Mit Klartextsystematik werden Bibliotheken kundenfreundlicher
Mitteilung 22.09.2022
Mit der Klartextsystematik werden Medien in Bibliotheken statt mit verschlüsselter Signatur mit Schlagworten beschriftet. Das hilft der Kundschaft bei der Suche und bietet neue Möglichkeiten der Medienpräsentation. Erfahrungen zeigen, dass Bibliotheken mit Klartextsystematik bessere Ausleihzahlen erzielen. Die neue Klartextsystematik wird den Schweizer Bibliotheken ab diesem Herbst zur Verfügung stehen.
Ein Interview mit Eva Mathez, Präsidentin Kommission Standards Öffentliche Bibliotheken und Schulbibliotheken Bibliosuisse
Was bedeutet Klartextsystematik und welche Vorteile bietet sie?
Eva Mathez: Die Klartextsystematik heisst so, weil es eine uncodierte Systematik ist. Der Begriff ist die Signatur und es gibt keine Zahlen wie bei der Dezimalklassifikation. Dadurch rückt die Aufstellung des Bestands näher an den Alltag der Kunden und Kundinnen. Medien zu Kind und Erziehung stehen also nicht bei den Themen Erziehung, Psychologie oder Gesundheit (Dezimalklassifikation), sondern zusammen mit allen Medien zu diesem Thema unter «Kind und Erziehung». «Kind und Erziehung» steht auch als Text auf dem Signaturschild.
Wie sehen Medien konkret aus, die gemäss Klartextsystematik ausgerüstet sind und was ist der Unterschied zur Aufstellung nach TOM?
Eva Mathez: Es wird weiterhin auf dem Buchrücken eine Signatur geben, allerdings mit Text, sowie z. B. farbige Kleber mit der jeweiligen Altersempfehlung. Eine genaue Empfehlung wird die Kommission im Herbst zusammen mit allen Unterlagen (Systematik mit allen Begriffen + FAQ) auf der Website Bibliosuisse veröffentlichen.
TOM arbeitet gemäss «Was ist wo?» von 2005 mit Kabinett und einer Hierarchie, also zwei Einteilungsstufen. Für die Klartextsystematik sind drei Hierarchiestufen plus Ordnungswort vorgesehen. Damit können Bestände differenzierter erschlossen werden. Besonders grössere Bestände brauchen eine feinere Einteilung, damit nicht zu viele Regalmeter bei einer Recherche durchsucht werden müssen.
Kannst Du kurz die Hierarchiestufen der Klartextsystematik erklären?
Eva Mathez: Oberste Stufe ist eine Kabinettsbezeichnung, wie z. B. «Kind und Erziehung». Diese Anwendung ist freiwillig. Danach folgen in der ersten Hierarchie beispielsweise «Eltern werden», «Familienleben» und «Pädagogik». Und darunter gibt es in der zweiten Hierarchie z. B. bei «Eltern werden» weitere Unterteilungen wie «Allgemein», «Schwangerschaft», «Geburt» und «Vornamen». In manchen Kabinetten kann es auch eine dritte Hierarchiestufe geben, wie z. B. bei «Natur & Technik» mit Tiere, Säugetiere, Huftiere. Die Bibliotheken entscheiden gemäss ihrer Bestandsgrösse, wie fein, also in wie viele Hierarchiestufen, sie den Bestand unterteilen wollen.
Sollten Bibliotheken, die bereits TOM eingeführt haben, auch umstellen?
Eva Mathez: TOM kommt ursprünglich aus der Belletristik. Das ist der grosse Unterschied. Deshalb haben diverse Bibliotheken ihren Kinderbuchbestand nach TOM aufgestellt, aber nicht ihren Sachbuchbestand für Erwachsene. Dafür ist TOM zu grob gegliedert. Allerdings ist TOM frei in der Begriffswahl und es wäre auch möglich, eigene Texte zu entwickeln. Es ist also auch denkbar, mit TOM weiterzufahren. Allerdings ist die Frage, wie lange die Medienausrüstung beim SBD mit TOM noch angeboten wird. Und zudem ist die Klartextsystematik der Kommission Standards jetzt aktuell. Die TOM-Übersicht in «Was ist wo?» (S. 106) ist dagegen von 2005.
Wann sollten Bibliotheken ihren Bestand auf Klartextsystematik umstellen? Liefert die SBD Schweizerische Bibliotheksservice AG bis auf weiteres nach wie vor auch die Medienausrüstung gemäss Dezimalklassifikation?
Eva Mathez: Es ist noch offen, ob der SBD Bestände retrospektiv nach Klartext erschliesst. Neue Bücher werden vom SBD ab Herbst mit der Klartextsystematik ergänzt. Die Erschliessung nach der Dezimalklassifikation durch den SBD bleibt bis auf weiteres bestehen. Konkretisierungen vom SBD werden bei Bedarf folgen. Der SBD, der zudem mit Caroline Wenger auch als Mitglied in der Kommission Standards vertreten ist, wird dazu voraussichtlich im Herbst informieren. Die Kommission Standard informiert dann ebenfalls über die Website Bibliosuisse.
Die Unterlagen stehen der Kommission ab Herbst zur Verfügung. Die Umstellung ist freiwillig und der Zeitpunkt der Umstellung kann gemäss betrieblicher Möglichkeiten selbst gewählt werden. Bibliotheken aus Deutschland machten nach der Umstellung auf Klartext die Erfahrung, dass Ausleihzahlen und Kundenzufriedenheit steigen.
Weitere Kommissionsmitglieder sind:
- Roger Günthart (Stadtbibliothek Schaffhausen)
- Gaby Mattmann (Bibliothek Zug)
- Heinz Oehen (GGG Stadtbibliothek Basel)
- Caroline Wenger (SBD.bibliotheksservice ag)
- Susanne Galliker (Stadtbibliothek Katharinen St. Gallen)
- Christl Göth (Winterthurer Bibliotheken)
- Anna Katharina Lietha (PBZ Pestalozzi-Bibliothek Zürich)
- Franziska Siegrist (Kornhausbibliotheken Bern)
Mitgearbeitet haben auch die ehemaligen Mitglieder:
- Silvan Hollenstein (Kornhausbibliotheken Bern)
- Barbara Nabulon (Kornhausbibliotheken Bern)
- Sandra Steiner Matt (Lesezentrum Sek Waldenburgertal)
- Gret Kohler (Bibliothek Landquart und Umgebung)
Vielen Dank für das Interview und die wertvolle Arbeit der Kommission Standards Öffentliche Bibliotheken und Schulbibliotheken Bibliosuisse.
Eine Bestandsaufstellung gemäss Klartextsystematik ist sicherlich eine sehr gute kundenorientierte Massnahme und ein wichtiger Schritt in Richtung Bibliotheken der Zukunft.
Die Fachstelle Bibliotheken plant einen Infoabend am 7. Februar 2023 mit Eva Mathez zur neuen Klartextsystematik in der Regionalbibliothek Affoltern.
Weitere Infos und Anmeldemöglichkeit erhalten Sie mit dem Dezember-Newsletter.
Bitte geben Sie uns Feedback
Ist diese Seite verständlich?
Vielen Dank für Ihr Feedback!
Kontakt
Amt für Jugend und Berufsberatung - Fachstelle Bibliotheken