Fehlende Arbeitskräfte werden die Zürcher Wirtschaft vor Herausforderungen stellen
Medienmitteilung 07.01.2025
Die sich öffnende Arbeitsmarktschere und der Rückgang des Anteils der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung haben starke Auswirkungen auf die Zürcher Wirtschaft und Gesellschaft. Eine neue Studie des Amts für Wirtschaft zeigt mittels verschiedener Szenarien, dass selbst eine hohe Zuwanderung den Effekt der Alterung nicht verhindern kann.
Die Schweiz steht vor tiefgreifenden demografischen Veränderungen: Die Bevölkerung wird zunehmend älter und die Geburtenrate sinkt. Während laut Prognosen ein heute geborenes Kind im Durchschnitt sechs Jahre länger leben wird als seine Eltern und 13 Jahre länger als die Grosseltern, ist die Geburtenrate pro Frau in den letzten 60 Jahren von 2,7 auf 1,3 gesunken.
Das Amt für Wirtschaft hat im neuen «Zürcher Wirtschaftsmonitoring» die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die gesamte Volkswirtschaft im Kanton Zürich beleuchtet. Ein zentrales Phänomen ist die sogenannte «Arbeitsmarktschere»: Das Verhältnis zwischen den potenziellen Ein- und Austritten in den Arbeitsmarkt. Erfasst wird dieses mit der Zahl der 20-Jährigen und der 65-Jährigen. Dabei zeigt sich, dass seit ein paar Jahren mehr Personen altersbedingt den Arbeitsmarkt verlassen, als dass Junge nachrücken. Im Jahr 2029 dürfte die Arbeitsmarktschere am weitesten geöffnet sein: Dann dürfte es im Kanton Zürich rund 16% (2'700 Personen) mehr 65-Jährige als 20-Jährige geben, wobei die Differenz schweizweit mit rund 30% noch viel grösser ist. Danach dürfte sich die Arbeitsmarktschere wieder schliessen, aber nur für eine kurze Zeit. Wie die Studie zeigt, ist als Folge der stark gesunkenen Geburtenrate in den letzten zwei bis drei Jahren in den 2040er Jahren mit einer noch grösseren Differenz zwischen Ein- und Austritten zu rechnen – im Kanton Zürich 18% bzw. 2'900 Personen.
Kanton Zürich steht etwas besser da als Gesamtschweiz
Zentral ist zudem die Entwicklung der gesamten Erwerbsbevölkerung, denn Bewegung gibt es auch innerhalb der Gruppe der 20-64-Jährigen, etwa durch Zu- oder Abwanderung. Gemäss Bevölkerungsprognosen des Statistischen Amts dürfte der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter von 63% im Jahr 2023 auf 59% im Jahr 2050 abnehmen. Das heisst: Ein immer kleinerer Anteil der Zürcher Bevölkerung erarbeitet die Produkte und Dienstleistungen, sprich die Wertschöpfung. Auch hier steht der Kanton Zürich besser da: Schweizweit ist ein Rückgang von 61% auf 55% zu erwarten. «Die Bevölkerungsstruktur im Kanton Zürich ist etwas jünger als in der Gesamtschweiz. Es ist die Attraktivität des Standorts Zürich als Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsort, der eine relativ junge Bevölkerung aus dem In- und Ausland anzieht», erklärt Luc Zobrist, Leiter Bereich Volkswirtschaft im Amt für Wirtschaft.
Trotz etwas besserer Ausgangslage wird der Kanton Zürich mit grossen Herausforderungen konfrontiert, gerade was den Arbeitsmarkt betrifft. In Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Demografik hat das Amt für Wirtschaft in seiner Studie fünf zusätzliche Szenarien entworfen, um die Entwicklung der Erwerbsbevölkerung und der Arbeitsmarktschere zu prognostizieren. Die Szenarien basieren auf der Annahme einer konstanten Geburtenrate von 1,3 und treffen verschiedene Annahmen zur Migration.
Zuwanderung kann Alterung kaum kompensieren
Die Szenarien zeigen, dass Zuwanderung den Effekt der Alterung schwächt, aber nicht verhindern kann. Damit sich die Arbeitsmarktschere schliessen und das Verhältnis zwischen Erwerbsbevölkerung und Gesamtbevölkerung stabil bleiben würde, bräuchte es jährlich eine doppelt so hohe Zuwanderung wie im Durchschnitt der letzten 10 Jahre, wobei festzuhalten ist, dass das potenzielle Angebot an Arbeitskräften in den Nachbarländern noch stärker schrumpfen wird als in der Schweiz. Umgekehrt würden sich die demografischen Herausforderungen am Arbeitsmarkt ohne Zuwanderung markant verschärfen. Die Differenz zwischen altersbedingten Aus- und Eintritten würde jedes Jahr zunehmen und im Jahr 2050 über 5700 Personen betragen. Insgesamt würden gegenüber heute 83'000 Erwerbspersonen fehlen, um das Verhältnis zwischen Erwerbsbevölkerung und Gesamtbevölkerung auf heutigem Niveau zu halten.
Die sich öffnende Arbeitsmarktschere und das abnehmende Verhältnis zwischen Erwerbs- und Gesamtbevölkerung haben spürbare Auswirkungen auf die Zürcher Wirtschaft und Gesellschaft. Der Arbeitskräftemangel dürfte zunehmen und die Wirtschaftsdynamik nachlassen. Auch die Branchenstruktur dürfte sich verändern, da das Alter von Konsumentinnen und Konsumenten einen Einfluss auf das Nachfrageverhalten hat.
Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh hält fest: «Auch wenn der Kanton Zürich im Vergleich zur Gesamtschweiz etwas besser dasteht, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die mit dem demografischen Wandel verbundenen Herausforderungen gross sind. Eine bessere Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials, steigende Produktivität aufgrund technologischen Fortschritts oder auch die Erhöhung des Pensionsalters könnten den Auswirkungen der Alterung auf die Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten entgegenwirken.»