Einblicke in ein Health- und Insurtech Unternehmen
Mitteilung 04.05.2021
Die dacadoo AG ist ein Technologieunternehmen, das Gesundheitsrisiken misst und Technologielösungen für digitale Gesundheitsplattformen anbietet. 2010 in Zürich von Peter Ohnemus gegründet, beschäftigt dacadoo heute bereits 105 Mitarbeitende an seinen zahlreichen internationalen Standorten. Im Zuge der neuen Life Sciences Clusterstudie haben wir mit Peter Ohnemus gesprochen.
dacadoo ist ein Healthtech und Insurtech Unternehmen, das mit Hilfe von mobilen Endgeräten, sozialen Netzwerken, Künstlicher Intelligenz (KI) und Big Data spielerisch das Wohlbefinden seiner Nutzer verbessern soll. Können Sie uns Ihr Unternehmen kurz vorstellen?
P. Ohnemus: dacadoo wurde 2010 gegründet, wir sind also bereits zehn Jahre alt. Wir hatten damals die Idee, den schlecht greifbaren Begriff «Gesundheit» in einer einfachen und verständlichen Weise zu quantifizieren, sprich in einer Zahl von 0 bis 1000, in welche körperliche Werte sowie Werte zum mentalen Wohlbefinden und Lebensstil einfliessen. So entstand der «Health Score» oder Gesundheitsindex. 2016 haben wir unsere «Lifestyle Navigation»-Plattform lanciert, welche es Nutzern erlaubt auf spielerische und aktive Weise ihre Gesundheit zu messen und ihren Lebensstil zu halten bzw. zu verbessern. 2018 haben wir die «Risk Engine» entwickelt, welche basierend auf limitierten Gesundheitsdaten Wahrscheinlichkeiten von Lebenserwartung sowie Morbidität kalkuliert. Das stösst aufgrund von Covid-19 momentan auf sehr grosses Interesse.
Warum haben Sie Zürich als Standort ausgewählt? Was macht Zürich für Sie besonders attraktiv?
P. Ohnemus: Erstens ist die Präsenz der ETH Zürich (ETHZ) ein starker Wettbewerbsvorteil. Dabei ist deren Expertise in den Bereichen Biologie und Internet of Things (IoT) für uns besonders interessant, gerade in Bezug auf die Rekrutierung von Talenten. Zweitens ist auch die Universität Zürich (UZH) mit dem Universitätsspital (USZ) wichtig für uns. Das beste Beispiel dafür ist Prof. Dr. Lüscher: Er war Chefarzt der Kardiologie am USZ und sitzt jetzt bei uns im wissenschaftlichen und technologischen Aufsichtsrat. Ein weiterer wichtiger Standortfaktor ist die hohe Internationalität: Wir haben bei dacadoo fünfzehn verschiedene Nationalitäten. Die breite Auswahl an internationalen Fachkräften in Zürich macht den Standort für uns attraktiv.
Spielt das Know-How im Bereich der Versicherungen und das stark ausgebildete ICT Cluster in Zürich für Sie auch eine Rolle?
P. Ohnemus: Ja, das ist natürlich sehr wichtig für uns. Für dacadoo ist vor allem das Rückversicherungs- sowie Lebensversicherungsgeschäft wichtig. Da ist Zürich hervorragend aufgestellt als «Hauptstadt» der Rückversicherer. Unsere beiden Produkte sind für beide Kundensegmente interessant, z. B. zum besseren Kundenengagement mittels der Gesundheitsplattform, oder zum attraktiveren Versicherungsanmeldeprozess mittels der Risk Engine, wo wir Versicherer im sogenannten Accelerated Underwriting unterstützen. Zusätzlich profitiert dacadoo auch vom ICT Know-How in Zürich. Dabei ist besonders das Wissen im Bereich der Sensoren für uns relevant, weil unsere Daten so gesammelt werden.
Wie sind Sie im Ecosystem Zürich vernetzt? Findet bereits ein Wissensaustausch statt?
P. Ohnemus: Wissensaustausch findet zum Beispiel in der Schweiz via der European Tech Tour statt. Ausserdem gibt es die Schweizer Venture Capital Szene rund um Christian Wenger, mit der ich gut vernetzt bin. Das Netzwerk sollte in Zürich generell mehr gefördert werden, wobei die entscheidende Frage ist, wie man die richtigen Leute beispielsweise bei einem spannenden Event zusammenbringt.
Welche Rahmenbedingungen spielen in Ihrer Branche eine wichtige Rolle?
P. Ohnemus: Die erste Rahmenbedingung wird vom Versicherungs-Regulator bestimmt: Es sollten neue Versicherungsprodukte auf den Markt gebracht werden, die Personen motivieren, mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen und sich besser um sie zu kümmern, präventiv. Das ist viel günstiger, als Krankheiten zu behandeln.
Eine weitere Rahmenbedingung betrifft die Besteuerung von Mitarbeiteraktien. Diese sind besonders für Start-ups wichtig, um Fachkräften einen zusätzlichen Anreiz zu geben, sich für Start-ups zu entscheiden, weil sie sich am Unternehmen beteiligen können. Hier gibt es immer noch Verbesserungspotenzial.
Eine weitere und die für mich wichtigste Rahmenbedingung beinhaltet die Emissionsabgaben auf Wertpapiere, die bei einer Kapitalerhöhung gezahlt werden müssen. Meine ausländischen Kapitalgeber investieren also Geld in der Schweiz, das bereits versteuert wurde und müssen auf ihre Investition noch zusätzliche Abgaben leisten. Das ist eine Rahmenbedingung, die attraktiver gestaltet werden sollte.
Wie schätzen Sie die Lage in der Schweiz in Bezug auf elektronische Patientendaten ein?
P. Ohnemus: Das ist ein wichtiges Thema. Im Vergleich zu Dänemark und Norwegen ist die Schweiz bestimmt zehn Jahre im Rückstand. Das Problem besteht darin, dass man sich in der Schweiz bisher auf keinen Standard einigen konnte. Leider ist das Thema sehr politisch. Elektronische Patientendaten ermöglichen es, effizienter zu arbeiten und verhindern, dass verschiedene Ärzte die gleichen Tests bei Patient A mehrfach durchführen müssen. Mit der Effizienzsteigerung durch elektronische Patientendaten könnte man 25-40 % der Gesundheitsausgaben einsparen. Langfristig können wir uns ein Gesundheitssystem ohne zeitgemässe Digitalisierung nicht leisten.
Thema Venture Capital: dacadoo hat bis 2019 70 Mio. CHF in verschiedenen Kapitalrunden aufgebracht (laut startupticker.ch). Ist der Zugang zu Venture Capital in Zürich einfacher als in anderen Regionen der Schweiz? Wie steht die Schweiz im internationalen Vergleich da?
P. Ohnemus: Ich glaube eindeutig, dass Zürich das meiste Risikokapital zur Verfügung hat. Jedoch sitzt der erfolgreichste Venture Capitalist in Genf. International gesehen sehe ich uns nicht vorne mitmischen, aber wir sind am Aufholen. Das liegt auch daran, dass die Rahmenbedingungen in der Schweiz für Risikokapital nicht besonders freundlich sind.
Wo sehen Sie Potentiale in der Digitalen Healthtech Branche?
P. Ohnemus: Wir geben weltweit etwa doppelt so viel für Gesundheit aus wie für Lebensmittel. Das soll heissen wir ernähren uns falsch und danach geben wir mehr als doppelt so viel aus, um das wieder auszugleichen. Dies gilt auch für die Schweiz. Ich bin der Meinung, dass sich die Schweiz im Bereich der Digitalen Gesundheit stärker engagieren müsste. Es sollte schon bei Ausbildungsprogrammen angesetzt werden, z. B. mit einem Studienangebot für Digitale Gesundheit. Zudem wären spezielle Förderprogramme für den Bereich Digitale Gesundheit hilfreich. In der Schweiz gibt es ausserdem keine Gesetzgebung, die die Krankenkassen motiviert, Digitale Gesundheit zur Verfügung zu stellen.
Wenn Sie noch einen Wunsch frei hätten beim Kanton – was wäre das?
P. Ohnemus: Dass der Standort Zürich weltweit die Nummer 1 im Bereich der Digitalen Gesundheit wird.
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