Gegenvorschlag des Regierungsrates zur Volksinitiative «Für eine realistische Flughafenpolitik»

Der Regierungsrat empfiehlt den Stimmberechtigten die Volksinitiative «Für eine realistische Flughafenpolitik» zur Ablehnung und macht einen Gegenvorschlag. Dieser sieht die gesetzliche Verankerung eines verbindlichen Richtwerts zur Eindämmung der Fluglärmbelästigung vor. Statt auf eine Bewegungsbeschränkung zielt die vorgeschlagene Lösung auf eine Beschränkung der Anzahl vom Fluglärm stark gestörter Personen ab. Damit werden die negativen Auswirkungen des Flugverkehrs begrenzt und dem Flughafen dennoch ein massvoller Entwicklungsspielraum belassen.

Die Volksinitiative will die Zahl der Flugbewegungen am Flughafen Zürich auf 250’000 pro Jahr begrenzen und die Nachtsperrzeit auf mindestens neun Stunden verlängern. Eine Annahme der Initiative würde den Regierungsrat verpflichten, sich für diese Massnahmen einzusetzen. Damit wollen die Initianten die Wohnbevölkerung, insbesondere in den Agglomerationsgebieten, vor Fluglärm schützen. Die in der Initiative vorgeschlagenen Massnahmen können vom Kanton Zürich jedoch nicht selbständig umgesetzt werden. Der Regierungsrat erachtet deshalb die Initiative als äusserst schwaches Mittel.

Verbindlicher Richtwert als geeignetes Mittel zum Lärmschutz

Als wirkungsvollere und zielführendere Massnahme schlägt der Regierungsrat deshalb die Einführung eines neuen Richtwertes vor, der die Anzahl vom Fluglärm stark gestörter Personen beschränkt. Damit würde ein personenbezogenes Instrument geschaffen, das nicht an den Flugbewegungen, sondern direkt an der Lärmbelästigung der Betroffenen ansetzt. Die festzulegende Obergrenze hätte sich gemäss Gegenvorschlag an der Flugbewegungszahl des Jahres 2000 zu orientieren. Die Einhaltung dieses Richtwerts wäre für die Behörden des Kantons Zürich verbindlich und müsste laufend überwacht werden. Dabei würde der Regierungsrat verpflichtet, dem Kantonsrat in periodischen Abständen Bericht zu erstatten und aufzuzeigen, welche Ursachen einem allfälligen Anstieg der betroffenen Personen zu Grunde liegen und welche Massnahmen dagegen ergriffen wurden.

Damit nimmt der Regierungsrat das mit der Initiative angestrebte Ziel auf, die Wohnbevölkerung vor Lärm des Flughafenbetriebes zu schützen. Diese Aufgabe ergibt sich sowohl aus dem Bundesrecht, als auch aus der Kantonsverfassung und dem Flughafengesetz und ist ein zentraler Bestandteil der regierungsrätlichen Flughafenpolitik. Mit seinem Gegenvorschlag verpflichtet sich der Regierungsrat, dieses Ziel mit allen möglichen Mitteln zu verfolgen und stellt sich der Kontrolle durch das Parlament.

Fragliche Umsetzbarkeit der Plafonierungsinitiative

Eine Beschränkung der Flugbewegungen, wie es die Plafonierungsinitiative fordert, könnte vom Kanton Zürich nicht selbständig umgesetzt werden. Zum einen ist die Gesetzgebung über die Luftfahrt Sache des Bundes. Dieser würde sowohl durch die Forderung des Kantons Zürich nach einer Bewegungsbegrenzung als auch durch jene nach einer verlängerten Nachtsperrordnung in einen Zielkonflikt mit seiner erst kürzlich neu definierten Luftfahrtpolitik geraten. Kommt hinzu, dass der nationale Handlungsspielraum in der Luftfahrtpolitik durch internationale Vereinbarungen und namentlich die bilateralen Luftverkehrsabkommen mit der EU stark eingeschränkt ist. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Bund auf die Forderungen der Zürcher Initiative, die mit Bezug auf eidgenössisches und europäisches Recht schwierige Rechtsfragen aufwirft, nicht eintreten würde. Aber auch auf kantonaler Ebene ist der Einfluss des Regierungsrates begrenzt, weil die Staatsvertretung im Verwaltungsrat der Flughafen Zürich AG lediglich über ein Veto-, nicht jedoch über ein aktives Gestaltungsrecht verfügt. Überdies würde sich der – aus heutiger Sicht wohl aussichtslose – Einsatz des Kantons für die Ziele der Initiative jeglicher Kontrolle durch den Kantonsrat und die Bevölkerung entziehen. Die Initiative ist für den Regierungsrat deshalb ein schwaches Instrument, das falsche Erwartungen weckt, ohne dass die Bevölkerung vor Fluglärm effektiv besser geschützt wird.

Schwere gesamtwirtschaftliche Nachteile der Plafonierungsinitiative

Zudem hätte eine vollständige Umsetzung der Initiative massive volkswirtschaftliche Einschnitte zur Folge. So würde die von der Plafonierungsinitiative verlangte neunstündige Nachtruhe die Aufrechterhaltung der interkontinentalen Anbindung des Flughafens Zürich praktisch ausschliessen. Der Wegfall des Drehkreuzes würde zu einem gesamtwirtschaftlichen Strukturbruch und damit zu einer abrupten Vernichtung bestehender Wertschöpfung führen, die bei schwacher Wirtschaftsentwicklung kaum von anderen Branchen aufgefangen werden könnte. Wie Studien gezeigt haben, stünden diesen erheblichen volkswirtschaftlichen Einbussen bei einer Begrenzung der Flugbewegungen nur geringe Reduktionen bei den Umweltkosten (inklusive Lärmkosten) gegenüber. Als sinnvoller erscheint es deshalb, Massnahmen vorzusehen, die direkt bei der Lärmbelästigung der Betroffenen ansetzen.

Der Regierungsrat ist überzeugt, mit seinem Gegenvorschlag ein gut umsetzbares Instrument zu präsentieren, welches gezielt auf den Lärmschutz zugeschnitten ist, wirkungsvoll kontrolliert werden kann und dem Flughafen jenen massvollen Entwicklungsspielraum lässt, den der Lebens- und Wirtschaftsraum Zürich benötigt.

Aufarbeitung der Missverständnisse (Ergänzung vom 08.01.2006)

Der Regierungsrat schlägt als Gegenvorschlag zur «Plafonierungsinitiative» die Festlegung der Obergrenze der vom Fluglärm stark gestörten Personen vor. Die Frist zur Stellungnahme der Regierung ist am 7. Januar 2006 abgelaufen. Die Initiative wurde am 7. Juli 2004 eingereicht. Am 15. September 2004 hat der Regierungsrat in seinem Beschluss zur Flughafenpolitik des Kantons Zürich verschiedene Grundsätze formuliert, die für die Erarbeitung einer Stellungnahme der Regierungsrates zur Initiative einen Rahmen bilden. In diesem Beschluss hat der Regierungsrat erstmals die Festlegung eines Richtwerts ins Auge gefasst

Die Volkswirtschaftsdirektion wurde damit beauftragt, die Idee des Richtwertes weiterzuverfolgen. Dazu wurde Dr. Robert Hofmann als in Lärmfragen anerkannter Experte beigezogen. Dr. Robert Hofmann war langjähriger Leiter der Abteilung Akustik und Lärmbekämpfung der EMPA Dübendorf und Mitglied der Expertenkommission des Bundes zur Festlegung der Belastungsgrenzwerte. Nach der Prüfung verschiedener Möglichkeiten entschied die Volkswirtschaftsdirektion, als Kenngrösse für den Richtwert die Anzahl der von Fluglärm stark gestörten Personen (AsgP) zu wählen und diese zu begrenzen. Dieses Instrument wurde vom BAZL auf Vorschlag des Kantons Zürich auch als Bewertungskriterium der Betriebsvarianten im Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt (SIL) aufgenommen. Zur Berechnung der Anzahl der stark von Fluglärm gestörten Personen gibt es eine anerkannte wissenschaftliche Studie von Carl Oliva, die im Jahr 1998 veröffentlicht wurde.

Der im Gegenvorschlag formulierte Richtwert soll also auf einem wissenschaftlich erarbeiteten Instrument basieren, welches mittels Befragung der Bevölkerung zum individuellen Lärmempfinden die Anzahl der stark gestörten Personen ermittelt (Studie Oliva). Leider war dem Regierungsrat die Zeit nicht gegönnt, den Richtwert so weit bearbeiten zulassen, dass er mit dem Gegenvorschlag im Detail hätte vorgestellt werden können. Das Risiko, dass der Kantonsrat eine Fristverlängerung abgelehnt hätte, war zu gross, so dass der Regierungsrat entschied, den Grundsatz des Richtwertes im kantonalen Flughafengesetz zu verankern und den Richtwert selbst sowie das diesen begleitende Controlling nach Abschluss der dazu noch notwendigen wissenschaftlichen Arbeiten vorzustellen und in einem entsprechenden Erlass detailliert festzulegen.

Der Richtwert wird von der Volkswirtschaftsdirektion vorgelegt. Sie beauftragt die Experten, die an der Erarbeitung mitwirken. Die Volkswirtschaftsdirektion legt Wert darauf, dass die Grundlagen wissenschaftlich fundiert und interdisziplinär abgestimmt erarbeitet werden. Beauftragt für die Erarbeitung des Richtwertes ist Dr. Robert Hofmann. Eine allenfalls nötige Nachbearbeitung des Instruments zur Berechnung der Anzahl der durch Fluglärm stark gestörten Personen zur Verbesserung der Robustheit wird unter Einbezug des Soziologen Carl Oliva, vom Büro für Soziologische Grundlagenforschung und Entwicklungsplanung Zürich stattfinden. Dr. Carl Oliva bestätigt, dass seine Studie als Grundlage für den vom Regierungsrat vorgestellten Richtwert geeignet ist. Für technische Berechnungen besteht eine Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in Dübendorf.

(Medienmitteilung des Regierungsrates)

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