Steinzeit und Mittelalter im Furttal

Das Furttal steht im Zentrum von zwei neuen Publikationen der Kantonsarchäologie Zürich. Wertvolle Erkenntnisse zum Siedlungsbau auf dem Land bringen Gebäudereste aus der Jungsteinzeit, die 2009 in Otelfingen entdeckt wurden. Archäologische Untersuchungen von mittelalterlichen Gräbern und Häusern zeigen die dynamischen Siedlungsprozesse, aus denen sich das Dorf Otelfingen herausbildete. Ein weiterer Beitrag erlaubt schliesslich einen Blick in den Geschirrschrank eines Winterthurer Gasthauses.

Die Monographie zu Otelfingen-Harbernbach schliesst eine Lücke. Dörfer, Lebens- und Wirtschaftsformen der Jungsteinzeit kannte man bisher von Ausgrabungen an den Zürcher Seeufern. Am Harbernbach konnte erstmals eine Landsiedlung dieser Epoche untersucht werden. Die Otelfinger Lokalhistoriker Alfred und Ulrich Güller entdeckten den Siedlungsplatz bei einem Leitungsbau im Jahr 1981. Bei der Erweiterung des Golfplatzes 2009 grub die Kantonsarchäologie die Überreste einer zweiphasigen Siedlung aus der Zeit zwischen 3800 und 3700 v.Chr. aus. Sie wurde wohl in einem mehrjährigen Turnus abwechselnd mit anderen Plätzen im Furttal bewohnt und existierte während jeweils 10 bis 30 Jahren. Im Boden blieben die Spitzen von Pfählen und sogenannte Lehmlinsen erhalten. Letztere stammen von Böden und Feuerstellen, die einst zu den Gebäuden gehörten. Aus diesem Befund lässt sich schliessen, dass pro Siedlungsperiode 16−24 kleine Häuser mit einer Grundfläche von 4 x 8 Metern standen. Das dicht bebaute Areal war etwa 1500 m2 gross.

Grosse Menge von Pfeilspitzen, Klingen und Kratzer

Die Menschen, die hier lebten, hinterliessen vor allem Keramik sowie Geräte und Produktionsabfall aus Stein. Dazu gehören Steinplatten, auf denen Getreide gemahlen wurde, und zahlreiche Beilklingen. Ein Gusstiegel und eine Kupferperle belegen die Metallverarbeitung in der jüngeren Siedlungsphase. Organische Funde wie Geweih und Knochen erhielten sich an diesem Ort schlecht.

Erstaunlich ist die grosse Menge von Objekten aus Silex (Feuerstein) wie Pfeilspitzen, Klingen und Kratzer aber auch Bruchstücke aus der Herstellung und rohe Knollen. Der überaus wichtige Werkstoff der Steinzeit ist sehr hart und bricht scharfkantig, er eignet sich bestens für schneidende Geräte. Silex wurde an der Lägern abgebaut, nur einen halbstündigen Fussmarsch entfernt. Die Analyse der vorgefundenen Silexobjekte zeigt allerdings, dass die Siedler vom Harbernbach bloss beschränkten Zugang zu diesen begehrten Abbaustellen hatten. Sie verarbeiteten sehr viel Material von minderer Qualität, das sie in der Umgebung aufsammelten. Auch importierte Prachtstücke wie ein Dolch aus Norditalien sind die Ausnahme. Das regt zu Überlegungen zur sozialen und wirtschaftlichen Organisation an.

Ein Dorf sucht seinen Platz

Die zweite Publikation – der Sammelband «Archäologie im Kanton Zürich_04» – beinhaltet Beiträge zu frühmittelalterlichen Siedlungsresten in Otelfingen und Winterthurer Geschirrfunden. In den Jahren 2004 bis 2015 führte die Kantonsarchäologie in Otelfingen fünf Ausgrabungen durch. Sie dokumentierte in diesen Arealen frühmittelalterliche Gebäudereste und Gräber. Die Untersuchungen zeigen die Entwicklung von den ersten Höfen zum Dorf Otelfingen. Als bestimmende Konstante prägte die römische Strasse von Kloten nach Baden, damals eine wichtige Ost-West-Verbindung, die Siedlungslandschaft. Sie bestand im Frühmittelalter weiter und in ihrem Umfeld liegen Hinweise auf eine Siedlung am Südrand des Ortskerns von Otelfingen vor. Zeitgleich kennt man weitere Gehöfte an dessen Ostrand. Im 12. bis 13. Jahrhundert fand eine Konzentration statt: die älteren Siedlungsplätze wurden aufgegeben und allmählich fasste das Dorf Otelfingen um die Kirche und dem Bach entlang Fuss.

An der Schmittengasse legte die Kantonsarchäologie die Kellergrube eines Speichers aus der Zeit um 1300 frei und stiess darin auf verkohlte pflanzliche Überreste, darunter Äpfel. Sie erregten in der Fachwelt grosses Aufsehen, es handelt sich nämlich um den ersten archäobiologischen Nachweis von kultivierten Äpfeln.

Teller, Schüsseln und Tassen aus der Wirtschaft «Strohhof»

2012 brannte die Bar Domino am Neumarkt in Winterthur nieder. Als für den nachfolgenden Neubau ein Keller ausgehoben wurde, stiessen Archäologinnen auf eine Grube mit haufenweise Scherben. Die nahe gelegene Wirtschaft «Strohhof» lässt erahnen, dass sie auf diesem Geschirr ihr Essen auf den Tisch brachte. Gingen Teller, Töpfe, Flaschen und Tassen kaputt oder wurden nicht mehr gebraucht, entsorgte man sie in der Latrine. Die Funde zeigen das ganze Spektrum an Formen und Dekors des späten 19. Jahrhunderts, darunter auch zahlreiche Produkte aus regionaler Herstellung.
 

Otelfingen-Harbernbach. Eine jungsteinzeitliche Siedlung des 38. Jahrhunderts v.Chr. am Lägernsüdfuss

Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 55 (Zürich/Egg 2021)
Autor und Autorin: Adrian Huber, Anna Kienholz
192 Seiten, 152 Abbildungen, 24 Tafeln
Preis Fr. 55.–, bei Eintreffen der Bestellung bis 30.4.2022 nur Fr. 40.–

Archäologie im Kanton Zürich_04

Sammelband mit Beiträgen zum Frühmittelalter in Otelfingen und Winterthurer Geschirrfunden (Zürich/Egg 2021)
192 Seiten, 108 Abbildungen, 41 Tafeln
Preis Fr. 30.–

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