Ein wichtiges Behandlungssetting des stationären Massnahmenvollzugs
Psychosoziale Kompetenzen vermitteln
In unseren Institutionen können therapeutische Massnahmen durchgeführt werden, bei unterschiedlichen Delikten und psychiatrischen Diagnosen in mehreren Behandlungssettings. In der Justizvollzugsanstalt Pöschwies ist ein wichtiges Setting die Milieutherapie.
Therapeutische Massnahmen
Viele Personen, die straffällig werden, leiden an psychiatrischen Erkrankungen. Oft sind es schwerwiegende und mehrfache Störungen. In der Schweiz kann seit der Revision des Strafgesetzbuches vom 1. Januar 2007 eine stationäre therapeutische Massnahme gemäss Art. 59 des Strafgesetzbuches auch in speziell dafür ausgestatteten Massnahmenstationen von Justizvollzugsanstalten durchgeführt werden.
Die häufigsten psychiatrischen Diagnosen sind Persönlichkeitsstörungen und/oder Suchterkrankungen. Viele Klientinnen und Klienten leiden denn auch an mehreren Erkrankungen. So wird bei 63 Prozent der Therapieklientinnen und Therapieklienten mehr als eine Diagnose gestellt.
Meist haben diese Gewalt- oder Tötungsdelikte begangen (je 63 und 61 der Klientinnen und Klienten 2020). Sexualdelikte an Kindern (28) oder Erwachsenen (22) und Raub sind weitere häufige Delikte. Schwere Delikte mit Geschädigten also, deren Wiederholung es unbedingt zu vermeiden gilt.
Verschiedene Behandlungssettings
Wie sieht die therapeutische Behandlung der inhaftierten Personen aus? Die Klientinnen und Klienten besuchen in der Regel einmal pro Woche einzeltherapeutische Sitzungen. 2020 wurden über 6000 Einzelkonsultationen durchgeführt.
Im Zentrum dieser rückfallpräventiven deliktorientierten Therapie stehen die eigene Persönlichkeit und das begangene Delikt. In der zusätzlichen Gruppentherapie kommen Personen mit ähnlichen Delikten oder Persönlichkeitsmustern zusammen. Um die im Einzel- und Gruppensetting erarbeiteten theoretischen Inhalte auch umzusetzen und im Alltag anzuwenden, braucht es aber noch mehr – zum Beispiel die Milieutherapie.
Milieutherapie in der JVA Pöschwies
Oberstes Ziel auch der Milieutherapie, wie sie zum Beispiel im forensischen Kontext der Forensisch Psychiatrischen Abteilung in der JVA Pöschwies realisiert wird, ist es, weitere Delikte zu verhindern. Sie gilt deshalb ebenfalls als deliktpräventives Therapiesetting. Im Zentrum steht das Geschehen im Alltag, im Milieu der Wohngruppe. Durch kontinuierliche Interventionen ermöglichen die Milieutherapeutinnen und Milieutherapeuten den Klientinnen und Klienten, ihr Verhalten zu reflektieren und zu korrigieren. Eine Situation beim gemeinsamen Kochen, die aggressives Verhalten auslöst, wird direkt angesprochen und die Konfliktlösung wird reflektiert. Es geschieht ein sozialer Lernprozess.
So erlernen die Klientinnen und Klienten ein individuelles Risikomanagement. Sie üben, ihre Verhaltensweisen, die zu einem Delikt führen können, zu erkennen und sie in Zusammenhang mit ihrer Persönlichkeit zu bringen – und zwar tagtäglich.
Um diese kontinuierliche Behandlung im Gefängnisalltag zu gewährleisten, braucht es ein interdisziplinäres Team: Unsere Mitarbeitenden in Psychologie und Sozialarbeit, unsere forensisch psychiatrischen Pflegekräfte und unsere Fachpersonen Justizvollzug arbeiten eng zusammen. Sie tauschen sich täglich aus, um ein gemeinsames Fallverständnis zu entwickeln. Wöchentlich besprechen sie im Kernteam Behandlungsverlauf und -prognose und definieren neue Zwischenziele und konkrete Behandlungsmassnahmen.
Professionelle Nähe und Distanz
Die Therapeutinnen und Therapeuten verbringen viel Zeit mit den Klientinnen und Klienten und bauen eine enge Arbeitsbeziehung auf. Wie funktioniert diese Beziehung? In der milieutherapeutischen Arbeit ist es wichtig, sowohl eine professionelle Nähe als auch eine professionelle Distanz zu den Klientinnen und Klienten zu haben. Der therapeutische Beziehungsaspekt spielt eine entscheidende Rolle. Ebenso wichtig ist es allerdings, Vorbild zu sein. Die Klientinnen und Klienten lernen von den Therapeutinnen und Therapeuten und schauen sich vieles von ihnen ab. Sie beobachten die Teammitglieder beispielsweise dabei, wie sie miteinander umgehen, miteinander arbeiten oder Konflikte untereinander austragen.
Und schliesslich kommt die Bewährungsprobe: der Schritt aus dem geschützten und engmaschig betreuten Rahmen des Gefängnisses ins Leben draussen. Um die Klientinnen und Klienten auf ein Leben ausserhalb der Mauern vorzubereiten, spielen von den Milieutherapeutinnen und Milieutherapeuten begleitete therapeutische Ausgänge eine wichtige Rolle. Ihre sorgfältige Vorbereitung und Nachbesprechung sind von grosser Bedeutung und liefern den Massnahmenklientinnen und Massnahmenklienten selbst und den Behandelnden wertvolle Erkenntnisse.
Nach erfolgreich absolvierten begleiteten und unbegleiteten Urlauben wartet im halboffenen oder offenen Vollzug die nächste Bewährungsprobe auf die Klientinnen und Klienten.