Die Reformation wirkt weiter
Medienmitteilung 05.07.2018
500 Jahre sind vergangen, seit die Reformation Zürich auf den Kopf gestellt hat. Das Jubiläum «ZH-REFORMATION.CH» ermöglicht den Zürcherinnen und Zürchern einen neuen Blick auf die weltgeschichtlich bedeutendste Zeit ihrer Kantons- und Stadtgeschichte. Das Langzeit-Festival dauert noch bis Anfang 2019. Am Donnerstag, 5. Juli, haben Regierungsrätin Jacqueline Fehr und die inhaltlich-kuratorischen Leiter Barbara Weber und Martin Heller beim Helmhaus in einem Werkstattgespräch über den bisherigen Verlauf orientiert und einen Ausblick auf geplante Projekte gewährt.

Normalerweise duften die frischen Brötchen im Helmhaus erst am Freitag. Für das Werkstattgespräch haben die Bäcker den Holzofen aber bereits am Donnerstag in Betrieb genommen. Das Informationszentrum des Reformationsjubiläums im Foyer des Helmhauses steht bezeichnend dafür, wie ZH-REFORMATION konzipiert ist: Die Brötchen bieten allen Zürcherinnen und Zürchern im Zentrum der Reformationsgeschichte, in nächster Nähe zu Grossmünster, Fraumünster und St.Peter leibliches Wohl und kurzfristigen Genuss. Verpackt sind sie in vor Ort gedruckte Flugblätter von zeitgenössischen Autorinnen und Autoren, Historikerinnen und Historikern. Die geistige Nahrung überdauert die physische – und sie wird niederschwellig vermittelt.
Das Kurations-Duo Barbara Weber/Martin Heller hat einen sehr weltlichen Ansatz gewählt für sein Programm. Mit insgesamt 58 Projekten möchte es das Publikum berühren. Zielgruppe sind alle Zürcherinnen und Zürcher aus Stadt und Kanton, aber auch Besucherinnen und Besucher. 23 Projekte sind bereits abgeschlossen, 27 sind gegenwärtig oder in den nächsten Monaten zu sehen und zu hören, 8 weitere sind noch in der Konzeptionsphase.
ZH-REFORMATION gelingt es, sich über ein gezieltes Kaleidoskop verschiedenster Veranstaltungen einer meist aus religiöser Perspektive betrachteten Zeit soziokulturell zu nähern. Akteure und Ereignisse der Reformation werden aufgenommen, klischeehafte Zerrbilder korrigiert und die gesellschaftlichen Nachwirkungen aufgezeigt. Reformation ist ein stetiger Prozess, und dessen Errungenschaften sind nicht bloss innerhalb, sondern auch ausserhalb der Kirchen präsent.
Erfreuliche Zuschauerzahlen
Über alle Einzelprojekte hinweg sind die Zuschauerzahlen bisher bemerkenswert gut. Die drei grossen Ausstellungen im Frühling – «Das Wort» im Strauhof, «Gott und die Bilder» im Landesmuseum und «Rob Pruitt: The Church» in der Kunsthalle – lagen in oder über den Erwartungen der Institutionen. Die Kunsthalle, die der Künstler Rob Pruitt während 4 Monaten zur Kirche verwandelte, verzeichnete knapp 10’000 Besucherinnen und Besucher. Das Landesmuseum wurde im Ausstellungszeitraum über 57’000 Mal besucht, wobei sich dieBesucher über die reformationsinternen Dispute um sakrale Grundsatzfragen informieren konnten.
Ebenso erfolgreich waren die Theaterproduktionen. Das Solostück «Eingerockt und Ausgesungen» von Jürg Kienberger im Theater Neumarkt war fünf der sechs Male ausverkauft. Der zweiten Produktion des Theater Neumarkts, «Urban Prayers», ist es gelungen, mit Mitgliedern aus sieben religiösen Gemeinden ein Teilhabe-Projekt mit integrativem Charakter umzusetzen. Im Herbst wird das Stück im Rahmen von schule + kultur in Schulen des ganzen Kantons Zürich wiederaufgenommen. Das Grossmünster war mit dem Musiktheater Mysterienspiel «Akte Zwingli» (Regie: Volker Hesse) sieben Mal ausverkauft.
Weber/Heller haben in der Konzeption eng mit den jeweiligen Institutionen zusammengearbeitet. Die Kooperation mit bestehenden Kulturorten will deren Potenzial nutzen und den Kulturplatz Zürich um die Reformationsthematik anreichern und bereichern. Daneben gibt es auch Projekte, die wenig etablierten Künstlerteams eine Experimentierfläche bieten – etwa die Tanzperformance «InfluenceMe», die gegenwärtig über die öffentlichen Plätze der Stadt tourt. Die intensiven Kooperationsprojekte mit Jugendlichen, etwa das junge Literaturlabor JULL, sind dem Team von ZH-REFORMATION ein wichtiges Anliegen, und Veranstaltungen wie «Es brodelt im Volk», ein volkstümliches Spektakel am Münster-Märt (mit 15’000 Besuchern), oder die öffentliche Eröffnungsveranstaltung von «Zürich Tanzt» im HB, tragen dem breiten Kulturverständnis des Kuratorenduos Rechnung.
Grosser Beliebtheit erfreuen sich auch die insgesamt sechs Stadtführungen: zu Zwingli, zu seinem Nachfolger Heinrich Bullinger, zu Frauen zur Zeit der Reformation, im Grossmünster und im Fraumünster sowie eine, die das vergangene Zürich mit der Gegenwart zusammenführt («Urknall der Moderne»). Diese Führungen wurden bereits über 3'900 Teilnehmenden besucht und finden bis Herbst 2018 regelmässig statt.
Alle Veranstaltungen des Jubiläumsprogramms werden mit dem Stempel ZH-REFORMATION.CH unter einem gemeinsamen Dach vereint. Sie finden sich in den thematisch dichten Programmzeitungen, auf der Website zh-reformation.ch, und informiert wird auch im Jubiläumszentrum am Helmhaus. Das Langzeitfestival dauert noch bis Anfang 2019 – die Reformation wirkt weiter.
Nachfolgend ein Überblick über die geplanten Veranstaltungen der kommenden Monate.
Influence Me
Eine Tanzperformance, die sich mit den Ängsten – ein zentrales Thema in der Religion – der ZürcherInnen auseinandersetzt. Aus Interviews und dem Herzschlag der zwei Tänzerinnen entsteht ein Klangteppich, welcher Ausgangspunkt für Bewegungsmuster und Choreographien ist, die Angst und deren Empfindung in Körperlichkeit übersetzen. Die Aufführungen finden insgesamt 20 Mal an verschiedenen öffentlichen Plätzen der Stadt Zürich statt.
Verschwundene Orte
Die Ausstellung im Haus zum Rech befasst sich mit Kirchen, Klöstern und Kapellen, die unmittelbar nach der Reformation zweckentfremdet oder abgebrochen wurden. Sechs dieser Sakralbauten leben in der Ausstellung wieder auf, in grossformatigen Kippbildern, welche die altgläubige Vergangenheit mit der heutigen Zeit verbinden.
Am beliebten Theater Spektakel fördert ZH-REFORMATION drei Produktionen: Das Musical Peaches Christ Superstar, eine One-Woman-Show der Sängerin Peaches, die Musikperformance Reverend Billy & The Stop Shopping Choir und Hymne an die Liebe, ein chorisches Theater der polnischen Sängerin und Regisseurin Marta Górnicka.
Schatten der Reformation (Eröffnung: 22. September 2018)
Eine Ausstellung im Stadthaus, eine künstlerische Installation in der Kirche St. Peter und eine Publikation widmen sich den dunklen Kräften, welche die Reformation freisetzte. Die keineswegs nur positive Gesinnung der gefeierten Reformatoren – etwa gegenüber Frauen, Täufern und Juden – wirft lange Schatten bis in die Gegenwart. Verdrängte Schicksale und prekäre Existenzen von gestern und heute erhalten ein Gesicht und eine Stimme.
Theater VierPunktNull (Premiere: 24.10.2018)
Ein Projekt des Kulturmarkts, das – mittels einer «theatralen Revue» – eine Auseinandersetzung schafft mit dem komplexen Verhältnis zwischen reformiertem Arbeitsethos und der vierten industriellen Revolution. Es spielen die TRIAD Theatercompany sowie Stellensuchende aus der Kultur- und Kreativwirtschaft.
Zwingli Wars (Premiere: 12.9. 2018)
Ein Musiktheater von Joël László im Miller’s Theater, das die Wiedertäufer rund um Felix Manz zum Thema hat. In der Uraufführung blitzen der utopische Glutkern der Zürcher Reformation ebenso auf wie die Unversöhnlichkeit von sozial-revolutionärem Impetus und staatstragender Funktion.
Zwingli Roadshow (Premiere: 13.9.2018)
Eine Produktion des Theater Kanton Zürich: Lehrstück und musikalisches Spektakel, Doku-Predigt und Aufruf zum Aufstand. Das Team um Brigitte und Niklaus Helbling nimmt die Reformation auch als Jugendbewegung in den Blick, sucht nach Geschichte und Geschichten im ländlichen Zürich und fragt nach den wirklichen Gewinnern und Verlierern des grossen Aufbruchs.
ArbeitAlsLiebe. LiebeAlsArbeit
Das Kunstprojekt von Brigitte Dätwyler und Lena Maria Thüring beschäftigt sich mit den komplexen Ausschlussmechanismen, welche Frauen an den Rand der Gesellschaft drängen, und mit deren Verbindungen zur Geschichte der Reformation. In Zusammenarbeit mit der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ).
Arbeitstitel: Pamela Rosenkranz (Eröffnung: 21.12.2018)
Die Zürcher Künstlerin Pamela Rosenkranz transformiert die Weitsicht von Katharina von Zimmern, der letzten Äbtissin des Fraumünsterklosters, ins 21. Jahrhundert. Die Installation legt ab dem 21. Dezember, dem dunkelsten Tag des Jahres, einen konzeptionellen Grundstein zu einem Verständnis von Religion als evolutionäre und dem Wandel der Zeit unterlegene Kraft. Dafür taucht sie den Kreuzgang des Fraumünsters in ein ebenso überirdisches wie hoch technologisches Licht.
(Medienmitteilung der Direktion der Justiz und des Innern)