Links-Rechts-Schema überholt
Medienmitteilung 19.07.2005
Drei klar unterscheidbare politisch-weltanschauliche Hauptausrichtungen prägen das Wahl- und Abstimmungsverhalten der Stimmberechtigten im Kanton Zürich. Das geht aus einer Studie hervor, die das Statistische Amt soeben veröffentlicht hat.
Um den politischen Haltungen der Zürcher Stimmberechtigten auf die Spur zu kommen, kombiniert die Studie von Peter Moser, Politikwissenschafter und Mitarbeiter des Statistischen Amtes, die gemeindeweisen Abstimmungs- und Wahlresultate mit dem Datenmaterial der Selects-Repräsentativbefragung, die im Nachgang der Nationalratswahlen 2003 durchgeführt wurde. Eines zeigt die Synthese dieser Quellen ganz klar: Das klassische Links-Rechts-Schema ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Zürcher Stimmberechtigten bestehen nicht aus zwei, sondern aus drei Hauptgruppen mit deutlich unterschiedlichem weltanschaulichem und soziodemographischem Profil. Entsprechend bevorzugen die drei Gruppen auch unterschiedliche politische Lösungsansätze für die Probleme der Gegenwart.
Drei politische Grundhaltungen
Eine restriktive Ausländerpolitik, kein EU-Beitritt, eine traditionelle Familienpolitik und lieber keine aktive Umweltpolitik: dies sind die Hauptpfeiler der politischen Grundhaltung einer ersten Gruppe von Stimmberechtigten, den «Nationalkonservativen». Parteipolitisch fühlen sie sich bei der SVP am ehesten zu Hause. Ziemlich genau spiegelbildlich dazu ist das Weltbild des «links-progressiven» zweiten Drittels der Stimmbürgerschaft, das tendenziell SP oder Grün wählt. Bei allen Unterschieden gibt es aber auch Gemeinsamkeiten. Beide Gruppen können sich einen Abbau staatlicher Leistungen, wie etwa eine Erhöhung des AHV-Alters, kaum vorstellen. Genau dies kennzeichnet hingegen die dritte, zahlenmässig etwas kleinere Gruppe, die «Liberalen». Sie bevorzugen klar marktwirtschaftliche Lösungen und sind Staatsinterventionen grundsätzlich abgeneigt; ihre Partei ist die FDP. Soziodemographisch verläuft der Graben vor allem zwischen den Anhängerschaften der SVP einerseits und der FDP und der Linken andererseits. Arbeiter und Angestellte ohne höheren Bildungsabschluss finden sich häufig bei der SVP, während beruflich höher Qualifizierte und besser Gebildete eher SP, die Grünen oder FDP wählen. Innerhalb dieser Gruppe stellen im weitesten Sinn soziokulturell tätige Berufsgruppen – zum Beispiel das Pflege- oder das Lehrpersonal – die Kernwählerschaft der beiden Linksparteien, während gut verdienende Führungskräfte aus der Privatwirtschaft typischerweise eher zur FDP neigen.
Dreipolige Politgeographie
Bei eidgenössischen Abstimmungen beträgt die Differenz zwischen maximalem und minimalem Ja-Stimmenanteil in den Zürcher Gemeinden im Schnitt 33 Prozentpunkte. Diese grossen regionalen Unterschiede sind nicht zufällig: Auch in ihnen spiegelt sich die dreipolige Politstruktur. Zu dieser Erkenntnis verhilft ein statistisches Verfahren, das aus der Vielzahl von kommunalen Abstimmungsresultaten die wesentlichen Dimensionen herausdestilliert. So kann die politische Ausrichtung aller 171 Gemeinden des Kantons in Form einer «Landkarte» dargestellt werden. Es sind die Gemeinden Volken, Zumikon und Zürich, welche die Extreme der Zürcher Politgeographie markieren. Während die Weinländer Landgemeinde Volken den nationalkonservativen und das wohlhabende Zumikon den liberalen Pol markieren, liegen in der Gegend des Pols Zürich Gemeinden, deren Bevölkerung einen starken Staat befürwortet und links-progressiven Anliegen gegenüber aufgeschlossen ist. In dieser Ecke befinden sich viele der grösseren Städte des Kantons. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Die «politische Landkarte» zeigt nämlich auch, dass die 700-Seelen-Gemeinde Rifferswil im Knonaueramt im Schnitt ähnlich abstimmt und wählt wie die Grossstadt Zürich.
Deutschschweiz hat – politisch – im Kanton Zürich Platz
Wie vielfältig die politische Landschaft des Kantons Zürich ist, zeigt sich auch, wenn man die übrigen schweizerischen Kantone in der politischen Landkarte platziert. Zumindest die Deutschschweizer Kantone lassen sich im selben Raum einordnen wie die Zürcher Gemeinden. Die konservativen Landkantone der Innerschweiz liegen dabei in der Gegend des Pols Volken, während die eher städtischen Deutschschweizer und manche Westschweizer Kantone politisch eher in der «Gegend» von Zürich zu finden sind. Keine Entsprechung finden hingegen Kantone, in denen die Bevölkerung Staatsinterventionen sehr zugeneigt ist, wie das Wallis und das Tessin. Umgekehrt gibt es aber auch keinen Kanton, der so marktwirtschaftlich eingestellt wäre wie die Gemeinden an der Zürcher Goldküste.
Synthese von Aggregats- und Befragungsdaten
Die Studie des Statistischen Amts basiert zum einen auf so genannten Aggregatsdaten, das heisst den gemeindeweisen Wahl- und Abstimmungsresultaten. Sie erlauben eine langfristige und kleinräumige Analyse politischer Entwicklungen. Über die Zusammenhänge zwischen politischen Haltungen und weiteren, etwa soziodemographischen Merkmalen geben sie aber keine Auskunft. Aus diesem Grund stützt sich die Studie auch auf die gesamtschweizerische Wahlbefragung «Selects», die vom Kanton Zürich mitfinanziert wurde. Im Anschluss an die Nationalratswahlen 2003 wurden 5891 Personen zu ihrem Wahlentscheid, ihren politischen Einstellungen sowie ihrem soziodemographischen Profil befragt. Darunter waren 634 Zürcherinnen und Zürcher – eine Befragtenzahl, die sinnvolle statistische Auswertungen für die vier grossen Parteien SVP, SP, FDP und Grüne zulässt.
statistik.info 15/2005. Politik im Kanton Zürich – eine Synthese. Online verfügbar auf der Website des Statistischen Amts des Kantons Zürich: www.statistik.zh.ch/statistik.info/pdf/2005_15.pdf
(Medienmitteilung des Statistischen Amtes)
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