Neue archäologische Erkenntnisse zum römischen Oberwinterthur

Auf dem heutigen Kirchhügel von Oberwinterthur lag einst das Zentrum der römischen Siedlung Vitudurum. Die jüngste archäologische Forschung zeigt, wie sich die kleinstädtische Siedlung zur spätantiken Festung wandelte. Und: Sie weist nach, dass die Römer in Winterthur Schnecken assen und weitum Handel trieben.

Seit rund 200 Jahren ist die ehemalige Römersiedlung Vitudurum Gegenstand archäologischer Forschung. Ein besonderes Augenmerk galt dabei von Anfang an dem Zentrumsquartier auf dem heutigen Kirchhügel von Oberwinterthur. In der soeben erschienenen Publikation «Das Zentrumsquartier im römischen Oberwinterthur» legt der Zürcher Archäologe Markus Roth eine umfassende Analyse dazu vor. Seine Auswertungen und Interpretationen erweitern das Bild der einstigen Siedlung und liefern wichtige Impulse für dessen weitere Erforschung.

Das Zentrum von Vitudurum

Die römische Siedlung Vitudurum im heutigen Oberwinterthur wurde im ersten Jahrzehnt vor Christus gegründet. Spätestens um 30 n. Chr. begann die Überbauung auf dem heutigen Kirchhügel, wo das Zentrumsquartier und damit das Herz der neuen Siedlung entstand. Das Quartier zeichnete sich von Anfang an durch einen grossen und weitläufigen Platz aus, der von Häusern umgeben war. In der weiteren Entwicklung kamen ein zentraler Tempel und eine öffentliche Badeanlage, später ein zweiter Tempel sowie ein basilikaartiges Gebäude hinzu. Die Art dieser Bauten lässt am Charakter des Quartiers als Zentrum und Kern des Gemeinwesens keinen Zweifel. Wer die beiden Tempel stiftete und welchen Gottheiten sie geweiht waren, ist hingegen unklar. Funde in der Nähe des Tempels deuten jedoch auf einen Kult des Götterboten Merkur und des Soldatengotts Jupiter Dolichenus hin.

Vom Zentrumsquartier zur Befestigungsanlage

Wie archäologische Funde und Befunde zeigen, kam es im Übergang zur Spätantike in Vitudurum zu tiefgreifenden Veränderungen. Die öffentlichen Gebäude und die Häuser im Zentrumsquartier wurden in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts abgetragen, um Platz für eine Befestigungsanlage zu schaffen und Material für deren Bau zu gewinnen. Aller Wahrscheinlichkeit nach diente die Anlage in erster Linie als Zufluchtsort für die Bevölkerung in einer von wirtschaftlicher Instabilität und von äusseren Bedrohungen geprägten Zeit. Eine wichtige Quelle für die Errichtung der neuen Wehranlage ist eine Inschrift aus dem Jahr 294 n. Chr., die nicht nur den Bau selbst bezeugt, sondern mit Kaiser Diokletian auch den Auftraggeber nennt.

Gut vernetzt

Neben den allgemeinen Linien der Entwicklungsgeschichte des Zentrumsquartiers von Vitudurum und den bereits erwähnten Umbrüchen in der Spätantike geht Markus Roth in seiner Publikation auch auf zahlreiche Funde und Befunde ein, die interessante Einblicke in das Alltagsleben der Römersiedlung und ihre wirtschaftliche Verflechtung ermöglichen. Dazu gehören unter anderem Schneckenhäuser, die auf die damaligen Essgewohnheiten hinweisen, und ein goldener Ring mit der Inschrift Constantino fidem – eine Treuebekundung zu Kaiser Konstantin dem Grossen. Als besonders aufschlussreich erweist sich die chemische Untersuchung der in Oberwinterthur gefundenen Terra Sigillata (römisches Tafelgeschirr), auf deren Grundlage Handelsbeziehung nach Rheinzabern, Trier, Augst und Avocourt in den Argonnen nachgewiesen werden können. Zusammen mit der Untersuchung weiterer Importware wie Amphoren von der Iberischen Halbinsel sowie aus Nordafrika und Palästina ergibt sich ein deutliches Bild, wie vernetzt Oberwinterthur einst gewesen sein muss.
 

Das Zentrumsquartier im römischen Oberwinterthur

Vom Vicus zur spätantiken Befestigung
Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 57 (Zürich/Basel 2025)
Autor: Markus Roth
446 Seiten, 265 Abbildungen, 44 Tafeln
Preis Fr. 110.–, Sonderpreis bis 30. September 2025 Fr. 80.–
Open Access: https://doi.org/10.20384/zop-2940

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