religionsgemeinschaften aufzustellen. Im Zentrum stehen die beiden zahlenmässig grössten Gemeinschaften: die islamische und die christlich-orthodoxe Gemeinschaft. Beide haben im Kanton Zürich Dachverbände: die Vereinigung der islamischen Organisationen in Zürich und der Verband orthodoxer Kirchen im Kanton Zürich.

Bedarf nach tragfähigen Strukturen

Die Untersuchung hat die organisatorischen Strukturen, die Finanzierung und die Tätigkeiten der Religionsgemeinschaften sowie die persönlichen Hintergründe und die Qualifikationen der aktiven Schlüsselpersonen untersucht. Sie zeigt in organisatorischer und finanzieller Hinsicht eine starke Belastung der Gemeinschaften.

Die Studie sieht somit einen Bedarf nach einer Religionspolitik, die gemeinsam mit den Gemeinschaften mittel- und langfristige Perspektiven für tragfähige Strukturen ausarbeitet.

Die Studie erachtet es zudem als angezeigt, auch die Leistungen und Aktivitäten der öffentlich-rechtlich nicht-anerkannten Religionsgemeinschaften mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung wahrzunehmen und auf geeignete Weise zu unterstützen.

Befragung von nicht-anerkannten Religionsgemeinschaften

Welche Erwartungen haben nicht-anerkannte Religionsgemeinschaften im Kanton Zürich an den Staat und an die anerkannten Religionsgemeinschaften? Eine Befragung bei 22 Dachverbänden der verschiedenen Religionsgemeinschaften im Jahr 2022 hat dies erstmals erhoben.

Die Antworten sind unterschiedlich, es zeigen sich jedoch einige zentrale Anliegen, zum Beispiel:

  • der Wunsch nach einer Sensibilisierung bei der gesellschaftlichen Wertschätzung der religiösen Tradition
  • der Wunsch nach mehr Sichtbarkeit beispielsweise in offiziellen Dokumenten oder Statistiken
  • oder der Wunsch nach einer finanziellen Unterstützung von gesamtgesellschaftlichen Leistungen.

Durchgeführt hat die Befragung das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) in Zusammenarbeit mit dem Religionswissenschaftlichen Seminar der Universität Zürich. Auftraggeberinnen der Studie waren die Direktion der Justiz und des Innern und die anerkannten Religionsgemeinschaften im Kanton Zürich.

Die Ergebnisse der Befragung diskutieren die Auftraggeberinnen gemeinsam mit den befragten Religionsgemeinschaften anlässlich eines Vernetzungsanlasses im Herbst 2023. Dieser Anlass ist eine Premiere: Erstmals werden sich (fast) alle Religionsgemeinschaften des Kantons Zürich treffen und austauschen.

Weiterführende Informationen

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Kontakt

Religionsdelegierte Franziska Driessen-Reding

Adresse

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