Unterstützungswohnsitz Minderjähriger

Kapitelnr.
3.2.03.
Publikationsdatum
3. Januar 2017
Kapitel
3 Zuständigkeit
Unterkapitel
3.2. Unterstützungswohnsitz und Aufenthalt

Rechtsgrundlagen

Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 24. Juni 1977 (ZUG), SR 851.1 Sozialhilfegesetz vom 14. Juni 1981 (SHG), LS 851.1 Einführungsgesetzes zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht vom 25. Juni 2012, EG KESR, LS 232.3

Erläuterungen

1.Der unselbständige Wohnsitz

a. Regelung im Kanton Zürich Im Normalfall teilt das minderjährige Kind den Unterstützungswohnsitz seiner Eltern oder des Elternteils, unter dessen elterlicher Sorge es steht. Lebt es mit den sorgeberechtigten Eltern oder dem sorgeberechtigten Elternteil zusammen, hat es den gleichen Unterstützungswohn-sitz wie die Eltern bzw. wie der betreffende Elternteil. Das gilt auch dann, wenn es sich vor-übergehend nicht bei den Eltern bzw. dem Elternteil aufhält. Vorübergehend nicht bei den El-tern lebt ein Kind beispielsweise, wenn es die Ferien bei Dritten verbringt, wenn es sich im Spital oder in einer Kur befindet, wenn ein Elternteil krank ist und das Kind deshalb nicht zu-hause betreut werden kann (soweit es sich dabei nicht um einen dauerhaften Zustand han-delt), wenn therapeutische oder der Abklärung dienende Massnahmen notwendig sind oder wenn es eine auswärtige Schul- oder Berufsbildung absolviert. Besucht das Kind z.B. ein Wocheninternat und kehrt es regelmässig an den Wochenenden und in den Ferien zu den Eltern zurück, ist lediglich von einem vorübergehenden Fremdaufenthalt des Kindes auszu-gehen. Es begründet damit keinen eigenen Unterstützungswohnsitz. Auch das Kind, das mit einem wiederverheirateten, über die elterliche Sorge verfügenden Elternteil und dem Stiefel-ternteil zusammenlebt, teilt den Unterstützungswohnsitz des Elternteils, unter dessen Sorge es steht (§ 37 Abs. 1 SHG). Haben die Eltern die gemeinsame elterliche Sorge, leben aber nicht zusammen und haben daher keinen gemeinsamen zivilrechtlichen Wohnsitz, teilt das Kind den Unterstützungs-wohnsitz desjenigen Elternteils, bei dem es wohnt (§ 37 Abs. 2 SHG). Teilen die Eltern auch die Obhut über das Kind, befindet sich sein Unterstützungswohnsitz dort, wo es sich mehr-heitlich aufhält. Weitere Indizien sind in diesen Fällen die Meldeadresse des Kindes, sein Schulort, das Zentrum seiner Freizeitgestaltung etc. Man spricht in diesen Fällen vom unselbständigen Unterstützungswohnsitz des Kindes. Die Abhängigkeit vom elterlichen Wohnsitz ist nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich zu ver-stehen. Über einen unselbständigen Wohnsitz verfügende minderjährige Kinder übernehmen nicht nur den Ort, sondern auch die Dauer der Wohnsitznahme von den Inhabern der elterli-chen Sorge. b. Regelung im interkantonalen Bereich

Nach Art. 7 Abs. 1 ZUG teilt das minderjährige Kind, unabhängig von seinem Aufenthaltsort, den Unterstützungswohnsitz der Eltern. Diese Regelung stimmt mit derjenigen von § 37 Abs. 1 SHG überein. Es gilt daher auch im interkantonalen Bereich das vorstehend zu § 37 Abs. 1 SHG Gesagte. Seit Inkrafttreten des revidierten Kindesunterhaltsrechts und der damit verbundenen Revisi-on von Art. 7 ZUG am 1. Januar 2017 stimmen demgegenüber die Regelungen im innerkan-tonalen und im interkantonalen Bereich bei Kindern, deren Eltern beide sorgeberechtigt sind, aber nicht am gleichen Ort leben, nicht mehr vollständig überein. Haben die sorgeberechtig-ten Eltern keinen gemeinsamen zivilrechtlichen Wohnsitz, so hat das minderjährige Kind ei-nen nach Art. 7 Abs. 2 ZUG eigenständigen Unterstützungswohnsitz am Wohnsitz des El-ternteils, bei dem es überwiegend wohnt. Die Kriterien für die Bestimmung des Unterstüt-zungswohnsitzes des Kindes sind allerdings nach § 37 Abs. 2 SHG und Art. 7 Abs. 2 ZUG dieselben, d.h. das betreffende Kind hat in beiden Fällen am gleichen Ort seinen Unterstüt-zungswohnsitz, nur dass es sich innerkantonal um einen abgeleiteten und interkantonal um einen eigenen Unterstützungswohnsitz handelt. Die praktische Bedeutung der neuen bun-desrechtlichen Bestimmung ist also, was die Zuständigkeit betrifft, gering (zu den Auswir-kungen dieser Bestimmung auf die Fallzusammensetzung und Verbuchung von Auslagen und Einnahmen vgl. Kapitel 6.2.01 und Kapitel 18.1.03 sowie Merkblatt der SKOS zu den Auswirkungen des revidierten Rechts zum Kindesunterhalt auf die Sozialhilfe vom 12. De-zember 2016).

2.Der eigene Wohnsitz

Abgesehen vom eigenen Unterstützungswohnsitz nach Art. 7 Abs. 2 ZUG kennen sowohl das ZUG als auch das SHG vier (weitere) Fälle, in denen minderjährige Kinder einen eige-nen Unterstützungswohnsitz haben. 2.1. Der Unterstützungswohnsitz bevormundeter Kinder Ist das Kind bevormundet, befindet sich sein Unterstützungswohnsitz am Sitz der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB), unter deren Vormundschaft es steht (Art. 7 Abs. 3 lit. a ZUG). Im Kanton Zürich ist die KESB eine interkommunale Behörde, die ihren Sitz in ei-ner Gemeinde ihres aus mehreren politischen Gemeinden zusammengesetzten Zuständig-keitsgebiets hat (vgl. § 2 EG KESR), wobei entweder die Sitzgemeinde im Auftrag der Ge-meinden des Zuständigkeitsgebietes die KESB betreibt oder dafür von den Gemeinden eines Zuständigkeitsgebietes ein Zweckverband gegründet wurde Dieser rein organisatorisch be-gründete Sitz (vgl. § 3 Abs. 2 lit. b EG KESR) ist massgebend für die Bestimmung der örtli-chen Zuständigkeit der KESB nach Art. 442 ZGB. Da es jedoch nicht Sinn dieser Bestim-mung ist, bevormundeten Minderjährigen einen Wohnsitz in einer Gemeinde zuzuweisen, zu der sie in keiner eigentlichen Beziehung stehen, legt § 41 Abs. 1 EG KESR fest, dass sich in Fällen von Art. 25 Abs. 2 ZGB, wonach sich der Wohnsitz eines bevormundeten Kindes am Sitz der Kindesschutzbehörde befindet, als Sitz der KESB die Gemeinde gilt, in der das be-treffende Kind bei Beginn der Rechtshängigkeit des Verfahrens vor der KESB Wohnsitz hat. Verlegt das Kind während der Rechtshängigkeit des Verfahrens oder nach dessen rechts-

kräftiger Erledigung seinen Lebensmittelpunkt in eine andere Gemeinde desselben Kindes- und Erwachsenenschutzkreises, gilt fortan diese Gemeinde als Sitz der KESB. Entsprechend bestimmt denn auch § 37 Abs. 3 lit. a SHG, dass ein bevormundetes Kind einen eigenen Un-terstützungswohnsitz am Sitz der KESB gemäss § 41 EG KESR hat. Mit der Bevormundung geht also der bisherige Unterstützungswohnsitz des Kindes unter und es erwirbt einen neuen Wohnsitz am Sitz der zuständigen KESB gemäss § 41 EG KESR. Wird die Vormundschaft an einen anderen Ort zur Weiterführung übertragen, geht auch der Unterstützungswohnsitz des Kindes an den neuen Ort über, wobei wiederum die Regelung von § 41 Abs. 1 EG KESR zur Anwendung gelangt, d.h. sein Wohnsitz befindet sich in derje-nigen Gemeinde des Kindes- und Erwachsenenschutzkreises, in der es wohnt. Bei einer Übertragung der Vormundschaft wechselt der Unterstützungswohnsitz mit dem Übernahme-entscheid durch die neu zuständige KESB. Der Unterstützungswohnsitz am Sitz der KESB wird nur im Falle einer eigentlichen Bevor-mundung begründet. Andere Kindesschutzmassnahmen wie z.B. eine Aufhebung des Auf-enthaltsbestimmungsrechts (Art. 310 ZGB) bewirken nicht die Begründung eines Unterstüt-zungswohnsitzes am Sitz jener KESB, welche die Massnahmen anordnet (vgl. nachstehend Ziffer 2.3). 2.2. Der Unterstützungswohnsitz wirtschaftlich selbständiger Kinder Das Kind, das erwerbstätig und in der Lage ist, für seinen Lebensunterhalt selber aufzukom-men, gilt unterstützungswohnsitzrechtlich als erwachsen. Es hat einen eigenen Unterstüt-zungswohnsitz an dem Ort, an dem es sich mit der Absicht des dauernden Verbleibens auf-hält (Art. 4 ZUG, § 34 SHG, vgl. Kapitel 3.2.01). Ein Kind erfüllt diese Voraussetzungen, wenn es wirtschaftlich selbständig und höchstens für ausserordentliche Auslagen (z.B. Woh-nungseinrichtung) auf die Hilfe der Eltern angewiesen ist. Das gilt auch für bevormundete Kinder: Sind sie wirtschaftlich selbständig im Sinne von Art. 7 Abs. 3 lit. b ZUG bzw. § 37 Abs. 3 lit. b SHG, geht dieser Unterstützungswohnsitz demjenigen von Art. 7 Abs. 3 lit. a ZUG bzw. § 37 Abs. 3 lit. a SHG vor. Nicht als erwerbstätig gelten Auszubildende, selbst wenn sie ihren Lebensunterhalt mit ihrem Lehrlingslohn finanzieren könnten. Dies, weil die Lehre der Ausbildung und nicht dem Erwerb des Lebensunterhalts dient. Ebenso wenig gelten Kinder mit einer körperlichen oder geisti-gen Behinderung, die in einer geschützten Werkstatt arbeiten, und sich mit ihrem Lohn und allfälligen Sozialversicherungsleistungen grundsätzlich selber finanzieren können, als er-werbstätig, wenn die Werkstätte nur dank den Betriebsbeiträgen, die sie erhält, einen ausrei-chenden Lohn ausrichten kann und dieser nicht den beschränkten Arbeitsleistungen der Kin-der mit einer Behinderung entspricht. 2.3. Der Unterstützungswohnsitz von dauernd nicht mit den Eltern zusammenlebenden Kindern Minderjährige, unter elterlicher Sorge stehende und wirtschaftlich nicht selbständige Kinder haben einen eigenen Unterstützungswohnsitz am Ort, wo sie zuletzt mit den sorgeberechtig-

ten Eltern oder dem sorgeberechtigten Elternteil zusammengelebt haben (vgl. vorstehend Ziffer 1), wenn sie dauernd nicht bei diesen bzw. diesem leben (Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG, § 37 Abs. 3 lit. c SHG). Auch ein eigener Unterstützungswohnsitz nach Art. 7 Abs. 2 ZUG wird durch den eigenen Unterstützungswohnsitz nach Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG abgelöst, wenn das Kind auf Dauer ausserhäuslich untergebracht ist. Erfasst werden sowohl freiwillige als auch behördliche Platzierungen; eine Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist nicht Voraussetzung für die Begründung eines eigenen Unterstützungswohnsitzes nach Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG bzw. § 37 Abs. 3 lit. c SHG. Ent-scheidend für die Anwendung dieser Bestimmung ist die Frage, ob der Fremdaufenthalt des Kindes von Dauer oder bloss vorübergehender Natur ist: Erfolgt eine Fremdplatzierung auf unbestimmte Zeit oder für mehr als sechs Monate, so kann in der Regel von ihrer Dauerhaftigkeit ausgegangen werden. Indizien für die Art der Fremdplatzierung ergeben sich auch aus dem Zweck des Aufenthaltes. Therapeutische oder der Abklärung dienende Massnahmen, bei welchen es nicht um die Suche nach einer geeig-neten Anschlussinstitution geht, sprechen gegen, Massnahmen zum Schutz des Kindes sprechen für eine dauernde Fremdplatzierung. Eine dauernde Fremdplatzierung liegt insbesondere dann vor, wenn ein Kind wegen persön-lichen, schulischen und/oder familiären Problemen einer speziellen Betreuung bedarf, die bei einem Verbleib bei den Eltern bzw. dem Elternteil nicht sichergestellt werden kann. Ein zent-raler Zweck von Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG bzw. § 37 Abs. 3 lit. c SHG ist die Schaffung einer klaren Regelung für jene Fälle, in denen die Eltern den Wohnort nach der dauernden Fremdplatzierung des minderjährigen Kindes wechseln. Würde in solchen Fällen der jeweili-ge Aufenthaltsort des Kindes als Unterstützungswohnsitz angenommen, so käme es sicher-lich zu Streitigkeiten um die Zuständigkeit. Ausserdem liegt es im Interesse des Kindes, ihm rasch und eindeutig einen Unterstützungswohnsitz zuweisen zu können. Wie bei Erwachse-nen (vgl. Kapitel 3.2.01 betreffend Heimaufenthalt) auch gilt es überdies die Standortge-meinden von sozialpädagogischen Einrichtungen, Pflegefamilien etc. zu schützen. Die Not-wendigkeit einer raschen und eindeutigen Festlegung der Unterstützungszuständigkeit ergibt sich aber nicht nur bei Kindern, die wegen einer Gefährdungssituation mittels einer behördli-chen Intervention aus der Familie genommen werden müssen, sondern bei allen Kindern, die - aus welchen Gründen auch immer - dauernd nicht mit den Eltern bzw. dem sorgeberechtig-ten Elternteil zusammenleben. Eine dauernde Fremdplatzierung liegt auch vor, wenn das Kind beim Elternteil lebt, der nicht über die elterliche Sorge verfügt. Ein gestützt auf § 37 Abs. 3 lit. c SHG begründeter Unterstützungswohnsitz bleibt während der ganzen Dauer der Trennung von den Eltern bzw. dem sorgeberechtigten Elternteil be-stehen, unabhängig von allfälligen späteren Wohnortswechseln der Eltern bzw. des betref-fenden Elternteils oder von Umplatzierungen des Kindes, die ohne massgebliche Unterbre-chung erfolgen. Steht fest, dass das Kind auf Dauer fremdplatziert werden soll, bestimmt sich sein Unterstützungswohnsitz auch dann nach Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG bzw. § 37 Abs. 3 lit. c SHG, wenn es zunächst bloss für eine begrenzte Zeit an einem bestimmten Ort unter-gebracht wird und anschliessend eine Umplatzierung erfolgt. Denn gerade in Situationen, die ein schnelles Handeln erfordern, bleibt oft nicht genügend Zeit, um die für das Kind am bes-ten geeignete Unterbringungsform zu finden und es von Anfang an dort zu platzieren.

Zur vorübergehenden Fremdplatzierung siehe oben Ziff. 1. 2.4. Auffangtatbestand - der Unterstützungswohnsitz am Aufenthaltsort In den übrigen Fällen hat das Kind einen eigenen Unterstützungswohnsitz an seinem Auf-enthaltsort (Art. 7 Abs. 3 lit. d ZUG, § 37 Abs. 3 lit. d SHG). Bei dieser Bestimmung handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der nur subsidiär zur Anwendung gelangt. Damit wird sichergestellt, dass in allen Fällen ein Unterstützungswohnsitz des minderjährigen Kindes festgelegt werden kann. Am Aufenthaltsort hat ein Kind z.B. seinen Unterstützungswohnsitz, wenn die im Ausland lebenden Schweizer Eltern ihr Kind bei Verwandten in der Schweiz un-terbringen oder wenn der Aufenthaltsort des über die alleinige elterliche Sorge verfügenden oder des verwitweten Elternteils unbekannt ist. Zu beachten ist, dass sich die Unterstützungszuständigkeit nicht ändert, wenn das Kind aus-serhalb der gestützt auf Art. 7 Abs. 3 lit. d ZUG bzw. § 37 Abs. 3 lit. d SHG für die Unterstüt-zung zuständigen Aufenthaltsgemeinde in eine Pflegefamilie oder ein Heim platziert wird. Wäre dies der Fall, könnte sich die zuständige Aufenthaltsgemeinde mit einem solchen Vor-gehen ihrer Unterstützungszuständigkeit entledigen, was dem Sinn und Zweck der sozialhil-ferechtlichen Zuständigkeitsordnung widersprechen würde. Zudem soll der Unterstützungs-wohnsitz wie bei Volljährigen (vgl. Art. 5 ZUG und Art. 9 Abs. 3 ZUG bzw. § 35 SHG und § 38 Abs. 3 SHG) im Interesse der Standortgemeinden von Heimen und anderen sozialpä-dagogischen Einrichtungen oder von Pflegefamilien möglichst nicht am Standort solcher In-stitutionen bzw. am Wohnort der Pflegefamilie liegen. Dies ist namentlich auch Grund für die Regelung von Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG bzw. § 37 Abs. 3 lit. c SHG ist (vgl. auch Thomet, Kommentar zum Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (ZUG), 2.A., Zürich 1994, N 130). Unter Berücksichtigung des allgemeinen Interesses an ei-nem genügenden Bestand von Heimen, Spitälern und anderen Anstalten ist diesem Schutz ein hoher Stellenwert zuzumessen. Analog zur Regelung von Art. 5 ZUG und Art. 9 Abs. 3 ZUG bzw. § 35 SHG und § 38 Abs. 3 SHG beenden daher Heimplatzierungen und Unter-bringungen in Pflegefamilien (einen nach Art. 7 Abs. 3 lit. d ZUG bzw. § 37 Abs. 3 lit. d SHG begründeten eigenen Unterstützungswohnsitz grundsätzlich nicht. Anders kann der Fall be-urteilt werden, wenn eine Platzierung des Kindes in eine Pflegefamilie freiwillig, selbstbe-stimmt und selbstfinanziert erfolgt, z.B. wenn ein Kind zu Familienangehörigen oder anderem ihm nahestehenden Personen (etwa Gotte oder Götti) zieht und keine Entschädigung für die Betreuung und Erziehung anfällt. Mit Bezug auf Heimplatzierungen entspricht dies im We-sentlichen auch der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum zivilrechtlichen Wohnsitzes eines Kindes (Art. 25 Abs. 1 ZGB): Ein bereits aufgrund einer Anknüpfung an den Aufent-haltsort bestehender eigenständiger Wohnsitz des Kindes wird bei dessen Einweisung in ei-ne Anstalt nach Art. 23 Abs. 1 ZGB (früher Art. 26 ZGB) in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 ZGB perpetuiert. An den Ort eines Anstaltsaufenthalts ist nur dann anzuknüpfen, wenn der aus dem Wohnsitz der Eltern abgeleitete unselbständige Wohnsitz des Kindes während des-sen Anstaltsaufenthalts wegfällt und zur Begründung des ersten eigenständigen Wohnsitzes an den Aufenthaltsort in diesem Zeitpunkt anzuknüpfen ist. Entscheidend ist somit, ob schon vor Eintritt in die Anstalt ein eigenständiger Wohnsitz des Kindes bestanden hatte oder die-ser erst während seines Anstaltsaufenthalts entsteht (BGr, 12. Januar 1998, 5C.274/1997, TVR 1997 Nr. 9 E. 2b; BGE 135 III 49 E. 5.3 und 6.1).

3.Unterstützungswohnsitz bei Eintritt der Volljährigkeit

Nach Eintritt der Volljährigkeit bestimmt sich der Unterstützungswohnsitz des Kindes grund-sätzlich nicht mehr nach Art. 7 ZUG bzw. § 37 SHG. Vielmehr bestimmt sich der Wohnsitz des volljährig gewordenen Kindes nach den Bestimmungen für die Erwachsenen (Art. 4 und 5 ZUG bzw. §§ 34 und 35 SHG, vgl. Kapitel 3.2.01). Dies bedeutet aber nicht, dass der wäh-rend der Minderjährigkeit nach Art. 7 ZUG bzw. § 37 SHG bestimmte Unterstützungswohn-sitz mit dem Eintritt der Volljährigkeit automatisch und in jedem Fall dahin fällt. Lebte eine bis anhin minderjährige Person dauernd von den Eltern getrennt und dauert der (freiwillige oder unfreiwillige) Aufenthalt in einem Heim auch bei Eintritt der Volljährigkeit weiter an, kann Art. 4 Abs. 1 ZUG bzw. § 34 Abs. 1 SHG keine Anwendung finden. In diesem Fall ist nämlich gemäss Art. 5 ZUG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 ZUG bzw. § 35 in Verbindung mit § 38 Abs. 3 SHG sowohl eine Wohnsitzbegründung am Ort des Heimes wie auch eine Beendi-gung des bisherigen Unterstützungswohnsitzes ausgeschlossen. Vielmehr dauert der Wohn-sitz im Sinne von Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG bzw. § 37 Abs. 3 lit. c SHG bis zum Austritt aus dem Heim weiter an (so genannter perpetuierter Wohnsitz). Dies gilt auch in Fällen, in denen ein Kind durch behördliche Veranlassung in einer Pflegefamilie untergebracht wurde, wobei es unerheblich ist, ob die Versorgung förmlich verfügt oder bloss faktisch veranlasst wurde. Einzig in den Fällen, in denen das volljährig gewordene Kind freiwillig in Familienpflege bleibt, keine Notwendigkeit für eine weitere Betreuung besteht, der weitere Verbleib bei den Pflegeeltern nicht auf einem Sonderzweck (wie beispielsweise die Beendigung einer Lehre) beruht und die Absicht des dauernden Verbleibens vorhanden ist, kann an diesem Ort ein Unterstützungswohnsitz nach Art. 4 Abs. 1 ZUG bzw. § 34 Abs. 1 SHG begründet werden.

Rechtsprechung

Urteil des Bundesgerichts 8C.701/2013 vom 14. März 2014: Zum eigenen Unterstützungswohnsitz des dauernd nicht mit den Eltern zusammenlebenden Kindes E.3.2.2.1: (…): Erfasst werden durch Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG freiwillige und behördli-che Fremdplatzierungen ohne Entzug der elterlichen Sorge (Urteil 2A.134/2006 vom 29. Juni 2006 E. 4.3.1; Werner Thomet, Kommentar zum Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger [ZUG], 2. Aufl. 1994, Rz. 125). Als eigener Unterstützungswohn-sitz des minderjährigen Kindes gemäss Art. 7 Abs. 3 lit. c in Verbindung mit Abs. 1 und 2 ZUG gilt der Ort, an dem es unmittelbar vor der Fremdplatzierung gemeinsam mit den Eltern oder einem Elternteil gelebt bzw. Wohnsitz gehabt hat. Der derart definierte Unterstützungs-wohnsitz bleibt künftig für die gesamte Dauer der Fremdplatzierung der gleiche, auch wenn die Eltern oder der sorgeberechtigte Elternteil den Wohnsitz wechseln. Ziel der damaligen, auf 1. Juli 1992 in Kraft getretenen Gesetzesrevision war es, jeder minderjährigen Person rasch und eindeutig einen Unterstützungswohnsitz zuweisen zu können, der bei dauernd Fremdplatzierten im Interesse der Standortgemeinden von Heimen und anderen sozial-pädagogischen Einrichtungen möglichst nicht am Aufenthaltsort sein sollte. Ein eigener Un-terstützungswohnsitz am Aufenthaltsort soll nur bestehen, wenn kein "letzter gemeinsamer Wohnsitz" mit den Eltern oder einem Elternteil vorhanden ist (BGE 139 V 433 E. 3.2.2 mit Hinweisen).

Zur Abgrenzung vorübergehende oder dauernde Fremdplatzierung: E.3.2.2.2: Als lediglich vorübergehend - und damit keinen eigenen Unterstützungswohnsitz des minderjährigen Kin-des nach Art. 7 Abs. 3 lit. c in Verbindung mit Abs. 1 und 2 ZUG begründend - gelten Fremd-aufenthalte in auswärtigen Institutionen, die entweder nur von kurzer Dauer sind oder bei denen ein enger Kontakt zwischen Kindern und Eltern aufrecht erhalten wird und die Absicht besteht, dass die Kinder nach einer bestimmten Zeit wieder zu den Eltern ziehen. Kümmern sich die Eltern hingegen nicht ernstlich um ihre Kinder bzw. nehmen sie ihre elterliche Sorge nicht wahr und erfolgt die Fremdplatzierung auf unbestimmte Zeit oder für mehr als sechs Monate, spricht dies in der Regel für die Dauerhaftigkeit des Fremdaufenthaltes (vgl. Tho-met, a.a.O., Rz. 132). Ob dabei die elterliche Sorge entzogen wird oder entsprechende Be-strebungen bestehen, ist nicht massgeblich. Genauso wenig kommt es auf die tatsächliche Dauer des Fremdaufenthaltes an. Entscheidend ist einzig, ob bei Beginn der Fremdplatzie-rung von Dauerhaftigkeit auszugehen oder nur eine vorübergehende Lösung beabsichtigt war. (…) Andernfalls könnte immer erst nach einer bestimmten Dauer des Fremdaufenthalts darüber entschieden werden, welcher Kanton letztlich die Kosten zu tragen hat, was nicht dem Sinn des Gesetzes entsprechen kann, will dieses doch gerade für klare Verhältnisse bei der interkantonalen Zuständigkeitsausscheidung sorgen (vgl. Art. 1 Abs. 1 ZUG und Bot-schaft des Bundesrates vom 17. November 1976 zu einem Bundesgesetz über die Zustän-digkeit für die Unterstützung Bedürftiger [BBl 1976 III 1193 ff., insb. 1201]; Urteil 2A.134/2006 vom 29. Juni 2006 E. 4.3.1). Vorübergehend nicht bei den Eltern lebt ein Kind beispielsweise im Rahmen von Ferien, Spital- oder Kuraufenthalten, Abklärungen der Invali-denversicherung, für die Dauer der Unpässlichkeit eines Elternteils oder bei auswärtiger Schul- oder Berufsausbildung. Wenn die Eltern ihr gesundheitlich versehrtes Kind selbst in einem Sonderschulheim untergebracht haben, sich regelmässig um es kümmern, das Kind mit allem Nötigen versorgen, es häufig besuchen oder es zu sich auf Besuch und in die Feri-en nehmen, nach Möglichkeit die Schul- und Heimkosten oder wenigstens Beiträge daran di-rekt bezahlen und die Absicht haben, das Kind nach einer bestimmten Zeit bzw. nach Been-digung der Sonderschulbedürftigkeit wieder zu sich zurückzunehmen, lebt das Kind nur vo-rübergehend nicht bei den Eltern. Dies gilt insbesondere beim sog. "Wocheninternat", bei welchem das Kind die Wochenenden regelmässig bei den Eltern verbringt. Anders verhält es sich, wenn die Eltern oder ein Elternteil sich nicht ernstlich um das fremdplatzierte Kind kümmern bzw. die elterliche Sorge faktisch nicht wahrnehmen. (…) Erfolgt eine Fremdplat-zierung demgegenüber auf unbestimmte Zeit oder für mehr als sechs Monate, so kann grundsätzlich von ihrer Dauerhaftigkeit ausgegangen werden. Zudem ist der Zweck des Auf-enthaltes massgebend: Therapeutische und der Abklärung dienende Massnahmen sprechen gegen und Kindesschutzmassnahmen tendenziell für eine dauernde Fremdplatzierung (vgl. Thomet, a.a.O., Rz. 132). VB.2009.00420: Unterstützungswohnsitz eines unmündigen Kindes (örtliche Zuständigkeit): Rechtsgrundlagen betreffend den Unterstützungswohnsitz eines unmündigen Kindes (E. 2.1), das insbesondere dauernd bei keinem der Eltern lebt (E. 2.2-3). In tatsächlicher Hinsicht sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Kind mit dem Abbruch des Auf-enthalts im Internat beabsichtigte, zum Vater zurückzukehren, weshalb die Voraussetzungen von § 37 Abs. 3 lit. c SHG auch nach seinem Austritt aus dem Heim gegeben waren (E. 2.5.1). Ein zentraler Zweck der vorgenannten Bestimmung ist die Schaffung einer klaren Re-gelung für jene Fälle, in denen die Eltern den Wohnort nach der dauernden Fremdplatzie-

rung des unmündigen Kindes wechseln (E. 2.5.2). Würde in den Fällen wie dem vorliegen-den der jeweilige Aufenthaltsort des Kindes gemäss § 37 Abs. 3 lit. d SHG als Unterstüt-zungswohnsitz angenommen, so käme es sicherlich zu Streitigkeiten um die Zuständigkeit (E. 2.5.3). Urteil des Bundesgerichts 2A.253/2003 vom 23. September 2003, E.2.2: Das unmündige Kind teilt, unabhängig von seinem Aufenthaltsort, den Unterstützungswohnsitz der Eltern o-der jenes Elternteils, unter dessen Sorge es steht. Es hat in Ausnahmefällen einen eigenen Unterstützungswohnsitz, so u.a. am Sitz der Vormundschaftbehörde, wenn es unter Vor-mundschaft steht, und am letzten Unterstützungswohnsitz nach Art. 7 Abs. 1 und 2 ZUG, wenn es dauernd nicht bei den Eltern oder einem Elternteil wohnt. E.3.2: Das bedürftige Kind war im massgeblichen Zeitpunkt der Fremdplatzierung nicht bevormundet, sondern unter-stand - selbst während der später errichteten Vertretungsbeistandschaft gemäss Art. 392 Ziff. 2 ZGB - grundsätzlich weiterhin der elterlichen Sorge ihrer Mutter. Damit leitete sich ihr Unterstützungswohnsitz von jenem der Mutter ab. VB.2002.00046: Der Umzug der Eltern in den Kanton Thurgau ändert nichts an der sozialhil-ferechtlichen Zuständigkeit der früheren Zürcher Gemeinde: Das dauernd fremdplatzierte Kind hat und behält nämlich den sozialhilferechtlichen Wohnsitz in der Gemeinde, wo die El-tern im Zeitpunkt der Fremdplatzierung ihren Unterstützungswohnsitz hatten. Dass das Kind die Wochenenden regelmässig zu Hause verbringt, vermag daran nichts zu ändern, handelt es sich doch bei dem noch wirksamen Obhutsentzug um eine gegen den Willen der Eltern angeordnete Kindesschutzmassnahme gemäss Art. 310 Abs. 1 ZGB. Der Unterstützungs-wohnsitz bleibt solange in der Zürcher Gemeinde wie der Obhutsentzug bzw. die gestützt da-rauf vorgenommene Fremdplatzierung des Kinds andauert (E.4).

Praxishilfen

Anhänge

- Entscheid EJPD 17.11.20 U4-0420325_umstrittener Unterbruch der Fremdplatzierung, wi-derrechtlicher Aufenthalt bei der Mutter - Entscheid EJPD 08.03.2005 U4-0460250__umstrittener Unterbruch der Fremdplatzierung - Entscheid EJPD 15.09.2003 C2-0260536_Richtigstellung, UWS Kind, perpetuierter Wohn-sitz, - Entscheid EJPD 25.10.2006 U4-0460894_Richtigstellung, perpetuierter Wohnsitz

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Kontakt

Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe

E-Mail

sozialhilfe@sa.zh.ch

Für Fragen zur Interinstitutionellen Zusammenarbeit: iiz@sa.zh.ch


Für dieses Thema zuständig: