Kanton Zürich und Katholische Kirche: Austausch zum Stand der Massnahmen gegen Missbrauch

Anlässlich eines Treffens ein Jahr nach Veröffentlichung der Pilotstudie zum sexuellen Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche in der Schweiz haben sich Kanton und Katholische Kirche zum Stand der verschiedenen Massnahmen ausgetauscht. Unter anderem sollen Opferberatung, Meldestellen und die Fallbearbeitung für Betroffene von sexuellem Missbrauch im kirchlichen Umfeld entflochten werden. Weiter sollen Eignungsabklärungen für Priester und andere Seelsorgende künftig gewährleisten, dass nur geeignete Personen in den seelsorglichen Dienst eintreten können.

Regierungsrätin Jacqueline Fehr, Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern, traf sich Mitte September mit Vertretenden des Synodalrats der Römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich, mit dem Bischof von Chur, Joseph Maria Bonnemain, sowie mit Vertretenden der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz. Am Treffen nahmen auch Mitarbeitende der Direktion der Justiz und des Innern teil.

Ein Jahr nach der Publikation der Pilotstudie zum sexuellen Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche in der Schweiz vom September 2023 ging es bei der Besprechung darum, den Arbeitstand der verschiedenen Massnahmen festzuhalten, offene Fragen zu klären und die weiteren Schritte zu planen.

Über den Stand der Umsetzung der einzelnen Massnahmen lässt sich Folgendes sagen:

Entflechtung von Opferberatung, Meldestellen und Fallbearbeitung

Opferhilfe/Opferberatung und kirchliche Meldestrukturen sollen klar voneinander unterschieden und operativ getrennt werden. Die bisherigen kircheninternen Ansprechstellen üben zum Teil zugleich eine Melde- und Interventionsfunktion aus. Die Beteiligten sind sich einig, dass dies in verschiedener Hinsicht unzureichend ist und behoben werden muss.

Um künftig eine unabhängige Opferberatung zu garantieren, standen die kirchlichen Organisationen mit Unterstützung der Leiterin der Kantonalen Opferhilfestelle des Kantons Zürich, Sandra Müller, im Gespräch mit der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren und den Selbsthilfeorganisationen.

Als Ergebnis dieser Gespräche wurde die zukünftige Zusammenarbeit zwischen den Opferberatungsstellen und den kirchlichen Strukturen geklärt. Inzwischen liegt von allen Seiten eine Zustimmung zum geplanten Vorgehen vor.

Bereits heute können sich Betroffene von sexuellem Missbrauch im kirchlichen Umfeld an die anerkannten Opferberatungsstellen wenden. Die neu organisierte Zusammenarbeit startet Anfang 2025. Ab dann werden diese für den kirchenspezifischen Mehraufwand seitens der Kirche mit einer Fallpauschale entschädigt.

Im Kanton Zürich wird die Opferberatung Zürich mit der Aufgabe beauftragt. Sie wird intern einen eigenen Fachbereich aufbauen, um eine professionelle Begleitung von betroffenen Personen gewährleisten zu können.

Damit die Opferberatungsstellen ihre Aufgabe gut wahrnehmen können, schafft die Kirche eine nationale kirchliche Informations- und Koordinationsstelle. Diese stellt den Opferberatungsstellen Informationen und Unterstützung für fallspezifischen Abklärungen zur Verfügung.

Eignungsabklärung für Priester und andere Seelsorgende

Einheitliche Standards sollen künftig gewährleisten, dass nur Personen eine Ausbildung für den seelsorglichen Dienst beginnen beziehungsweise in diesen Dienst eintreten können, die für diese Arbeit geeignet sind, und dass die positiven Ressourcen dieser Personen in der Ausbildung gezielt weiterentwickelt werden können.

Dazu werden einheitliche psychologische Abklärungen für den Ausbildungs- bzw. Berufseinstieg entwickelt, wie man sie auch in anderen Bereichen kennt, beispielsweise bei der Armee.

An diesen standardisierten Assessments arbeiten Prof. Jérôme Endrass, forensischer Psychologe und Leiter Forschung & Entwicklung bei Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kanton Zürichs, und sein Team mit.

Mit den Assessments bestimmter Gruppen auszubildender beziehungsweise neu anzustellender Personen im kirchlichen Dienst soll 2025 gestartet werden.

Die Details dieses Prozesses sind im Moment in Ausarbeitung.

Klärung von personalrechtlichen Fragen und der Archivierung

Das Statistische Amt des Kantons Zürich führte im Auftrag der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich eine Umfrage bei den katholischen Kirchgemeinden des Kantons Zürich durch. Die Kirchgemeinden haben einerseits Fragen zu ihrem Wissen zu personalrechtlichen Fragen und Vorgaben, andererseits zu archivrechtlichen Vorgaben, insbesondere zur Archivierungspflicht, beantwortet.

Die Resultate der Umfrage und deren Auswertung sind gegen Ende dieses Jahres zu erwarten.

Das Staatsarchiv des Kantons Zürich und die Römisch-katholische Körperschaft des Kantons Zürich (RKK) sind zudem daran, die bestehende Vereinbarung zu überarbeiten, welche die Archivierung der Akten der RKK und verschiedener weiterer Institutionen regeln.

Daneben hat die RKK eine Rechtsgrundlagenanalyse in Auftrag gegeben. Eine externe Anwaltskanzlei überprüft die Anstellungsordnung der RKK und wird Handlungsempfehlungen erarbeiten. Dieser Bericht ist ebenfalls gegen Ende dieses Jahres zu erwarten.

Koordination betreffend strafrechtliche Untersuchung der Missbrauchsfälle

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich steht im Hinblick auf die strafrechtliche Aufarbeitung und Verfolgung von allfälligen Anzeigen von sexuellen Missbräuchen in der Kirche – unter Wahrung der zu beachtenden Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden – seit Längerem im Kontakt mit der Leitung der Diözese Chur.

Die Diskussionen innerhalb der Schweizerischen Staatsanwältekonferenz SSK haben gezeigt, dass auch die anderen Kantone ähnlich vorgehen. Eine besondere gesamtschweizerische Koordination ist deshalb nicht erforderlich.

Mit Blick auf die Bistumsgrenzen steht die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hingegen, soweit erforderlich, im kooperativen Austausch mit den Strafverfolgungsbehörden anderer Kantone, insbesondere mit der Ostschweiz.

In Absprache mit der für sexuelle Missbrauchsfälle zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen spezialisierten Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich wurde zudem eine Ansprechperson dieser Amtsstelle für die mit den Missbrauchsfällen befassten Vertretenden der katholischen Kirche bestimmt.

Weiter wird Betroffenen, deren gemeldete Übergriffe in die Missbrauchs-Studie aufgenommen wurden, oder Betroffenen, welche sich künftig zwecks Meldung von Vorfällen an die Studienleitenden wenden, ein Merkblatt abgegeben. Das Merkblatt, das in Zusammenarbeit mit dem Rechtsdienst der Universität Zürich entstand, enthält unter anderem Adressen von Opferberatungsstellen im Kanton Zürich.

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