«Das Thema Energie wird uns weiterhin stark beschäftigen»

Der kantonale Bau- und Energiedirektor Martin Neukom erläutert, warum trotz guter Ausgangslage keine vollständige Entwarnung für die winterliche Energieversorgung gegeben werden kann, was die Massnahmen des Kantons in der drohenden Krise bewirkt haben und wie künftige Versorgungslücken in der kalten Jahreszeit geschlossen werden sollen.

Martin Neukom, für diesen Winter wird nicht mit einer Energieknappheit gerechnet. Können Sie Entwarnung geben?

Martin Neukom: Die Versorgungslage ist stabil und aktuell gibt es tatsächlich keine Anzeichen für eine Energiemangellage in den Wintermonaten. Eine 100-prozentige Entwarnung ist jedoch nicht möglich, da externe Risikofaktoren wie die geopolitischen Entwicklungen, extreme Wetterereignisse oder unerwartete technische Ausfälle die Situation jederzeit verändern könnten. Umso wichtiger ist es, die Resilienz unserer Versorgungssysteme weiter zu stärken und sparsam mit Energie umzugehen – so leisten wir gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz.

Ein Portaitbild von Martin Neukom auf dem er ein dunkles Jackett trägt.
Die aktuelle Energieversorgungslage ist stabil, aber externe Risikofaktoren können die Lage jederzeit verändern, sagt der kantonale Bau- und Energiedirektor Martin Neukom. Quelle: Anja Kutter/Staatskanzlei ZH

Der Kanton Zürich hat im Krisenwinter 2022/2023 umfangreiche Massnahmen getroffen. Was haben diese bewirkt?

Heute sind nicht nur die Gesellschaft und die Wirtschaft besser auf eine mögliche Energieknappheit vorbereitet und sensibilisiert, sondern auch die Behörden im Kanton Zürich. Die damals drohende Krise hat vielen Menschen bewusst gemacht, wie wichtig Energie in unserem täglichen Leben ist, und auch beim Kanton haben wir daraus Lehren gezogen.

Als sich im Sommer 2022 eine Energieknappheit abzeichnete, waren einige Zuständigkeiten noch nicht eindeutig geregelt. Der vom Regierungsrat eingesetzte Führungsausschuss Energiemangellage hat die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kanton, Gemeinden und der Wirtschaft geklärt, was die Reaktionszeit und Effizienz in Krisensituationen künftig deutlich verbessert. Zudem haben wir unsere eigenen Prozesse, Konzepte und Notfallpläne überprüft, dabei Schwachstellen aufgedeckt und diese auch behoben. Der Kanton Zürich ist heute wesentlich besser auf ein solches Ereignis vorbereitet als noch vor zwei Jahren.

Wie nachhaltig war das Energiesparprogramm, das der Regierungsrat der kantonalen Verwaltung damals verordnet hat?

Im Krisenwinter senkten wir in rund 2000 kantonalen Gebäuden die Raumtemperatur auf 20 Grand, reduzierten die Innenbeleuchtung und verzichteten auf die Beleuchtung von Kulturdenkmälern. Herkömmliche Leuchtmittel wurden durch LED ersetzt und der Stand-by-Verbrauch elektronischer Geräte reduziert. Diese vermeintlich kleinen Massnahmen summierten sich und wir waren überrascht, wie viel Energie dadurch tatsächlich eingespart werden konnte. In der engeren Zentralverwaltung zeigte sich, dass diese Einsparungen auch im folgenden Winter aufrechterhalten werden konnten.
 

Martin Neukom seitlich vor einem dunklen Hintergrund stehend,  in der Hand ein Mikrophon.
Gesellschaft und Wirtschaft im Kanton sind heute besser auf eine mögliche Energieknappheit vorbereitet als vor zwei Jahren, sagt Regierungsrat Neukom. Das Foto entstand anlässlich des 5. Klimadialogs mit Gemeinden. Quelle: Sabina Bobst

Unternehmen, Gemeinden und private Haushalte sind nach wie vor aufgefordert, Energie zu sparen. Bietet der Kanton Zürich dabei Unterstützung?

Ja, wir haben eine Reihe von Förderprogrammen, die darauf abzielen, die Energieeffizienz zu steigern. Private Haushalte erhalten Unterstützung bei der Umstellung auf energieeffiziente Heizsysteme wie Wärmepumpen und Solaranlagen. Für Unternehmen gibt es Beratungsprogramme und Anreize, ihre Produktionsprozesse und Gebäude energetisch zu optimieren. Die Verbesserung der Effizienz im Gebäudebereich und bei Heiztechnologien ist ja auch ein wichtiger Bestandteil des kantonalen Energiegesetzes, das 2022 in Kraft trat. Langfristig wollen wir die Abhängigkeit von Energieimporten verringern und die Nutzung erneuerbarer Energien steigern.

Apropos erneuerbare Energien: Die Energiemangellage hat uns unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen deutlich vor Augen geführt und der Diskussion um erneuerbare Energien Auftrieb verliehen. Was braucht es, um in künftigen Wintern die Versorgungssicherheit zu gewährleisten?

Durch die laufende Dekarbonisierung, den Umstieg von Ölheizungen auf Wärmepumpen und den Wegfall der Kernenergie entsteht im Winter eine Versorgungslücke beim Strom. Eine einzelne Technologie wird diese Lücke nicht schliessen können. Die Lösung liegt vielmehr in einer Kombination verschiedener Ansätze: Dazu gehören etwa die Windkraft, die im Winter mehr Strom produziert, Solaranlagen in den Bergen, die ebenfalls im Winter Strom liefern, der Ausbau der Wasserkraft, eine bessere Energieeffizienz sowie saisonale Energiespeicher wie Erdwärmespeicher. Mit dieser Mischung verschiedener Technologien können wir auch in den Wintermonaten eine zuverlässige Energieversorgung sicherstellen.

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