Jahresrückblick 2023 der Staatsanwaltschaft: Ungebremstes Fallwachstum

Innerhalb von nur zwei Jahren ist das Fallaufkommen bei der Staatsanwaltschaft um über 15 Prozent gestiegen und liegt weit über dem kantonalen Bevölkerungswachstum und auch deutlich über dem Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Über 30'000 Verfahren konnten 2023 abgeschlossen werden, darunter auch solche im Fokus des medialen Interesses. Parallel zur Bearbeitung der Strafverfahren richtete die Organisation ihren Fokus in die Zukunft: Mit einem Digitalisierungsprogramm wird die digitale Transformation vorangetrieben.

Am heutigen Mediengespräch präsentieren Vertreterinnen und Vertreter der Zürcher Staatsanwaltschaft ihren Jahresbericht 2023 und damit die wichtigsten Kennzahlen und Schwerpunkte des vergangenen Geschäftsjahres.

Die Zahl der 2023 bei der Zürcher Staatsanwaltschaft neu eingegangenen Fälle ist erneut stark angestiegen. 32'270 Geschäfte gingen im Berichtsjahr ein, was im Vergleich zu 2022 einer Zunahme von 6 Prozent entspricht. Innerhalb von nur zwei Jahren ist das Fallaufkommen somit um über 15 Prozent gestiegen und liegt weit über dem kantonalen Bevölkerungswachstum und auch deutlich über dem Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Im Vergleich zum Vorjahr haben insbesondere Urkundendelikte, Gewalt-, Strassenverkehrs und Vermögensdelikte zugenommen.

Dank zusätzlichen, von der kantonalen Politik bewilligten personellen Ressourcen und grossem Engagement der Mitarbeitenden gelang es trotz der Vielzahl an neuen Fällen, 2.2 Prozent mehr Verfahren abzuschliessen als im Jahr zuvor. Allerdings mit einer unschönen Nebenwirkung: Die Zahl der zum Jahresende noch pendenten Verfahren ist erneut angestiegen und lag per Stichtag 31. Dezember 2023 bei 12'586 Fällen (plus 11.3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr).

Mannigfaltige Gründe für die starke Zunahme pendenter Verfahren

Die wesentlichen Gründe für die grosse Arbeitslast bzw. die hohe Zahl an pendenten Verfahren sind die Zunahme der Verfahrenseingänge, die zunehmende inhaltliche Komplexität von Strafverfahren sowie die vom Gesetzgeber festgelegten, stark gestiegenen formellen Anforderungen an die Verfahren.

Die Digitalisierung schafft ideale Bedingungen für Kriminelle, welche die Anonymisierung im Internet immer professioneller nutzen und ihre illegalen Machenschaften teilweise regelrecht industrialisiert haben. Verfahren umfassen immer häufiger internationale Sachverhalte, welche langwierige Rechtshilfeersuchen bedingen und eine aufwändige Verfahrenskoordinationen mit dem Ausland notwendig machen. Zudem erlässt das nationale Parlament immer mehr Strafartikel und erhöht die formellen Anforderungen an Strafverfahren. Letzteres führt dazu, dass Strafverfahren generell formalistischer und administrativ aufwändiger geworden sind. Jeder einzelne Verfahrensschritt kann angefochten werden, was durch die Verfahrensparteien in den letzten Jahren auch immer mehr getan wird. Immer öfter wird eine Siegelung von beschlagnahmten Daten mit teilweise enormen Datenmengen verlangt, die entsprechenden Entsiegelungsverfahren nehmen viel Zeit in Anspruch. Als Folge all dieser Faktoren ist eine kontinuierliche Verlängerung der durchschnittlichen Verfahrensdauer zu beobachten.

Schwerpunkte des Berichtsjahrs

Insgesamt schlossen die Mitarbeitenden der Staatsanwaltschaft im Berichtsjahr 2023 knapp 31'000 Fälle ab, darunter auch solche die auf grosses öffentliches Interesse stiessen. Hierzu gehört etwa die Strafuntersuchung im Zusammenhang mit der Entführung des Präsidenten der Eidgenössischen Kommission für Impffragen, die Anklagerhebung gegen den Hauptbeschuldigten in der Stadtzürcher «ERZ-Affäre» oder die Anklageerhebung im Zusammenhang mit dem tödlichen Flixbus-Unfall von Ende 2018 auf der Sihlhochstrasse. Neben den fallbezogenen Fragen stand 2023 im Zeichen der Vorbereitung auf die per Januar 2024 teilrevidierte Strafprozessordung. Die Revision erforderte die Anpassung von verschiedenen Arbeitsprozessen und die Schulung der Mitarbeitenden. Ein starker Fokus legte die Staatsanwaltschaft 2023 auch auf verschiedene Digitalisierungsthemen: alle Mitarbeitenden wurden mit dem kantonalen digitalen Arbeitsplatz (DAP) ausgerüstet und die Staatsanwaltschaft lancierte das Digitalisierungsprogramm «Takeoff», mittels welchem die einzelnen Teilprojekte in einem Programm geführt und gesteuert werden. Dies erlaubt die bessere Nutzung von Synergien sowie die frühzeitige Erkennung von Abhängigkeiten und Risiken der komplexen Projekte.

Untersuchungshaft: Das strengste strafprozessuale Mittel mit Augenmass anwenden

Rund 1’220-mal beantragten die Strafverfolgungsbehörden im Kanton Zürich 2023 einem Zwangsmassnahmengericht Untersuchungshaft, beispielsweise um die Flucht der Tatverdächtigen, Absprachen mit Mitbeschuldigten oder die Beeinflussung bzw. Bedrohung von Opfern zu verhindern. In rund 90 Prozent der Fälle ordnete ein Zwangsmassnahmengericht die Untersuchungshaft schliesslich an. Am heutigen Mediengespräch gewährte eine Staatsanwältin einen Praxiseinblick in den Umgang der Staatsanwaltschaft mit dieser strengen strafprozessualen Zwangsmassnahme und die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Abläufe.

So rechtsstaatlich korrekt und strafprozessual nötig die Untersuchungshaft im jeweiligen Einzelfall auch ist, sie stellt den schwersten strafprozessualen Grundrechtseingriff dar. Entsprechend bedarf dieses Instrument enger gesetzlicher Leitplanken und einer umsichtigen Anwendung durch Staatsanwältinnen und Richter. Voraussetzung für die Anordnung der Untersuchungshaft durch ein Zwangsmassnahmengericht ist immer ein dringender Tatverdacht in Kombination mit mindestens einem besonderen Haftgrund (Flucht-, Kollusions-, Wiederholungs- oder qualifizierte Wiederholungsgefahr). Zudem prüfen die Strafverfolgungs- und Justizbehörden, ob der Zweck der Untersuchungshaft nicht auch mit dem milderen Mittel der Ersatzmassnahme erreicht werden kann (bspw. Rayon- oder Kontaktverbot). Die beschuldigte Person kann Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts an das Obergericht weiterziehen. Einer beschuldigten Person steht zudem das Recht zu, jederzeit ein Haftentlassungsgesuch zu stellen. Lehnt die Staatsanwaltschaft dieses ab, muss sie die Sache umgehend dem Zwangsmassnahmengericht zum Entscheid vorlegen.

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