Standpunkt zum Pilotversuch «Dynamisches Electronic Monitoring»
Femizide verhindern – dafür braucht es uns alle
Von Regierungsrätin Jacqueline Fehr und Regierungsrat Mario Fehr
Femizide sind erschütternd, bestürzend – und machen uns tief betroffen. Sie sind eine entsetzliche Realität in unserem Land – eine Realität, mit der wir uns nicht abfinden dürfen und nicht abfinden wollen. Darum wollen wir hier und heute in aller Deutlichkeit festhalten: Wir müssen in der Schweiz unsere Anstrengungen noch weiter intensivieren.
Die Schweiz kann sich dabei auch auf die Grundlagen, die im Kanton Zürich bereits bestehen, abstützen: Im Kanton Zürich haben wir ein Bedrohungsmanagement aufgebaut, das funktioniert. Wir haben Polizistinnen und Polizisten, die speziell ausgebildet sind für die höchst anspruchsvollen und gefährlichen Einsätze bei häuslicher Gewalt. Wir haben die Beiträge an die Frauenhäuser im Kanton stark erhöht, die Opferhilfe ausgebaut, die rechtsmedizinische Betreuung neu aufgestellt und vieles mehr, um dieses zentrale Angebot an Schutz suchende Frauen und Kinder zu sichern.
Das sind alles wichtige, unverzichtbare Schritte – aber es braucht mehr, wenn wir landesweit wirkungsvoll gegen Femizide vorgehen wollen.
Das hat jüngst auch der Europarat in aller Klarheit festgehalten. Es fehle in der Schweiz bei der Femizid-Bekämpfung ein nationaler Ansatz, es mangle an der Finanzierung, und der Zugang zu den Schutzangeboten variiere von Kanton zu Kanton. Hinzu kämen eine ungenügende Datenbasis und unzureichende Ressourcen bei den Fachstellen.
Tatsächlich braucht es bei der Femizid-Bekämpfung einen föderalen Ruck. Alle Kantone müssen dieses Thema stark gewichten. Denn nur gemeinsam erzielen wir eine nachhaltige Wirkung.
Spanien hat vorgemacht, dass sich Erfolg einstellt, wenn alle Involvierten entschlossen und koordiniert vorgehen. Pro Kopf der Bevölkerung gibt es in Spanien gerade mal einen Fünftel so viele Frauenmorde wie in der Schweiz.
Was konkret macht Spanien also anders als die Schweiz? Spanien versteht geschlechtsspezifische Gewalt als Herausforderung, welche die gesamte Gesellschaft angeht – also nicht «nur» eine bestimmte Bevölkerungsgruppe und auch nicht «nur» Einzelpersonen in einer psychischen Krise. Es ist ein entscheidender Unterschied, ob man ein Problem «bei den anderen» verortet und sich selber folglich als nicht-betroffen versteht – oder ob man ein Bewusstsein dafür schafft, dass die Herausforderung alle betrifft. Spanien hat letzteres erreicht – und so die Grundlage geschaffen für ein ganzes Paket von Massnahmen: Spanien investiert massiv in die Prävention, betreibt zahlreiche Beratungsstellen, setzt die Sicherheitskräfte national koordiniert ein und hat den Schutz von Frauen als nationale Priorität definiert.
Zu diesen Massnahmen gehört auch der landesweite Einsatz von dynamischem Electronic Monitoring. Dieser Einsatz bewährt sich in Spanien und erzielt gute Resultate. Deshalb war eine Delegation aus der Schweiz auch dort, um sich das dynamische Electronic Monitoring in der Praxis vorführen zu lassen.
In der Folge haben wir im Kanton Zürich unter der Leitung der Justizdirektion einen Pilotversuch mit dynamischem Electronic Monitoring bei Hochrisikofällen durchgeführt. Dieser ist abgeschlossen und ausgewertet – und hat uns hilfreiche Erkenntnisse ermöglicht.
Die wichtigste ist: Die dynamische Überwachung kann Frauen besser schützen – doch ebenso klar zeigte sich: Dieses Instrument entfaltet seine Wirkung nur dann nachhaltig, wenn wir es über die Kantonsgrenzen hinaus koordiniert einsetzen. Der Schutz von Frauen darf nicht an der Kantonsgrenze enden. Es ist deshalb nicht sinnvoll, wenn nur Einzelkantone dynamisches Electronic Monitoring betreiben.
Umso mehr begrüssen wir es, dass die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) das Thema aufnimmt. Denn die Unterschiede zwischen den Kantonen sind aktuell zu gross. Es kann nicht sein, dass es vom Wohnort abhängt, wie gut Frauen vor tödlicher Gewalt geschützt sind. Wir brauchen Mindeststandards wie im Kanton Zürich – bei der Zahl der Plätze in Frauenhäusern ebenso wie bei Qualität und Verfügbarkeit von Beratungsdienstleistungen. Aktuell stellen einige Kantone schlicht zu wenig Schutzplätze zur Verfügung. Das hat direkte Folgen: Im Kanton Zürich sind die Plätze in den Frauenhäusern in der Regel zu rund 40 Prozent von ausserkantonalen Schutzsuchenden belegt.
Geld allein löst das Problem nicht – aber ohne mehr Geld wird es nicht gehen. Wir brauchen eine substanzielle, verlässliche Finanzierung für ein ausreichendes Angebot an Schutzunterkünften, Beratungsstellen und spezialisierten Dienstleistungen. Deshalb braucht es den politischen Willen, dass wir hier Prioritäten setzen.
Und generell gilt: Jeder Schritt, der die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern mindert – sei es beim Lohn, bei den Karrierechancen oder im Alltag –, wirkt letztlich auch der Gewalt entgegen.
Femizide sind keine schicksalhaften Ereignisse, sie sind verhinderbar: mit klaren Prioritäten, politischem Willen bei allen Akteurinnen und Akteuren sowie einem breiten Schulterschluss aller staatlichen Ebenen. Genau diesen Weg müssen wir auch in der Schweiz einschlagen.