150 Jahre Keramikproduktion in Kilchberg

Von 1763 bis 1906 stellten mehrere Generationen von Unternehmern in Kilchberg Keramikgeschirr her. Sie belieferten wohlhabende Stadtbürger mit hochstehenden Produkten, aber auch die Landbevölkerung mit einfachem Alltagsgeschirr. Nach dem Ende der Keramikherstellung dienten die Gebäude als Landsitz, bis sie im Herbst 2002 gesprengt wurden. Die neuste Publikation der Kantonsarchäologie Zürich zeigt, was unter dem Bauschutt zu finden war: Gebäudereste und viele Keramikfunde, die nicht nur die ganze Vielfalt der Produktion, sondern auch den Herstellungsprozess aufzeigen.

Im Jahr 1763 kauften der spätere Zürcher Bürgermeister Johann Conrad Heidegger, der Dichter und Maler Salomon Gessner und weitere Persönlichkeiten aus der Stadt Zürich in Kilchberg ein Wohnhaus und Land am Zürichsee, um darauf eine Porzellanmanufaktur zu errichten. Einerseits wollten sie damit die Nachfrage des wohlhabenden Bürgertums nach Geschirr und Dekorgegenständen für die gehobene Tafelkultur befriedigen, andererseits ging es ihnen auch darum, Arbeitsplätze für die Landbewohner zu schaffen. Unter Direktor Adam Spengler, der zuvor in einer Berner Fayencemanufaktur gearbeitet hatte, stellte der Betrieb vor allem Tee- und Kaffeegeschirr aus Porzellan und Fayence her. Spengler und die späteren Fabrikanten im Schooren experimentierten aber auch mit Steingut, das man damals «Pfeifenerde» nannte und bedeutend günstigere Produkte ermöglichte.

Das Dekor der Porzellanwaren lehnte sich an die bekannten Erzeugnisse aus Meissen und Importware aus Asien an: in Unterglasurblau angebrachte Strohblumen oder die gängigen Motive «Fels und Vogel» sowie «Pagode und drei Bäume». Die Fayencegefässe blieben meist weiss und ohne Dekor. Spengler hatte sich jedoch verrechnet: Da ausschliesslich private Geldgeber und nicht wie im Ausland Fürsten- und Königshäuser investierten, fehlte es an Kapital. Zudem fanden die teuren Porzellanwaren vom Schooren zu wenig Absatz, dies nicht zuletzt deshalb, weil das «Rokoko-Design» aus der Mode gekommen war und sich der Betrieb nicht dem Klassizismus zuwandte. Schliesslich musste die Produktion eingestellt und 1791 die Firma liquidiert werden.

Gemeindepräsident übernimmt 1800 die Manufaktur

Nach einem Zwischenspiel unter Mathias Neeracher lag die Manufaktur von 1800 bis 1858 in den Händen des Kilchberger Gemeindepräsidenten Hans Jakob Nägeli, seines Sohnes Johann Jakob und dessen Schwester Louise. Sie produzierten Fayencegeschirr, das sie mit Blumengirlanden, Landschaftsmalereien und Sinnsprüchen in Schablonenschrift verzierten, sowie braun glasierte Ware. Die schlichten Formen des Biedermeier prägten das Äussere der Geschirre aus dem Schooren. Versuche mit Steingutprodukten nach dem englischen Vorbild von Wedgwood gaben sie bald wieder auf, da sie nicht mit der erfolgreichen Konkurrenz aus dem In- und Ausland mithalten konnten.

Praktisch gleichzeitig, von 1820 bis 1869, betrieben Johann Scheller und seine Söhne zunächst im Böndler und ab 1835 nur 200 Meter seeabwärts vom Schooren ein Konkurrenzunternehmen und stellten in ihrer mechanisierten Fabrik Steingut in industriellen Mengen her. Die Fabrik im Schooren wurde 1858–1897 von Johann Jakob Staub weitergeführt, der sich auf manganglasierte Ware und Blumentöpfe spezialisierte. Die letzten Produkte verliessen den Schooren 1906, im Jahr 1919 wurden die Manufakturgebäude zum Landsitz ausgebaut.

Umfangreiches Fundmaterial trotz Sprengung

Für die Kantonsarchäologie völlig überraschend legte am 12. Oktober 2002 eine Sprengung die ehemaligen Fabrikgebäude in Trümmer. Dem Ausgrabungsteam unter der wissenschaftlichen Leitung von Annamaria Matter blieb nichts anderes übrig, als unter dem Schutt nach Spuren der Keramikproduktion zu suchen. Trotz der schwierigen Voraussetzungen brachten die Grabungsarbeiten umfangreiches Fundmaterial ans Tageslicht, das zusammen mit den ausgewerteten historischen Dokumenten ein vielfältiges Bild der Keramikproduktion am Zürichsee zeigt.

Aus dem 18. Jahrhundert liessen sich die Grundmauern des Brennhauses dokumentieren, das die Firmengründer neben dem Wohnhaus erstellten. Viel Keramik fand man im Bereich vor dem Brennhaus, wo die Ware aussortiert und entsorgt wurde. Noch anschaulicher sind die Befunde und Funde aus dem 19. Jahrhundert: Neben Gebäudefundamenten untersuchten die Mitarbeitenden der Kantonsarchäologie die Reste von vier Brennöfen. Ausser den baulichen Strukturen fanden sie dabei immense Mengen von Keramikstücken, denn die Öfen wurden nach dem Einstellen der Produktion mit Produktionsabfällen und technischer Keramik aufgefüllt. Am Ufer häuften sich solche «entsorgten» Abfälle zu einer Auffüllung, welche die Uferlinie um mehrere Meter gegen den See hin verschob.

Herstellung lässt sich präzise verfolgen

Die Funde zeigen die ganze Produktepalette aus dem Schooren und der Fabrik Scheller mit all ihren Formen, Dekors und Glasuren: Porzellan, Fayencen, Steingut, braunglasierte Ware, Blumentöpfe und Ofenkeramik. Da nicht nur Endprodukte, sondern auch ausgeschiedene Waren aus dem gesamten Produktionsprozess vom Formen über das Brennen bis zum Glasieren deponiert wurden, lässt sich die Herstellung präzise nachverfolgen.

Besonders aufschlussreich ist die technische Keramik. Dazu gehören Gipsformen und Schablonen zum Formen der Geschirrteile, Behälter, in denen das Brenngut gestapelt wurde sowie kleine Keramikteile mit Farbproben. Durch den Vergleich mit zeitgenössischer Literatur lassen sich all diese Objekte den einzelnen Produktionsschritten zuweisen. Die Auswertung der Geschirrkeramik zeigt, dass in Kilchberg nicht nur die aus Museen und Sammlungen bekannten Prunkstücke hergestellt wurden, sondern auch eine grosse Vielfalt von einfachem und günstigem Alltagsgeschirr.

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Annamaria Matter
Die archäologische Untersuchung in der ehemaligen Porzellanmanufaktur Kilchberg-Schooren
Keramikproduktion am linken Zürichseeufer 1763–1906

Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 43 (Zürich und Egg 2012)

238 Seiten, 166 Abbildungen, 40 Tafeln
Preis Fr. 68.–, Einführungspreis bei Bestellung bis 31.8.2012 Fr. 50.–
Bezug: Verlagsshop auf www.fo-publishing.ch

Seeanstoss für Fabrikarbeiter: Die Porzellanfabrik im Schooren in einem Aquarell von ca. 1790. Links das Brennhaus mit den Öfen, rechts das Wohnhaus und dazwischen das Arbeitshaus.

Nach der Gebäudesprengung im Oktober 2002 legten Mitarbeitende der Kantonsarchäologie Mauer-fundamente und Reste der Brennöfen aus dem 19. Jahrhundert unter dem Bauschutt frei.

In den aufgegebenen Öfen und einer Aufschüttung am Ufer fand man grosse Mengen Produktionsabfall und technische Keramik, darunter Brennproben mit Farbmustern und Brennhilfen, in denen das Brenngut gestapelt wurde. Diese Fundstücke zeigen die verschiedenen Phasen des Herstellungsprozesses.

Die Arbeiter im Schooren brachten das Keramikgeschirr mit Gipsformen in die gewünschte Form. Solche Hilfsmittel ermöglichten eine rationelle Produktion in grossen Mengen.

Prachtstücke vom Schooren wie diese Platte mit Goldrand und Blumendekor fanden den Weg in Sammlungen und Museen. Auf der Ausgrabung hingegen fehlen sie weitgehend, hier dominierte neben der technischen Keramik das Alltagsgeschirr.

«Meiner lieben Freundin geweiht.» Fayence-Tassen mit Widmungen und Sinnsprüchen erfreuten sich im 19. Jahrhundert grosser Beliebtheit.

(Medienmitteilung der Baudirektion)

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