Anspruch des Aufenthaltskantons

Kapitelnr.
18.2.01.
Publikationsdatum
6. Januar 2021
Kapitel
18 Kostenersatzpflicht
Unterkapitel
18.2. Weiterverrechnung nach ZUG

Rechtsgrundlagen

Erläuterungen

1.Grundsätzliches

Beim Kostenersatzanspruch des Aufenthaltskantons sind zwei verschiedene Ansprüche zu unterscheiden, nämlich

  • der Anspruch des Aufenthaltskantons gegenüber dem Wohnkanton der bedürftigen Person (Art. 14 ZUG, Art. 23 ZUG) und
  • der Anspruch des Aufenthaltskantons gegenüber dem nach Art. 11 ZUG massgeblichen Aufenthaltskanton.

2.Anspruch des Aufenthaltskantons gegenüber dem Wohnkanton

2.1.Notfallunterstützung

Ist eine Person ausserhalb ihres Wohnkantons auf sofortige Hilfe angewiesen, so muss der Aufenthaltskanton (bzw. innerkantonal die Aufenthaltsgemeinde) ihr diese leisten (Art. 13 ZUG, Art. 20 Abs. 2 ZUG; vgl. Kapitel 3.1.02, Ziff. 4, und Kapitel 3.1.03, Ziff. 4).

Nach Art. 14 Abs. 1 ZUG und Art. 23 Abs. 1 ZUG vergütet der Wohnkanton dem Aufenthaltskanton, der eine bedürftige Person im Notfall unterstützt, die Kosten der notwendigen und der in seinem Auftrag ausgerichteten weiteren Unterstützung sowie die Kosten der Rückkehr des Unterstützten an seinen Wohnort.

Art. 14 ZUG bzw. Art. 23 ZUG regeln den Kostenersatz für die klassische Notfallhilfe. Der Aufenthaltskanton darf grundsätzlich nur Notfallhilfe leisten, d.h. die Hilfe muss sachlich und zeitlich dringend sein (vgl. dazu Kapitel 5.3.02). Weitergehende Hilfe darf er nur leisten, wenn er vom Wohnkanton dazu beauftragt worden ist. Da für die Unterstützung Bedürftiger grundsätzlich der Wohnkanton zuständig ist, kann der Aufenthaltskanton die geleistete Sozialhilfe vom Wohnkanton zurückverlangen (vgl. zur Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs Kapitel 18.2.03).

2.2.Einstweilige Unterstützung bei umstrittenem Unterstützungswohnsitz

Wie in Kapitel 3.3.03 dargelegt, kann es zwischen den Kantonen zu Streitigkeiten über die Zuständigkeit für die Unterstützung kommen. Ist umstritten, welche Gemeinde der Unterstützungswohnsitz einer Person ist, hat der Kanton, in welchem sich die auf Hilfe angewiesene Person aufhält, einstweilen (d.h. ohne Anerkennung einer Rechtspflicht) die wirtschaftliche Hilfe auszurichten. Im Kanton Zürich ist hierfür grundsätzlich die Aufenthaltsgemeinde zuständig. Im Unterschied zur eigentlichen Notfallunterstützung geht es in solchen Fällen nicht um eine sachlich und zeitlich dringende Hilfe in einer Notlage, sondern um die Ausrichtung von ordentlicher Sozialhilfe.

Das ZUG sieht weder ein spezielles Verfahren zur Klärung der Zuständigkeit noch eine ausdrückliche Regelung des Kostenersatzes in solchen Fällen vor. Wenn sich jedoch der eigentliche Unterstützungswohnsitz einer bedürftigen Person weigert, diese zu unterstützen, weil der betreffende Kanton von einem Wegzug und einer Unterstützungswohnsitzbegründung im aktuellen Aufenthaltskanton ausgeht, würde die Zuständigkeitsordnung der ZUG unterlaufen, wenn man dem für den Unterstützungswohnsitz einspringenden Aufenthaltskanton einen Kostenersatz verweigern würde. Insofern erweist sich die Regelung betreffend die Kostenersatzpflicht als unvollständig und daher ergänzungsbedürftig. Diese Lücke ist so zu füllen, dass dem Aufenthaltskanton (in sinngemässer Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ZUG bzw. Art. 23 Abs. 1 ZUG) die Kosten für die ausgerichteten Sozialhilfeleistungen zu erstatten sind, wenn sich herausstellt, dass er tatsächlich nicht der Wohnkanton der bedürftigen Person ist.

Bei umstrittenem Unterstützungswohnsitz hat also die Zürcher Aufenthaltsgemeinde die bedürftige Person einstweilen zu unterstützen und zur Geltendmachung des Kostenersatzes und damit verbunden zur Klärung der Zuständigkeit eine Unterstützungsanzeige (vgl. dazu Kapitel 18.2.03) bei der nach Art. 29 ZUG zuständigen kantonalen Stelle, also im Kanton Zürich beim Kantonalen Sozialamt, einzureichen. Gegen die Unterstützungsanzeige kann dann der vermeintliche Wohnkanton Einsprache nach Art. 33 ZUG erheben und damit die Frage der Unterstützungszuständigkeit zum Gegenstand des Einspracheverfahrens machen (vgl. dazu auch Kapitel 3.3.03 und Kapitel 18.2.03).

3.Anspruch des Aufenthaltskantons gegenüber dem nach Art. 11 ZUG massgeblichen Aufenthaltskanton

Verfügt eine bedürftige Person in der Schweiz über keinen Unterstützungswohnsitz, obliegt die Zuständigkeit für Hilfeleistung dem Aufenthaltskanton bzw. der Aufenthaltsgemeinde.

Gegenstand der auszurichtenden Hilfe können je nach Status der betroffenen Person ordentliche Sozialhilfeleistungen nach SKOS-Richtlinien oder Notfallhilfeleistungen sein. Personen, die dauernd in der Schweiz leben und hier auch über eine Anwesenheitsberechtigung verfügen, haben Anspruch auf normale Sozialhilfeleistungen, auch wenn sie keinen festen Wohnsitz haben. Personen hingegen, die sich nur vorübergehend in der Schweiz aufhalten oder hier über keine Anwesenheitsberechtigung verfügen, haben nur Anspruch Notfallhilfe.

Wie in Kapitel 3.2.02 ausgeführt, schliesst die Funktion des Aufenthaltsortes, das unterstützungspflichtige Gemeinwesen zu bestimmen, die Annahme mehrerer konkurrierender unterstützungsbegründender Aufenthalte aus. Bestehen in einem gleichen Zeitraum mehrere Aufenthaltsorte nebeneinander, muss an jenem Ort die Unterstützung geleistet werden, zu welchem die engste Beziehung besteht, und an welchen die betroffene Person immer wieder zurückkehrt. In solchen Situationen kann es vorkommen, dass sich die verschiedenen Aufenthaltsorte uneins sind, welcher Ort der im Sinne von Art. 11 ZUG massgebliche Aufenthaltsort und damit unterstützungszuständig ist. Auch hier gilt, dass sich negative Kompetenzkonflikte nicht zulasten einer hilfebedürften Person auswirken dürfen. Eine der Aufenthaltsgemeinden hat deshalb die Unterstützung einstweilen aufzunehmen, auch wenn die Zuständigkeit noch nicht geklärt ist.

Wann und ob ein die Unterstützungszuständigkeit ändernder Aufenthaltswechsel vorliegt, regelt das ZUG (abgesehen vom hier nicht massgebenden Art. 11 Abs. 2 ZUG) nicht. Auch regelt das ZUG nicht, wie vorzugehen ist, wenn der nach Art. 11 ZUG massgebliche Aufenthaltskanton seine Unterstützungszuständigkeit verneint und stattdessen der aktuelle, aber an sich nicht hilfepflichtige Aufenthaltskanton die Unterstützung ausrichtet. Insofern liegt eine Gesetzeslücke vor.

Wie bei Fällen, in denen der Unterstützungswohnsitz umstritten ist (vgl. vorstehend Ziff. 2.2), ist auch hier dem die Hilfe einstweilen ausrichtenden Aufenthaltskanton einen Kostenersatzanspruch zuzuerkennen, wenn sich herausstellt, dass die Zuständigkeit zur Unterstützung der betreffenden Person bei einem anderen Kanton liegt.

Zur Geltendmachung des Kostenersatzes und damit verbunden zur Klärung der Zuständigkeit ist eine Unterstützungsanzeige (vgl. dazu Kapitel 18.2.03) bei der nach Art. 29 ZUG zuständigen kantonalen Stelle, also im Kanton Zürich beim Kantonalen Sozialamt, einzureichen. Gegen die Unterstützungsanzeige kann dann der nach Art. 11 ZUG vermeintlich zuständige Aufenthaltskanton Einsprache nach Art. 33 ZUG erheben und damit die Frage der Unterstützungszuständigkeit zum Gegenstand des Einspracheverfahrens machen (vgl. dazu auch Kapitel 3.3.03 und Kapitel 18.2.03).

Rechtsprechung

Anspruch des Aufenthaltskantons gegenüber dem Wohnkanton:

VB.2010.00343: Vergütungspflicht des Kantons Bern für Kosten eines Notfalltransports im Kanton Zürich. Eine in Bern wohnende Frau musste während ihres Aufenthalts in Zürich notfallmässig hospitalisiert werden, was Sanitätstransportkosten in der Höhe von Fr. 592.50 verursachte. Nachdem der Sanitätsdienst vergeblich versucht hatte, die Transportkosten bei der Patientin erhältlich zu machen, ersuchte er das Sozialamt des Kantons Zürich um Kostenübernahme. Dieses wiederum ersuchte den Kanton Bern um Kostenvergütung. Vor Verwaltungsgericht wehrt sich der Kanton Bern gegen die Kostenübernahme mit der Begründung, die Patientin habe zum Zeitpunkt des Notfalltransports keine Sozialhilfe bezogen. Eine Vergütungspflicht des Kantons Bern gegenüber dem Kanton Zürich setzt voraus, dass die in Bern wohnhafte Patientin die Kosten für den Notfalltransport in Zürich nicht selber - mit oder ohne Versicherungsdeckung - begleichen kann (Subsidiaritätsprinzip; E. 4.1). Im vorliegenden Fall ist die Bedürftigkeit der Patientin zu bejahen: Die Inkassobemühungen des Sanitätsdienstes bei der Patientin führten zur Ausstellung eines Verlustscheins, und die Zürcher Behörden waren nicht dazu verpflichtet, im Kanton Bern weitergehende Abklärungen vorzunehmen bzw. sämtliche denkbaren Ansprüche der Patientin gegen Dritte zu prüfen (E. 4.4). Abweisung der Beschwerde (E. 5). Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid wurde mit Urteil des Bundesgerichtes vom 30. März 2011 abgewiesen.

Anspruch des Aufenthaltskantons gegenüber dem nach Art. 11 ZUG massgeblichen Aufenthaltskanton:

VB.2008.00291: Rechtsgrundlagen der Unterstützungspflicht für Ausländer (E. 2.1). Definition des Aufenthalts nach dem Zuständigkeitsgesetz (ZUG; E. 2.2). Wann ein die kantonale Unterstützungszuständigkeit ändernder Aufenthaltswechsel vorliegt, regelt das ZUG nicht; ein solcher ist bei Ausländern ohne Wohnsitz in der Schweiz zurückhaltend anzunehmen (E. 2.3). A wollte im Kanton X Wohnsitz nehmen, doch konnte er sich in der Unterkunft der Heilsarmee nicht polizeilich anmelden. Er hätte sich somit auf einen Unterstützungswohnsitz berufen können und war als EU-Bürger berechtigt, sich in der Schweiz niederzulassen oder mindestens aufzuhalten (E. 4.1.1+2). Es ist fraglich, ob er die Heilsarmeeunterkunft freiwillig verliess (E. 4.2). Er verfügt über eine engere Beziehung zum Kanton X und hielt sich dort über zwei Monate tatsächlich auf, so dass er dort seinen Aufenthalt begründete (E. 4.2.2). Als er im Hauptbahnhof Zürich aufgegriffen wurde, war er auf dem Weg zum Konsulat; dies und die blosse Leistung der Nothilfe durch den Kanton Zürich führten nicht zu einem Wechsel des Aufenthaltskantons. Deshalb bleibt der Beschwerdeführer als sein Aufenthaltskanton unterstützungspflichtig (E. 4.3.2+3). Abweisung der Beschwerde. Der Kanton X wurde damit zum Ersatz der vom Kanton Zürich geleisteten Notfallhilfe verpflichtet. Dieses Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich wurde bestätigt mit Urteil des Bundesgerichts vom 25. Februar 2009, 8C_852/2008.

Urteil des Bundesgerichts vom 27. Oktober 2000, 2A.55/2000: Eine unpräjudizielle Hilfeleistung zur Vermeidung eines verpönten, weil zulasten des Hilfebedürftigen gehenden negativen Kompetenzkonfliktes entspricht Sinn und Geist des Zuständigkeitsgesetzes. Aus einer solchen Hilfeleistung darf deshalb keine Verwirkung des Rückerstattungsanspruches abgeleitet werden (E. 4b). Wenn ein hilfsbedürftiger Ausländer, der in der Schweiz keinen Wohnsitz hat, seinen bisherigen Aufenthaltsort aufgibt, sind - vorbehältlich allfälliger Rückgriffsrechte nach Art. 23 Abs. 2 ZUG - die Fürsorgekosten vom neuen Aufenthaltsort zu tragen. Wann und ob in einem solchen Fall ein die kantonale Unterstützungszuständigkeit ändernder Aufenthaltsortwechsel vorliegt, regelt das Zuständigkeitsgesetz, ausser in Art. 11 Abs. 2 ZUG, der jedoch eine eigentliche ärztliche oder behördliche Zuweisung voraussetzt, nicht. Insofern liegt eine Gesetzeslücke vor. Gemäss Botschaft des Bundesrates vom 17. November 1976 (BBl 1976 III S. 1193 ff., S. 1199) kann ein Bedürftiger nicht unter allen Umständen an jedem beliebigen Ort der Schweiz, wo er sich gerade aufhält - und sei es auch nur vor­übergehend oder sogar auf der Durchreise - Unterstützung verlangen. Weder die Verfassung (vgl. nun Art. 115 BV) noch Art. 12 Abs. 2 ZUG wollen dem Bettel von Ort zu Ort Vorschub leisten (vgl. Thomet, a.a.O., N 182 S. 122). Eine Änderung der kantonalen Fürsorgezuständigkeit bei einem in der Schweiz nicht ansässigen Ausländer, der vom Aufenthaltskanton unterstützt werden muss, ist deshalb zurückhaltend anzunehmen (E. 5a).

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