Allgemeines zu den situationsbedingten Leistungen

Kapitelnr.
8.1.01.
Publikationsdatum
6. Januar 2019
Kapitel
8 Situationsbedingte Leistungen (WSH)
Unterkapitel
8.1. Situationsbedingte Leistungen

Rechtsgrundlagen

§ 15 SHG § 17 SHV SKOS-Richtlinien, Kapitel C.1

Erläuterungen

1.Einleitung

Gemäss § 15 Abs. 1 SHG soll die wirtschaftliche Hilfe das soziale Existenzminimum gewähr-leisten. Dieses soll neben den üblichen Aufwendungen für den Lebensunterhalt (Grundbe-darf, Wohnkosten, Kosten für medizinische Grundversorgung) auch individuelle Bedürfnisse angemessen berücksichtigen. Dies geschieht in der Regel mittels situationsbedingten Leis-tungen gemäss SKOS-Richtlinien, Kapitel C.1. Situationsbedingte Leistungen haben ihre Ursache in der besonderen gesundheitlichen, wirt-schaftlichen, persönlichen und familiären Lage einer unterstützten Person. Massgebend ist dabei, ob die Situation der unterstützten Person zusätzliche Leistungen erfordert oder ob die Situation durch eine zusätzliche Leistung entscheidend verbessert werden kann. Die Leis-tung muss dabei in einem sinnvollen Verhältnis zum erzielten Nutzen stehen. Bei der Beurteilung, ob Kosten als situationsbedingte Leistung übernommen werden, spielt das Ermessen der Sozialbehörde eine wichtige Rolle. Der Ermessensspielraum hängt von der Art der situationsbedingten Leistung ab. In jedem Fall ist das Gewähren oder Verweigern der Leistung fachlich zu begründen. Bei der Berücksichtigung von situationsbedingten Leistungen im Unterstützungsbudget ist darauf zu achten, dass der gesamte pro Monat verfügbare Budgetbetrag einschliesslich der situationsbedingten Leistungen stets in einem angemessenen Verhältnis zur Lebenssituation von Personen mit niedrigem Einkommen in der Umgebung der unterstützten Person steht. In den Kapiteln C.1.1 bis C.1.5 der SKOS-Richtlinien werden verschiedene situationsbeding-te Leistungen näher dargestellt. Diese Aufzählung ist aber nicht abschliessend. Es können ebenso andere Leistungen übernommen werden, sofern damit die Zielsetzung der Verbesse-rung der individuellen Situation einer Person unterstützt oder mit der Übernahme der betref-fenden Leistung ein grösserer Schaden abgewendet werden kann. Bei den verschiedenen Arten von situationsbedingten Leistungen ist zu unterscheiden zwi-schen

  • grundversorgenden situationsbedingten Leistungen,
  • fördernden situationsbedingten Leistungen und
  • einmaligen Leistungen.

2.Grundversorgende situationsbedingte Leistungen

Es gibt Kosten, die nicht in jedem unterstützten Haushalt bzw. nur in bestimmten Situationen anfallen. Tritt diese Situation aber ein, ist die Übernahme angemessener Kosten stets nötig, weil sonst die Grundversorgung des Haushalts infrage gestellt wird oder es für die unter-stützten Personen nicht mehr möglich ist, selbständig zu einer Verbesserung der Situation beizutragen. In diesen Konstellationen hat die Sozialbehörde keinen oder nur einen engen Ermessensspielraum. Zu den grundversorgenden situationsbedingten Leistungen gehören namentlich Auslagen, die im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit oder der Teilnahme an einem Integrationspro-gramm anfallen, insbesondere Mehrkosten bei auswärtiger Verpflegung (vgl. Kapitel 8.1.06), zusätzliche Fahrkosten vom Wohnort zum Arbeitsort (vgl. Kapitel 8.1.07) oder Kosten für die ausserfamiliäre Betreuung von Kindern während der berufsbedingten Abwesenheit (vgl. Ka-pitel 8.1.09). Weiter fallen unter diese Kategorie Hausrat- und Haftpflichtversicherungen (vgl. Kapitel 8.1.15), Kosten für Aufenthaltsbewilligungen (vgl. Kapitel 8.1.17), Einrichtungsgegenstände in Form einer einfachen Grundausstattung (vgl. Kapitel 8.1.25) und Kosten für die Ausübung des Besuchsrechts (vgl. Kapitel 8.1.11). Schliesslich bilden auch bestimmte krankheits- und behinderungsbedingte Auslagen (vgl. Kapitel 8.1.04) und bestimmte Kosten für die Integration und Betreuung von Kindern und Ju-gendlichen Bestandteil der grundversorgenden situationsbedingten Leistungen. Sind die Voraussetzungen für die Anrechnung der jeweiligen Leistung erfüllt, sind die Kosten verbindlich im Unterstützungsbudget zu berücksichtigen.

3.Fördernde situationsbedingte Leistungen

Gewisse Leistungen können notwendig sein, um den Hilfsprozess zu unterstützen. Wenn die konkrete Situation der unterstützten Person durch eine zusätzliche Leistung verbessert wer-den kann, die Leistung in einem sinnvollen Verhältnis zum erzielten Nutzen steht und mit dem Aufwand von nicht unterstützten Haushalten vergleichbar ist, können die Kosten als si-tuationsbedingte Leistung im Unterstützungsbudget berücksichtigt werden. In diesen Fällen hat die Sozialbehörde meist ein grosses Ermessen, wobei sie ihrer Verantwortung, die un-terstützte Person zu befähigen oder ihre Lage zu stabilisieren bzw. zu verbessern, gerecht werden muss. Sie soll sich beim Entscheid, ob eine bestimmte Leistung notwendig bzw. hilf-reich ist, auf Einschätzungen von Fachpersonen, welche über entsprechende Situations-kenntnisse verfügen, stützen (vgl. § 27 Abs. 2 SHV).

4.Einmalige Leistungen

Situationsbedingte Leistungen können zur Abwehr einer drohenden Notlage einmalig auch Personen gewährt werden, deren soziales Existenzminimum knapp gedeckt ist. Stehen je-doch Mittel aus Fonds oder Stiftungen zur Deckung der in Frage stehenden Leistungen zur

Verfügung, ist vorab hiervon Gebrauch zu machen. In solchen Fällen kommt die Übernahme der Kosten aus Sozialhilfemitteln nicht in Betracht.

5.Abgrenzung zum Grundbedarf

Die Aufwendungen für situationsbedingte Leistungen werden im individuellen Unterstüt-zungsbudget berücksichtigt. Dabei ist zu beachten, dass im Grundbedarf für den Lebensun-terhalt bereits gewisse Leistungen enthalten sind, die nicht zusätzlich vergütet werden (z.B. Auslagen für den öffentlichen Nahverkehr, Halbtaxabo; vgl. Kapitel 7.1.01), d.h. im Unter-stützungsbudget sind unter dem Titel situationsbedingte Leistungen nur die im konkreten Fall anfallenden Mehrkosten zu berücksichtigen.

6.Pauschalen und Höchstgrenzen

In der Sozialhilfe werden grundsätzlich die effektiven anerkannten Kosten übernommen. Die zuständigen Organe können im Sinne einer Vollzugsweisung aber Vorgaben machen, dass bestimmte situationsbedingte Leistungen pauschalisiert oder nur bis zu einem bestimmten Maximum übernommen werden. Zu denken ist hier etwa an Mehrkosten für die auswärtige Verpflegung (vgl. Kapitel 8.1.06) oder an eine Pauschale für eine aus gesundheitlichen Gründen notwendige Diät (vgl. Kapitel 8.1.05). In begründeten Ausnahmefällen geht das In-dividualisierungsprinzip aber trotz Pauschalisierung oder einer Höchstgrenze vor.

Rechtsprechung

VB.2012.00658 (nicht publiziert): Wird ein Gesuch um Ausrichtung situationsbedingter Leis-tungen verspätet oder nachträglich eingereicht, hat dies nicht in jedem Fall zwingend zur Folge, dass die gesuchstellende Person ihren Anspruch auf Sozialhilfeleistungen verwirkt. Vielmehr hat die Fürsorgebehörde die tatsächlichen Verhältnisse zu ermitteln und zu prüfen, ob eine situationsbedingte Leistung infrage steht, auf deren Übernahme die gesuchstellende Person einen Anspruch besitzt (E. 4.3). Die Anschaffung unabdingbarer Einrichtungsgegen-stände gehört zwingend zum sozialen Existenzminimum und muss daher ermöglicht werden. Dieser Anspruch kann nicht einzig deswegen abgelehnt werden, weil die Anschaffungen ei-nige Tage vor dem formellen Unterstützungsbeginn getätigt wurden (E.5.2). VB.2003.00187: Die Ausrichtung situationsbedingter Leistungen liegt in weit gehendem Mass im Ermessen der Sozialhilfebehörden. Das Verwaltungsgericht hat deren Entscheide nach § 50 VRG nur darauf hin zu überprüfen, ob das Ermessen missbraucht oder überschrit-ten wurde. Ein Grundprinzip der Sozialhilfe lautet, dass Sozialhilfe angemessen sein soll, was bedeutet, dass unterstützte Personen materiell nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt werden als Menschen in ihrer Umgebung, die ohne Sozialhilfeleistungen in wirt-schaftlich bescheidenen Verhältnissen leben (SKOS-Richtlinien, Kapitel A.4). Bei den im Rahmen eines Umzugs anfallenden Reinigungskosten für die alte Wohnung, der Umzugs-versicherungsprämie und den Kosten für einen neuen Pass handelt es sich um situationsbe-dingte Leistungen, deren Nichtübernahme im Ermessen der Sozialbehörde liegt. (vgl. auch

VB.2003.00184, VB.2008.00502) VB.2003.00146: Die Aufwendungen für situationsbedingte Leistungen werden im individuel-len Unterstützungsbudget berücksichtigt, sofern sie in einem sinnvollen Verhältnis zum er-zielten Nutzen stehen. Massgebend ist, ob die Selbständigkeit und soziale Einbettung einer unterstützten Person erhalten bzw. gefördert wird, oder ob grösserer Schaden abgewendet werden kann. VB.2001.00122: Auch Kosten für bestimmte Anschaffungen können als situationsbedingte Leistungen übernommen werden. Die Übernahme derartiger Kosten wie auch solcher für den Besuch von Kursen, die der beruflichen Weiterbildung oder der sozialen Integration die-nen, liegt jedoch weitgehend im Ermessen der Sozialhilfebehörden, deren Entscheid das Verwaltungsgericht nach § 50 VRG lediglich auf Rechtmässigkeit bzw. darauf, ob das Er-messen missbraucht oder überschritten worden ist, überprüfen kann. (vgl. auch VB.2002.00417 mit Hinweisen).

Praxishilfen

Informationen zu einzelnen situationsbedingten Leistungen siehe die anderen Beiträge im Kapitel 8.1.

Kontakt

Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe

E-Mail

sozialhilfe@sa.zh.ch

Für Fragen zur Interinstitutionellen Zusammenarbeit: iiz@sa.zh.ch


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