Einblicke in den Balgrist Campus

Titelbild der Clusterstudie Life Sciences Zürich 2021/2022

Der Balgrist Campus (Balgrist Campus AG) verbindet Medizin, Forschung und Industrie und gehört zur Forschungsinfrastruktur von nationaler Bedeutung. Im Zuge der neuen Life Sciences Clusterstudie haben wir mit Caroline Sciullo, Geschäftsführerin Balgrist Campus AG, gesprochen.

Können Sie uns etwas zur Entstehungsgeschichte erzählen? Welche Ziele wurden damit verfolgt?

C. Sciullo: Alles entstand mit der Vision des damaligen ärztlichen Direktors der Universitätsklinik Balgrist (Prof. Christian Gerber): Die Forschung und Klinik sollten enger zusammengebracht und die verschiedenen Forschergruppen unter einem Dach vereint werden mit dem Ziel, die Gesundheit und Lebensqualität von Patienten mit muskuloskelettalen Erkrankungen zu verbessern. Wir können am Balgrist Campus – Dank der Nähe zur Klinik – einen einmaligen Kreislauf umsetzen, direkt vom Patientenbett resp. den behandelnden Ärzten zu den Forschern und Entwicklern, welche Antworten für die ungelösten Probleme finden sollen.

Welche Angebote haben Sie am Campus?

C. Sciullo: Wir bieten eine auf den Bewegungsapparat fokussierte Forschungsinfrastruktur und drei zusätzliche, spezifische Plattformen, welche internen und externen Gruppen offenstehen. Der Balgrist Campus ist seit 2016 eine Forschungsinfrastruktur von nationaler Bedeutung. Das bedeutet, der Bund co-finanziert die Infrastruktur und den Betrieb dieser drei Plattformen/Zentren: Das Swiss Center for Musculoskeletal Imaging (SCMI) ist auf die diagnostische Bildgebung spezialisiert und bietet Zugang zu hochkarätigen radiologischen Bildgebungsgeräten (u.a. dem ersten 7-Tesla MRT der Schweiz mit klinischer Zulassung). Das Swiss Center for Musculoskeletal Biobanking (SCMB) ist ein nationales Zentrum für die Sammlung, Lagerung und Analyse von Gewebe- und Flüssigkeitsproben. Und das Swiss Center for Clinical Movement Analysis (SCMA) betreibt und unterstützt Forschung im Bereich der klinischen Bewegungsanalyse und ermöglicht die objektive und präzise Quantifizierung von Bewegungsabläufen.

Wie werden die Forschungsgruppen bei Ihnen zusammengestellt?

C. Sciullo: Die meisten Gruppen sind Forschungsgruppen der Universität Zürich und der ETH Zürich. Sie decken verschiedene Disziplinen ab (Muskelforschung, Biomechanik, Robotik, Tumorbiologie, Paraplegie, Rheumatologie sowie klinische Orthopädie). Bei allen liegt jedoch der Fokus auf der Erforschung des Bewegungsapparats.

Foto von Caroline Sciullo sowie Einblicke in die Arbeit des Balgrist Campus
Bild links: Caroline Sciullo, Geschäftsführerin Balgrist Campus AG; Bild Mitte: Forschungsinfrastruktur - Swiss Center for Clinical Movement Analysis; Bild rechts: Forschungsinfrastruktur - Swiss Center for Musculoskeletal Imaging; Quelle: Balgrist Campus AG

Wie fördert der Balgrist Campus die Zusammenarbeit im Haus?

C. Sciullo: Zum einen haben wir ein offenes, helles Gebäude geschaffen mit sogenannten «Split-Levels», welche die Sicht über das eigene Stockwerk hinaus ermöglichen. Das andere ist die organisatorische Umsetzung: Bei uns sind nicht einzelne Forschungsgruppen voneinander abgegrenzt, sondern wir haben in jedem Stockwerk funktionelle Arbeitsplätze. Das Ziel ist der kontinuierliche Austausch.

Was macht den Standort Zürich für die Forschung – besonders im Bereich Medtech – so attraktiv?

C. Sciullo: Die herausragende Stärke ist die Forschungskompetenz der Zürcher Hochschulen sowie das Netzwerk «Universitäre Medizin Zürich», dem die Universität Zürich, die ETH Zürich und die universitären Spitäler angehören. Mit ihrer aussergewöhnlichen Tradition und internationalen Reputation ist zudem die Schweizer Orthopädie in sich selbst ausserordentlich attraktiv. Zürich ist nach wie vor ein sehr beliebter Wohnstandort, und es braucht keine grosse Überzeugungsarbeit, um Forschende aus der ganzen Welt anzuziehen.

Wo sehen Sie bzgl. Rahmenbedingungen Hürden für den Balgrist Campus?

C. Sciullo: Die Zulassung von Studien durch Ethikkommission und Behörden kann sehr aufwändig, langwierig und teuer werden. Zudem ist es befremdend, dass Bewilligungen für Forschungsprojekte sehr kantonsabhängig sind. Forschungsprojekte mit Menschen werden in eine Risiko-Kategorie eingestuft. Die Einteilung folgt aber zum Teil formalen Kriterien – völlig unbesehen vom real existierenden Risiko. Je nach Formulierung der Projektziele oder auch je nach Kanton wird so das eine Projekt in die risikoärmste Kategorie (= geringste Auflagen) oder auch in die höchstmögliche Risikokategorie (= grösste Auflagen) eingeteilt und dies bei absolut vergleichbaren realen Risiken.

Die EU hat die Einführung einer Medizinprodukteverordnung (EU-MDR) geplant, die den Zugang zum EU-Binnenmarkt erschweren würde. Die Einführung wurde um ein Jahr verschoben, soll aber 2021 erfolgen. Welche Auswirkungen erwarten Sie für die Branche?

C. Sciullo: Von den Forschungsgruppen und Start-ups hören wir diesbezüglich grosse Bedenken. Da sich die Schweiz ausschliesslich auf die CE Zertifizierung abstützt, aber über keine akkreditierte MDR-Zulassungsstelle verfügt, werden neue, möglicherweise nur für die Schweiz vorgesehene Produkte in den wenigen, überlasteten Zertifizierungsinstitutionen der EU geprüft und zugelassen werden müssen. Es wäre in diesem Zusammenhang sicher prüfenswert, ob die Schweiz nicht auch weitere Regulierungssysteme (z. B. die US-FDA) anerkennen sollte.

Wo sehen Sie für den Balgrist Campus konkret die grössten Verbesserungsmöglichkeiten am Standort Zürich?

C. Sciullo: Die Integration ins Hochschulsystem kann noch verbessert werden. Im Vergleich z. B. zum Kanton Bern scheint die kantonale Unterstützung dieser Infrastruktur von nationaler Bedeutung doch sehr gering. In Bern gibt es das sitem-insel (Swiss Institute for Translational and Entrepreneurial Medicine), welches vom Bund ebenfalls zur Forschungsinfrastruktur von nationaler Bedeutung ernannt wurde. Es wird aber zusätzlich vom Kanton Bern unterstützt und als deren Leuchtturmprojekt vermarktet.

Clusterstudie Life Sciences Zürich 2021/2022

Clusterstudie Life Sciences Zürich 2021/2022
Clusterstudie Life Sciences Zürich 2021/2022
Herausgeber/in
AWA - Standortförderung
Publikationsdatum
März 2021
Autor/in
BAK Economics AG

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