«Einst und Jetzt»: Schicht für Schicht auf den Spuren der Vergangenheit

Bevor in Marthalen Bagger Kies abbauen, legt die Kantonsarchäologie Jahrtausende alte Kulturgüter frei, vom Bohrer aus der Steinzeit bis zur frühmittelalterlichen Siedlung. Im Landesmuseum begleitete die kantonale Denkmalpflege die Sanierung des Westflügels, bei der unter neueren Farbschichten prächtige Malereien aus der Bauzeit ans Tageslicht gelangten. Darüber und über steinerne Figuren als Fassadenschmuck in der Stadt Zürich berichtet die neue Ausgabe von «Einst und Jetzt».

Die Kiesgrube in Marthalen ist nicht nur ein Abbaugebiet für einen begehrten Rohstoff, sondern auch eine Schatzkammer für die Archäologie. Das weiss man seit 1952, als Arbeiter auf menschliche Knochen und Schmuck stiessen. Sie gehörten zu Gräbern aus dem 7. Jahrhundert n.Chr. Weil immer wieder archäologische Funde und Strukturen zum Vorschein kamen, untersucht die Kantonsarchäologie seit 2017 systematisch jedes neue Feld, bevor es für den Kiesabbau freigegeben wird. Planung, Ausgrabungen und Abbau finden in engem Austausch mit dem Unternehmen statt.

Die Fülle an Informationen und geborgenen Kulturgütern wächst seither stetig. Unterdessen wissen die Fachleute, dass das Areal seit 10 000 Jahren genutzt wird, als Rastplatz, Siedlungsstandort, Friedhof und für die Landwirtschaft. Die ältesten Spuren hinterliessen vorbeiziehende Nomaden: Werkzeuge aus Feuerstein und Knochen von erlegten Auerochsen. Keramikgefässe belegen eine erste Siedlung um 4400 v.Chr. und Gräber sind seit der Bronzezeit nachgewiesen. Sie zeigen, wie sich die Bestattungssitten im Lauf der Zeit änderten und gestatten einen Blick in die gesellschaftlichen Verhältnisse, etwa durch besonders reiche Beigaben. Um 600 n.Chr. entstand eine 60 000 m2 grosse Siedlung mit Bauernhäusern und Handwerksbetrieben, vielleicht hiess sie «Nieder-Marthalen».

Die Gullsche Pracht hervorgeholt

Architekt Gustav Gull schuf mit dem 1898 eröffneten Landesmuseum ein Gesamtkunstwerk. Mit originalen Bauteilen und Malereien nach historischen Vorbildern aus der ganzen Schweiz gestaltete er eine berauschende Raumatmosphäre. Nicht alle fanden Gefallen daran. Sie liessen Wände und Decken überstreichen, um die Ausstellung in nüchternen Räumen in den Vordergrund zu rücken. Der frühere Zustand blieb aber dank Fotografien überliefert. So war eine der zentralen Fragen während der neun Jahre dauernden Renovierung des Landesmuseums, was davon wiederhergestellt werden kann. Die 2019 abgeschlossene Sanierung des Westflügels zeigt, dass es sehr viel ist. Mit chirurgischer Präzision legten Restauratorinnen unter zahlreichen Farbschichten den originalen Wandschmuck frei. Oft gelang die Konservierung, an anderen Stellen entschied man sich nach eingehender Diskussion für Ergänzungen oder eine passende Neuinterpretation. Viel handwerkliches Geschick verlangte auch die Wiederherstellung der Böden. Nach langem Tüfteln gelang die Herstellung von neuen Fliesen, die sich optimal einpassen. Alt und Neu bilden so eine wundersame Einheit.

Steinerner Schmuck: Köpfe an Fassaden

Eine Fratze am Schulhaus Hirschengraben, ein schlangengekröntes Medusenhaupt am Corso und allerlei Portraits an Landesmuseum und Grossmünster: zahlreiche Skulpturen aus Stein schmücken die Fassaden von Stadtzürcher Gebäuden. In Klassizismus und Jugendstil sind es zeittypische Zierelemente, manchmal erwiesen die Bauherren aber auch bedeutenden Persönlichkeiten die Reverenz. Beim Landesmuseum sind es Architekt Gustav Gull, der erste Museumsdirektor Heinrich Angst und Historiker Heinrich Zeller-Wermüller, jeweils mit typischen Attributen ausgestattet. Gar städtische Beamte kamen zu Ehren, frühere Stadtbaumeister, die neben Dichtern die Konsolen an der Fassade des Grossmünsters tragen.

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«Einst und Jetzt» − Die Zeitschrift zu Archäologie und Denkmalpflege im Kanton Zürich

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