Zürcher Justiz soll kinderfreundlicher werden

Kinder und Jugendliche, die Teil eines Justizverfahrens sind, brauchen eine angemessene, kindgerechte Behandlung. Die Direktion der Justiz und des Innern will diesen Grundsatz in ihren Einheiten berücksichtigen. Direktionsvorsteherin Jacqueline Fehr hat deshalb einen Bericht in Auftrag gegeben, den sie heute vorgestellt hat. Mit verschiedenen Massnahmen will die Direktion weitere Fortschritte erzielen. Die Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz wird diese Fortschritte jährlich überprüfen.

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Aufzeichnung der Medienkonferenz vom 20.5.2025
Aufzeichnung der Medienkonferenz in Gebärdensprache vom 20.5.2025

Ein Kind kann mit der Justiz in Berührung kommen, weil es – als Opfer, Täter, Zeuge oder in der Rolle des Angehörigen – Teil eines Strafverfahrens ist, weil die Eltern sich in einem hochstrittigen Scheidungsprozess befinden oder aus anderen Gründen. Wichtig ist in jedem Fall, dass das betroffene Kind die Verfahrensschritte versteht, dass es sich einbringen kann und dass seine Stimme gehört wird.

In der Direktion der Justiz und des Innern laufen deshalb seit 2018 Bestrebungen für eine kinderfreundliche Justiz. Es geht einerseits darum, den Kinderschutz zu verbessern. Gleichzeitig will die Direktion damit die gesellschaftliche Teilhabe fördern. 2021 lancierte Direktionsvorsteherin Jacqueline Fehr daher das Projekt «Child-friendly Justice». Im Rahmen dieses Projekts entstand der Bericht «Kindgerechte Zürcher Justiz im Zuständigkeitsbereich der Direktion der Justiz und des Innern». Die Justizdirektorin hat ihn heute veröffentlicht.

Der Bericht besteht zum einen aus einer Bestandesaufnahme zu den fünf Einheiten, die sich mit Verfahren beschäftigen, an denen Kinder beteiligt sein können: der Staatsanwaltschaft, der Jugendstrafrechtspflege, dem Gemeindeamt, Justizvollzug und Wiedereingliederung sowie der Kantonalen Opferhilfestelle.

Zum anderen formuliert der Bericht Massnahmen, die dazu beitragen können, die Kinderfreundlichkeit der Verfahren zu verbessern. Regierungsrätin Jacqueline Fehr, die den Bericht vor den Medien präsentierte, sagt dazu: «Wir sind in den letzten Jahren Schritt für Schritt weitergekommen, aber wir sind noch nicht am Ziel.» Herausforderungen würden beispielsweise beim Tempo bestehen: Bei Justizverfahren, in die Kinder involviert sind, sei es besonders wichtig, dass sie rasch abliefen, sagte die Regierungsrätin. Anspruchsvoll bleibe auch die Ambition, dass alle Fachleute, die an Verfahren mit Kindern mitarbeiten würden, über spezifische Aus- oder Weiterbildungen verfügten.

Verständliche, altersgerechte Sprache

Der Leiter der Oberjugendanwaltschaft, Roland Zurkirchen, zeigte am Beispiel der Jugendstrafrechtspflege auf, welche Schritte hin zu mehr Kindergerechtigkeit seine Einheit bereits unternommen hat. So legten die Jugendanwältinnen und Jugendanwälte sowohl im schriftlichen Verkehr wie auch im Gespräch mit Kindern und Jugendlichen grossen Wert auf eine verständliche, altersgerechte Sprache.

Auch die sehr gut funktionierende Stelle für Mediation im Jugendstrafverfahren und das Bemühen um spezifische Aus- und Weiterbildungen für Jugendanwältinnen und Jugendanwälte trügen dazu bei, dass die Jugendstrafrechtspflege punkto «Child-friendly Justice» bereits ein gutes Niveau erreicht habe. Mit Verbesserungen beim Verfahrenstempo, einer Stärkung der Mediation und weiteren Efforts im Ausbildungsbereich will Zurkirchen dieses Niveau mittel- und langfristig noch erhöhen.

«Kindgerecht gestaltete Verfahrensschritte und ein sensibles Vorgehen sind für uns Leitprinzipien. Gleichzeitig müssen unsere Untersuchungen rechtlich korrekt ablaufen», sagt Roland Zurkirchen. «Unsere Herausforderung ist es, die Balance zu halten zwischen den Ansprüchen an die rechtliche Belastbarkeit der Verfahren und den besonderen Schutzbedürfnissen junger Menschen.»

Kindgerechtes Feedbacksystem

Über die gesamte Direktion der Justiz und des Innern betrachtet, stehen für Jacqueline Fehr vor allem zwei Massnahmen im Zentrum:

Erstens sollen sich Kinder und Jugendliche bei der Weiterentwicklung von «Child-friendly Justice» einbringen können. Beabsichtigt ist, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen nach Abschluss eines Verfahrens standardmässig Feedback geben können. Die Jugendstrafrechtspflege stellt derzeit Überlegungen zu einem kindgerechten Feedbacksystem an. In einem zweiten Schritt wird sie das System in einem Pilotversuch testen.

Zweitens präsentierte Regierungsrätin Fehr ein Überprüfungsmodell, das die fünf betroffenen Einheiten der Direktion bei ihren Weiterentwicklungsschritten unterstützt. Konkret soll die Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz die Rolle der Reviewerin übernehmen; bei der Stelle ist bezüglich «Child-friendly Justice» grosse Kompetenz und viel Erfahrung versammelt. Die Ombudsstelle wird die fünf Einheiten einmal jährlich reviewen. Die Ergebnisse werden die Einheiten zusammen mit der Direktionsvorsteherin analysieren.

Volkswirtschaftliche Wirkung

Der Einsatz für eine kindgerechte Justiz lohnt sich: Die Geschäftsführerin der Ombudsstelle Kinderrechte, Irène Inderbitzin, verwies auf eine neue Studie (Wirkungsanalyse zur «Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz» unterstreicht umfassenden Nutzen für Kinder, Familien und Gesellschaft | Kinderombudsstelle), welche den monetären Nutzen der Ombudsstelle errechnet hat und damit auch Hinweise darauf gibt, welche volkswirtschaftliche Wirkung eine kinderfreundliche Justiz insgesamt hat. Mit ihrer Beratungs- und Vermittlungstätigkeit im Bereich der Kinderrechte könne die Ombudsstelle pro Fall durchschnittlich 170'000 Franken an potenziellen Kosten vermeiden, so Geschäftsführerin Inderbitzin.

Zudem betont sie mit Blick auf ihre langjährige Erfahrung im Bereich Kinderrechte: «Mir ist noch nie eine Fachperson begegnet, die nicht das Beste für die Kinder wollte. Hingegen geschieht es regelmässig, dass diese Personen nicht wissen, wie ein kindgerechtes Verfahren ablaufen sollte, damit ein Kind sich ernst genommen und nicht ohnmächtig fühlt. Wir wollen mithelfen, dass dieses Wissen wächst und die Verfahren kindgerechter werden.»

Regierungsrätin Jacqueline Fehr bekräftigte abschliessend, dass es Aufgabe des Staates sei, besonders wachsam zu sein, wenn verletzliche Menschen – zum Beispiel Kinder – anspruchsvolle Herausforderungen zu bewältigen hätten. «Ich bin deshalb sehr dankbar für den Weg, den wir bereits zurückgelegt haben. Und ich freue mich darauf, weitere Schritte hin zu einer ›Child-friendly Justice’ zu unternehmen.»
 

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